„Die sozio-ökonomische Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen leitet sich wesentlich aus der weitgehend vom Bildungsniveau abhängigen Beteiligung und Stellung der Eltern im Erwerbssystem sowie – damit verknüpft – deren Einkommen her und steht in einem engen Zusammenhang mit der Familienform (Paarhaushalte oder Alleinerziehende), der Anzahl und dem Alter der Kinder.“ (BMFJFG 12. Kinder- und Jugendbericht: 2005: 75)
Der Bildungsauftrag von Schule wird seit der ersten PISA Studie von 2000 stärker öffentlich diskutiert. Die sich ständig verändernden gesellschaftlichen und damit auch familiären Bedingungen, denen junge Menschen ausgesetzt sind, führen zu einer heterogenen Klientel, dem das traditionelle Schulsystem zunehmend weniger gewachsen ist.
Bildungsreformen konnten die Benachteiligung in der Vergangenheit nur geringfügig ausgleichen. Vielmehr führt die derzeitige Struktur von Schule noch immer zu einer bedeutenden Chancenungleichheit unter den Schülern, das heißt es besteht unter anderem ein signifikanter Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und Herkunft. Die Ergebnisse der PISA Studie von 2012 zeigen zwar einen Aufwärtstrend, belegen aber gleichzeitig, dass beispielsweise der Zusammenhang zwischen Lesekompetenz und sozialer Herkunft in Deutschland international vergleichsweise hoch ist (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: 2012).
Medial forciert besteht Konsens darüber, dass eine ausreichende soziale Integration Schüler aus sogenannten bildungsfernen Milieus oder Familien Voraussetzung dafür ist, die in PISA 2000 bis 2012 beschriebenen Nachteile zu reduzieren. Daraus abgeleitete Reformideen zum Thema Bildung und sozialer Integration sind auf Grund der föderalistischen Ausrichtung der Bildungspolitik äußerst heterogen und abhängig von der ideologischen Ausrichtung der regierenden Parteien.
Eine OECD Studie aus 2010 beschäftigt sich erstmalig mit den möglichen ökonomischen Konsequenzen unzureichender Bildung. Die Grundlage der Studie bildet die Annahme, dass eine Steigerung der Schüler-Kompetenzniveaus in den getesteten Bereichen langfristig positive Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum eines Landes haben wird. Die Studie basiert auf folgender Grundlage:
„This report uses recent economic modeling to relate cognitive skills-as measured by PISA and other international instruments-to economic growth.“ (OECD: The High Cost of Low Educational Performance. 2010: 3)[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. PISA Studie
2.1 PISA 2000-2009
2.2 Auswertung PISA 2000-2009
2.3 PISA 2000-Lesekompetenz
2.3.1 PISA 2003-Mathematik
2.3.2 PISA 2006-Naturwissenschaft
2.3.3 PISA 2009-Lesekompetenz
2.4 PISA 2000-2009: Bildungserfolg und soziale Herkunft
3. Soziale Wirklichkeit-Soziale Integration
3.1 Gesellschaftlicher Wandel
3.2 Familie in der Moderne
3.2.1 Familie und Jugend
3.3 Familie und soziale Milieus
3.3.1 Familienerziehung und Milieus
3.4 Bildungsbenachteiligung
4. Ganztagsbildung
4.1 Bildungsmodalitäten
4.1.1 Formelle und informelle Bildungsprozesse
4.1.2 Formale und non-formale Settings
5. Kooperation Jugendhilfe und Schule
5.1 Schule: Rechtliche Grundlagen
5.1.1 Schule
5.2 Jugendhilfe: Rechtliche Grundlagen
5.2.1 Jugendhilfe
5.3 Kooperation: Konfliktfelder und Perspektiven
5.3.1 Konfliktfeld I: Institutionalisierung und Organisation
5.3.2 Konfliktfeld II: Professionen und Akteure
5.3.3 Konfliktfeld III: Adressaten
6. Sozialraumverankerte Schulsozialarbeit Stuttgart
6.1 Ausgangsbedingungen
6.1.1 Modellstruktur
6.1.2 Kooperationskonzept
6.2 Schrittweise Entwicklung
6.2.1 Angebote und Unterstützungsleistungen
6.2.2 Resümee der Forschungsgruppe Uni Tübingen
7. Handlungsempfehlungen
7.1 Anforderungen: Bildungs- und Sozialpolitik
7.2 Anforderungen: Kommune und Verwaltung
7.3 Anforderungen: Jugendhilfe und Schule
7.4 Chancen
8. Quellenverzeichnis
8.1 Literatur
8.2 Zeitschriften
8.3 Internet
8.4 Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
„Die sozio-ökonomische Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen leitet sich wesentlich aus der weitgehend vom Bildungsniveau abhängigen Beteiligung und Stellung der Eltern im Erwerbssystem sowie – damit verknüpft – deren Einkommen her und steht in einem engen Zusammenhang mit der Familienform (Paarhaushalte oder Alleinerziehende), der Anzahl und dem Alter der Kinder.“ (BMFJFG 12. Kinder- und Jugendbericht: 2005: 75)
Der Bildungsauftrag von Schule wird seit der ersten PISA Studie von 2000 stärker öffentlich diskutiert. Die sich ständig verändernden gesellschaftlichen und damit auch familiären Bedingungen, denen junge Menschen ausgesetzt sind, führen zu einer heterogenen Klientel, dem das traditionelle Schulsystem zunehmend weniger gewachsen ist.
