Schmetterling im Bauch, das erste Mal verliebt - jeder von uns kennt dieses wunderschöne, aber zunächst auch etwas seltsame Gefühl. Homosexuelle Jugendliche plagt die Unsicherheit noch viel mehr, als es bei einem heterosexuellen Teenager ohnehin schon der Fall ist.
Machen sich dann in der Schule noch Gerüchte breit oder fliegen Sprüche wie „Du Schwuchtel!“ oder „Du Lesbe!“ durch die Umkleideräume des Sportvereins, fällt es den Jugendlichen schwer, ihre Gefühle zu akzeptieren. Ein selbstbewusstes Coming-Out ist in diesem Umfeld ein ebenso schwieriger wie erlösender Schritt. In diesem Buch wird die Situation schwuler und lebischer Jugendlicher beleuchtet.
Aus dem Inhalt:
Selbstakzeptanz
Phasen des Coming-Out
Entwicklung einer schwulen / lesbischen Identität
Sexuelle Identität und Orientierung
Homophobie
Bedeutung des Coming-Out für die Eltern
1. Einleitung
Mario ist bis über beide Ohren in Anke verliebt, Stefanie steht total auf Thomas und Katja hat Schmetterlinge im Bauch, wenn sie mit Bernd oder Maike zusammen ist. Wie bitte, habe ich das richtig gelesen? Schnell noch einmal an den Anfang zurück. – Richtig! Katja ist sowohl in Bernd als auch in Maike verliebt. So manch moderner Mensch wird darüber schmunzeln und sich denken, dass Maike eben für alles offen ist. Außerdem kann es auf gewisse Art und Weise sogar ganz spannend sein, Neues zu entdecken und eventuell Verbotenem nachzugehen. – Wie dem auch sei, möglicherweise sind wir ja alle ein bisschen bisexuell – zumindest theoretisch.
In der Theorie und im Gespräch hört sich das Thema Sexualität immer ganz einfach an. Erst wenn es ernst wird und ein Junge seinem Banknachbar zärtlich die Hand auf den Oberschenkel legt, schrillen sämtliche Alarmglocken. Den Betroffenen stellen sich viele Fragen. „Ich bin doch nicht schwul, oder? Wie reagieren meine Freundin und meine Eltern auf mein Gefühlschaos? Was denken wohl andere über mich?” Und immer bleibt im Hinterkopf – “Hoffentlich hat es keiner gesehen.”
Liebe erweckt in jedem eine gewisse Art an Verwirrung und man weiß zuerst gar nicht, wie man damit umgehen soll. „Wie war es denn damals als ich das erste Mal verliebt war?“ Jeder von uns kennt das unbekannte, seltsame und doch so ergreifende Gefühl der ersten großen Liebe. Im Laufe der Zeit lernt man damit umzugehen und man bemerkt ganz nebenbei, dass man nicht der Einzige ist, dem das so geht oder gegangen ist. Auch die Jugendlichen müssen das Gefühl verliebt zu sein erst kennen und damit umzugehen lernen.
Homosexuelle Jugendliche plagt ihre sexuelle Unerfahren- und Unsicherheit noch viel mehr, als es bei einem durchschnittlichen Teenager ohnehin schon der Fall ist. Ein Gedanke jagt den anderen und es stellen sich Fragen über Fragen. Werden dann zusätzlich noch Gerüchte oder ordinäre Sprüche, wie beispielsweise „Hey, du Schwuchtel!“ oder „Hey, du dumme Lesbe!“ durch die Klassenzimmer geschrien, löst das im betroffenen Jugendlichen ein sehr ungutes Gefühl aus.
‚Jugend in Mitten des sozialen Wandels’, genau dies ist ein sehr aktuelles Thema im Hinblick auf Homosexualität. In dem Jugenddrama ‚Sommersturm’ von Marco Kreuzpainter, das im Jahre 2004 im Kino anlief, fand genau dieses Thema, die Selbstfindung eines homosexuellen Jugendlichen, erstmals Einzug in den deutschen Kino-Mainstream. Wie bitte? Solch ein Film im Kino? Das wird garantiert ein Flop, oder?
