Mit 2004 – und eigentlich bereits einige Jahre davor – sieht sich das deutsche Gesundheitswesen dramatischen Veränderungen ausgesetzt, die einen grundlegenden Strukturwandel und Paradigmenwechsel zur Folge haben und weiterhin haben werden. Betriebswirtschaftliche Sichtweisen gewinnen in einem Wachstumsmarkt an Bedeutung, in dem Erlöse zusammenschrumpfen und Kosten explodieren. Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Gesetzliche und Private Krankenkassen, Apotheken, Pharmaunternehmen, Physiotherapien, Ergotherapie-Praxen – kurz: alle Akteure im deutschen Gesundheitswesen – sehen sich mit Wettbewerbsbedingungen konfrontiert, die vor Jahren undenkbar waren. Da die betriebswirtschaftliche Ausrichtung spätestens dann zu einer Verpflichtung wurde, als von „ungenutzten Ressourcen“ im Gesundheitswesen die Rede war und Krankenhausverbünde in privatwirtschaftlicher Trägerschaft bewiesen, dass der Einsatz betriebswirtschaftlicher Mittel zum gewünschten Ziel einer Gewinnmaximierung führte, die sogar Aktiengesellschaften in diesem Markt eine sinnvolle Existenz gewährte, war der Einsatz qualifizierter betriebswirtschaftlicher Instrumente eine logische Folge. Die verpflichtende Einführung der DRG (2004) hat zu einer zunehmenden "Ökonomisierung" medizinischer Leistungen in deutschen Krankenhäusern geführt. Die Zukunft eines jeden Krankenhauses lässt nur noch jene Leistungskomponenten umsetzen, die "sich rechnen" oder im Verbund anderer Leistungen einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften. Die Einführung einer Prozesskostenrechnung kann dabei die Geschäftsführung und die Chefärzte in die Lage versetzen, medizinische Leistungen wirtschaftlicher als bisher zu erbringen bzw. erbringen zu lassen. Die vorliegende Schrift soll an einem Beispiel die Möglichkeiten der Implementierung einer Prozesskostenrechnung in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung und Aufbau
2. DRG - ein neues Vergütungssystem
3. Die Kostenrechnung im Krankenhaus
3.1. Rechtliche Grundlagen
3.2. Die Prozesskostenrechnung – allgemein
3.3. Die Prozesskostenrechnung im Krankenhaus
4. Die Einführung und Umsetzung der Prozesskostenrechnung im KH Stollberg
4.1. Die Strukturdaten des Kreiskrankenhauses Stollberg
4.2. Datenquellen und -grundlagen
4.3. Methodisches Vorgehen
5. Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Fallabhängige Kosten der MDC Gruppe H nach
Kostenbereich und Liegetagen
Abb. 2
Verteilung der fallabhängigen Kosten je
Behandlungsprozess in Abhängigkeit von
Partition und Liegetagen
Abb. 3
Laparoskopische Cholezystektomie (H14A und H14B);
Verteilung der fallabhängigen Kosten im Behandlungs-
prozess in Abhängigkeit vom Liegetag
Abb. 4
Ergebnisse der Prozesskostenrechnung;
Über-/Unterdeckung Mittelwerte je DRG
Abb. 5
Tabellarische Darstellung der Über- / Unterdeckung;
Mittelwerte je DRG
Abb. 6
Tabellarische Darstellung der Über- / Unterdeckung;
Mittelwerte je DRG
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Beginnend mit der Gesundheitsreform des Jahres 2000 wurde deutlich, dass die bisherige Führung von Krankenhäusern, als einem wichtigen Akteur des deutschen Gesundheitswesens, sich betriebswirtschaftlicher wird ausrichten müssen. Obwohl nach wie vor stark regulierende, an Planwirtschaft erinnernde Elemente das System begleiten (z.B. die Budgetierung mit den dazugehörenden Verhandlungen, das Festpreissystem, die Einschränkung von Leistungsvolumina), ist die Etablierung neuer Konzepte in den Krankenhäusern zum wirtschaftlichen Überleben notwendig und die Entwicklung eines neuen Versorgungs-konzeptes unabdingbar. Wesentliche Faktoren wie
-die Einführung der vor- und nachstationären Behandlung,
-die Zulassung der Krankenhäuser zum ambulanten Operieren,
-die Einführung des neuen Entgeltsystems (Diagnosis Related Groups
(DRG)),
-die hieraus resultierende Verkürzung der Verweildauer,
-die Kürzung der finanziellen Mittel,
-der Abbau der Fehlbelegungen,
-der Betten- und Personalabbau,
-das Anspruchsdenken und die Erwartungen der Patienten,
-die sich verändernden Krankheitsarten sowie
-die demographische Entwicklung der Bevölkerung[1]
haben eine zunehmende Auswirkung auf das wirtschaftliche Verhalten von führenden Krankenhaus-Verantwortlichen.
