Gibt es Wahrheit? Eine Frage, auf die es viele Antworten zu geben scheint. Descartes war der
Überzeugung, dass das cogito sum notwendig wahr sei. Leibniz nennt die empirischen Erkenntnisse
Tatsachenwahrheiten, die rationalen Erkenntnisse Vernunftwahrheiten1. Schränkt man die Frage ein,
so kann man auch von einer Aussage behaupten, sie sei wahr. Seit der Scholastik setzte sich die
Formel durch: Wahrheit ist die Übereinstimmung einer Sache mit einem Gedachten2. Und wenn
man totale Gewissheit verlangt, findet man im Philosophischen Wörterbuch die Definition:
Wahrheit, das Sein desjenigen Seienden, das „wahr“ genannt wird;..3. Gibt es also Wahrheit? Ja!
Ja? Können wir uns dessen wirklich sicher sein? Oder bedarf es nicht eher einer Voraussetzung an
die Möglichkeit, dass es eine Wahrheit gäbe; den Glauben?
Ausgehend von einem Aufsatz von Thomas Nagel, werde ich mich mit der Frage beschäftigen, ob
es so etwas wie Wahrheit gibt, oder ob alles, was wir wahrnehmen oder denken, nur eine Täuschung
unseres Bewusstseins ist.
1. Einleitung
Gibt es Wahrheit? Eine Frage, auf die es viele Antworten zu geben scheint. Descartes war der Überzeugung, dass das cogito sum notwendig wahr sei. Leibniz nennt die empirischen Erkenntnisse Tatsachenwahrheiten, die rationalen Erkenntnisse Vernunftwahrheiten 1. Schränkt man die Frage ein, so kann man auch von einer Aussage behaupten, sie sei wahr. Seit der Scholastik setzte sich die Formel durch: Wahrheit ist die Ü bereinstimmung einer Sache mit einem Gedachten 2. Und wenn man totale Gewissheit verlangt, findet man im Philosophischen Wörterbuch die Definition: Wahrheit, das Sein desjenigen Seienden, das „ wahr “ genannt wird;.. 3. Gibt es also Wahrheit? Ja! Ja? Können wir uns dessen wirklich sicher sein? Oder bedarf es nicht eher einer Voraussetzung an die Möglichkeit, dass es eine Wahrheit gäbe; den Glauben?
Ausgehend von einem Aufsatz von Thomas Nagel, werde ich mich mit der Frage beschäftigen, ob es so etwas wie Wahrheit gibt, oder ob alles, was wir wahrnehmen oder denken, nur eine Täuschung unseres Bewusstseins ist.
2. Wahrheit?
„ Wenn man recht dar ü ber nachdenkt, so kann man sich nur ü ber das Innere seines eigenen Bewusstseins ganz sicher sein. “ 4. Mit diesem Satz beginnt Thomas Nagel sein erstes Kapitel und versucht auf den darauffolgenden Seiten zu erklären, weshalb dieser Satz plausibel scheint. Er beginnt Alltäglichkeiten aufzuführen, Dinge wie die Sonne, den Mond oder die Sterne; das Haus oder das Viertel, in dem man wohnt; Weltgeschichte oder Wissenschaft, und schreibt, dass diese Dinge nur durch unsere inneren Erlebnisse und Gedanken erreicht werden können. Ferner stellt er die Frage, woher wir denn wissen, ob es diese Dinge auch tatsächlich gibt? Zwar glauben wir an ihre Existenz, aber einen Beweis haben wir nicht.
Für Thomas Nagel ist es daher auch kein Beweis, wenn jemand einwenden würde, dass es eine körperliche Außenwelt deshalb gäbe, weil die Häuser, die Menschen oder die Sterne Dinge sind, die durch das Licht auf unsere Augen reflektiert werden und so eine Gesichtswahrnehmung verursache. Denn, so Nagel, kann man sich auf diese besonderen Informationen darüber, auf welche Weise visuelle Wahrnehmungen verursacht werden, nur dann stützen, wenn man sich bereits grundsätzlich darauf verlassen kann, dass uns die Inhalte unseres Bewusstseins über die Außenwelt unterrichten. Doch genau das wurde in Frage gestellt5. Und so würde man seines Erachtens im Kreise argumentieren, versuche man die Verlässlichkeit seiner Eindrücke im Rückgang auf seine Eindrücke zu beweisen.
Gibt es eine Wahrheit? Würde man seine Argumentation konsequent weiterverfolgen, so „endet man in der radikalen Annahme, dass das Bewusstsein das einzige sei, das existiert“. Das aber würde bedeuten, folgt man seiner Argumentation, dass man die Frage entschieden mit Nein beantwortet. Oder aber mit Ja, wenn man sein Bewusstsein als die einzige Wahrheit akzeptieren würde. Aber dieser radikalen Annahme, den Solipsismus, folgt auch Thomas Nagel nicht. Denn Thomas Nagel glaubt an eine existierende Welt außerhalb des Bewusstseins. Wie aber lässt sich die Existenz der Welt, die außerhalb des Bewusstseins liegt, beweisen?
