Nowadays humans are surrounded by Technical Languages which influence common language in many different ways (e. g. mass media as well as fictional and nonfictional literature). Therefore, the term Scientific Language—and hence the term Technical Language—is difficult to define and not consistently used. Although each definition fits in only one special context, technical languages (1) either exist within or besides common language, (2) differ from common language, (3) are made for communication between professionals and (4) may build a barrier of understanding. Since hindered understanding of technical languages does not only affect nonprofessionals but also professionals who do not yet possess »technical thinking« (e. g. interested people, scholars and students) the question is: Is German scientific language connected with the understandability of texts? In fact, this question also affects didactics. Based upon the fact that scientific and common language have the same linguistic levels (e. g. lexis, morphology and syntax), but some linguistic instruments of technical languages occur more or less often, the syntactic instrument of voice (diathesis) is examined prototypically. The corresponding verbalized hypothesis is: Information from texts predominantly written in active voice can be easier remembered than information from texts predominantly written in passive voice. In this case the operationalized hypothesis is: Subjects who read a text which includes more active voice sentences than passive voice sentences mark more true/false statements of a following test correctly than subjects who read a text in which it is the other way round. Referring to the operational hypothesis this study has three main components: (1) an active voice text, (2) a passive voice text and (3) a form shaped test. A total of 32 subjects took part in this study—16 of them were given the active voice text, 16 the passive voice text. For the benefit of the hypothesis those subjects who randomly got the active voice text received 8.9 percentage points better results than those who randomly got the passive voice text.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. THEORETISCHER TEIL
2.1 Linguistische Grundlagen
2.2 Hypothesenformulierung
3. METHODISCHER TEIL
3.1 Planung der Untersuchung
3.2 Durchführung der Untersuchung
4. ERGEBNISSE, ERLÄUTERUNG UND ERÖRTERUNG
4.1 Zahlentafeln (als Basis für die Schaubilder)
4.2 Schaubilder (auf Basis der Zahlentafeln)
4.3 Erläuterung und Erörterung
5. SCHLUSS
6. LITERATURVERZEICHNIS
6.1 Fachliche Literatur
6.2 Sonstige Literatur
7. ANHANG
7.1 Aktivischer Text
7.2 Passivischer Text
7.3 Fragebogen
7.4 Datenquelle des aktivischen Texts
7.5 Datenquelle des passivischen Texts
Abstract
Nowadays humans are surrounded by Technical Languages which influence common language in many dif- ferent ways (e. g. mass media as well as fictional and nonfictional literature). Therefore, the term Scientific Language —and hence the term Technical Language —is difficult to define and not consistently used. Alt- hough each definition fits in only one special context, technical languages (1) either exist within or besides common language, (2) differ from common language, (3) are made for communication between profession- als and (4) may build a barrier of understanding. Since hindered understanding of technical languages does not only affect nonprofessionals but also professionals who do not yet possess »technical thinking« (e. g. in- terested people, scholars and students) the question is: Is German scientific language connected with the un- derstandability of texts? In fact, this question also affects didactics. Based upon the fact that scientific and common language have the same linguistic levels (e. g. lexis, morphology and syntax), but some linguistic instruments of technical languages occur more or less often, the syntactic instrument of voice (diathesis) is examined prototypically. The corresponding verbalized hypothesis is: Information from texts predominantly written in active voice can be easier remembered than information from texts predominantly written in pas- sive voice. In this case the operationalized hypothesis is: Subjects who read a text which includes more active voice sentences than passive voice sentences mark more true/false statements of a following test correctly than subjects who read a text in which it is the other way round. Referring to the operational hypothesis this study has three main components: (1) an active voice text, (2) a passive voice text and (3) a form shaped test. A total of 32 subjects took part in this study—16 of them were given the active voice text, 16 the passive voice text. For the benefit of the hypothesis those subjects who randomly got the active voice text received 8.9 percentage points better results than those who randomly got the passive voice text.
Key words. active diathesis, active transformation, active voice, active-voice clause, common language, language of science, passive diathesis, passive transformation, passive voice, passive-voice clause, scientific language, technical language, understandability of scientific language, understandability of scientific texts, understandability of technical language, understandability of technical texts
1. Einleitung
Wissenschaftssprache und Universität. Jede Universität als »Gemeinschaft Lehrender und Lernender« (vom lat. universitas magistrorum et scholarium) umfasst die drei Bereiche der Forschung, der Lehre und des Stu- diums. Damit dient sie der Scientific Community, also der Wissenschaftlichen Gemeinschaft durch Entde- ckung und Untersuchung des Wissens sowie dessen Vermittlung, aber auch - institutionalisiert - als »Ort des Wissens«, an dem sich Studierende aller Arten unterschiedliche Qualifikationen in verschiedensten Fächern aneignen können. In allen diesen Bereichen - besonders aber im Bereich der Lehre, also in der Wissensver- mittlung - kommt eine bestimmte Sprachform zum Einsatz, die sich Wissenschaftssprache nennt.
Wissenschaftssprache als Fachsprache. Der Begriff Wissenschaftssprache beschreibt eine Sprachform, die den Fachsprachen - im Gegensatz zur Gemeinsprache - angehört. Aus der Forschung geht zwar nicht eindeutig hervor, ob Fachsprachen einen Teil der Gemeinsprache darstellen oder neben dieser auftreten, al- lerdings lässt sich festhalten, dass es nicht eine einzige Fachsprache gibt, sondern mehrere (wie z. B. jene der Handwerker, der Technik oder eben der Wissenschaft). Ob die genaue Definition des Begriffes Fachsprache wohl mehr als schwierig ist und immer nur innerhalb eines gewissen Rahmens gilt, lässt sich doch festhalten, dass Fachsprachen Sprachformen sind, die 1. von der alltäglichen Kommunikation abweichen, 2. hauptsäch- lich der Verständigung von Fachleuten dienen und 3. bisweilen eine Verständnisbarriere aufbauen.
Effizienz vs. Effektivität: Fragstellung. Diese Barriere zeigt, dass der Effizienz (Verhältnis von Aufwand und Nutzen) in der fachsprachlichen Verständigung ein höherer Wert beigemessen wird, als der Effektivität (Verhältnis von erreichtem und geplantem Ziel), was wiederum zur Frage führt, wie sinnvoll die deutsche Wissenschaftssprache für das Textverständnis ist.
Wissenschaftssprache und Syntax. Die Wissenschaftssprache weist als Fachsprache auf sämtlichen Sprachebenen (z. B. Lexik, Morphologie und Syntax) dieselben Eigenschaften wie die Gemeinsprache auf. Jene letzte Ebene, die Syntax (Satzlehre) ist gemeinsam mit der Morphologie (Formenlehre) ein Teilgebiet der Grammatik (Sprachlehre) und beschäftigt sich mit Wortverknüpfungen sowie einfachen und zusammen- gesetzten Sätzen.
Einschränkung und Formulierung der Fragestellung. Die Fragestellung beschränkt sich auf die deutsche Wissenschaftssprache, weil einerseits diese Arbeit einen Teil des Studiums Deutsche Philologie darstellt und andererseits eine Ausweitung auf mehrere Sprachen deren Rahmen sprengen würde. Das Wort Textverständnis, welches der Stilistik geschuldet ist, umfasst hier neben der Verständlichkeit (Wie hängt das, was ich gelesen habe, zusammen?) auch die Abrufbarkeit (Was habe ich in dem Text gelesen?) und der Einprägsamkeit (Ist das in diesem Text gestanden?). Jener letzte Punkt ist im Hinblick auf die formulierte Hypothese und die folgende Untersuchung von Bedeutung.
2. Theoretischer Teil
2.1 Linguistische Grundlagen
Inhalt dieses Kapitels. Den ersten Punkt des Theoretischen Teils bilden die Linguistischen Grundlagen, wel- che im Hinblick auf die spätere Untersuchung in folgenden Bereichen vertieftes Problembewusstsein und Sachverständnis schaffen sollen: Was sind Fach- und damit Wissenschaftssprachen? Wie lassen sie sich defi- nieren und gliedern? Welche pragmatischen Funktionen erfüllen sie? Wie verhalten sich Fachsprachen zur Gemeinsprache sowie zu Bildungs- und Imponiersprachen? Was zeichnet sie in Lexik, Morphologie und Syntax aus? Was ist das Passiv und wie wird es gebildet? Welche Aufgaben kommen ihm in Fachsprachen zu?
Vorbemerkungen zu Literatur und Zitation. Als »Faden der Ariadne«, welcher auch die Grundlage zur Be- antwortung dieser Fragen darstellt, hat sich FRANZ PATOCKAs Skriptum zur Vorlesung Sprachwissenschaft: Fachsprachen, Fachkommunikation, Sondersprachen am Institut für Germanistik der Universität Wien aus dem Wintersemester 2011/2012 als überaus nützlich erwiesen. Für die folgenden Inhalte sind v. a. die Seiten 5 bis 6, 8 bis 22, 27 bis 39, 41 bis 45, 47 bis 59 und 73 bis 85 zu vergleichen. Textteile, welche sich nicht auf dieses Skriptum beziehen, direkte Zitate und systematische Klassifikationen sind als solche ausgewiesen.
Existenzformen der deutschen Sprache. Jenes Deutsch, das im Kerngebiet seines Sprachraumes gespro- chen wird (das so gen. »Binnendeutsch«), wird in der heutigen Forschung als Abstraktion, also als Verallge- meinerung tatsächlicher Existenzweisen oder -formen der deutschen Sprache betrachtet. Das Binnendeutsche kann dabei unter regionalem, sozialem, funktionalem oder historischem Blickwinkel betrachtet und unter- gliedert werden. Existenzformen der deutschen Sprache sind bspw. zahlreiche Mundarten, Verkehrs- und Umgangssprachen, Standard- und Literatursprachen, Sonder- und Gruppensprachen sowie Berufs-, Standes- und eben Fachsprachen. Diese Sprachformen haben sich über die Zeiten hinweg entwickelt, verändern sich, treten nebeneinander auf, dienen verschiedenen Zielen und sind unterschiedlich auf die Sprechenden verteilt. Sie sind immer in Veränderung begriffen, indem Sprachfremdes aufgenommen und der Wortschatz durch Neubildungen ausgebaut wird sowie veraltetes Wortgut ausstirbt. (Vgl. für diesen Absatz SCHIPPAN 2002: 11.)