Bildungsreformen konnten die Benachteiligung in der Vergangenheit nur geringfügig ausgleichen. Vielmehr führt die derzeitige Struktur von Schule noch immer zu einer bedeutenden Chancenungleichheit unter den Schülern, das heißt es besteht unter anderem ein signifikanter Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und Herkunft. Die Ergebnisse der PISA Studie von 2012 zeigen zwar einen Aufwärtstrend, belegen aber gleichzeitig, dass beispielsweise der Zusammenhang zwischen Lesekompetenz und sozialer Herkunft in Deutschland international vergleichsweise hoch ist (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: 2012).
Medial forciert besteht Konsens darüber, dass eine ausreichende soziale Integration Schüler aus sogenannten bildungsfernen Milieus oder Familien Voraussetzung dafür ist, die in PISA 2000 bis 2012 beschriebenen Nachteile zu reduzieren. Daraus abgeleitete Reformideen zum Thema Bildung und sozialer Integration sind auf Grund der föderalistischen Ausrichtung der Bildungspolitik äußerst heterogen und abhängig von der ideologischen Ausrichtung der regierenden Parteien.
Eine OECD Studie[1] aus 2010 beschäftigt sich erstmalig mit den möglichen ökonomischen Konsequenzen unzureichender Bildung. Die Grundlage der Studie bildet die Annahme, dass eine Steigerung der Schüler-Kompetenzniveaus in den getesteten Bereichen langfristig positive Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum eines Landes haben wird. Die Studie basiert auf folgender Grundlage:
„This report uses recent economic modeling to relate cognitive skills-as measured by PISA and other international instruments-to economic growth.“ (OECD: The High Cost of Low Educational Performance. 2010: 3)
Insgesamt geht aus der Studie hervor, dass sich aus einem bestimmten Punktwert, innerhalb der Kompetenzniveaus, ein signifikantes Wirtschaftswachstum ableiten lässt.
Die soziale Frage, die PISA aufgeworfen hat, ist infolgedessen auch eine ökonomische Frage.
Bildung entwickelt sich, bezüglich der globalen Wettbewerbsfähigkeit, zu einem dominierenden Faktor. Finanz- und Wirtschaftskrise sensibilisieren Regierungen im Hinblick auf ihre Verantwortlichkeit innerhalb der bildungs- und sozialpolitischen Diskussion. Hinzu kommt das Phänomen der Bildungsexpansion, das zum einen das Resultat einer sich wandelnden, modernisierten Gesellschaft ist und unterschiedliche Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs bereithalten kann, zum anderen jedoch gleichzeitig höhere Anforderungen an den Einzelnen stellt (vgl. Hradil 2001: 176). Bildung erhält somit eine gesellschaftliche Schlüsselfunktion. Infolgedessen nimmt die öffentliche Forderung nach Chancengleichheit seit den 70er Jahren zu, die Aufmerksamkeit für Bildungsbenachteiligung ist erhöht und erreicht mit der Veröffentlichung der ersten PISA Studie auch „die Bildungspolitik“. Zusammengefasst ist Bildungsbenachteiligung grundsätzlich ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren (vgl. Hradil 2001: 179):
- Unterschiedliche und veränderte Lebensbedingungen sozialer Gruppierungen/ungleiche Voraussetzungen
- Unterschiedliche Nutzungsfunktionen von Bildung
- Ungleiche soziale Distanz zwischen Schule und Elternhaus
- Organisationsformen des Bildungssystems
In den vergangenen Legislaturperioden wurden erste Schritte der Bildungsreform deutlich. Es gibt einen Konsens bezüglich der neuen Herausforderungen, was im Hinblick auf die Bildungsreform länderübergreifende Konsequenzen beim Umstrukturierungsprozess des Bildungssystems nach sich zieht. So hat sich die Kultusministerkonferenz beispielsweise im Jahr 2001 auf den länderübergreifenden Ausbau der Ganztagsschulen verständigt.
Wichtig ist dabei die Neustrukturierung des schulischen Alltags, im Hinblick auf Lernzeiten und -inhalte. Viele Ganztagsschulen beschäftigen bereits pädagogische Fachkräfte, beispielsweise Erzieher der offenen Kinder- und Jugendarbeit, für die Begleitung und Betreuung des sportlichen, kreativen und kulturellen AG-Angebots am Nachmittag. Ob soziale Integration über solch additive Konzepte stattfinden kann, ist diskussionswürdig.
Um die zusammenwirkenden Faktoren von Bildungsbenachteiligung auszugleichen, ist ein ganztägiges Bildungskonzept erforderlich, dass sozialräumlich verankert ist.
Grundlage dieser Annahme ist die Beschreibung von Bildungsbenachteiligung als ein Verknüpfungsproblem von Institutionen und Bildungsmodalitäten (vgl. Maykus 2012: 72).