Mit diesen Veränderungen stehen die Krankenhäuser vor Herausforderungen, um sich im Wettbewerb bestmöglich zu behaupten. Dabei wird deutlich, dass ein Krankenhaus der Zukunft nicht mehr – einem Warenhaus gleich – alle Leistungen anbieten kann, weil das Mengengerüst oder die Geräteausstattung keine auskömmlichen Deckungsbeiträge realisieren lassen. Um hieraus eine Unternehmens-strategie für die Zukunft des einzelnen Krankenhauses zu entwickeln, ist es unabdingbar, über ein Datengerüst zu verfügen, das der Geschäftsführung die Steuerung ermöglicht. Die Nachkalkulation der DRG (Fallpauschalen) ist eine Notwendigkeit betriebswirtschaftlichen Handelns im Krankenhaus und sollte die Realität richtig und umfassend abbilden. Die Ergebnisse müssen nicht nur den Ansprüchen der Geschäftsführung genügen, sondern sind stets auch im Diskussions- und Entscheidungs-prozess mit den medizinischen und pflegerischen Verantwortlichen (Chefärzteschaft und Pflegedienstleitung) zu berücksichtigen.
Aus diesem Grund hat sich die Geschäftsführung der Kreiskrankenhaus Stollberg gGmbH in Stollberg/ Erzgebirge entschieden auf der Grundlage der bisherigen Datenbasis – gemeinsam mit der Unternehmensberatung PG M+M AG, Dresden/ Hamburg eine Prozesskostenrechnung einzuführen, die als Grundlage der Leistungsausrichtung der jeweiligen Kliniken des Hauses dienen soll. In Gesprächen mit den Chefärzten soll zukünftig anhand bestehender Daten ein System implementiert werden, das den „Fachbereich Controlling“ und den „Fachbereich Medizinische Dokumentation und Abrechnung“ (im KKH auch „FB Medizincontrolling“ genannt) den Nutzen bisheriger Behandlungen und Operationen sowie die Kostentreiber aufzeigt. Damit war die Konzentration auf eine funktionie-rende Kosten- und Leistungsverrechnung folgerichtig.
Die Voraussetzungen wurden mit der bestehenden Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträger geschaffen.
Auf der Grundlage der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, stellt die Prozesskostenrechnung den Leistungs- bzw. Produktionsprozess selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung und Bewertung. Damit steht sie im Gegensatz zu den traditionellen Ko-stenrechnungssystemen. Durch das neue Vergütungssystem (DRG) wird im Krankenhaus jeder Patient bzw. der Behandlungsprozesse eines jeden Patienten abgebildet. Die Patientinnen und Patienten können somit zu Patientengruppen bzw. DRG-konforme Behandlungsprozesse komprimiert und typisiert werden.
Dabei sind für die Steuerung und Optimierung der Behandlungsprozesse nicht nur direkt zuordbare Kosten relevant, sondern es sind auch jene Faktoren zu beachten, die wie die Behandlungsdauer (im OP, auf der Intensivstation, in der Funktionsdiagnostik usw.) von immanenter Bedeutung sind und ein wichtiges Bewertungskriterium darstellen.[2]
Im Kreiskrankenhaus wurde in den letzten Jahren (seit 1998) ein Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) der Fa. SAP installiert, das das Krankenhaus in die Lage versetzt, einen großen Teil jener Leistungs- und Behandlungsdaten zur Verfügung zu stellen, um den Aufbau einer DRG-orientierten Prozesskostenrechnung und den sich daraus ableitenden Steuerungskonzepten abzuleiten.