Allgemeines zu den Wissenschafts- und Fachsprachen. Bei Wissenschaftssprachen handelt es sich um Fachsprachen, von denen in der modernen Welt jeder Mensch mehr oder minder betroffen ist. Fachsprachen sind dabei Sprachformen, die 1. von der alltäglichen Kommunikation abweichen, 2. vornehmlich der Ver- ständigung von Fachleuten dienen und 3. zuweilen eine Verständnisbarriere aufbauen. Diese Barriere ist u. a. auf mündliche und schriftliche Elemente zurückzuführen, die vom gemeinsprachlichen, also alltags- oder umgangssprachlichen Gebrauch abweichen. Wissenschaftssprachen betreffen die Fachbereiche von Wissen- schaft und Forschung. Laien und Laiinnen sind sich oftmals nicht darüber im Klaren, wie weit und in welche Gebiete des täglichen Lebens Fachsprachen hineinreichen (z. B. Ämter, Märkte und Medien). Die Grenzen zwischen Fachsprachen und der Gemeinsprache sind nicht eindeutig gesetzt und verschwimmen unter dem Einfluss der heutigen Wissens- und Wissenschaftsgesellschaft zunehmend; jene Elemente, die zwar in den Fachsprachen, in der Gemeinsprache jedoch entweder gar nicht oder ganz anders vorkommen, finden sich auf allen sprachlichen Ebenen, vorzugsweise aber in Lexik, Morphologie und - in diesem Rahmen besonders interessant - Syntax. (Vgl. hierzu SPILLNER 1996: 203.) Jedes Fach bringt dabei seine eigenen Ausprägungen hervor, weshalb auch nicht von einer einzigen Fachsprache gesprochen werden kann.
Allgemeines zur Definition des Begriffes Fachsprache. Nach diesem allzu schnellen und nur lückenhaften Umriss wollen wir nun - um mit VICTOR AUBURTIN zu sprechen - »über das Wesen der Dinge nachsinnen«, genauer also über das Wesen der Fachsprachen und damit über deren begriffliche Definition. Zu Vergleichs- zwecken wurden aus der Vielzahl an vorhandenen Definitionen jene verbreiteten von HADUMOD BUSSMANN und LOTHAR HOFFMANN sowie abschließend und zusammenfassend jene von BERND SPILLNER und JOHANN KNOBLOCH herausgegriffen.
BUSSMANNs Definition des Begriffes Fachsprache. BUSSMANN (2002: 211) schreibt, »Fachsprachen [seien] sprachliche Varietäten mit der Funktion einer präzisen und differenzierten Kommunikation über meist be- rufsspezifische Sachbereiche und Tätigkeitsfelder.« Diese Definition ist problematisch, da sie zu kurz, zu all- gemein und zu ungenau formuliert ist. Damit zeigt sich einmal mehr, dass Definitionen in den Geisteswis- senschaften (im Allgemeinen) und in der Sprachwissenschaft (im Besonderen) nicht immer einfach zustande zu bringen sind. In diesem Fall liegt dies v. a. daran, dass sich Varietäten - d. h. Sprachformen, die durch ein außersprachliches Merkmal bestimmt sind (z. B. regional: Dialekte, sozial: Soziolekte, funktional: Technolek- te oder Fachsprachen und historisch: Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Frühneuhochdeutsch und Neu- hochdeutsch; vgl. SCHIPPAN 2002: 11) - aufgrund ihrer Menschengebundenheit nur schwierig gruppieren lassen. Darum kommt es bei derlei Versuchen oft zu verlaufenden Grenzen oder überlappenden Gruppen. Ob jede Einordnung wohl mehr subjektiv als objektiv ist und demnach relativiert werden kann, gibt es Kernge- biete, denen sich viele Sprachformen zuordnen lassen (z. B. die Sprachen der Gießer, Mathematiker und Me- diziner). Mit der BUSSMANN’schen als einführende und grundlegende Definition, auf die sich aufbauen lässt, kommen wir zur nächsten.
HOFFMANNs Definition des Begriffes Fachsprache. HOFFMANN (1987: 53) versteht unter einer Fachsprache »die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich ver- wendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten.« Seine aktuelle Definition unterscheidet sich von der originalen im dritten Satzteil, der ursprünglich »um die Verständigung der dort tätigen Fachleute zu gewährleisten« (HOFFMANN 1980: o. S.) gelautet hatte. Sowohl in der ersten als auch in der letzten Ausführung werden 1. der fachlich begrenzbare Kommunikationsbereich und 2. die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel als zwei bedeutende Aussagen angeführt. — Erstere Aussage scheidet die Fachsprachen, welche vom außersprachlichen Merkmal des Fachlichen bestimmt werden, von den Sondersprachen, die von jenem des Gesellschaftlichen bestimmt werden. Weiterhin wird darauf verwie- sen, dass es notwendig ist, jene Bereiche, in denen Fachsprachen vorkommen, nach unten wie nach oben be- grenzen zu können, sodass sinnlose Einengungen und Ausweitungen ausgeschlossen sind. (Es ist etwa weder sinnvoll, von einer Sprache der Handwerker, die zu weit angesetzt wäre, zu sprechen, noch von einer der Kü- chentischler, die zu eng angesetzt wäre.) — Letztere Aussage trägt der veralteten Vorstellung Rechnung, hauptsächlich oder ausschließlich Wörter würden eine Fachsprache ausmachen - d. h. deren Terminologie. Da die Gemeinsprache das Gerüst der Fachsprachen darstellt, spielen alle sprech- und schriftsprachlichen Schichten eine Rolle: Phonologie, Phonetik, Graphemik, Graphetik, Typographie, Morphologie, Lexik, Phra- seologie, Syntax sowie textuelle, stilistische und argumentative Gestaltung (vgl. Spillner 1996: 203) - sie al- le ermöglichen eine effiziente Verständigung. Schon allein das Thema dieser Arbeit - die Sinnhaftigkeit der Verwendung des Passivs in wissenschafts- und somit fachsprachlichen Texten - macht deutlich, dass Fach- sprachen nicht nur von lexikalischen Phänomenen geprägt sind. — Die Ä nderung des letzten Definitionsdrit- tels, auf welche hier noch einzugehen ist, scheint unverständlich, denn sie verwässert das, was HOFFMANN an anderer Stelle (1976: 31) genauer ausgeführt: »Echte Fachsprache ist immer an den Fachmann [und die Fachfrau] gebunden, weil sie volle Klarheit über Begriffe und Aussagen verlangt. Vom Nichtfachmann [und von der Nichtfachfrau] gebraucht, verliert die Fachsprache ihre unmittelbare Bindung an das fachliche Den- ken. […] Die Kommunikation [von Laien und Laiinnen] erfasst die Erscheinungen, Prozesse und Sachver- halte nur oberflächlich, nicht in ihrem Wesen; sie schöpft den erreichten Stand der Erkenntnis nicht aus.« Da- raus lässt sich destillieren, dass Laien und Laiinnen nur Teile der Fachsprache, Fachmänner und -frauen aber die Fachsprache selbst gebrauchen, da sich diese beiden Menschengruppen in ihren Denkgefügen unter- scheiden: Fachleute eignen sich während ihrer Ausbildungs- und Arbeitszeit das gesamte fachliche Denken und nicht nur einzelne fachliche Kenntnisse an - gedankliche Strukturen gehen schlussendlich in sprachliche über. Da Laien und Laiinnen nicht immer klar von Fachleuten zu unterscheiden sind, liegt es auf der Hand, dass sich die vorherigen Aussagen relativieren lassen und aus diesem Grund differenziert zu sehen sind.
SPLILLNERs Definition des Begriffes Fachsprache. SPILLNERs Definition (1996: 202-203; Orthografie wie im Original) lautet: »F. [Fachsprachen] sind neben der Alltagssprache (Umgangssprache) und der Literatur- sprache wesentliche Subsysteme ausgebauter natürlicher Sprachen. Unter dem Terminus ‹F.› [›Fachsprache‹] werden im allgemeinen die spezifischen Kommunikationsmittel der Wissenschaften (im weiteren Sinne) und der Technik zusammengefaßt […].« An dieser Stelle bringt auch SPILLNER die zuvor diskutierte Definition HOFFMANNs, welche er aber damit ergänzt, »daß die fachkommunikativen Mittel nicht nur sprachlich, son- dern auch non-verbal sein können (Bilder, Skizzen, Ziffern, Tabellen, Gesten etc.) und daß verbale und non- verbale Mittel in der Fachkommunikation untrennbar und in spezifischer Relation auftreten können.« Außer- dem geht HOFFMANN (1996: 203) auf die möglichen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Fachspra- chen und der Gemeinsprache sowie zwischen den Fach- und Sondersprachen ein, indem er vermerkt, dass sich die jeweils gegenüberstehenden Sprachformen zwar überscheiden würden, sich aber auch - wie schon erwähnt - in allen sprachlichen Ebenen würden unterscheiden können. Aufgrund der Kommunikationsziele kommt es zwischen den Fachsprachen und der Gemeinsprache zu Übergangsstufen (Terminologisierung von Lexemen der Gemeinsprache) und Austauscherscheinungen (Übernahme von Termini in die Umgangsspra- che). Die Sondersprache unterscheidet sich von der Fachsprache, die sachlich orientiert und institutionell normiert ist, dadurch, dass sie gruppenorientiert ist und solidarisierend-hermetischen Charakter hat.
KNOBLOCHs Definition des Begriffes Fachsprache. KNOBLOCH (vgl. 1988: 3) beruft sich in seiner kaleido- skopartigen Zusammenschau auf die Arbeiten von BARTH (1971), KALVERKÄMPER (1980), KELZ (1987) so- wie SCHMIDT & KALVERKÄMPER (1969): Jeder Beruf und jeder Interessenkreis enthält eigene fachsprachli- che Ausdrücke und Wendungen, die zwar Fachleute, nicht aber Laien und Laiinnen kennen. Daraus ergibt sich, dass verschiedene Fachsprachen existieren, wovon die wissenschaftlichen meist zwischenstaatlich gül- tig, jene alter handwerklicher und ländlicher Berufe jedoch von Land zu Land verschieden sind, da sie auf einzelnen Mundarten beruhen. Fachsprachen sind Sprachformen, die sich zur Verständigung in einem Son- dergebiet herausbilden, weil dieses ganz bestimmte Ansprüche an die fachliche Verständigung stellt. Die wissenschaftliche als theoretische Sprache lässt sich von der beruflichen als praktische Sprache unterschei- den, wovon letztere stark umgangssprachlich geprägt ist. Weiters werden drei Verwendungsbereiche erwähnt: 1. die fachinterne, 2. die interfachliche und 3. die fachexterne Gebrauchssphäre.