Die Debatte um die ungleichen Bildungschancen macht deutlich, dass die die ursprüngliche Definition des Systems Familie als Erziehungs- und Bildungsinstanz der Lebensrealität junger Menschen nicht mehr gerecht wird. Vielmehr müssen deren Erziehungsleistungen als Anknüpfungspunkt für ganztägige Bildungskonzepte in den Vordergrund gerückt werden (vgl. Holtappels et al. 2011: 291). Ein wesentlicher Baustein der Ganztagsbildung ist die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule in einem sozialräumlich verankerten Konzept. Zur praktischen Umsetzung der Kooperation gibt es aktuell unterschiedliche Auffassungen, zum Beispiel. Sie reichen von addititiven Konzepten, beispielsweise nachmittäglichen AG Angeboten der Jugendhilfe, über eine institutionalisierte Schulsozialarbeit, bis hin zu Projektarbeiten in Schulen, deren Konzeption und Durchführung über die Angebote von außerschulischen Einrichtungen vollzogen wird.
Die Ressourcen der Jugendhilfe sind längst nicht erschöpft. Es fehlt zudem eine bildungstheoretische Begründung sozialpädagogischen Handelns, nicht nur im schulischen Kontext, sondern vor allem innerhalb der differenten fachlichen Ausrichtungen der Jugendhilfe. Die unterschiedlichen Systeme „Schule und Jugendhilfe“ müssen auf einem möglichst hohen Niveau rechtlich und strukturell verbindliche Ebenen der Zusammenarbeit finden.
Resultierend aus den benannten heterogenen Anforderungen, ergeben sich notwendige Reformierungsprozesse für die Gesamtstruktur von Schule und Jugendhilfe.
Der erste theoretische Rahmen der Arbeit stellen die in PISA 2000-2009 festgestellten sozialen Ungleichheiten im Bildungsprozess dar. In Anknüpfung an die Überlegung, dass der traditionelle Bildungsort der Familie einem bedeutenden gesellschaftlichen Wandel ausgesetzt ist und infolgedessen einen anderen Stellenwert annimmt, folgt im zweiten Teil der Arbeit eine soziologische Betrachtungsweise familiärer Milieus, in denen der jugendliche Habitus ausgeprägt wird um die heterogenen Erziehungsleistungen als Anknüpfungspunkte für ein ganztägiges Bildungskonzept schlussfolgern zu können.
Die skizzierten komplexen und heterogenen Lebenslagen von 12 bis 19 Jahre alten Schülerinnen und Schülern bilden die Grundlage für das Setting eines ganztätigen Bildungskonzepts in der Sekundarschule.
Definition, Handlungsfelder und Perspektiven der Ganztagsbildung werden im vierten Kapitel beschrieben.
Vor dem Hintergrund der Annahme, dass ganztägige Bildung, in einem sozialräumlich verankerten Konzept entstehen muss um Benachteiligung ausgleichen zu können, werden im fünften Teil der Arbeit die Hindernisse und Vorzüge aber auch die Präzisierung der Notwendigkeit einer Kooperation der Systeme Jugendhilfe und Schule beschrieben. Dabei wird davon ausgegangen, dass zunächst die strukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen beide Systeme agieren, geklärt werden müssen.
Zur endgültigen Beantwortung der Frage wie die Übergänge der Lernorte Schule und Familie und die verschiedenen Handlungsfelder der Jugendhilfe rechtlich, strukturell und inhaltlich, abgestimmt werden sollen, werden im letzten Teil der Arbeit Handlungsempfehlungen für eine Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule formuliert. Grundlage ist die Beschreibung der sozialraumverankerten Schulsozialarbeit der Stadt Stuttgart. Um die in den PISA Studien 2000-2009 wiederholt festgestellten Bildungsnachteile auszugleichen, sollte die Vernetzung nicht nur auf institutioneller Ebene stattfinden, sondern selbst Ressource des Sozialraums werden um fließende Übergänge der Bildungsprozesse und –arrangements ermöglichen zu können.
2. PISA Studie
PISA ist eine im Dreijahresrhythmus durchgeführte Datenerhebung der Kenntnisse und Fähigkeiten im Durchschnitt 15-jähriger Schülerinnen und Schüler aller Schularten. In Deutschland ist der Auftraggeber der PISA Studien die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder.
PISA strebt den internationalen Vergleich unterschiedlicher grundlegender Kompetenzen zwischen den teilnehmenden Ländern der OECD an und wird mit der Unterstützung des Fachwissens verschiedener Experten vorgenommen. Zu den grundlegenden Kompetenzen, die PISA ermittelt, gehören Lese-, mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenz, wobei das Lesen als die Schlüsselkompetenz und als die basale Voraussetzung für den Wissenserwerb gilt. Die Größe der untersuchten Stichprobe der teilnehmenden Schüler entspricht 90% der Weltwirtschaft. Seit der ersten Erhebung im Jahr 2000, mit dem Schwerpunkt „Lesekompetenz“, nehmen im Jahr 2009 erstmals Schülerinnen und Schüler aus 65 Staaten an der Studie teil (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2009: 3).
Für alle Studien gelten strenge Standards der Qualitätssicherung. Sie führen zu einem hohen Grad an Validität und Reliabilität. Folgende Gesichtspunkte stehen dabei im Vordergrund: (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2006: 10)
- Politikorientierung
Die Berichterstattung ist methodisch so angelegt, dass sie Informationen für die Bildungspolitik und – praxis liefert.