2. Begriffsklärung
Der Begriff ‘ Homosexualität ’, beziehungsweise ‘ Homophilie ’, stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bezeichnet eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft, in der Liebe, Romantik und sexuelles Begehren des gleichen Geschlechts eine Rolle spielen. „Im engeren Sinn wird der Begriff Homosexualität für die Beziehungen zwischen erwachsenen Männern verwendet. Die homosexuelle Beziehung zwischen Frauen wird lesbische Liebe (...), zwischen erwachsenen Männern und männlichen Jugendlichen Päderastie genannt.“[1] Homosexuelle Frauen werden als Lesben oder Lesbierinnen und homosexuelle Männer als Schwule bezeichnet. „Das Adjektiv homosexuell wird auch auf gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Menschen des gleichen Geschlechts angewendet, die nicht Schwule oder Lesben sind.“[2]
3. Die Entstehung von Homosexualität
Homosexualität ist in aller Munde. Immer häufiger berichten Medien über schwule Männer und lesbische Frauen. Sogar Fernsehserien, wie zum Beispiel ‚ The L-Word’ oder die gegenläufige Schwulenserie ‚ Queer As Folk’, widmen sich dem Thema und laufen im wöchentlichen Abendprogramm. Auf einmal sieht es so aus, als ob gleichgeschlechtliche Liebe etwas ganz Normales wäre. Aber wodurch kommt dieser Gesellschaftswandel? Die Bereitschaft Menschen, die eine andere Art der sexuellen Liebe präferieren, zu tolerieren, wird in der westlichen Welt immer größer. Doch noch immer umgibt das Thema Homosexualität eine Mystik, die es keinesfalls verdient hat.
Betrachtet man die Zahl aller Männer der Welt, bevorzugen schätzungsweise 3 bis 5 Prozent aller Männer ausschließlich Beziehungen zu einem anderen Mann. Bei den Frauen, die Frauen lieben, sind es nur 2 bis 3 Prozent. Bis heute streiten sich Wissenschaftler, Forscher, Mediziner und Psychologen, welchen Auslöser es für Homosexualität geben könnte und wodurch sie hervorgerufen wird. Sie alle suchen schon lange nach der Antwort auf die Entstehungserklärungen der Homosexualität. Gleichgeschlechtliche Liebe gab es schon immer, aber gerade in der heutigen Gesellschaft erregt sie sehr viel Aufsehen und versucht jede Tätigkeit und jedes Individuum in eine Kategorie zu pressen.
„Es ist nicht zufällig, dass der Begriff Homosexualität erst im 19. Jahrhundert von deutschen Psychiatern als Kunstwort geschaffen wurde. Die schroffe Trennung der Menschen in ausschließlich Heterosexuelle und ausschließlich Homosexuelle, also in Menschen, die entweder nur für Frauen oder nur für Männer erotische und sexuelle Gefühle empfinden können, ist ein geschichtliches Novum.“[3]
Betrachtet man die Erklärungsversuche, die unternommen werden, um die Entstehung von Homosexualität zu untersuchen, so lassen sich diese grob in drei Gruppen aufteilen.
Die erste Gruppe beschäftigt sich mit der Theorie, dass es genetische Ursachen für Homosexualität gibt. Demnach existiert ein ‚schwul-lesbischen Gens’, das die Menschen gleichgeschlechtlich lieben lässt. Jedoch ist bis dato ein Nachweis eines solchen Gens mit wissenschaftlich fundierter Forschungsmethode nicht gelungen. Gemäß einer Studie konnten amerikanische Forscher zeigen, dass die Gene für Homosexualität nicht, wie ursprünglich angenommen, auf den Geschlechtschromosomen zu lokalisieren sind. Vielmehr liegen sie auf den sogenannten Autosomen, den Nicht-Geschlechts-Chromosomen.