Gliederung bzw. Schichtung von Fachsprachen. Neben diesen Versuchen zur Definition von Fachsprachen sowie ihrer äußeren Abgrenzung zur Gemeinsprache und zu Sondersprachen soll nun auch die innere Gliede- rung erwähnt sein: Die Forschung kennt dabei sowohl die horizontale als auch die vertikale Gliederung.
Horizontale Gliederung von Fachsprachen. Die horizontale Gliederung teilt die Fachsprachen nach Fä- chern auf und stellt einen frühen Versuch dar, Fachsprachen zu untergliedern. Problematisch ist hierbei wie- derum die Definition des Begriffes »Fach«, welche allerdings unumgänglich scheint. Da »Fächer« keines- wegs mit »Berufen«, deren Definition genauso schwierig ist, gleichzusetzen sind, sind viele jener Definitio- nen, welche die Literatur bietet, unscharf und somit unbrauchbar. An ein und demselben Fach können bis- weilen mehrere Berufe beteiligt sein, weshalb es nicht zulässig ist, die Begriffe »Fachsprachen« und »Be- rufssprachen« gleichzusetzen. Ein Versuch zur Definition von Fachgebieten stammt von DAHLBERG (1975, zitiert nach HAHN 1983: 64; Orthografie wie im Original) und lautet wie folgt: »Ein Fachgebiet liegt dann vor, wenn aus der jeweiligen Benennung des Gebiets zu ersehen ist, daß hier ein Tätigkeitsbereich mit einem Gegenstandsbereich vorhanden ist.« Dabei handelt es sich jedoch um eine Zirkeldefinition - d. h. um eine Definition, die den Begriff, welcher zu definieren ist, selbst in der Erklärung verwendet -, die somit nicht viel mehr aussagt als: »Ein Fach ist etwas, das sich selbst als solches ausweist.« (PATOCKA 2012: 16) HAHN selbst (1983: 65) sieht in Fächern »Arbeitskontexte, in denen Gruppen von fachlichen zweckrationalen Handlungen vollzogen werden«. Solche Definitionen, die allesamt nicht - um diesmal mit JOHANN W. VON GOETHE zu sprechen - »der Weisheit letzter Schluss« sind und viele Fragen unbeantwortet lassen, kann nur der Charakter einer Vereinbarung zukommen und sind im Sinne der Erkenntnistheorie nicht tragfähig. (Vgl. hierzu HAHN 1983: 64.) Grundsätzlich allerdings bleibt die Existenz von Fächern unangefochten; Differen- zierung und Definition ebendieser sind jedoch schwierig und unterschiedlich umsetzbar. Weiters sind sie weder zu groß (zu weit) noch zu klein (zu eng) anzusetzen. Die Betrachtung von einzelnen Fällen zeigt, dass eine Schichtung nach Fächern scheitert. Zusammen mit der zunehmenden Spezialisierung steigt jedoch die Anzahl von Fächern und Fachsprachen stetig an.
Vertikale Gliederung von Fachsprachen. Die vertikale Gliederung teilt die Fachsprachen nach Ebenen auf und stellt einen späteren Versuch dar, Fachsprachen zu untergliedern. Sie fragt dabei nach verschiedenen Ausprägungen innerhalb derselben Fachsprache. Diese Gliederung hängt mit Betrachtungsweisen der Be- triebsstruktur und der Soziolinguistik zusammen. Eingedenk der Tatsache, dass echte Fachsprachen immer an kundige Fachleute geknüpft sind (vgl. wiederum HOFFMANN 1976: 31), sind mit ihrem Gebrauch ver- schiedene Anforderungen verbunden (Fachbezogenheit, Genauigkeit, Eindeutigkeit, Knappheit usw.), die mit dem Abstraktions- und Spezifikationsgrad ansteigen. Laien und Laiinnen sind jedoch nicht ausgeschlossen, da sie an unterster Stelle einer Hierarchie stehen, die vom Theorie- zum Praxisbezug, von starker zu schwa- cher Abstraktion führt. Fachsprachen lassen sich somit vertikal vom Theoretisch-Wissenschaftlichen zum Praktisch-Angewandten schichten. Zwei bekannte Gliederungen, welche auf diesen Überlegungen fußen, sind jene der Prager Linguisten JOSEF FILIPEC und EDUARD BENEŠ sowie jene von WALTER VON HAHN.
Vertikale Gliederung nach FILIPEC und BENEŠ. FILIPEC und BENEŠ (zitiert nach PATOCKA 2012: 20-21) gliedern Fachsprachen in 1. theoretischen, wissenschaftlichen Fachstil und 2. praktischen Sachstil, wobei der theoretische, wissenschaftliche Fachstil noch einmal in a. Forscherstil, b. belehrenden Stil und c. Lexikonstil geteilt ist. — Hierzu bleibt dreierlei zu sagen: Erstens gibt es eine Reihe von Übergangsformen; zweitens greift die Sicht, Fachsprachen als verschiedene Stile zu sehen, zu kurz; und drittens ist im Modell von FILIPEC und BENEŠ nur von geschriebener Fachsprache die Rede.
Vertikale Gliederung nach HAHN. HAHN (1983: 73) gliedert Fachsprachen in 1. Wissenschaftssprache (Theoriesprache), 2. fachliche Umgangssprache und 3. Werkstattsprache (Verteilersprache). — Bei ersterer handelt es sich um die strengste und reinste Form, die zuallererst in der Forschung und mehrheitlich schrift- lich angewandt wird. Jene Fachleute, welche diese Sprachform benutzen, stehen in keinem gemeinsamen, si- tuativen Kontext. — Zweitere gebrauchen Fachleute, die allerdings in einem gemeinsamen, situativen Kon- text stehen, meist mündlich bei ihren fachlichen Tätigkeiten. Diese Sprachform weist oft sondersprachliche Züge auf. — Letztere ist die Sprachform von Lager, Vertrieb und Verkauf, welche enge Beziehungen zur Werbesprache hat und mit Blick auf Technik und Industrie angesetzt wurde. — Jene Übergangsformen, die bei der Gliederung nach FILIPEC und BENEŠ zumindest noch angedacht waren, werden hier außer Acht gelas- sen. Allerdings wird hier im Unterschied zu deren Modell die gesprochene Fachsprache miteinbezogen.
Abschließender Kommentar zur Gliederung von Fachsprachen. Neben den beiden Ansätzen, die hier exempelweise genannt sind, existieren noch zahlreiche andere, die jedoch - gerade wie die horizontalen Gliederungen - am Einzelfall scheitern. Trotz aller Bedenken sind die beiden Fragen, 1. wie sich Fachsprachen gegeneinander abgrenzen lassen (horizontale Schichtung) und 2. welche Ausprägungen es innerhalb einer Fachsprache gibt (vertikale Schichtung), für deren Erfassung und Erklärung unabdinglich.
Fachsprachen im Licht der Linguistischen Wende. Die Versuche, Fachsprachen zu definieren und zu glie- dern, haben gezeigt, dass diese stets im Hinblick auf eine effiziente Kommunikation gebraucht werden. Sie können aber - im Spiegel der Linguistischen Wende zu Beginn des 20. Jahrhunderts - auch in pragmatischer Hinsicht als Handlungsform gesehen werden, denn über Sprache werden verbal, paraverbal und nonverbal nicht nur Botschaften, sondern auch Handlungen (wie z. B. Drohen, Begrüßen und Verbieten) ausgedrückt und ausgetauscht.
Grundfunktionen der Sprache nach MÖHN und PELKA. Laut DIETER MÖHN und ROLAND PELKA (zitiert nach PATOCKA 2012: 28-29) kommen der Sprache folgende Grundfunktionen zu: 1. deskriptive Funktion (be- schreibend; spielt große Rolle in der fachsprachlichen Verständigung, da oft etwas beschrieben wird), 2. ins- truktive Funktion (anleitend; Weitergabe von fachlichem Handlungswissen), 3. direktive Funktion (auffor- dernd; bei fachlichen Handlungsanweisungen sowie Ge- und Verboten), 4. kontaktive Funktion (verbindend; spielt eine geringe Rolle, ist aber z. B. in Bergbau, Fischerei und Jägerei von Bedeutung), 5. expressive Funktion (ausdrückend, spielt in der fachsprachlichen Verständigung so gut wie keine Rolle), 6. metalinguale Funktion (das »Sprechen über Sprache«, ist bspw. der Linguistik immanent, aber auch Ausdrücke, wie z. B. das ist …, das heißt … oder darunter versteht man … ordnen einer Ausdrucks- eine Inhaltsseite zu und spre- chen somit über Sprache) sowie 7. isolative Funktion (abschottende; ist vielfach Teil der Fachsprache, was aber meist nicht beabsichtigt ist).
Fachsprache vs. Gemeinsprache. Über alledem soll nicht vergessen werden, dass Fachsprachen Sprach- formen darstellen, die sich entweder als Teilbereich oder Nebenform der Gemeinsprache sehen lassen. Aus diesem Grund ist die Abgrenzung zwischen Gemeinsprache und Fachsprachen nicht einfach vorzunehmen. Die beiden Systeme oder Systemkomplexe stehen einander dabei nicht entgegen, sondern sind voneinander abhängig und beeinflussen einander. Feststeht allerdings, dass die Fachsprachen genetisch wie historisch aus der Gemeinsprache hervorgegangen sind: Jede Fachsprache zieht die Gemeinsprache als lexikalischen Grundstock und syntaktisches Grundgerüst heran, denn fachsprachliche Texte bauen auf umgangssprachliche Wörter, Wortteile und Wortgruppen auf. Dieselben sprachlichen Mittel, welche die Gemeinsprache bietet, sind auch in den Fachsprachen möglich, allerdings werden sie weniger genutzt, und es wird mehrheitlich auf immer die gleichen Mittel zurückgegriffen. Demnach unterscheiden sich fachsprachliche Texte - gleichgültig, ob diese mündlich oder schriftlich umgesetzt sind - auf allen sprachlichen Ebenen (z. B. Phonetik, Morpho- logie und Syntax; vgl. wiederum SPILLNER 1996: 203) oft grundlegend von der Gemeinsprache. Bestandteile der Fachsprachen dringen dabei über Massenmedien, Sachbücher, Werbung und Belletristik in die Gemein- sprache ein. Zuvorderst werden Elemente aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Sport sowie der bäuerlichen und handwerklichen Arbeitswelt übernommen - allerdings auch eine Reihe generalisierender oder abstrahierender Ausdrücke (wie z. B. Struktur, Objekt und Phänomen). Der Anteil solcher ehemals fachsprachlichen Wörter am umgangssprachlichen Wortschatz ist sehr groß.