- Literacy
Besonderes Augenmerk liegt auf der Betrachtung der Transfer-, Analyse- und Problemlösungsfähigkeit auf Grundlage des Gelernten und auf der Begleitung und langfristigen Untersuchung der getesteten Schüler.
- Relevanz für das lebenslange Lernen
PISA erhebt zusätzliche Informationen über die Lernmotivation der Testpersonen und zu deren Selbsteinschätzung und Einstellung zum Lernstoff.
- Regelmäßigkeit
Neben der Betrachtung von Schülerleistungen und dem Erstellen von Kompetenzprofilen, erhebt PISA demografische, häusliche und schulische Umweltmerkmale (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2009: 3) der Testpersonen.
Diese Form der Untersuchung ermöglicht, einige der Hauptfaktoren zur Erklärung des Bildungserfolgs zu untersuchen.
Die PISA Studie gibt Aufschluss über:
1. die Ergebnisse unterschiedlicher Länder
2. der Leistungsdifferenzen einzelner Schüler und
3. die Leistungsdifferenzen zwischen Schulen mit unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründen.
In PISA 2009 werden abermals die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler zur Lesekompetenz untersucht und erstmals mit den erzielten Ergebnissen aus 2000 verglichen.
Auf nationaler Ebene wurden die Untersuchungen um jene Fragebögen erweitert, die die spezifischen Merkmale eines Landes untersucht. Das nationale PISA Konsortium entwickelt hierzu eigene Leistungstests, die beispielsweise Orientierung an den nationalen Lehr- und Lernplänen finden oder eine Reihe von Fragen zu beispielsweise regionalen Kooperationen erfassen. Einzigartig war auf deutscher Ebene und im internationalen Vergleich, die ergänzende Befragung der Eltern zur Schullaufbahn ihrer Kinder und des familiären Hintergrunds (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2000: 3). Die PISA-Studie erhebt die Daten im Dreijahresturnus. Nacheinander werden die genannten Kompetenzbereiche getestet:
- 2000 Lesekompetenz,
- 2003: Mathematik,
- 2006: Naturwissenschaft,
- 2009: Lesekompetenz.
Neben den getesteten Schwerpunkten werden Daten zu den anderen Kompetenzen erhoben. Es handelt sich um eine Langzeitstudie, deren Werte nach neun Jahren verglichen und signifikante Veränderungen erfasst werden können. Erstmalig tritt 2009 somit eine besondere Stärke der PISA Studie in Kraft.
Über die Erfassung von vergleichbaren Daten, deren Entwicklung und der Veränderung von Messwerten zeigt die Studie auf, inwiefern sich Bildungssysteme und schulische Lehr- und Lernprozesse verändern (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2009: 4). Langfristig sollen Entscheidungen auf bildungspolitischer Ebene von den Erkenntnissen der Studie beeinflusst und das nationale Bildungssystem so effektiv verbessert werden.
2.1 PISA 2000-2009
„Die Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen und zu nutzen, stellt eine wesentliche Bedingung für die Weiterentwicklung eigenen Wissens und eigener Fähigkeiten dar und ist zugleich Voraussetzung für die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben.“ (PISA 2009: Bilanz nach einem Jahrzehnt: 23)
Die erste PISA Studie im Jahr 2000, die die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler aus 31 teilnehmenden Staaten erfassen sollte, führte zu einer verstärkten Diskussion in der deutschen Bildungslandschaft. Die erreichten Punktwerte und das daraus resultierende Kompetenzniveau lag unter dem internationalen Durchschnitt, den die OECD ermittelt hat.
Die gewonnen Daten wurden in Kompetenzstufen eins bis fünf eingeordnet, wobei Stufe fünf die stärksten Leserinnen und Leser erfasst und Stufe eins die Schwächsten. Besonders auffällig war auch die Streuung der Schülerleistungen, die in Deutschland im internationalen Vergleich am Größten gewesen ist. (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2000: 14).
2003 testete PISA die mathematischen Kompetenzen [Schwerpunkt] von Schülerinnen und Schülern aus 41 teilnehmenden Staaten. Im Vergleich zur ersten Studie schneidet Deutschland im internationalen Vergleich besser ab. Das erreichte Kompetenzniveau deutscher Schülerinnen und Schüler liegt im Durchschnittsbereich der OECD, wenn auch die Streuung der erreichten Leistungen um den Mittelwert im internationalen Vergleich noch groß ist (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2003: 6-7).
Im Jahr 2006 untersucht PISA die naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler aus 57 teilnehmenden Ländern. Auch in dieser Studie wurden Kompetenzstufen zur Messung und Darstellung der erzielten Ergebnisse eingeführt. Insgesamt lassen die homogen verteilten Leistungen, die finnische Schüler erzielten, darauf schließen, dass es sich um ein Bildungssystem mit hohen einheitlichen Bildungsstandards in allen Schulen handelt (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2006: 4). Vergleichsweise große Leistungsdifferenzen zeigen sich hingegen im deutschen Bildungssystem. Die Varianz der erzielten Leistungen zwischen den Schulen ist im internationalen Vergleich in Deutschland auffallend groß. (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2006: 4)
2.2 Auswertung PISA 2000-2009
Obwohl neben den Schwerpunktkompetenzen auch die anderen Kompetenzen in den Studien überprüft worden sind, ist es 2009 erstmalig möglich, die Daten der Studien aus den Jahren 2000 und 2009 miteinander zu vergleichen und signifikante Entwicklungen zu verzeichnen. Das Ermitteln einflussnehmender Faktoren auf beispielweise Bildungschancen bildet die Grundlage, um mit gezielten Maßnahmen und Förderungen nachhaltige Veränderungen in der Bildungslandschaft zu erwirken und diese auch langfristig überprüfen zu können.