1.2. Zielsetzung und Aufbau
Die vorliegende Arbeit soll den Nutzen und die Wichtigkeit des Aufbaus einer Prozesskostenrechnung für ein Krankenhaus mittlerer Größe aufzeigen. Hierbei wird zunächst auf die allgemeine gesetzliche Situation und die sich daraus ergebenen Konsequenzen eingegangen (Kapitel 2 und 3). Neben der Darlegung der Begrifflichkeit werden die Stationen der Implementierung eines Systems zur Erlangung von Prozesskosten näher reflektiert (Kapitel 4). Zu den allgemeinen Einführungen wird anhand eines Beispiels die Umsetzung dargelegt werden (Kapitel 5).
In der vorliegenden Arbeit soll das Modell einer DRG-orientierten Prozesskostenrechnung mit den zur Verfügung stehenden Daten des KKH Stollberg aufgezeigt werden. Als Beispiel wird die MDC-Gruppe 07 (H) „Krankheiten und Störungen am hepatobiliären System und Pankreas“ dargestellt.
Als Ergebnis soll die Frage beantwortbar sein, ob der Aufwand einer Prozesskostenrechnung die richtige Methode zur Steuerung eines Krankenhauses der Grund- und Regelversorgung ist. Dabei ist auch wesentlich, dass die Erkenntnisse für weiterführende Berechnungen nutzbar sind und standardisierbar werden.
Entscheidend ist die Erkenntnis, dass mit der Einführung einer durchgängigen DRG-Vergütung das Controlling und „sein Instrumentenkoffer“ mit Methoden wie Portfolio- und ABC-Analysen, Kostenträgerstück- und Kostenträgerzeitrechnungen gemeinsam mit Kennzahlen- und Betriebsvergleichen eine verursachungsgerechte, produktbezogene Gegenüberstellung von Kosten und Erlösen möglich macht.[3] Die Prozesskostenrechnung im Kreiskrankenhaus Stollberg/ Erzgebirge ist damit einer jener Mosaiksteine, mit denen das Bild eines modernen, wirtschaftlich profitablen Unternehmens zum Wohl der Patientinnen und Patienten geschaffen wird.
2. DRG - ein neues Vergütungssystem
Die deutsche Gesetzgebung postuliert stets, das Gesundheitswesen sanieren zu wollen und Einsparpotentiale mit Kostenreduktionen erreichen zu können. Das Krankenhauswesen als größter Kostenverursacher ist stets im Brennpunkt, wobei die kontinuierliche Weiterentwicklung der Medizin, die Verbesserung von Diagnostik und Therapie eine Kostensteigerung systemimmanent sein lässt. So wurde in Reaktion auf die Entwicklung in den letzten 15 Jahren die Finanzierung des Krankenhauswesens ständig auf den Prüfstein gestellt und verändert. Die Entwicklung neuer Finanzierungsinstrumente bei gedeckeltem Budget und dem politischen Willen einer Beitragsstabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) führte zu fehlenden Mitteln im Krankenhauswesen und damit einhergehend zu einem stagnierenden Leistungsniveau.[4]
Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands eV (VKD) hebt zwei wesentliche Entwicklungen der letzten Jahre im deutschen Gesundheitswesen hervor: Zum einen sind permanente Veränderungen von Gesetzen, Verordnungen, Erlassen und Richtlinien in immer kürzer werdenden Abständen erkennbar. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer anhaltenden Kostensteigerung, die ca. 10,9% des Bruttoinlandsproduktes (BIP, 2001) ausmacht und damit zu einem bedeutenden Faktor der deutschen Wirtschaft geworden ist. Zum anderen verändert sich das Leistungsvermögen in den Krankenhäusern aufgrund demographischer, medizinischer, technischer und gesellschaftspolitischer Entwicklungen.[5]
Mit jeder Gesundheitsreform werden der Abbau von Überkapazitäten und die Kostendämpfung gefordert. Diese Forderungen standen auch auf der Agenda, als der Gesetzgeber sich am 30.06.2000 entschloss, die Grundstruktur des Abrechnungssystems zu verändern und die sog. Diagnosis Related Groups (DRG) einzuführen. Dieses neue Vergütungs- oder Entgeltsystem hat das postulierte Ziel, die Transparenz der Leistungs-erstellung in den Krankenhäusern zu erhöhen sowie diese Leistungs-erstellung durchgängig und leistungsorientiert darzulegen.