Fachsprache vs. Bildungs- und Imponiersprache. Mit dem Abstraktionsniveau von Text und Diskurs steigt der sprachliche Anspruch, den diese an die Rezipierenden stellen. Werden abschottende Bestandteile bloß eingesetzt, weil der Autor oder die Autrix »elitär« wirken möchte, handelt es sich nicht um Fachkommunika- tion, sondern um Imponiergehabe, das nichts mit der Verständigung unter »Gebildeten« - in wertfreiem Wortsinn - zu tun hat. Inner- und außerfachlich sind Wissenschaft, Forschung und Expertentum hoch ange- sehen, was vielfach den Wunsch erweckt, die Zugehörigkeit zu diesen Gruppen erkenntlich zu machen. Ne- ben den unmarkierten, stilistisch neutralen Ausdrucksmöglichkeiten (wie z. B. die Verwendung der Wörter manchmal, ab und zu oder hie und da) umfasst die Sprache noch markierte, stilistisch höherwertige (wie z. B. mitunter, zuweilen oder gelegentlich), wovon die höherwertigen dazu dienen, die sprachliche über die inhalt- liche Gestaltung zu stellen. Das allerdings steht dem Zweck der Fachsprachen - nämlich ökonomisch, objek- tiv und weitgehend ornatlos zu sein - entgegen.
Mittel der Imponiersprache. Jene sprachlichen Mittel, die einen fachlichen Text noch »fachlicher« erschei- nen lassen, listet ICKLER (vgl. 1997: 338) auf: 1. unangemessene » Aufblähung « der Formulierung (Hierbei wird die veranschlagte Einfachheit selbst bei verständlichen Inhalten durch viele Worte sowie komplizierte und syntaktisch verwickelte Sätze vermieden.), 2. Pleonasmen (Ein Pleonasmus ist ein überflüssiger, gleich- bedeutender Zusatz zu einem Wort oder einer Wortgruppe, der entweder als stilistischer Fehler - meist in der Fachsprache - oder als nachdrückliche Betonung - meist in der Umgangs- und Literatursprache - gesehen werden kann. [Vgl. zum Pleonasmus GFREREIS 2005: 123 und HARJUNG 2000: 357.] Beispiele sind etwa prozesshafter Vorgang, dynamischer Prozess oder sequenzielle Folge), 3. Ersatz von » sein « und » haben « durch längere Verbalausdrücke (Die Verben sein und haben kommen in der deutschen Sprache sehr oft vor, weshalb sie in fachsprachlichen Texten gern mit Ausdrücken wie darstellen, geben, sich handeln um u. dgl. mehr umschrieben werden.), 4. Ersatz von Präpositionen durch umfangreichere Phrasen (Vorwörter, wie während, in oder seitens, werden bspw. durch Ausdrücke wie im Laufe, im Rahmen oder von Seiten ersetzt.), 5. Erweiterung von Substantiven durch bestimmte Kompositionsglieder (Hierbei werden zusammengesetzte Hauptwörter gebildet, die eigentlich nicht notwendig sind; z. B. mithilfe der Grundwörter Bereich, Grad oder Prozess), 6. Pseudoformalisierung (Besonders in den Naturwissenschaften kommen Formeln zahlreich zum Einsatz. Sie werden aber auch in den Geisteswissenschaften angewandt und kommen oft auch dort vor, wo sie nicht erforderlich sind, oder um Elemente zu klassifizieren, die keiner Klassifikation bedürfen.), 7. Im- poniersprache und Gebrauch von Fremdwörtern und -sprachen (Fachsprachen gründen sich auf eine ausge- dehnte Bezeichnungstradition und streben nach umfassender Internationalisierung. Dabei trüben gerade die gebrauchten Fremdwörter das Verständnis für Laien und Laiinnen. Aus diesem Grund wird mündlich wie schriftlich oftmals zu beeindrucken versucht, indem viele Termini verwendet werden. Mehrheitlich handelt es sich um lateinische, griechische oder englische Fremdwörter (wie z. B. Divergenz statt Abweichung sowie Diagnose oder Output statt Ergebnis).
Fachsprachliche Lexik. Die Lexik, also der Wortschatz ist auch jenes Gebiet, dem bei Fachsprachen eine herausragende Rolle zukommt. In der Forschung hat sich in den vergangenen Jahren eine Dreiteilung he- rauskristallisiert, die sich 1. aus dem allgemeinen Wortschatz, 2. aus dem allgemein-wissenschaftlichen Wort- schatz und 3. aus dem speziellen Fachwortschatz zusammensetzt. (Vgl. HOFFMANN 1984: 126-127; zitiert nach PATOCKA 2012: 51-53.) Ersterer umfasst die Lexik von Literatur-, Presse und Umgangssprache; zwei- terer jene, die in mehreren oder sehr vielen Fachsprachen vorkommt (z. B. Wörter wie Interferenz, Korrela- tion und Relevanz); und letzterer jene, die nur in einer einzigen Fachsprache auftritt. Dabei wird zunächst der allgemeine, anschließend der allgemein-wissenschaftliche und zuletzt der speziell-fachliche Wortschatz er- worben. Diese Einteilung ist nicht absolut, sondern als Orientierungshilfe und Klassifikationsmodell gedacht.
Möglichkeiten zur Erweiterung des fachsprachlichen Wortschatzes. Da sich das technische Vokabular der Fachsprachen aus der Gemeinsprache speist, historisch gewachsen ist und ständig ausgebaut werden muss, wird auf folgende Möglichkeiten, den Wortstand zu erweitern, zurückgegriffen (vgl. PATOCKA, 2012: 54-59):
1. Entlehnung (Hierbei werden Wörter entweder unverändert übernommen oder aber phonetisch bzw. gra- phemisch oder morphologisch dem deutschen Laut- und Schriftstand angepasst. Beispiele: Hardware, Kor- pus und Ventrikel.), 2. Metaphorisierung (Eine Metapher ist ein uneigentlicher Ausdruck, der ein anderes Wort mittels sachlicher oder gedanklicher Ähnlichkeit verdeutlicht, veranschaulicht oder bereichert. Als ver- kürzter Vergleich wechselt sie von einem Vorstellungsbereich in einen anderen über. Das macht es erforder- lich, die Ausdrücke nur in übertragenem Sinn zu verstehen. [Vgl. zur Metapher GFREREIS 2005: 101 und HARJUNG 2000: 296-300.] Beispiele aus der Linguistik: Penthouse-Prinzip und Rattenfänger-Konstruktion.) 3. Transposition von Eigennamen (Hierbei werden die Namen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerin- nen oder Technikern und Technikerinnen auf ihre Entdeckungen oder Erfindungen übertragen. Beispiele aus der Linguistik: S IEVER ’ sche Regel, V ENER ’ sches Gesetz und W ACKERNAGEL s Gesetz.), 4. Terminologisierung (Hierbei werden gemeinsprachliche Wörter in die Fachsprache übernommen. Der Zusammenhang zwischen gemein- und fachsprachlicher Bedeutung ist dabei offensichtlich oder nachvollziehbar. Die wissenschaftliche Definition erweitert den umgangssprachlichen Begriff in seiner Bedeutung oder schränkt ihn ein und legt ihn damit fest. [Vgl. hierzu auch HOFFMANN 1996: 203.] Beispiele aus der Linguistik: Sprachfamilie, Sprach- zweig und Schwestersprache.), 5. absolute Neubildung (Die Erfindung von Fachwörtern, welche auf keinen vorhandenen Wörtern fußen, ist in der Wissenschaft nahezu bedeutungslos. Als Beispiele, die aber als wider- legt gelten, wurden gern das Kernteilchen Quark und das Aggregat Gas angeführt.), 6. Wortbildung (Hierbei werden mithilfe von a. Komposition [Zusammensetzung], b. Derivation [Ableitung], c. Konversion [Über- führung] und d. Abbreviation [Abkürzung] neue Wörter gebildet.).
Fachsprachliche Morphologie. Die Wortbildung als letztgenannter Punkt umfasst in den wesentlichen Zügen die morphologischen Eigenheiten von Fachsprachen. Außerdem herrschen Besonderheiten in der Flexion vor, auf die hier allerdings nicht näher eingegangen wird (z. B. in Pluralbildung und Konjugierung).
Fachsprachliche Syntax. Jenen sprachlichen Bereich, der besonders für die theoretischen Grundlagen und die empirische Untersuchung dieser Arbeit bedeutsam ist, stellt die Syntax. Wie schon gesagt, zeichnen sich Fachsprachen dadurch aus, dass sie auf allen sprachlichen Ebenen dieselben Eigenschaften wie die Gemein- sprache aufweisen. Der Unterschied zwischen Fachsprachen und Gemeinsprache gründet sich somit nicht auf die Existenz sprachlicher Mittel, sondern auf die Frequenz ihrer Anwendung. Es existieren also »Frequenz- spezifika« (PATOCKA 2012: 80) - d. h. sprachliche Mittel, die in Fachsprachen häufiger oder seltener einge- setzt werden als in anderen Sprachformen. HAHN (vgl. 1983: 111-115) nennt folgende drei syntaktischen Kennzeichen von Fachsprachen: 1. Anonymisierung, 2. explizite Spezifizierung und 3. Kondensierung.