2.3 PISA 2000-Lesekompetenz
Das Ziel der PISA Studie ist es, den Ländern darüber Auskunft zu geben „[…] wie gut es ihren Schulen gelingt, Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.“ (PISA Konsortium Deutschland 2000: Die Studie im Überblick: 1). PISA 2000 erhob Daten der untersuchten Schülerinnen und Schüler zur Lesekompetenz.
Die Lesekompetenz ist die basale Voraussetzung für das Erreichen persönlicher Ziele und das Hilfsmittel für die Weiterentwicklung des eigenen Wissens. Die Definition des Begriffs „Lesekompetenz“ erfasst nach PISA somit ein wesentlich breiteres Spektrum, als nur das Lesen einzelner Texte (vgl. PISA 2000: 6). In wie weit die Testpersonen in der Lage waren, Texte zu lesen, zu verstehen, zu interpretieren und den Transfer der gewonnenen Erkenntnisse zu leisten, wurde über das Einsetzen unterschiedlicher Textsorten[2] geprüft.
Die Ergebnisse der ersten PISA Studie 2000 zur Lesekompetenz lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. PISA 2000: 7-10):
- Die erzielten Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler zur Lesekompetenz liegen unter dem Mittelwert der teilnehmenden OECD Staaten.
- Die Streuung der ermittelten Daten deutscher Testpersonen ist vergleichsweise hoch.
- Der Abstand schwacher und starker Schülerinnen und Schüler ist breiter als in allen anderen teilnehmenden Ländern.
- Besonders ausgeprägt ist die Streuung bei Aufgaben, die das Reflektieren und Bewerten von Texten erfordern. Hier ist auch der erzielte Mittelwert deutscher Testpersonen vergleichsweise niedrig.
- Etwa nur ein Viertel der deutschen Schülerinnen und Schüler konnten auf einem elementaren Niveau lesen[3].
- Der Mittelwert der OECD Staaten liegt hingegen bei 18,8%.
- Weniger als 15% der „Gescheiterten“ wurden von den verantwortlichen Lehrern als potentielle Risikoschüler, also Schüler, die die erste Kompetenzstufe nicht erreichen konnten, erkannt.
Für die mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung lässt sich zusammenfassen, dass die erzielten Werte der deutschen Testpersonen im internationalen Vergleich unterhalb des Mittelwerts der teilnehmenden OECD Staaten liegen. Auch hier zeigt sich, dass die Fähigkeit zum Transfer der gewonnenen Informationen vergleichsweise niedrig ist. Nur ein Viertel der deutschen Schülerinnen und Schüler erreichen auf dem mathematischen und naturwissenschaftlichen Niveau die erste Kompetenzstufe.
Etwas weniger als die Hälfte der befragten Jugendlichen, die nicht die erste Stufe erreichten, gaben an, dass sie selbst beziehungsweise die Eltern in Deutschland geboren wurden und Deutsch die Sprache innerhalb der Familie sei.
Vielerlei Faktoren beeinflussen die mehr oder weniger guten Leistungen von Schülerinnen und Schülern. Ein signifikanter positiver Zusammenhang ist beispielsweise zwischen Lesekompetenz und Lesefreude zu erkennen. In Deutschland geben 42% der befragten Jugendlichen an, nicht gern zu lesen. An dieser Stelle können Maßnahmen ansetzen, die die Lesekompetenz fördern.
Ein weiterer Faktor, der die Lesekompetenz beeinflusst, ist das Wissen der Schülerinnen und Schüler über effektive Lesestrategien. Infolgedessen bieten sich im schulischen Alltag zahlreiche Möglichkeiten, Schülerinnen und Schülern beim Aneignen dieser Strategien zu unterstützen. Es ist anzunehmen, dass infolgedessen die Leselust mit dem erfolgreichen Erarbeiten von Texten steigt und dies wiederum einen positiven Effekt auf die Lesekompetenz haben wird.
Bei der Analyse der einflussnehmenden Faktoren untersucht die PISA Studie im ersten Zyklus besonders den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2000: 11).
Abbildung 1 zeigt, dass in keinem anderen Land der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg so hoch ist wie in Deutschland.
PISA ordnet die Testpersonen nach dem „Erikson-Goldthorpe-Portocarero Modell“ der oberen bzw. unteren Dienstklasse zu und ermittelt so die Zugehörigkeit zu den entsprechenden Sozialschichtgruppen (vgl. PISA 2000: 12). Die Kriterien für den Bildungserfolg sind die Ergebnisse der erreichten Kompetenzstufen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2000: 12)
Verglichen wurden die mittleren Leistungsgruppen zwischen Schülerinnen und Schülern aus Familien mit dem höchsten beziehungsweise niedrigsten Sozialstatus.