Auch die einhergehende Theorie, dass der Hormonhaushalt der Mutter während der Schwangerschaft ausschlaggebend sei, ist mittlerweile widerlegt worden. In weiteren Untersuchungen wollen die Wissenschaftler nun ermitteln, welche Gene sich im Einzelnen hinter den identifizierten DNA-Abschnitten verbergen. Weiterhin ist auch noch unklar, wie stark der Beitrag der einzelnen Abschnitte für das Entstehen einer homosexuellen Neigung ist. Sicher scheint dennoch zu sein, dass kein einzelner Erbfaktor ausreicht, um die Begriffe homo- und heterosexuell genetisch zu definieren. Auch Brian Mustanski, Genetiker der Universität Illinois in Chicago, hält es für sehr wahrscheinlich, dass ebenso Umwelteinflüsse bei der Entstehung von Homosexualität eine nicht unerhebliche Rolle spielen könnten.[4]
Die zweite Gruppe stützt sich auf soziale Faktoren und Einflüsse, die vor allem im frühkindlichen Alter bis hin in die Adoleszenzphase auf den Menschen einwirken. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass bei homo- und heterosexuellen Menschen identische Faktoren, wie die Scheidung der Eltern, der frühe Tod eines Elternteils oder bestimmte Erziehungsstile, in gleicher Häufigkeit vorliegen und dies somit kein eindeutiger Erklärungsversuch für die Entstehung von Homosexualität ist.
Die dritte Gruppe ist der Meinung, dass sogenannte Ko-Faktoren, also die genetische Prädestination in Kombination mit der Verstärkung durch das soziale Umfeld, in den ersten Lebensjahren eine homosexuelle Ausrichtung bedingen. Auch diese Methode hat bisweilen keine wissenschaftliche Untermauerung erfahren.[5]
Abgesehen von diesen drei Gruppen hat es immer wieder Erklärungsversuche seitens der Forschung auf dem Gebiet der Psychoanalyse gegeben. Die Bekannteste wurde von Sigmund Freud entwickelt,. Diese möchte ich hier kurz aufgreifen und näher erklären. Freud beschäftigt sich in seinem Buch Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci aus tiefenpsychologischer Sicht eingehend mit dem Thema Homosexualität und stellt wie folgt fest:
„Der Knabe verdrängt die Liebe zur Mutter, indem er sich selbst an deren Stelle setzt, sich mit der Mutter identifiziert und seine eigene Person zum Vorbild nimmt, in dessen Ähnlichkeit er seine neuen Liebesobjekte auswählt. Er ist so homosexuell geworden; eigentlich ist er in den Autoerotismus zurück geglitten, da die Knaben, die der Heranwachsende jetzt liebt, doch nur Ersatzpersonen und Erneuerungen seiner eigenen kindlichen Person sind, die er so liebt, wie die Mutter ihn als Kind geliebt hat. Wir sagen, er findet seine Liebesobjekte auf dem Wege des Narzissmuss.“[6]
Die größte Kritik an Freuds Ansichten wurde an seiner zu einseitigen Berücksichtigung äußerer Faktoren geübt. Gemäß seiner Thesen liegt die Ursache bei einer stetig dominanten Mutter und bei einem durch Abwesenheit glänzenden Vater. Auch für Carl Gustav Jung, der sich nur selten zu diesem Thema äußerte, spielt die Mutter in seinen Erklärungsversuchen eine zentrale Rolle.
„Für Jung haftet in der Homosexualität die heterosexuelle Komponente in unbewusster Form an der Mutter. Allerdings ist der projektionsbildende Faktor nicht einfach die wirkliche Mutter, wie die Psychoanalyse Freuds annimmt, sondern die Mutter-Imago: das archetypische Bild, welches der Sohn von der Mutter in sich trägt.“[7]
Versucht man nun alle Erklärungsversuche zusammenzufassen, wird deutlich, dass sich keine eindeutigen Wurzeln für die Entstehung der homosexuellen Ausrichtung finden lassen. Letztendlich bleibt fraglich, ob man überhaupt so tief graben muss, um Homosexualität betrachten und objektiv beurteilen zu können.
Alle diese Theorien habe ich in der Ausarbeitung meines Fragebogens berücksichtigt, um aus realitätsgebundener Sicht, welche die unterschiedlichen Prägungs- und Erziehungsmodelle mit sich bringen, Schlüsse ziehen zu können.