Anonymisierung. Aufgrund der zeitlich verzögerten Mitteilungsübertragung sowie die fehlende Bekannt- schaft zwischen Sendenden und Empfangenden, treten die Textautoren und -autrizen in den Hintergrund. Die Texte spiegeln diese Tatsache wider, indem sich syntaktische Strukturen entwickelt haben, die es den Auto- ren und Autrizen ermöglichen, stufenweise zurückzutreten. Die steigende Anonymisierung, also die Entper- sönlichung möge folgendes Beispiel erläutern (vgl. HAHN: 1983: 113): 1. Als ich die Flüssigkeit abgoss, sah ich einen braunen Bodensatz. 2. Wenn man die Flüssigkeit abgießt, sieht man einen braunen Bodensatz. 3. Wird die Flüssigkeit abgegossen, zeigt sich ein brauner Bodensatz. 4. Nach Abgießen der Flüssigkeit ist ein brauner Bodensatz sichtbar/zu sehen.
Erster Schritt: Indefinit- statt Personalpronomen. In einem ersten Schritt wird das »persönliche« Personalpronomen (das persönliche Fürwort ich) durch das »unpersönliche« Indefinitpronomen (das unbestimmtes Fürwort man) ersetzt. (In neuerem, besonders in feministischem und universitärem Schrifttum werden auch oft die Neuschöpfungen frau und mensch zur Hervorhebung und Unterscheidung von Geschlechtlichkeit und Geschlechtslosigkeit herangezogen.) Weiters ersetzt das neutrale Präsens (Gegenwart) das historische Präteritum (Mitvergangenheit). Somit löst sich das Geschehen von Individuum und Realität.
Zweiter Schritt: Passivtransformation. Indem - in einem zweiten Schritt - der Satz ins Passiv gesetzt wird (so gen. »Passivtransformation«, vgl. PERRIG 2012: 231), übernimmt das Satzobjekt die Subjektrolle, und das interagierende Individuum wird aus dem Satz sozusagen »herauskomplementiert«: Es verschwindet formal und inhaltlich und sorgt somit für eine Konzentration auf den mitzuteilenden Sachverhalt.
Dritter Schritt: Bedeutungsverlagerung vom Verb aufs Substantiv. In einem letzten Schritt, der häufig ge- meinsam mit der Satzpassivierung auftritt, wird der Verbal- durch einen Nominalstil ersetzt: Die Bedeutung verlagert sich von den Verba auf die Substantiva, was zu einer weiteren Entpersönlichung führt. In diesem Zusammenhang sind 1. adjektivische Prädikativphrasen (d. h. Verbindungen von Adjektiva mit den Kopula sein, werden, bleiben, heißen, gelten als und sich erweisen als, wie z. B. Es ist sichtbar., Er blieb unverletzt. oder Das erweist sich als hilfreich.), 2. Phrasen, die aus » sein « plus dem erweiterten Infinitiv gebildet wer- den, und 3. Funktionsverbgefüge (wie z. B. eine Entscheidung treffen, in Anspruch nehmen und zur Ver- lesung kommen) häufig. Neben der Passivierung des Satzes sind also unpersönliche Pronomina, das Präsens, Nominalisierungen sowie bedeutungsleere oder -schwache Verben wichtige Anonymisierungsmittel. Auch der eingeschränkte oder fehlende Gebrauch von Modalpartikeln (wie z. B. denn, doch oder eben), die an einen persönlichen Sprachkontakt zwischen den Beteiligten gebunden sind, trägt hierzu bei: Jene persönliche Beziehung, die durch Modalpartikel für gewöhnlich ausgedrückt wird, ist zu vermeiden.
Explizite Spezifizierung. Fachtexte legen Wert auf eine ausdrückliche und verständliche Formulierung der Art der sprachlichen Handlung: Tatsachen, Behauptungen, Vorstellungen, Fragen, Probleme u. dgl. werden eindeutig als solche gekennzeichnet, indem bspw. Gemeinplätze, wie die Tatsache, dass …, die Behauptung, dass … und die Frage, ob …, zur Anwendung kommen. Aus diesem Grund häufen sich auch Attribute oder Attributivsätze, besonders als Partizipialphrasen und Relativsätze.
Kondensierung. In der Kondensierung (Verdichtung) drückt sich aus, dass fachsprachliche Texte übli- cherweise weniger redundant sind, also weniger überschüssige Angaben enthalten als gemeinsprachliche. Fachtexte sind meist weniger ausführlich, weil sie bei den Fachleuten eine höhere Bildung und breiteres Wissen voraussetzen als bei Laien und Laiinnen. Im Vergleich zeigt sich daher, dass Fachtexte im Gegensatz zu Gemeintexten entweder eine höhere Anzahl an Informationen in gleich langen Texten oder aber dieselbe Anzahl an Informationen in kürzeren Texten aufnehmen können - was den Rezipierenden natürlich eine zu- sätzliche Fokussierung ihrer Wahrnehmung, also einen höheren Grad an Aufmerksamkeit abverlangt. Ver- dichtungen sind etwa die schon genannten Funktionsverbgefüge, der Ausdruck komplexer Inhalte durch ein Adjektiv (z. B. kostenpflichtig, anforderungsgerecht und zeitnah) und Abkürzungen und Symbole (z. B. CP für COMP-Phrase und L-markieren für Vorgänge innerhalb der Generativen Grammatik).
Das Genus verbi als verbale Kategorie. Das Genus verbi (lat. für »Art des Wortes«) oder die Diathese (altgr. διάθεσις, di á thesis - »Zustand«, »Beschaffenheit«) stellt neben Person, Numerus, Modus und Tempus eine der fünf verbalen Eigenschaften oder Kategorien der deutschen Sprache dar. Neben den häufigeren Be- griffen Genus verbi und Diathese finden sich noch die selteneren Handlungsform und -richtung sowie Ver- balgenus. Wie in den meisten Sprachen, in denen das Subjekt im Nominativ steht (so gen. »Nominativspra- chen«), umfasst das Genus verbi Aktiv (lat. genus ā ct ī vus, von ag ĕ re - »handeln«, also »Tätigkeitsform«) und Passiv (genus pass ī vus, von pat ī - »leiden«, also »Leidensform«). Das Aktiv betrachtet das Geschehen von Standpunkt des Handlenden, das Passiv hingegen von jenem des Betroffenen. (Im Folgenden wird da- rauf verzichtet, beide Geschlechter zu nennen, sofern nur von grammatischen Rollen u. dgl. die Rede ist.) Sie unterscheiden sich dadurch, dass im Aktiv der Handlungsurheber durch das Subjekt gekennzeichnet ist (tä- terbezogene Diathese), wohingegen dieser im Passiv durch andere Rollen besetzt ist (täterabgewandte Dia- these). Das Aktiv gilt dabei als die grundlegende Kategorie, da es in keinster Weise beschränkt, für alle Kon- jugationen gegeben und morphosyntaktisch einfacher zu bilden ist. Welches Genus verbi verwendet wird, hängt vom Verhältnis zwischen den semantischen Rollen (Agens und Patiens) und von den syntaktischen Aufgaben (Subjekt und Objekt) ab und unterliegt damit stilistischen und funktionalen Bedingungen: Zum einen kann der Standpunkt des Satzes verändert, zum anderen das Geschehen als solches hervorgehoben werden. (Vgl. für diesen Absatz BUSSMANN 2002: 249 und STAMMERJOHANN 1975: 171.)
Das Passiv als Teilkategorie des Genus verbi. Beim Passiv handelt es sich um eine Teilkategorie des Genus verbi, die am Verb oder Prädikat markiert ist. Es ist im Unterschied zum Aktiv nicht die grundlegende Dia- these der deutschen Sprache, da es aufgrund von Bildungsregeln (Hilfsverben) und Beschränkungen (mediale Verben, wie z. B. erhalten, fassen, gelten, kosten, wiegen, sowie Figurae ethymologicae, wie z. B. einen schweren Kampf kämpfen, eine gute Tat tun und ein schönes Leben leben) die komplexere der beiden Kons- truktionen darstellt. Ob Aktiv und Passiv wohl denselben Sachverhalt ausdrücken, kehrt das Passiv das Aktiv syntaktisch um. Im Aktivsatz steht das Agens (lat. für »Handelndes«) im nominativischen Subjekt, und eine Handlung, die von diesem Agens ausgeht, richtet sich auf ein Patiens (lat. für »Erleidendes«) als akkusativi- sches Objekt. Im Passivsatz hingegen steht das Agens niemals in subjektivischer Position, wodurch in se- mantischer und pragmatischer Hinsicht das Patiens in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Das Passiv lässt sich nur bilden, wenn das Subjekt des Aktivsatzes ein Agens ist und somit eine Handlung vorliegt. Es wird in der deutschen Sprache nicht synthetisch (mittels Affigierung, wie z. B. im Lateinischen oder Griechi- schen), sondern analytisch (mithilfe von Hilfsverben, wie z. B. auch im Englischen und Französischen) ge- bildet. (Vgl. für diesen Absatz VOGEL 2009: 282-284 und BUSSMANN 2002: 500-501.)
Persönliches und unpersönliches Passiv. Das Passiv kann nach persönlichem (subjekthaltigem) und un- persönlichem (subjektlosem) Passiv unterschieden werden. Bei der Umformung eines Aktivsatzes in einen Passivsatz ändert sich die Valenz des Verbs: Das Objekt des Aktivsatzes wird zum Subjekt des Passivsatzes und das Subjekt des Aktivsatzes entweder ersatzlos gestrichen (unpersönliches Passiv) oder zu einem indi- rekten oder präpositionalen Objekt (persönliches Passiv). Zum Beispiel: Philip sucht Caroline. (Aktiv) vs. Philip wird von Caroline gesucht. (persönliches Passiv) bzw. Philip wird gesucht. (unpersönliches Passiv). Das Passiv wird besonders dann verwendet, wenn in seiner Struktur informativ wie textuell angemessener erscheint als das Aktiv. Das häufigere persönliche Passiv hält den Text inhaltlich und formal zusammen, in- dem es einen bereits genannten Bestandteil in einem nachfolgenden Satz wieder aufgreift und als Subjekt thematisiert oder beibehält (wie z. B. in Der Präsident schlägt den Kanzler vor. Der Kanzler wird vom Par- lament gewählt.) Das seltenere unpersönliche Passiv kommt zur Anwendung, wenn Hintergründe beschrie- ben werden oder nach dem vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Geschehen gefragt wird. Laut SASSE (1987, zitiert nach HENTSCHEL 2009: 284; in Übersetzung) geht es dabei um »das Herstellen eines Geschehens, in dem nicht Auskunft über irgendjemanden oder -etwas gegeben wird, sondern über eine ge- samte Angelegenheit«. (Im Original: »establishing scenery, where information is not given about someone or something, but about an entire state of affairs«) »Intransitive Handlungsverben, die passivierbar sind, aber entweder kein Objekt haben oder zumindest keines, das zum Subjekt werden kann [wie z. B. arbeiten, la- chen und laufen ], bilden ein unpersönliches […] Passiv […].« (VOGEL 2009: 283; vgl. für diesen Absatz weiters VOGEL 2009: 284/287 und BUSSMANN 2002: 501.)