Vielleicht doch über die Wahrnehmung? Wenn ich nicht an die Existenz der Außenwelt glaube, stellt sich die Frage, weshalb ich an einer Mauer gezwungen bin, zu stoppen? Oder warum empfinde ich Schmerz, wenn ich mich mit einem Messer schneide? Warum werde ich ertrinken, wenn ich ins tiefe Wasser falle und nicht schwimmen kann? Ist es möglich, diese Tatsachen außer Acht zu lassen und sie lediglich als ein rein gedankliches Konstrukt meines Bewusstseins zu akzeptieren? Dagegen spricht die Tatsache, dass, wäre die Außenwelt lediglich eine Vorstellung meines Bewusstseins, ich diese Außenwelt ohne große Schwierigkeiten formen und trennen könnte, das heißt dass ich einen Baum aus dem Boden reißen und ihn wie ein Stück Knetmasse bearbeiten könnte. Oder ich wäre in der Lage, eine Mauer allein mit einem ernsten Blick in Stücke zu zersprengen. Weil ich dies aber nicht schaffe, müssen alle meine Erlebnisse eine äußere Ursache besitzen. Müssen sie das?
Nach Thomas Nagel sind auch diese Argumente nicht hinreichend genug. So schreibt er, dass der Skeptiker dafür zwei Antworten zur Verfügung habe. Einerseits sei es nicht möglich, aufgrund seiner Erfahrungsinhalte zu entscheiden, von welcher Art diese Ursachen sind. Anderseits treffe es zwar zu, dass es in der normalen, vorphilosophischen Auffassung von der Welt Vorgänge wie jene gibt, die sich in dem Bewusstsein abspielen. Jedoch kann man nicht unterstellen, dass diese wahr sind. Zudem gäbe es auch keine Möglichkeit, ein solches Prinzip allein aufgrund des Inneren seines Geistes zu beweisen6.
Mit der Naturwissenschaft kommen wir auch nicht weiter. Denn auch sie beruht auf der Tatsache, dass sie, so Thomas Nagel, außerhalb des Bewusstseins liegt und daher wie die Wahrnehmung anfechtbar sei. Wenn es also keine Möglichkeit gibt, zu beweisen, dass es außerhalb unseres Bewusstseins keine Außenwelt gibt, ist dann auch dieser Text in Wirklichkeit nicht vorhanden?
Diese Frage erinnert mich an den Trugschluss von Zenon, der behauptete, dass Achilles ein Wettrennen mit einer Schildkröte niemals gewinnen könne, wenn er der Schildkröte einen kleinen Vorsprung gewähre. Denn immer dann, wenn Achilles an den Punkt gelangt ist, an dem vorher die Schildkröte gewesen war, ist die Schildkröte bereits ein Stück weiter gelaufen. Dass Zenon dabei nicht den Bewegungsablauf der einzelnen Läufer berücksichtigte, sondern lediglich die Zusammensetzung einer Strecke aus Einzelstrecken, führte notwendig zu diesem Trugschluss. Und ich denke, dass man bei der Suche nach der Beweisbarkeit der Außenwelt einen ähnlichen Fehler begeht, wenn man die Außenwelt lediglich als eine Vorstellung seines Bewusstseins betrachtet. Es mag sein, dass jeder einzelne Mensch aufgrund seiner Einzigartigkeit beispielsweise einen Baum anders betrachtet; aber zu behaupten, dass diese einzigartige Sicht ein Beweis für das Nichtvorhandensein eines Baumes sei, halte ich für sinnlos. Daher ist es meines Erachtens möglich, zu behaupten, dass es eine Außenwelt gibt, unabhängig davon, dass die Dinge von jedem Menschen möglicherweise anders wahrgenommen werden.
Und was sagt Thomas Nagel? Er räumt am Ende seines Aufsatzes ein, dass es praktisch unmöglich sei, ernstlich zu glauben, dass all die Dinge in der Welt um uns herum nicht existieren. Der Glaube an die Außenwelt sei zu machtvoll und instinktiv, als dass man ihn durch philosophische Argumente zerstöre. Aber, so Nagel, sei der Skeptizismus dennoch nicht zu widerlegen, was bedeutet, dass viele Meinungen über die Welt möglicherweise falsch sind, wir dennoch an ihnen festhalten7.
3. Fazit
Gibt es Wahrheit? Auch wenn nicht möglich ist, den Skeptizismus zu widerlegen, können wir davon ausgehen, dass wir Menschen auf einer wirklichen Erde leben. Und dass die Dinge, die uns umgeben, tatsächlich existieren. Weshalb sollten wir dann ausschließen, dass es so etwas wie Wahrheit gibt? Es mag sein, dass der Mensch nicht in der Lage sein wird, alles bis ins Letzte zu erforschen und zu verstehen, aber das sollte den Menschen nicht daran hindern, gewisse Dinge als das zu bezeichnen, was sie sind: als wahr.
[...]
1 Wuchterl, Kurt: Lehrbuch der Philosophie: Probleme - Grundbegriffe - Einsichten, Stuttgart 1998.
2 Ebd. S. 93.
3 Schmidt, Heinrich: Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart 1978.
4 Nagel, Thomas: „Was bedeutet das alles?“, Reclam, Stuttgart 1990.
5 Nagel, Thomas: „Was bedeutet das alles?“, Reclam, Stuttgart 1990. S. 11.
6 Ebd. S. 13.
7 Nagel, Thomas: „Was bedeutet das alles?“, Reclam, Stuttgart 1990. S. 17.
- Arbeit zitieren
- Dietmar Hube (Autor:in), 2013, Gibt es Wahrheit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265062