Ab dem 01.01.2003[6] (gemäß § 17b Abs. 3 Satz 3 4 KHG) wurde das bisherige Entgeltsystem, welches 20 bis 25% der Krankenhausleistungen mit Fallpauschalen und Sonderentgelten abdeckte und über tagesgleiche Pflegsätze vergütet, durch das DRG-System abgelöst.[7]
Die Vergütung durch die DRG hat ihren Ursprung in dem neu eingeführten § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG); dieser Paragraph gilt gleichzeitig als gesetzliche Grundlage und gibt die Rahmen-bedingungen für die Reform vor. Damit werden die Partner der Selbstverwaltung – die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherungen und die Deutsche Krankenhaus-gesellschaft – verpflichtet
(gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG), ein flächendeckendes, einheitliches Entgeltssystem zu entwickeln, das sich an der bereits bekannten und bestehenden Vergütungen im internationalen Bereich – insbesondere Australien (Australian Refines Diagnosis-Related-Groups (AR-DRG), seit 1998) – orientiert.
Ursprünglich war dieses System auf der Basis eines Patienten-klassifikationssystems (PCS) in den USA 1967 entwickelt und international unterschiedlich ausgestaltet worden.
Ins Deutsche übersetzt heißt „DRG“ „diagnoseabhängige (Fall-)Gruppen“ und begründet ein PCS, das die Anzahl und Arten von Patienten in ein Verhältnis zu den im Krankenhaus benötigten Ressourcen schaffen sollte. Es wurde versucht, auf der klinischen Seite – von den Patienten ausgehend – ähnlich geartete Fälle zusammenzufassen. Die ökonomische Seite ging von den Kosten aus, die die Einzelfälle verursachen und über die Kostenträger zu definieren waren.
Besonders sind bei dem Aufbau eines DRG-basierten Vergütungssystems
-die Haupt- und Nebendiagnosen,
-die Therapien, das Geschlecht und das Alter,
-die Entlassungsart (Entlassung, Verlegung, Tod),
-das Geburtsgewicht (bei Neugeborenen),
-die Dauer der Beatmung (Stunden) und
-die Zwangseinweisung (ja/ nein)
von hoher Bedeutung und Wichtigkeit.
Ziel ist es, jedem Patienten pro Krankenhausaufenthalt genau eine DRG (= Fallgruppe) zuzuordnen.
Dies geschieht über das sog. Groupern, welches EDV-gestützt durch die Abrechnungsabteilung eines Krankenhauses umgesetzt wird. Diese Zusammenführung der Daten wird zur DRG, die wiederum im Hinblick auf die Kostenwertigkeit zu gewichten ist. So ist der Wert 1,0 ein Beleg für einen durchschnittlichen Schweregrad der Erkrankung und Behandlung, die kostenseitig den ökonomischen Aufwand widerspiegelt. Es wird so möglich, alle Behandlungsfälle einer Periode zu gewichten und zu summieren. Daraus entsteht der „Case-Mix“ (CM) als Summe aller Relativgewichte eines festgelegten Zeitraums (zumeist Budgetzeitraum).
Um die durchschnittliche ökonomische Belastung der Fälle zu erhalten, wird der Case-Mix durch die Anzahl der behandelten Fälle dividiert. Als Ergebnis steht das durchschnittliche Kostengewicht pro Behandlungsfall: „Case-Mix-Index“ (CMI) genannt. Dieser CMI ist ein wichtiger Indikator für den durchschnittlichen Schweregrad und die Intensität der Behandlung von Fällen in einem Krankenhaus. Mit dieser Kennzahl lässt sich eine Vergleichbarkeit der Behandlungsintensität in der jeweiligen Klinik ableiten. Die individuelle Basisfallpreis (auch „base rate“ genannt) erhält man durch die Division des Ausgangsbudgets eines Krankenhauses durch den CMI.