Patiens- und Rezipientenpassiv. Ditransitive Verben - d. h. Verben, die insgesamt drei Argumente verlan- gen und damit sowohl ein direktes als auch in indirektes Objekt aufweisen (wie z. B. geben, gratulieren und schenken) - lassen sich in Bezug auf beide Objekte passivieren: Wird das direkte Objekt zum Subjekt, han- delt es sich um ein Patienspassiv; wird hingegen das indirekte Objekt zum Subjekt, handelt es sich um ein Rezipientenpassiv (auch bekommen -Passiv gen.). Zum Beispiel: Ich schicke der Zeitung einen Leserbrief. (Aktiv) vs. Der Zeitung wird (von mir) ein Leserbrief geschickt. (Patienspassiv) vs. Die Zeitung be- kommt/erhält/kriegt (von mir) einen Leserbrief geschickt. (Rezipientenpassiv). Wie zu sehen ist, bildet die deutsche Sprache das Rezipientenpassiv mit den Verben bekommen, erhalten und kriegen. Dabei tritt es im- mer als unpersönliches Vorgangspassiv auf. (Vgl. für diesen Absatz VOGEL 2009: 283/285)
Vorgangs- und Zustandspassiv. Die deutsche Sprache unterscheidet aufgrund formaler und semantischer Eigenschaften zwischen Vorgangs- (auch werden -Passiv) und Zustandspassiv (auch sein -Passiv), die in allen Tempora und Modi möglich sind. — Das Vorgangspassiv wird mit dem Hilfsverb werden gebildet und be- schreibt einen Handlungsverlauf. Es kann dabei sowohl mit Durativa - d. h. mit Verba, die den Ablauf oder Verlauf einer Handlung ausdrücken (wie z. B. Die Tür wird bemalt.) - als Vorgang oder mit Terminativa - d. h. mit Verba, die einen eingegrenzten Ablauf oder Verlauf oder einen Übergang ausdrücken (wie z. B. Die Tür wird geöffnet.) - als Faktum umgesetzt werden. Transitive Verben können ein persönliches Vorganspas- siv bilden (z. B. Das Experiment wurde [von ihm] gründlichüberprüft.), intransitive Verben ein unpersönli- ches (z. B. Auf dem Fest wurde ausgelassen gefeiert.). Wie schon erwähnt, tritt das Rezipientenpassiv immer als unpersönliches Vorgangspassiv auf. — Das Zustandspassiv wird mit dem Hilfsverb sein gebildet und be- schreibt ein Handlungsresultat. Es kann dabei ebenfalls sowohl mit Durativa (als Faktum, wie z. B. Ich bin gefürchtet.) als auch mit Terminativa (als Nachzustand, wie z. B. Die Tür ist geöffnet.) umgesetzt werden. (Vgl. für diesen Absatz VOGEL 2009: 286/287, BUSSMANN 2002: 501 und STAMMERJOHANN 1975: 171)
Aktivische und passivische Varianten. Neben den grammatischen Reinformen des Aktivs und Passivs so- wie des Rezipientenpassivs gibt es noch weitere Passivtransformationen, welche allerdings nicht bloß die Struktur des Satzes umkehren, sondern auch auf die eine oder andere Art dessen Bedeutung verändern. Sol- cherlei Tranformationen teilen sich 1. in jene, die der Form nach ein Aktiv, und 2. in jene, die der Form nach ein Passiv darstellen. — Aktivische Konstruktionen mit passivischer Bedeutung umfassen sowohl Konstruk- tionen mit dem erweiterten Infinitiv als auch jene mit reflexiven Pronomina. — Zu den Konstruktionen mit erweitertem Infinitiv zählen Konstruktionen aus den Wörtern bleiben, stehen und gehen mit dem zu -Infinitiv sowie aus sein und dem zu -Infinitiv, zu letzteren jene aus den Wörtern lassen sich mit dem Infinitiv sowie aus Reflexivpronomina mit einem Verb. — Die Verbindung von sein + zu -Infinitiv (auch modales Passiv oder modaler Infinitiv gen.) drückt Möglichkeit oder Notwendigkeit aus (wie z. B. in Meine Mutter ist noch nicht zu sehen. und Die Fragestellung ist anders zu lösen.). Jene von bleiben + zu -Infinitiv weist die Modali- tät von »Müssen« oder »Sollen« auf und betont das Fortdauern eines Zustandes (wie z. B. in Das bleibt noch zu erledigen.). Jene von stehen + zu -Infinitiv ist mehrheitlich zu einem Phraseologismus - d. h. zu einer fes- ten Form - verwachsen, sodass weder Modalität noch Kontinuativität eindeutig auszumachen sind (wie z. B. in Das steht zu hoffen.). Und jene Verbindung von gehen + zu -Infinitiv weist die Modalität von »Können« auf und gilt als umgangssprachlich (wie z. B. in Das geht nicht zu schließen.). — Zu den Konstruktionen mit reflexiven Pronomen zählen die Konstruktionen lassen + sich + Infinitiv und Reflexivpronomen + Verb. — Beide Verbindungen enthalten persönliche und unpersönliche Varianten, eine Modalität von »Können« sowie den Hinweis auf menschliche Urheber und Urheberinnen. In der letzten Verbindung ist es möglich, Urheber und Urheberin ausdrücklich zu nennen. (Beispiele: Das lässt sich leicht [von mir] machen. oder Darauf lässt sich [von uns] bauen. sowie Das sagt sich leicht. oder Hier sitzt es sich angenehm.) — Zu den passivischen Konstruktionen mit passivischer Bedeutung gehören Konstruktionen aus bleiben + Partizip Perfekt Passiv (z. B. Das bleibt geschlossen.) und aus gehören + Partizip Perfekt Passiv (z. B. Das gehört geschlossen.). In beiden Fällen ist ein unpersönliches Passiv zwar möglich, aber sehr selten (wie z. B. in Seine Frage bleibt unbeantwortet. und in Dieses Gesetz gehört abgeschafft.). Die bleiben -Variante betont das Fortdauern eines Zustandes und die gehören -Variante weist eine »Müssen«- oder »Sollen«-Modalität auf. (Vgl. für diesen Ab- satz VOGEL 2009: 293-294.)
Die Passivfunktionen im Allgemeinen. Im Passiv wird - im Gegensatz zum Aktiv, bei dem der Handelnde im Mittelpunkt der Betrachtung steht - der Betroffene in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Träger und Empfänger des Geschehens gehen dabei aus Satzkontext und -semantik hervor. Die deutsche Sprache vermag es, das Handlungsziel ins Betrachtungszentrum zu rücken, indem dieses vor das finite Verb - d. h. das Verb, welches im Satz mit dem Subjekt übereingestimmt ist und somit alle verbalen Kategorien aus- drückt - gestellt und damit topikalisiert wird - d. h. an eine Stelle verschoben wird, die für die Satzbedeu- tung entscheidend ist. (Zum Beispiel in: Ich mache das auf keinen Fall. vs. Das wird auf keinen Fall [von mir] gemacht.) Ein solcher aktiver Satz ist stärker pragmatisch markiert als ein passiver, in dem lediglich in umgekehrter Perspektive auf das Geschehen geblickt wird. Aus diesen Gründen kommt es 1. zu einer Inakti- vierung des Ereignisses und 2. zum Wechsel der Perspektive. Das unpersönliche Passiv als komplett subjekt- loses Passiv treibt diese Umperspektivierung auf die Spitze, indem sich überhaupt kein verbales Argument mehr im Subjekt befindet und das Ereignis als solches im Mittelpunkt steht (z. B. Das wird auf keinen Fall gemacht.) (Vgl. für diesen Absatz VOGEL 2009: 163 und VOGEL 2012: 113-114)
Die Passivfunktionen in der Fachsprache. Das Verb wird fachsprachlich in allen seinen Eigenschaften - d. h. Person, Numerus, Modus, Tempus und Genus verbi - anders gebraucht als gemeinsprachlich. Am ein- drücklichsten zeigt sich dieser Unterschied in der vermehrten Verwendung des Passivs, das mit oder ohne Modalverben in Texten vorkommt, die sich vornehmlich mit Gegenständen und deren Funktionen oder mit Verfahren und deren Abläufen beschäftigen. Gerade in Wissenschaft und Technik sind dabei Vorgangs- und Zustandspassiv genau voneinander zu unterschieden. Diese Unterscheidung ist allerdings manchmal un- durchführbar oder bedeutungslos, weil Vorgang und Zustand nicht zu trennen sind. Häufig ist auch kein Be- zug auf Vorgang oder Zustand gegeben, und es wird nur die Regelhaftigkeit oder Gültigkeit eines Verfahrens vermerkt. (Vgl. bis hierher BUHLMANN & FEARNS 2000: 16/19.) Eine andere Aufgabe, die bereits genannt wurde, hier aber noch einmal angeführt sein soll, ist natürlich jene der Anonymisierung: Wird ein Satz ins Passiv gesetzt, übernimmt das Satzobjekt die Subjektrolle. Dadurch verschwindet das interagierende Indivi- duum sowohl formal als auch inhaltlich, womit sich die Konzentration schließlich auf den mitzuteilenden Sachverhalt richtet.
2.2 Hypothesenformulierung
Von der Fragestellung zur Hypothese. Dieses Kapitel soll von der einführenden Fragestellung (F) Wie sinnvoll ist die deutsche Wissenschaftssprache für das Textverständnis? - unter Betrachtung dessen, was bisher anund ausgeführt wurde - zur endgültigen Hypothese (H’) Informationen, die aus jenen Texten stammen, wel che zum Großteil im Aktiv verfasst wurden, sind leichter zu erinnern als jene, die aus Texten stammen, wel che zum Großteil im Passiv verfasst wurden. führen.