Es besuchen nur circa 10% der Jugendlichen aus Arbeiterfamilien das Gymnasium, jedoch 40% derselben sozialen Schicht die Hauptschule (vgl. PISA 2000: 13).
Bestehen die gleichen kognitiven Grundfähigkeiten bei Schülerinnen und Schülern der unteren und oberen Sozialschicht, ist die Chance auf den Besuch eines Gymnasiums für Jugendlichen mit einem hohen Sozialstatus etwa dreimal höher (PISA 2000: 13).
Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg wurde in allen teilnehmenden Nationen festgestellt. Jedoch ist der Zusammenhang in keinem anderen Land höher als in Deutschland. Bemerkenswert ist, dass in den leistungsstarken Ländern, Finnland, Japan oder Island der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft gering ist (vgl. PISA 2000: 13).
Ein weiterer Faktor, der auf den Bildungserfolg der Jugendlichen Einfluss nimmt, ist die Zugehörigkeit beider Elternteile zu einem anderen Land. Der Anteil der Gymnasiasten, deren Eltern beide aus einem anderen Land stammen, liegt bei nur 15%. Der Anteil der Hauptschüler, deren Eltern beide einen „Migrationshintergrund“ haben, liegt der Anteil sogar bei circa 50% (vgl. PISA 2000: 13). Ebenso erreichen 50% der Jugendlichen aus Zuwandererfamilien nicht mehr als die erste Kompetenzstufe beim Leseerwerb. Gleiches gilt für die Auswirkungen der Herkunft auf die Ergebnisse der mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzerwerb (vgl. PISA 2000: 14).
Auch auf Länderebene bestätigt sich der Befund zu den einflussnehmenden Faktoren, insbesondere der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Dieser Zusammenhang ist zwar in den neuen Bundesländern nicht so stark ausgeprägt; im internationalen Vergleich aber sehr hoch.
Wie sich der in PISA 2000 erstmalig festgestellte Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungschancen entwickelt, konnte in der darauffolgenden Studie von 2003, mit dem Schwerpunkt „Mathematik“ untersucht werden.
2.3.1 PISA 2003-Mathematik
Die Studie aus dem Jahr 2003 ermittelt die mathematischen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. PISA definiert die mathematische Kompetenz als das Erfassen „realitätsbezogener, innermathematischer Problemstelllungen, die übergreifenden mathematischen Ideen zugeordnet werden und wichtige Voraussetzungen für eine weiterführende Auseinandersetzung mit mathematischen Fragen erfassen.“ (PISA Konsortium Deutschland. Ländervergleich 2003: 5). Die erreichten Mittelwerte zu den verschiedenen Bereichen “Quantität“, „Veränderung und Beziehungen“, „Raum und Form“ und „Unsicherheit“ liegen bis auf eine Ausnahme im Durchschnittsbereich der OECD Staaten. Im Bereich der „Quantität“ liegt der deutsche Mittelwert sogar signifikant über dem der OECD. Die Streuung der erreichten Werte ist im internationalen Vergleich unverändert hoch. (vgl. PISA Konsortium Deutschland. Kurzzusammenfassung2003: 2). Die Kopplung des Bildungserfolgs an die soziale Herkunft ist in Deutschland nach wie vor eng. Die besuchte Schulform ist zudem wichtig für das Etablieren einer mathematischen Kompetenz. Die Chance, ein Gymnasium besuchen zu können, ist mit einem niedrigen sozialen Status vergleichsweise gering. Gleiches gilt für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund (vgl. PISA 2003: 4). Die Ergebnisse haben sich seit 2000 nicht verschlechtert. Die erzielten Leistungen im Bereich der Lesekompetenz stabilisierten sich sogar (vgl. PISA 2003: 4). Insgesamt bleibt die zentrale Herausforderung, die Anteile der Schülerinnen und Schüler mit einem niedrigen sozialen Status auf ein Kompetenzniveau zu heben, das ihren kognitiven Möglichkeiten entspricht und gerecht wird und diese im Sinne einer größtmöglichen Chancengleichheit fördert. Die Streuung der erzielten Leistungen ist im internationalen Vergleich nach wie vor hoch, wie die nachfolgende Studie in 2006 anhand des Schwerpunkts „Naturwissenschaften“ abermals feststellen konnte.
2.3.2 PISA 2006-Naturwissenschaft
Die naturwissenschaftliche Kompetenz umfasst bei PISA mehr als nur das Kennenlernen und Erfahren naturwissenschaftliche Phänomene. Erneut geht es darum, das Erlernte auf das Alltagsgeschehen übertragen, Fragestellungen zu ermitteln und auf Grundlage von Erkenntnissen Schlussfolgerungen ziehen zu können. PISA 2006 setzt bei der Untersuchung der Schülerinnen und Schülern aus 57 Ländern den Schwerpunkt auf die Ermittlung der naturwissenschaftlichen Kompetenzen und der Untersuchung der einflussnehmenden Faktoren auf den Bildungserfolg. Wie in der ersten Studie werden auch die Kompetenzen Lesen und Mathematik untersucht.
Neben der sozialen Herkunft beschreibt die Studie auch motivationale Einflüsse auf den Bildungserfolg. Im Vergleich zu den früheren Erhebungen zeichnet sich ein positiveres Bild ab. Deutschlands Schülerinnen und Schüler erreichen Werte, die signifikant über dem OECD Durchschnittsmittelwert liegen (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2006: 5). Die Streuung der Leistungen ist im internationalen Vergleich jedoch nach wie vor hoch.