4. Homosexuelle Entwicklung und die Phase des „Coming-Out“
Die psychische Identität eines jeden Menschen bildet sich bekanntlich im Laufe eines sogenannten Lebensprozesses heraus. Das heißt, dass dieser das ganze Leben lang andauert. Ebenso verhält es sich mit der sexuelle Identität, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Prozesses bildet. Für die Entwicklung der sexuellen Identität sind gerade die Aspekte der frühen Lebensphasen von entscheidender Bedeutung.
Laut einer Untersuchung, die im Jahr 1999 in Berliner durchgeführt wurde, entwickeln Jugendliche, die sich später als schwul beziehungsweise lesbisch identifizieren, im Alter zwischen 12 und 15 Jahren das Gefühl, in sexueller Hinsicht ‚anders’ zu sein. Das ‚Coming Out’ folgt allerdings nicht sofort, sondern tritt meist zwischen dem 16. und dem 20. Lebensjahr ein. Die gleiche Studie weißt zusätzlich darauf hin, dass die Jugendlichen und Heranwachsenden zu wenige Informationen und zu wenig Unterstützung durch ihre Umwelt erfahren.[8]
5. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
In den letzten Jahren haben sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingen in Deutschland deutlich verbessert, was ein Coming-out, die Fähigkeit offen zu seiner sexuellen Orientierung zu stehen, vereinfacht hat. Bei direkter Konfrontation und vorsichtiger Annäherung zwischen homo- und hetero-sexuellen Menschen, kann man feststellen, dass fast ausschließlich die Heten defensive Unsicherheiten zeigen. Dies spiegelt jedoch ein authentisches Zeugnis der heutigen Gegebenheiten wieder. Die Zeiten von systematischer Diskriminierung und Vorurteilen gegen Homosexuelle neigen sich mehr und mehr dem zu Ende. Die immer selbstbewusster und offener lebende Subkultur hat ihre Ängste fast gänzlich abgelegt und konfrontiert homophobes, konservatives Gedankengut direkt mit ihrer gefürchteten ‚Andersartigkeit’.
Doch selbst im vertrauten Umfeld steht der Homosexuelle vor vielen Hürden, die es in seinem Leben zu nehmen gilt. Nach der Selbsterkenntnis und dem Eingeständnis, sich zum eigenen Geschlecht hingezogen zu fühlen, folgt als zweiter Schritt bei vielen das Outing. Oftmals vollzieht sich dieses in der Pubertät. Bei vielen sogar erst im fortgeschrittenen Alter oder nie. Nichtsdestotrotz ist in einem solchen Fall immer von einer Identitätskrise zu sprechen. Diese kann bei vielen Betroffenen sogar zu Suizidversuchen oder zur realisierten Selbsttötung ausufern.
Viele Homosexuelle bekennen sich auch nur in bestimmten Gesellschafts-Gruppen, wie Freunden und eng Vertrauten, zu ihrer Neigung und vermeiden bei anderen Gruppierungen, wie beispielsweise Familie und Beruf, ein Outing. Meist wird dies aus Angst oder als Selbstschutz getan, da das Umfeld auf diese Nachricht unvorhersehbar reagieren könnte.
Auch Die Suche nach Gleichgesinnten oder einem Partner ist nicht ganz so einfach wie bei heterosexuell orientierten Menschen. Hierbei besteht die Schwierigkeit, dass man sich bei der Suche oft auf speziell für Homosexuelle ausgerichtete Einrichtungen konzentrieren muss. Mittlerweile verfügt jede größere Stadt über eine florierende Homo-Szene. Diese bedienen sich schon lange nicht mehr den Klischees, die damals mit solchen Orten verbunden wurden.
Hier trifft man vom 17-jährigen Teenager bis zum 50-jährigen Manager auf alle Sorten von Menschen. Auch Heterosexuelle sind durchaus offen für homosexuelle Menschen. Sie scheinen große Interesse daran zu haben, diese für sie ‚neue Welt’ mit eigenen Augen kennen zu lernen. Auch das von Klischees gereifte und stereotype Erscheinungsbild einer Lesbe oder eines Schwulen, welches durch frühere Filme geprägt wurde, ist just nicht mehr realitätsgetreu. Es ist definitiv nicht mehr der Fall, dass man jeden homosexuell orientierten Menschen bereits auf den ersten Blick oder an seinem äußerlichen Erscheinungsbild, seiner entsprechenden Orientierung zuordnen könnte.