Aufgaben und Kennzeichen von Fachsprachen. Aus jenen Aussagen, die im Kapitel Linguistische Grund- lagen getroffen wurden, geht hervor, dass sich 1. das, was eine Fachsprache eigentlich soll (Ansprüche), von 2. dem, was eine Fachsprache tatsächlich ist (Kennzeichen), unterscheidet. Alles das, was eine Fachsprache laut den Ausführungen im ersten Kapitel dieser Arbeit sein soll, also alle Ansprüche an sie (Fachbezug, Genauigkeit, Eindeutigkeit, Knappheit, Ökonomie, Objektivität, Schmucklosigkeit u. dgl. mehr) lassen sich auf jenen der effizienten Kommunikation zurückführen. Alles das hingegen, was eine Fachsprache auszeichnet, also alle ihre Kennzeichen lassen sich wiederum mit jenen, die HAHN (vgl. 1983: 111-115) nennt, gut zusammenfassen: 1. Anonymisierung, 2. explizite Spezifizierung und 3. Kondensierung.
Frequenzspezifika. Um den Text aber zu anonymisieren, explizit zu spezifizieren und zu kondensieren, werden sprachliche Mittel, die sich Fachsprachen und Gemeinsprache teilen, häufiger oder seltener verwendet. Aus diesen spezifischen Frequenzen ergibt sich ein erschwertes Verständnis, da mit dem Abstraktionsgrad des Textes auch dessen Anspruchsniveau ansteigt.
Verständnisbarriere. Dieses verminderte Verständnis umfasst aber nicht nur fachexterne Personen (z. B. Nichtfachleute), sondern auch fachinterne, die sich mit dem Fachgebiet noch nicht oder nur unzureichend auseinandergesetzt haben oder aber sich das »fachliche Denken« (vgl. erneut HOFFMANN 1976: 31) noch nicht angeeignet haben (wie z. B. fachlich interessierte Personen, Schüler und Schülerinnen, sich weiterbildende Personen oder eben Studierende höherer Bildungs- und Forschungseinrichtungen).
Hohe Effizienz oder hohe Effektivität. Einige fachsprachliche Texte, die den Kennzeichen von Anonymisierung, Spezifizierung und Kondensierung entsprechen, mögen zwar dem Anspruch der hohen Effizienz entgegenkommen - d. h., der Nutzen dieser Texte (viele Inhalte) ist höher als deren Aufwand (wenige Worte/Wörter) -, vernachlässigen allerdings jenen nach hoher Effektivität - d. h., das erreichte Ziel (Was weiß ich nach der Lektüre?) entspricht größtenteils dem festgelegten Ziel (Was sollte ich nach der Lektüre wissen?). Gerade in der Didaktik von Grund-, Mittel- und Hochschulen - für die sich grundsätzlich jeder fachliche Text heranziehen lässt - ist eine hohe Effektivität erstrebenswert, da großteils Überblickswissen und teilweise Spezialwissen zu lehren und zu lernen sind.
Hohe Effizienz und hohe Effektivität. Ein Ansatz bei der Gestaltung fachlicher Texte, der sowohl auf hohe Effizienz als auch auf hohe Effektivität abzielt, wäre demnach wünschenswert. Dieser hat natürlich zuvorderst jene sprachlichen Mittel zu fördern, welche diese beiden Ansprüche unterstützen, und jene abzubauen, welche diese untergraben.
Verständlichkeit, Abrufbarkeit und Einprägsamkeit. Ein solches sprachliches Mittel innerhalb der Syntax ist das Passiv, welches dazu dient, das Individuum formal wie inhaltlich aus dem Text zu entfernen und somit den Sachverhalt in den Mittelpunkt zu stellen. Im Hinblick auf eine effektive Kommunikation bleibt nun zu untersuchen, ob sich der erhöhte Passivgebrauch innerhalb fachsprachlicher Texte positiv oder negativ auf deren Verständlichkeit, Abrufbarkeit und Einprägsamkeit auswirkt.
Einprägsamkeit von Informationen: Hypothese. Diese Arbeit greift den Bereich der Einprägsamkeit auf, in dem an der Universität als prototypische höhere Bildungseinrichtung bspw. die berühmt-berüchtigten Multiple- und Single-Choice-Tests fallen. Ihre kritische Hypothese (H’) lautet somit: Informationen, die aus je nen Texten stammen, welche zum Großteil im Aktiv verfasst wurden, sind leichter zu erinnern als jene, die aus Texten stammen, welche zum Großteil im Passiv verfasst wurden.
3. Methodischer Teil
3.1 Planung der Untersuchung
Kapitelinhalt. Den ersten Punkt des Methodischen Teils bildet die Planung der Untersuchung, welche Ant- wort auf folgende Fragen geben soll: Wie lässt sich die Hypothese operationalisieren? Wie sieht die Untersu- chungsplanung aus? Welche Untersuchungsmethode kommt zur Anwendung? Warum wurde gerade diese Methode gewählt?
Hypothesenoperationalisierung und Untersuchungsmethode. Die Frage nach der Hypothesenoperationali- sierung lässt sich nicht von jener nach der Untersuchungsmethode trennen, da diese beiden einander beein- flussen und bedingen. Da diese Arbeit und die dazugehörige Untersuchung im Rahmen eines Proseminars an der Universität abgefasst und durchgeführt werden, ist es verständlich, dass finanzielle, räumliche und zeitli- che Mittel eingeschränkt sind. Aus diesem einfachen Grund ist es naheliegend, die Methode des Fragebo- gens - gleichgültig, ob papieren oder elektronisch - als Möglichkeit bei der Hypothesenoperationalisierung im Hinterkopf zu behalten.
Von der verbalen zur operationalen Hypothese. Die verbalisierte Hypothese (H’) dieser Arbeit lautet Infor- mationen, die aus jenen Texten stammen, welche vorwiegend im Aktiv verfasst wurden, sind leichter zu erin- nern als jene, die aus Texten stammen, welche vorwiegend im Passiv verfasst wurden. — Dabei sind unter In- formationen einfache Wissenseinheiten zu verstehen, die sich als wahre oder falsche Aussagen formulieren lassen (wie z. B. Zur Sonnenwende sind Tag und Nacht gleich lang. - Richtig, zweimal im Jahr sind Tag und Nacht gleich lang., Aristoteles und Platon waren römische Dichter. - Falsch, die beiden waren griechische Philosophen. und Das Genus verbi ist in der deutschen Sprache eine von fünf verbalen Kategorien. - Richtig, das deutsche Verb kennt Person, Numerus, Modus, Tempus und Diathese als Eigenschaften.). — Unter einem Text, der zum Großteil oder vorwiegend in einem bestimmten Genus verbi verfasst ist, ist jener zu verstehen, dessen Anteil an Formulierungen in dieser Diathese größer ist als jener in der anderen. (Ist ein Text also vor- wiegend im Aktiv verfasst, so bedeutet dies, dass die Anzahl aktivischer Formulierungen jene passivischer übersteigt.) — Der Begriff des Textes ist vielfach Diskussionsgegenstand, und es gibt verschiedenste Defini- tionsversuche. Diese Arbeit legt sich allerdings zugunsten eines intuitiven Textbegriffs nicht auf eine oder mehrere dieser Definitionen fest, sondern versteht einen Text großzügig als Träger einer unbestimmten An- zahl sprachlicher Wissenseinheiten. — Nach der Klärung dieser drei Formulierungen kann die noch mündli- che Hypothese folgendermaßen messbar gemacht werden (H”): Versuchspersonen, die einen Text lesen, des- sen Anteil aktivischer Formulierungen jenen passivischerübersteigt, machen in einem darauffolgenden Test durchschnittlich eine gr öß ere Anzahl von korrekten Richtig-/Falsch-Angaben als Versuchspersonen, die einen Text lesen, bei dem es umgekehrt ist.
Bestandteile der Untersuchung. Aufgrund des bisher Gesagten umfasst die Untersuchung drei voneinander getrennte Bestandteile: 1. den aktivischen Text, 2. den passivischen Text und 3. den Test (in Form eines Fra- gebogens). — Der aktivische und der passivische Text haben denselben Inhalt - mit dem einzigen Unter- schied, dass der eine ausschließlich im Aktiv und der andere überwiegend im Passiv verfasst ist. Ob es wohl wünschenswert wäre, im passivischen Text ganz auf aktivische Formulierungen zu verzichten, um auch bei einer geringen Anzahl an Teilnehmenden ein eindeutiges Ergebnis zu erhalten, lässt sich in einem (einzigen) Fall kein Passiv bilden, weil das Subjekt des Aktivsatzes kein Agens ist und somit keine Handlung vorliegt. Diese Formulierung bleibt bei der Testung unberücksichtigt. — Die Texte haben weiters dem Anspruch zu genügen, weder allzu einfach noch allzu schwierig zu sein sowie Inhalte und Informationen zu bieten, die dem Großteil der Teilnehmenden neu sind. Aus diesen Gründen und im Hinblick auf die Motivation der Teil- nehmenden wird das astronomische Thema Supernovae gewählt. Die Texte basieren auf dem Wikipedia - Artikel (vgl. 2012) zum Stichwort Supernova und auf dem Kapitel 8.4.3 Supernovae des Werkes Astronomie und Astrophysik - Ein Grundkurs der Autoren ALFRED WEIGERT, HEINRICH WENDKER und LUTZ WISOTZKI (vgl. 2006: 202-205). — Der passivische Text wird zuerst verfasst, da sich Formulierungen einfacher übernehmen lassen und er die Wissenschaftssprache eindeutiger widerspiegelt. Anschließend wird er ins Aktiv »zurückübersetzt«, was den aktivischen Text ergibt. Der aktivische wie der passivische Text befindet sich im Anhang dieser Arbeit (vgl. die Punkte 7.1 Aktivischer Text und 7.2 Passivischer Text).
Gegenüberstellung des aktivischen und passivischen Textes nach Formulierungen (Abb. 1):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Herausgearbeitete Wissenseinheiten (Abb. 2):
- Eine Supernova ist das Aufleuchten eines Sterns an seinem Lebensende.
- Die Mehrzahl des Wortes Supernova lautet Supernovae.
- Eine Supernova zerstört den ursprünglichen Stern.