Die drei genannten Kennziffern – Case-Mix, CMI und base rate - sind mit der Einführung des DRG-Systems zu den wichtigsten Kennzahlen geworden, um die Ertragskraft eines Krankenhauses insgesamt und – nachgeordnet – jene Ertragskraft einer Abteilung und Klinik zu bestimmen.[8]
Das DRG-Vergütungssystem klassifiziert die Behandlungsfälle, die vor allem den ökonomischen Ressourcenaufwand (sog. Aufwands – bzw. Kostenhomogenität) darlegen soll. In Deutschland wird die Umsetzung des Abrechnungssystems noch mit der Vorgabe von Festpreisen versehen, um eine „Erlösverteilungsgerechtigkeit“ zu erlangen. Zudem soll die Kosten- und Leistungsorientierung der Krankenhäuser transparenter und die Behandlungsqualität gesteigert werden.
Die Auswirkungen des DRG-Vergütungssystems ließen sich schon ein Jahr nach Einführung - 2004 - voraussagen: eine spürbare Erhöhung der Fallzahlen und eine starke Reduktion der Verweildauern von Patienten im Krankenhaus im Vergleich zu den Vorjahren. Parallel verlagerten sich die stationären Behandlungsfälle in den ambulanten Bereich. Es zeigte sich, dass sich die Gesamtkosten durch das neue Vergütungssystem kaum senken lassen, vielmehr war eine Neuverteilung der Kosten zu konstatieren, die die Kostenzuordnung vereinfachte und insgesamt transparenter machte. Die Behandlung eines nach DRG vergüteten Falls ergibt sich aus der Bewertungsrelation (auch „cost weight“ genannt) der jeweiligen DRG und dem Basisfallwert des Krankenhauses:
Basiserlös = Bewertungsrelation X Basisfallwert
Verzeichnet sind die DRG in einem „Katalog“, welcher alljährlich angepasst wird.
In dem Katalog sind u.a. die Verweildauergrenzen aber auch die jeweiligen Bewertungsrelationen zu den Fällen angegeben; somit wird der DRG-Basiserlös als Festpreis definiert. Hierbei ist zu beachten, dass der Erlös innerhalb einer Verweildauer gezahlt wird, die durch die untere Grenzverweildauer (uGVD) und die obere Grenzverweildauer (oGVD) begrenzt sind. Abweichungen von diesem Korridor der Grenzverweil-dauern werden mit Abschlägen oder Zuschlägen belegt. Hierbei ist zu konstatieren, dass schon die Verlegung unterhalb der mittleren Verweildauer (mVD) mit einem Abschlag für das Krankenhaus sanktioniert wird.
Die durchschnittliche Fallschwere wird durch den Quotienten aus case mix (CM) und Fallzahl (n), der case mix index (CMI = CM/n) ermittelt. Letzterer ist geeignet, Krankenhäuser und Abteilungen zu vergleichen (sog. Benchmarking).[9]
Das dem DRG immanente Festpreissystem macht die Realisierung von Gewinnen vornehmlich über die Kostenreduktion und Ablaufoptimierung möglich. Daher ist jede DRG daran zu messen, inwieweit sie zum Gesamterfolg des Krankenhauses beiträgt. Durch die DRG wird der Krankenhausaufenthalt eines Patienten in seiner Gänze abgebildet. Deswegen kann eine Transparenz der Kosten für den Patientenaufenthalt nur erreicht werden, wenn der Gesamtprozess – vom Eintritt des Patienten in das Krankenhaus bis zu seiner Entlassung – bewertet wird.[10]
Die DRG können vereinfacht als eine überschaubare Anzahl von Patientenklassen definiert werden, die durch Zuhilfenahme von medizinischen Fakten sowie den Ressourcenverbrauch voneinander abgrenzbar werden. Damit werden die Krankenhausleistungen messbar.