Es gibt genauso wenig die beziehungsweise den Homosexuelle/n, wie es die oder den Heterosexuellen gibt. Sicherlich treten einige Schwule ‚tuntig’ und einige Lesben als ‚kesse Emanzen’ auf, doch die allermeisten Homosexuellen kann man weder an ihren Gesten und ihrer Mimik, noch an ihrer Kleidung erkennen. Die Mehrheit lebt und verhält sich für einen ‚Laien’ völlig unauffällig. Jedoch fallen gerade die Minderheiten sofort ins Auge, die auch Präsenz zeigen wollen.
Auch die Medien beschäftigen sich, wie bereits erwähnt, seit geraumer Zeit mit dem Thema. Die eigentlich so prüden Amerikaner produzieren Sendungen wie ‚ Queer As Folk’ oder ‚ The L-Word’ und greifen dabei auf humoristische und trotzdem sensible Weise viele Themengebiete auf, welche die Szene bewegen. Gesellschaftliche Akzeptanz, Identitätskrisen und Positionierungsprobleme sind nur einige Probleme, die dabei aufgegriffen werden. Beide Serien vermitteln einen Einblick in die wahre Welt der Homosexualität. Diese Sendungen sind in der medialen Welt gute Werbeflächen für mehr Achtung und Akzeptanz. Die Bereitwilligkeit zur Akzeptanz entsteht dadurch, dass transparent gemacht wird, was vorher scheinbar hinter vorgehaltener Hand gesagt und getan wurde.
Ebenso konsequent richtig wie lobenswert wichtig zeigt der Kinofilm ‚ Sommerturm’, dass Aggressionen gegen Homosexuelle bei Jugendlichen meistens aus bloßer Angst resultieren. Dabei betrifft dies nicht die Angst vor dem homosexuellen Gegenüber, sondern die Angst, seine eigene sexuelle Identität in Frage zu stellen. Im Film werden auch keine Witze auf Kosten der Homos gemacht. Vielmehr sprechen sie immer wieder die Heten an, denn schließlich sind sie es, die sich verbohrt und peinlich aufführen, wenn sie mit Homosexualität in Kontakt kommen und das nur wegen ihrer übertriebenen Berührungsängste.
Alle diese Faktoren tragen hoffentlich dazu bei, dass in Zukunft mit dem Thema Homosexualität normal umgegangen werden kann. Auch in der Schule sollte dieses Thema neben dem bereits vorhandenen Sexualkundeunterricht in das Curriculum eingebunden werden, ohne dass die Lehrperson eine Stigmatisierung ihrer selbst oder einzelner Schüler erfahren muss.
6. Entwicklungsstandpunkt der Bildungsstädte Schule
Laut diversen Studien, sieht es in deutschen Schulen mit dem Wissen um Homosexualität ziemlich schlecht aus. So glaubten im Jahre 2003 laut einer Berliner Studie[9] noch 11 Prozent der Schüler, dass Homosexualität eine Krankheit sei und 24 Prozent hielten Homosexualität für eine abartige Form der Sexualität. Diese bestehenden Vorurteile resultieren aus einer mangelhaften Aufklärung. Aufgrund des Mangels an Informationen und Erklärungen werden schwule Schüler trotz des fortschreitenden gesellschaftlichen Wandels, immer noch in vielen Fällen in aller Öffentlichkeit als Schwuchtel und Arschficker bezeichnet. Der gemeine hetero Schulkamerad scheint ohnehin davon auszugehen, dass die Schwulen nichts anderes im Kopf haben, als ‚es von hinten zu machen’.
Da die meisten Lehrer selbst nicht viel über das Thema wissen, wird das Thema totgeschwiegen oder es wird schlicht und einfach weggesehen. Den meisten ist es einfach unangenehm oder peinlich darüber zu reden. Dass es sich bei dem Thema um einen lebenswichtigen Aspekt handelt, an dem viel mehr hängt als nur die sexuelle Leidenschaft, wird meistens erst mit einer höheren Schulbildung oder einer steigenden Lebenserfahrung wahrgenommen.