Die Auswertungen der PISA Studie 2006 mit dem Schwerpunkt „Naturwissenschaftliche Kompetenzen“ ergaben abermals, dass ein enger Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und sozioökonomischem Hintergrund besteht (vgl. PISA 2006: 18-20). Anhand von Abbildung 2 wird der auffällig starke Einfluss des sozioökonomischen Hintergrunds auf die Schülerleistungen unter der Verwendung von zwei Messgrößen deutlich:
- Stärke des sozioökonomischen Gradienten, in Prozent
- Steigung des sozioökonomischen Gradienten
Während die Stärke der Gradienten den Wert der Abhängigkeit zwischen sozioökonomischen Hintergrund und Leistungsvarianz beschreibt, gibt die Steigung die Differenz zwischen zwei Testpersonen an.
Vergleichsweise hoch war die Differenz leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler zur Gesamtleistung des entsprechenden Landes unter anderem in Deutschland.
Der Gradient des deutschen Bildungssystems weist eine starke Steigung auf :
„Die Unterschiede in der Schülerschaft erklären etwa Dreiviertel der zwischenschulischen Unterschiede.“ (PISA Zusammenfassung 2006: 40).
Es besteht ein stärkerer Effekt des sozioökonomischen Hintergrunds auf die Leistungen, wenn die Schülerinnen und Schüler frühzeitig auf unterschiedliche Einrichtungen oder Bildungsgänge verteilt werden (vgl. PISA Zusammenfassung 2006: 43).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 (vgl. PISA 2006: 19)
Dieser Effekt verstärkt sich, wenn die Schüler in fachbezogene Leistungsgruppen aufgeteilt werden. Je früher diese Verteilung vorgenommen wurde, desto größer ist die Auswirkung des durchschnittlichen sozioökonomischen Hintergrunds einer Schule auf die Leistungen. Des Weiteren ist festgestellt worden, dass Schulen, die frühzeitige fachbezogene Aufteilungen vornahmen, durchschnittlich schlechtere Leitungen erzielten.
Lernzeiten und Unterrichtsmuster sind ebenfalls Einflussgrößen bezüglich des Bildungserfolgs auf naturwissenschaftlicher Ebene. Eine mögliche Schlussfolgerung kann sein, dass Unterrichtsmerkmale wie Anwendung und Entwickelung eigener Ideen, Experimentieren und ein ausreichendes Zeitangebot des naturwissenschaftlichen Unterrichts, sich positiv auf die Motivation etwas zu lernen auswirken können (vgl. PISA Konsortium Deutschland 2006: 11). Die Heterogenität der möglichen Aneignungsprozesse aller drei Kompetenzbereiche und der in PISA 2000-2006 wiederholt festgestellte Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungschancen machen die Entwicklung eines ganztägigen Bildungskonzepts notwendig, deren Bildungsmodalitäten so arrangiert werden, dass eine möglichst große Gruppe junger Menschen Anknüpfungspunkte findet und individuelle Bildungserfolge erzielen kann.
Erstmals entfaltet die PISA Studie im Jahr 2009 seine aufklärende Kraft, denn die Ergebnisse der Studie aus 2000 können mit denen aus 2009 verglichen werden und berücksichtigen somit den möglichen Einfluss auf die Veränderungen und Entwicklungen des Bildungssystems über mehrere Jahre (vgl. PISA 2009 Bilanz nach einem Jahrzehnt. Zusammenfassung: 4).
2.3.3 PISA 2009-Lesekompetenz
An PISA 2009 nahmen Schülerinnen und Schüler aus 65 Staaten teil. Erneut wurde die grundlegendste aller Kompetenzen als Schwerpunkt erfasst: die Lesekompetenz.
Im Vergleich zur ersten Studie wurde die erste Stufe in zwei Bereiche unterteilt; Kompetenzstufe Ia (schwache Leser) und Ib (sehr schwache Leser). Darüber hinaus werden exzellente Leser in einer weiteren Kompetenzstufe erfasst: der Stufe VI. Nach wie vor geht man allerdings davon aus, dass Schwierigkeiten in der Schullaufbahn zu erwarten sind, wenn ein Schüler oder eine Schülerin nicht über die erste Stufe hinaus kommen (vgl. PISA 2009: 5).
In Bezug auf die Lesekompetenz lässt sich ein langsamer aber stetiger und erstmals signifikanter Anstieg der erzielten Schülerleistungen feststellen (vgl. PISA 2009: 5). Im Vergleich zum OECD Mittelwert ist eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Auch die Streuung der gemessenen Leistungen ist in keinem anderen Land so stark gesunken wie in Deutschland. Eine wesentliche Verbesserung der erzielten Leistungen lassen sich im unteren Kompetenzbereich beobachten. Durch die Verfeinerung der ersten Kompetenzstufe, ließ sich feststellen, dass sich die Zahl der sehr schwachen Leser (Ib oder darunter) halbiert hat (vgl. PISA 2009: 5). Ein signifikanter Rückgang der schwachen Leser (Ia) lässt sich ebenfalls feststellen. Insgesamt sind immerhin noch knapp ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler nur schwache oder sehr schwache Leser (18,5%). Man geht davon aus, dass Schülerinnen und Schüler, die die erste Kompetenzstufe nicht überschreiten, Probleme beim Meistern der weiteren Schul- oder Ausbildungslaufbahn haben werden PISA 2009: 7). Weiterhin verteilen sich die Lesekompetenzen der Schülerinnen und Schüler nach wie vor ungleich auf die Zugehörigkeit zu den sozialen Schichten und ethnische Gruppen (vgl. PISA 2009: 7).