Die Gesundheitsreform 2000 hat damit sehr weit reichende Auswirkungen gehabt und die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten des Unternehmens „Krankenhaus“ in den Vordergrund gestellt. Das Rechnungswesen, die EDV und Organisation, das Marketing, die Finanzierung, das Controlling usw. wurden zu wesentlichen Aspekten des Führungsverhaltens von Krankenhausmanagern. Die Verwaltungsleiter wandelten sich zu Geschäftsführern und Kaufmännischen Direktoren. Nicht die Verwaltung gesundheitlicher Dienstleistungen und deren Abrechnung, sondern die Steuerung und Führung eines Unternehmens in einem zunehmend schwierigeren Markt mit planwirtschaftlichen Komponenten war der Paradigmenwechsel.
Insbesondere das strategische Controlling wird zum Entscheidungs- und Führungsinstrument der Geschäftsführung und Betriebsleitungen. Das strategische Controlling ist quasi „als kreativer Prozess“ unabdingbar, um zielkonforme Erfolgspotentiale des Unternehmens und alternative Wege zur Realisierung dieser Potentiale aufzuspüren: Damit erhebt sich die Forderung nach interdisziplinär zusammengesetzten, qualifizierten Mitarbeiterteams, die die Grundlage des strategischen Denkens und Handels bilden. Die Praxis und die Wirtschaftswissenschaft setzen von ihnen entwickelte Instrumente ein, um den Strategieentwicklungsprozess zu strukturieren und (dem Managementteam) eine systematische und zielorientierte Arbeitsweise zu ermöglichen.[11]
So sind mit der Einführung des neuen Vergütungssystems andere Kennzahlen in einem Krankenhaus wichtig geworden: waren es vor der Einführung der DRG noch die Pflegetage, die Berechnungstage, die Beköstigungstage, die Fallpauschalen und Sonderentgelte sowie die Auslastung von Krankenbetten, die als Maß für erfolgreiches Wirtschaften herangezogen wurden, so sind es jetzt der „Case-Mix-Index“ (CMI), die Fallzahlen pro Jahr, die (durchschnittliche) Verweildauer von Patienten und der landesweite Basisfallwert. Die Auslastung der Krankenhausbetten findet als Indikator weniger Beachtung und spielt noch im Hinblick auf die Ausreichung pauschaler Fördermittel durch das jeweilige Sozialministerium eines Bundeslandes im Rahmen der dualistischen Finanzierung eine Rolle.[12]
3. Die Kostenrechnung im Krankenhaus
3.1. Rechtliche Grundlagen
Im § 16 Abs.1 Nr. 7 KHG wird die Bundesregierung ermächtigt, gemeinsam mit dem Bundesrat, Rechtsverordnungen zu erlassen, die den Krankenhäusern Rechnungs- und Buchführungspflichten auferlegt. Auf der Grundlage der kaufmännischen Buchführung und einer Kosten- und Leistungsrechnung sind die Kosten der Leistungen im Krankenhaus und unter Beachtung der Krankenhausbuchführungsverordnung zu ermitteln (§ 17 Abs. 2 Satz 2 KHG). Die Kosten- und Leistungsrechnung ist so zu erstellen, dass eine betriebsinterne Steuerung und Beurteilung der Wirtschaftlichkeit geschehen kann (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KHBV).[13]
Da die Krankenhäuser im Vergleich zu anderen Unternehmen eine andere - aufgrund ihres Versorgungsauftrages - besondere Stellung im Wirtschaftsleben haben, gelten für die Krankenhäuser neben den allgemeinen Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) und des Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB) auch kommunalrechtliche, steuerrechtliche und spezielle Vorschriften, deren wichtigste das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), die Krankenhausbuch-führungsverordnung (KHBV) und die Abgrenzungsverordnung (AbgrV) sind.[14]
In den letzten Jahren ist ein starker Anstieg der Gemeinkosten vor allem aufgrund des zunehmenden Umfangs an vorbereitenden, planenden, steuernden und überwachenden Tätigkeiten der unterschiedlichsten Bereiche im Krankenhaus zu konstatieren.[15] Die durch gesetzliche Vorgaben und betriebswirtschaftliche Steuerung unvermeidbarer Anstieg administrativer Leistungen trägt hierzu bei.