Die Angst vor Reaktionen der Lehrer scheint im Schulalltag unbegründet. Auch wenn es in der Theorie so sein sollte, darf man trotz allem nicht außer Acht lassen, dass es Lehrern meist schwer möglich ist, persönliche Einstellungen und Meinungen aus der Schule fern zu halten. Eine rein objektive Sichtweise scheint daher fast utopisch zu sein. Natürlich ist auch die Lehrerschaft nur ein Spiegel der Gesellschaft, mit mehr oder weniger toleranten Einstellungen. Jedoch ist es einem Lehrer oder einer Lehrerin schon aus juristischer Sicht verboten, Schüler aufgrund ihrer Sexualität ungleich, sowohl im negativen als auch im positiven Sinne, zu behandeln.
Hinsichtlich der Lehr- und Bildungspläne wird das Thema Homosexualität ebenfalls unter den Tisch fallen gelassen. Im Juni 2005 wurde im Bundestag zwar ein Antrag angenommen (übrigens laut „ GAB“ gegen die Stimmen der CDU/CSU), der die Bundesländer dazu auffordert, Inhalte wie ‚Sexuelle Orientierung’ im Curriculum zu verankern, sowie in die Ausbildung aller pädagogischen und sozialarbeiterischen Berufe einzubeziehen. Trotz allem blieben die Art und der Umfang der Stoffvermittlung den Lehrkräften überlassen.
Auch der zeitliche Umfang für die Einzelthemen ist keineswegs in den Lehr- und Bildungsplänen festgelegt, so dass dieser ebenfalls in der freien Entscheidung der Lehrkraft liegt. Letztendlich fällt somit das Thema Homosexualität leider unter die Rubrik der pädagogischen Freiheit eines jeden Lehrers. Die bayerische Staatsregierung findet das, nach entsprechender Anfrage der Landtagsfraktion der Grünen, auch vollkommen in Ordnung. Im Hinblick auf die im Oktober 2005 gestellte Anfrage im Thüringer Landtag verzeichnet dies wenigstens einen Teilerfolg. Denn in Thüringen ist man sich einig, „dass eine spezielle Vorbereitung von Pädagogen im Hinblick auf Homosexualität und deren verschiedenen Teilaspekten, nicht erforderlich sei.“[10]
Meiner Ansicht nach, wird gerade bei dem Thema Homosexualität ein gewisses Maß an Feingefühl und pädagogischer Kenntnisse gefordert. Allgemein gesehen sind Schüler in der pubertären Phase sehr leicht verletzlich. Daher sollte man unbedingt aufpassen, dass man sie bezüglich ihrer eigenen Identitätsfindung nicht verunsichert oder gar unbeabsichtigt unterdrückt. Gerade weil dieses Gefühl nicht jedem bekannt ist, muss man ein gewisses Gespür und Einfühlungsvermögen für solche Situationen entwickeln.
Ein misslungener Einstieg in die Thematik der Homosexualität würde ein Aufklärungsversuch anhand einer HIV-Dokumentation sein. Natürlich wird das Thema HIV sehr oft mit dem Begriff Homosexualität in Verbindung gebracht, aber gerade diese lassen Jugendliche davor zurückschrecken. Dass auch bei hetero-sexuellen Paaren eine mindest genau so große Chance der Ansteckungsmöglichkeit besteht, wird meist vorenthalten. Daher sollte man einen anderen geeigneten Weg zur Aufklärung finden.