Neben dem Schwerpunkt Lesekompetenz wurde, wie in den Studien der vergangenen Jahre, auf die Ergebnisse der Bereiche Mathematik und Naturwissenschaften zurückgeblickt. Verglichen mit den erhobenen Daten der Studie aus 2003 lassen sich im mathematischen Bereich signifikante Verbesserung der Leistungen beobachten (vgl. PISA 2009: 8).
Im naturwissenschaftlichen Bereich haben sich die positiven und im Vergleich zum OCED Durchschnitt signifikant besseren Ergebnisse deutscher Schülerrinnen und Schüler stabilisiert (vgl. PISA 2009: 9-10). Verzeichnete Veränderungen können zufällig sein und lassen sich nicht valide absichern.
Für die erzielten Ergebnisse aller Schwerpunkte gilt, dass auch in 2009 nach wie vor ein signifikanter Zusammenhang zwischen Herkunft und erreichten Kompetenzstufen besteht. Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozioökonomischem Status (vgl. PISA 2009: 11-12). Ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg lässt sich in jedem teilnehmenden Staat feststellen. Eine gänzliche Entkopplung gibt es nicht, jedoch sind deutliche Unterschiede in der Ausprägung dieses Zusammenhangs im internationalen Vergleich sichtbar. In Deutschland ist der mögliche Bildungserfolg nach wie vor signifikant mit der Herkunft verknüpft und international vergleichsweise hoch (vgl. PISA 2009: 15-16).
2.4 PISA 2000-2009: Bildungserfolg und soziale Herkunft
Aus deutscher Sicht kann man durchaus von einer positiven Entwicklung in der Bildungslandschaft sprechen. Innerhalb des naturwissenschaftlichen Kompetenzbereichs erlangten Schülerinnen und Schüler Ergebnisse, die sogar signifikant über dem OECD Durchschnitt liegen. Die Leistungen im Bereich der Lesekompetenz haben sich leicht verbessert und in der Mathematik stabilisiert (Vgl. PISA 2006, S.21-22).
Die Diskussionen um die schlechten Ergebnisse der ersten Studie haben Entwicklungen angestoßen, die positive Veränderungen mit sich führen. Jedoch zeigt PISA 2009 abermals, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und dem Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler nach wie vor vergleichsweise hoch ist.
Infolgedessen ist in „Ländern mit relativ starken und steilen sozioökonomischen Gradienten dürfte mit sozioökonomisch ausgerichteten Maßnahmen das Meiste zu erreichen sein.“ (PISA Zusammenfassung 2006, S.39).
Die Empfehlung der PISA Studie gilt demnach insbesondere für das deutsche Bildungssystem.
Neben dem Bildungsauftrag muss soziale Integration stattfinden, die Familie immer weniger leisten kann. Bildung findet zunehmend institutionell statt. Unterschiedliche Bildungskontexte zum informellen, non formellen und formellen Lernen, müssen die heterogenen Ausgangslagen der Klientel berücksichtigen:
- Geschlecht
- Ethnische Herkunft
- Differente Lebensweisen (Stadt, Land, Straßenkomplexe, etc.)
- Unterschiedliche Lebensgemeinschaftsformen und Familienverhältnisse
- Verschiedene Bildungstraditionen innerhalb der Familie
- Heterogene Lerninteressen, Lernerwartungen und –fähigkeiten
Zunächst einmal legen die PISA Ergebnisse den Schluss nahe, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, die die sozioökonomischen Benachteiligungen zwischen den Schulen bzw. Schülerinnen und Schülern reduzieren und infolgedessen größtmögliche Chancengleichheit herstellen. Eine effiziente Grundlage für eine differenzierte Betrachtung dieser Schlussfolgerung bietet die Untersuchung der beispielsweise in PISA 2006 beschriebenen Messgrößen Stärke und Steigung der Gradienten.
Diese daraus resultierenden, neuen Anforderungen an Schule sind keinesfalls ein zeitlich begrenztes Phänomen.
Die Entwicklung der letzten neun Jahre seit der ersten PISA Studie sind zwar erfreulich, zeigen aber auch, dass die bildungspolitischen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte weiter aufgeholt und die Maßnahmen gerade im Hinblick auf größtmögliche Chancengleichheit weiter verstärkt werden müssen.
[...]
[1] Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
[2] Zu den Textsorten können kontinuierliche Texte, Erzählungen aber auch Tabellen und Diagramme gehören.
[3] Tatsächlich erreichen nur 19% aller Schülerinnen und Schüler die erste Kompetenzstufe, die restlichen 10% scheitern bereits an dieser Stufe.
- Citation du texte
- Melanie Stölting (Auteur), 2013, Ganztagsbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264190
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