Durch die Einführung des Fallpauschalen-Abrechnungssystems auf der Basis der DRG sind die Krankenhäuser in Deutschland (nicht zum ersten Mal) aufgefordert, die Prozesse – im Hinblick auf den effizienten Ressourceneinsatz – zu optimieren, damit diese verzögerungsfrei und gegen Störungen stabil sind, um die gewünschte Produktivität zu erreichen.[16]
3.2. Die Prozesskostenrechnung – allgemein
Ein vieldiskutiertes Controllinginstrument ist mit der Prozesskosten-rechnung und dem sich darauf aufbauenden Prozesskostenmanagement entwickelt worden. Dieses Tool einer Prozesskostenrechnung ist auf breiter Basis einsetzbar und nicht – wie andere – an Größenrestriktionen, Softwarekonzepten u.ä. gebunden. Es stellt in den meisten Fällen ein „add-on“ zu den bisherigen Rechnungskonzepten dar.[17]
Aufgrund der Unzufriedenheit mit den üblichen Verfahren der Gemeinkostenallokation über Fertigungslöhne wurde in den U.S.A. die Prozesskostenrechnung entwickelt. Die dominierende Zielsetzung der Prozesskostenrechnung liegt in der Steigerung der Kostentransparenz in den Gemeinkostenbereichen und der verursachungsgerechten Verteilung der Gemeinkosten auf die Produkte. Die Prozesskostenrechnung ist somit ein Ansatz der Kostenverrechnung, der die Gemeinkosten auf der Basis von Aktivitäten (Prozessen, Activities), die das Unternehmensgeschehen abbilden, versucht in die Produktionskalkulation einzubringen. Synonymhaft werden für die Prozesskostenrechnung auch „Vorgangs-kostenrechnung“, „Prozessorientierte Kostenrechnung“ und „Aktivitäts-orientierte Kostenrechnung“ verwandt, denen die amerikanischen Begriffe in der Literatur „Activity-Based Costing“, „Activity-Based Cost System“, „Activity-Based Systems“, „Transaction Costing“ und „Transaction-related Costing System“ nahe liegen, wobei das „Activity-Based Costing“ der Prozesskostenrechnung im Deutschen am nächsten liegen dürfte.[18]
[...]
[1] vgl. Greiling, M./ Thomas, F.: (Prozessorientierung), S. 1
[2] vgl. Marbé, W.: (Prozesskostenrechnung), S.1
[3] vgl. Wendel, V.: (Controlling), S. 116
[4] vgl. Bellingen, K.: (Wirkung), S. 551
[5] vgl. Gulicska-Haupt, A.: (Prozessorientierung), S. 5f.
[6] Die Verpflichtung der DRG-Einführung bestand erst ab 01.10.2004.
[7] vgl. Greiling, M./ Thomas, F.: (Prozessorientierung), S. 2ff.
[8] vgl. Gulicska-Haupt, A.: (Prozessorientierung), S. 8ff.
[9] vgl. Linz, J.: (Cost und Case Management), S. 4ff.
[10] vgl. Niemand, O.: (Prozesskostenrechnung), S. 32
[11] vgl. Liesmann, K.: (Controlling). S. 11
[12] Sollte die dualistische Finanzierung der Krankenhäuser eines Tages gesetzlicherseits
wegfallen, wäre auch diese Kennzahl von untergeordneter Bedeutung.
[13] vgl. Ludewig, B.: (Kalkulation), S. 20f.
[14] vgl. Gulicska-Haupt, A.: (Prozessorientierung), S. 13
[15] vgl. Seis, N.: (Prozesskostenrechnung), S. 9
[16] vgl. Gulicska-Haupt, A.: (Prozessorientierung), S. 63
[17] vgl. Witt, F.-J.: (Lexikon), S. 315
[18] vgl. Preißler, P. R.: (Controlling-Lexikon), S. 162f.
- Quote paper
- MMag. Dr. Eibe Hinrichs (Author), 2006, Die DRG-orientierte Prozesskostenrechnung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264321
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