Dass es durchaus positive und weitreichende Umsetzungen des Themas Homosexualität im Unterricht gibt, haben die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein gezeigt. Im Jahr 2003 die Hansestadt Hamburg hat eine Broschüre über ‚Gleichgeschlechtliche Beziehungen’ in die Schulen gebracht. Dabei sind auch die Lehrer dazu verpflichtet, das Thema fächerübergreifend anzusprechen und zu bearbeiten. Während in Biologie beispielsweise über die sexuellen Aspekte gesprochen werden soll, wird im Fach Geschichte verdeutlich, welchen Diskriminierungen Schwule ausgesetzt waren und in Deutsch sollen Anhand von Büchern und Biografien die Lebenswege und -weisen der Homosexuellen nahegebracht werden.[11]
7. Erstellung des Fragebogens zur Homosexualität
Um mich jenseits von Sekundärliteratur, Zeitschriften und Internet über das Thema Homosexualität im Jugendalter zu informieren, habe ich einen Fragebogen erstellt. Diesen habe ich mit Hilfe der Internetplattform StudiVZ jeweils 30 homosexuellen Frauen und Männern zugänglich gemacht. Um die Umfrage durchführen zu können und eine möglichst breite Masse anzusprechen, habe ich mich in folgende Gruppen eingetragen: ‚ Gays@StudiVZ’ und ‚ Lesbengruppe’. In den jeweiligen Gruppen habe ich dann einen Aufruf gestartet und um die Teilnahme an meinem Fragebogen gebeten. Es bestand ein reges Interesse und schon nach wenigen Tagen hatte ich die Teilnehmerzahl von 30 erreicht.
Ich habe mich dafür entschieden, die Fragen sehr offen zu stellen, um eine möglichst vielfältige und breitgefächerte Sichtweise der einzelnen Teilnehmer zu erhalten. Jedoch musste ich dafür auch in Kauf nehmen, dass manche Antworten völlig außer Acht gelassen werden mussten (gekennzeichnet durch keine Angaben), da diese in keiner Weise in die Kategorien, die ich bei der Auswertung erstellt habe, gepasst hatten. Die Auswertung habe ich dann entsprechend der gegebenen Statements als 100%-Marke erstellt.
Die Beantwortung der Fragen habe ich in meiner Ausarbeitung selbstverständlich anonymisiert dargelegt. Das Durchschnittsalter der weiblichen Teilnehmer lag bei etwa 24 Jahren und das der männlichen bei 22 Jahren. Bei einer wissenschaftlich durchgeführten Umfrage beziehungsweise Studie sollte es normalerweise mindestens 100 Teilnehmern geben. Jedoch war mir aus zeitlichen Gründen nicht möglich eine Umfrage in solchem Ausmaß durchzuführen. Trotz der geringen Teilnehmerzahl kann man dennoch sehr gute Vergleiche zu den anderen bereits erwähnten Studien herstellen.
Tabelle 1: Durchschnittsalter der Teilnehmer.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der folgenden Tabelle 2 habe ich alle Altersangaben in einem Säulendiagramm dargestellt. Wie zu erkennen ist, hat jedes Alter seine eigene Farbe. Somit kann man die Säulen gut unterscheiden. Die männlichen und die weiblichen Altersangaben können damit direkt verglichen werden. Die y-Achse steht repräsentativ für die Anzahl der angegebenen Altersangaben.
Tabelle 2: Aufgliederung der Teilnehmeranzahl nach Alter und Geschlecht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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Der Fragenkatalog
1. Wann hast du das erste Mal bemerkt, dass du homosexuell sein könntest?
2 Wie bist du damit umgegangen?
3. Wann hast du dich das erste Mal jemandem offenbart und warum gerade dieser Person?
4. Welchen Erklärungsversuch gibst du selbst dafür, dass du homosexuell bist? (vorgeburtlich / erziehungsbedingt / o.ä.)
5. Hattest du vor deiner Erfahrung mit dem gleichen Geschlecht bereits Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht? Wenn ja, welche?
6. Beschreibe die Situation in deinem Elternhaus. (Gab es ein dominantes Elternteil, ein eher abwesendes?)
7. In welchen gesellschaftlichen Kreisen (Freunde, Familie, Arbeit, Uni, Verein, etc.) bist du geoutet, in welchen nicht?
8. Warum ist das so?
9. Wie haben die Meisten auf dein Outing reagiert?
10. Gab es auch negative Reaktionen in Bezug auf dein Outing?
11. Warst du jemals (verbalen oder körperlichen) Gewalteinwirkungen aufgrund deiner sexuellen Orientierung ausgesetzt?
12. Wie bist du in die Szene hinein gekommen?
13. Wie hast du dich gefühlt, als du das erste Mal in der Szene weggegangen bist?
14. Würdest du sagen, dass es homosexuelle Männer im Gegensatz zu homosexuellen Frauen schwerer in der Gesellschaft haben?
15. Hast du in der Schule etwas über Homosexualität erfahren? Wenn ja, was genau und in welchem Fach?
16. Wird das Thema Homosexualität in der Schule ausreichend behandelt? Wenn NEIN, wie sollte es thematisiert werden?
17. Kannst du einen Unterschied (früher vs. heute) in Bezug auf den Umgang mit deiner Homosexualität feststellen?
18. Welche gesellschaftlichen Veränderungen erhoffst du dir für die nächsten 10 Jahre im Bezug auf Homosexualität?
Auswertung des Fragenkatalogs
Frage 1
Wann hast du das erste Mal bemerkt, dass du homosexuell sein könntest?
Mit dieser Frage wollte ich das Durchschnittsalter der gesamten Teilnehmerzahl ermitteln. Das Durchschnittsalter der weiblichen Befragten betrug 13,3 Jahre und das der männlichen 14,24 Jahre. Die y-Achse in Tabelle 3 steht repräsentativ für die Anzahl der angegebenen Altersangaben
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Aufgliederung der Teilnehmeranzahl nach Alter und Geschlecht in Bezug auf erste Anzeichen der Homosexualität.
Das breite Band der ermittelten Altersangaben entspricht somit sehr gut den Altersangaben, wie sie bereits in Abschnitt 4 Homosexuelle Entwicklung und die Phase des „Coming-Out“ erwähnt wurden. Dort wurde gesagt, dass „im Alter zwischen 12 und 15 Jahren das Gefühl, in sexueller Hinsicht ‚anders’ zu sein“ erstmals in Erscheinung tritt.
Frage 2 Wie bist du damit umgegangen?
Diese Frage habe ich im Hinblick auf die psychische Problematik untersucht. Hierbei war mir wichtig zu wissen, ob sich ein Jugendlicher bei der ersten Konfrontationen mit seiner Homosexualität eingesteht, was da gerade in ihm vorgeht. Bei dieser Frage ließen sich folgende Tatsachen feststellen:
Tabelle 4: Aufgliederung der Teilnehmeranzahl nach Eingestehen der Homosexualität.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei den Homosexuellen, haben sich außerdem folgende Verhaltensweisen dargelegt:
Tabelle 5: Verhaltensweisen weiblicher und männlicher Teilnehmer auf ihrer Homosexualität.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Brockhaus Enzyklopädie (1989), S. 219
[2] Online: http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t [Stand: 30.04.2007]
[3] Schellenbaum: 1994, S. 12
[4] vgl. Online in: http://www.freenet.de/freenet/wissenschaft/mensch/genetik/homo_gen/02.html [Stand: 30.04.2004]
[5] Online in :http://www.wien.gv.at/queerwien/theor.htm) [Stand: 30.04.07]
[6] Freud: 1976, S. 59f
[7] Schellenbaum: 1994, S. 70
[8] Quelle: Gleichgeschlechtliche Beziehungen, Eine Handreichung für den Unterricht in den Klassen 9 und 10 der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II, Herausgeber Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Bildung und Sport (BBS), Amt für Bildung, 22083 Hamburg,1. Auflage, Erscheinungsjahr: 2003
[9] vgl. GAB – Das Gay Magazin, Thema „Homosexualität in der Schule“, Ausgabe März 2007
[10] vgl. GAB – Das Gay Magazin, Thema „Homosexualität in der Schule“, Ausgabe März 2007
[11] vgl. Gleichgeschlechtliche Beziehungen, Eine Handreichung für den Unterricht in den Klassen 9 und 10 der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II, Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Bildung und Sport (BBS) Amt für Bildung Hamburger Straße 31, 22083 Hamburg,1. Auflage: Erscheinungsjahr: 2003
- Citation du texte
- Yasmin Einloft (Auteur), Tamara Liebig (Auteur), Thomas Gerth (Auteur), Renate Wedel (Auteur), 2013, Sie und sie & Er und er. Das Coming-Out als Schlüssel zur Identitätsfindung und Selbstakzeptanz bei homosexuellen Jugendlichen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262374
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