- Eine Supernova kann über große Entfernungen beobachtet werden.
- Das Wort Nova leitet sich vom Ausdruck stella nova ab.
- TYCHO BRAHE war ein dänischer Astronom.
- TYCHO BRAHE benutzte den Ausdruck Nova im Jahr 1572 das erste Mal.
- TYCHO BRAHE beobachtete ein sternähnliches Objekt.
- Das Objekt, welches TYCHO BRAHE beobachtete, war vorher nicht sichtbar gewesen.
- Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde jeder Helligkeitsausbruch Nova genannt.
- Eine Nova erreicht ihre maximale Helligkeit in Tagen bis Jahren.
- Eine Nova erreicht ihre Ruhehelligkeit in Wochen bis Jahrzehnten.
- Wegen ihrer Ursachen wird eine Supernova heute nicht mehr als klassische Nova bezeichnet.
- Es werden zwei Supernova-Typen unterschieden.
- Die beiden Supernova-Typen heißen hydrodynamische und thermonukleare Supernova.
- Bei einer hydrodynamischen Supernova hatte der Ausgangsstern mehr als acht Sonnenmassen.
- Eine hydrodynamische Supernova lässt ein kompaktes Objekt zurück.
- Bei einer thermonuklearen Supernova sammelt ein Weißer Zwerg Masse an.
- Bei einer thermonuklearen Supernova zieht sich ein Weißer Zwerg wegen seiner wachsenden Masse zusammen.
- Bei einer thermonuklearen Supernova wird ein Weißer Zwerg durch einsetzendes Kohlenstoffbrennen zerstört.
- Eine thermonukleare Supernova lässt kein kompaktes Objekt zurück.
- Eine thermonukleare Supernova wird auch als Standardkerze bezeichnet.
- Eine thermonukleare Supernova wird zur Entfernungsbestimmung außerhalb der Milchstraße verwendet.
- Standardkerzen sind Objekte, die zur Entfernungsbestimmung außerhalb der Milchstraße verwendet werden.
- Supernova-Überreste ermöglichen es, auf die Supernova-Häufigkeit zu schließen.
- In der Milchstraße kommt es alle 50 bis 100 Jahre zu einer Supernova.
- Die Supernova 1867A, die K EPLER ’ sche Supernova 1604 und die B RAHE ’ sche Supernova 1572 sind am bekanntesten.
- K EPLER ’ sche und B RAHE ’ sche Supernova widerlegten die Auffassung von der Unveränderlichkeit der Fixsterne.
- Eine Supernova wird mit dem Vorsatz SN, dem Entdeckungsjahr und einem Buchstabenzusatz benannt.
- Jährlich werden mehrere hundert solcher Erscheinungen entdeckt.
Text- und Testgestaltung. Der aktivische Text erreicht mit 29 von 29 Formulierungen eine 100,0-prozentige Aktivquote, der passivische Text mit 28 von 29 eine 96,6-prozentige Passivquote. Jene drei Erweiterungen, welche in den Formulierungen Nr. 17, 24 und 28 bloß Exempla bringen oder nur der Erläuterung dienen werden beim Test ebenso wenig abgefragt wie der aktivische Satz Nr. 16, welcher in beiden Texten gleich ist. Aus den Texten lassen sich 30 Wissenseinheiten herausarbeiten, die beim Test in veränderter, zufälliger Rei- henfolge in Aussageform mit jeweils den Antwortmöglichkeiten Richtig, Falsch und Weißnicht abgefragt werden. Von einer Variante mit nur zwei Möglichkeiten (Richtig und Falsch) wird abgesehen, damit Teil- nehmende, welche sich nicht erinnern können oder sich nicht sicher sind, nicht gezwungen sind zu wählen und somit nicht zufällig das richtige Kreuzchen setzen. Bei der Antwort Stimmt nicht wird den Teilnehmen- den weiters die Möglichkeit eingeräumt, die richtige Antwort anzugeben, sofern sie sich an diese erinnern. Die eine Aussagenhälfte (15 Stück) wird den Teilnehmenden in wahrer Form, die andere (ebenfalls 15 Stück) in falscher dargeboten. Die Reihenfolge der Aussagen auf dem Fragebogen wird durch das blinde Ziehen von Zetteln aus einem Behältnis festgelegt, ob sie wahr oder falsch formuliert werden getrennt davon durch Münzwurf. Dabei ergaben sich sowohl Reihenfolge als auch Wahrheitsgehalt der Aussagen.
Reihenfolge und Wahrheitsgehalt der Aussagen (Abb. 3):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aussagenformulierung. Die Aussage wird dabei möglichst einfach und kurz formuliert, und wortwörtliche Übereinstimmungen der Formulierungen im aktivischen und passivischen Text mit jenen der Aussagen werden - so gut es geht - vermieden.
Demografische Daten. Vor den eigentlichen Wissensfragen werden noch demografische Daten (Alter, Geschlecht, höchste abgeschlossene Ausbildung, derzeitiger Beruf bzw. derzeitige Ausbildung) erhoben. Der Fragebogen befindet sich im Anhang dieser Arbeit (vgl. den Punkt 7.3 Fragebogen).
3.2 Durchführung der Untersuchung
Auswahl. Am Durchführungsanfang stand die Auswahl der Teilnehmenden. Um eine möglichst große Anzahl an Versuchspersonen zusammenzubekommen, wurden weder Alter noch Ausbildung eingeschränkt. Der ein- zige Grund für einen Ausschluss von der Untersuchung war ein astronomischer Hintergrund (wie z. B. bei studierenden oder studierten Astronomen und Astronominnen sowie Personen, die an einer Institution arbei- ten, die vorwiegend mit Astronomie zu tun hat, wie etwa Planetarien, Sternwarten o. dgl. mehr), denn bei diesen ist davon auszugehen, dass ihnen die Inhalte und Informationen der beiden Texte schon bekannt sind. Aus diesem Grund mussten allerdings nur zwei Personen von der Untersuchung ausgeschlossen werden (nämlich zwei Astronomiestudierende).
Mobilisierung. Die Teilnehmenden wurden v. a. über telefonische oder elektronische »Mund-zu-Mund«- Propaganda (Freunde, Bekannte und Freundesfreunde), aber auch durch einen Aufruf in sieben Gruppen des Sozialen Netzwerks Facebook mobilisiert. (Diese Gruppen waren: Deutsche Philologie Uni Wien; Latein Ergänzungsprüfung; Slawistik, Universität Wien; Slawistik Uni Wien; Spracherwerb Russisch Grundlagen C - WS12/13; Erstsemester Psychologie Uni Wien WS 2010 und PöbelPsychologen Uni Wien.)
Instruktion. Alle Personen, die sich als Teilnehmende zur Verfügung gestellt hatten, wurden einheitlich aufgeklärt und instruiert: 1. Es handelt sich um eine Untersuchung, die aus dem Lesen eines kurzen Textes und dem Ausfüllen eines Fragebogens (Tests) zu diesem Text besteht. (Dieser Punkt dient der Auf- und Er- klärung.) 2. Zunächst soll nur die Datei Text A (Aktivtext) bzw. Text B (Passivtext) geöffnet und deren Ins- truktion gefolgt werden. (Diese enthält entweder den aktivischen oder passivischen Text, vgl. hierzu die Punkte 7.1 Aktivischer Text und 7.2 Passivischer Text im Anhang dieser Arbeit. Dieser Punkt dient dazu, die Probanden davon abzuhalten, sich zuerst den Fragebogen anzusehen und somit das Ergebnis zu verfälschen.) 3. Danach soll etwa fünf Minuten Pause oder etwas anderes gemacht werden. (Dieser Punkt dient der Ablen- kung von den zu prüfenden Inhalten und Informationen, die nicht von jetzt auf gleich in den Fragebogen übernommen, sondern über einige Minuten im Gedächtnis behalten werden sollen.) 4. Nun soll die Datei Fragebogen (als Formular im doc - oder docx -Format) geöffnet und deren Instruktion gefolgt werden. (Diese enthält den Fragebogen zu den demografischen Angaben und der Aussagentestung, wie er unter Punkt 7.3 Fragebogen im Anhang dieser Arbeit zu sehen ist.) 5. Die Teilnehmenden wurden nochmals darauf hinge- wiesen, bei der Bearbeitung des Fragebogens weder in der Text -Datei nachzusehen noch bei vorangehenden oder nachfolgenden Aussagen. (Unter diesem Punkt wurden die Probanden darauf hingewiesen, dass diese »Schummel«-Weisen das Endergebnis verfälschen.) 6. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die gesetzten Kreuzchen nicht mehr geändert werden sollen, sobald die Teilnehmenden die nächste Frage bearbeiten. (Die- ser Punkt trägt dem Umstand Rechnung, dass eine nachträgliche Änderung ebenfalls das Endergebnis ver- fälscht.) 7. Beim den Fragen nach Ausbildung und Beruf sollen möglichst genaue Angaben gemacht werden. (Mit diesem Punkt soll sichergestellt werden, dass Ausbildung und Vorwissen der Probanden eindeutig festgehalten werden.) 8. Bei etwaigen Fragen können sich die Testpersonen an den Testleiter wenden. 9. Stimmt die Formatierung der Textdatei nicht (fehlende Zeichen, eigentümliche Formatierung o. dgl.) oder lässt sich das Formular nicht ausfüllen, können sich die Testpersonen ebenfalls an den Testleiter wenden. (Dieser Punkt berücksichtigt, dass es bei einem der ersten versandten Texte und Formulare beim Öffnen auf einen Apple-iPad und beim Bearbeiten mit Apache OpenOffice zu Problemen gekommen ist.)
Abschluss. Nachdem die Teilnehmenden den Text gelesen und den Test absolviert hatten, haben sie dem Testleiter die ausgefüllten Dateien per E-Mail oder Facebook zurückgeschickt und wurden in einen Verteiler aufgenommen. Dieser diente dazu, allen Teilnehmenden Arbeitsgegenstand und -ergebnis mitzuteilen sowie sich noch einmal bei ihnen für ihre Teilnahme zu bedanken. Nachdem das letzte ausgefüllte Formular eingegangen war, begann die Auswertung.
4. Ergebnisse, Erläuterung und Erörterung
4.1 Zahlentafeln (als Basis für die Schaubilder)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Tabelle 1: Übersicht demografischen Daten)
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(Tabelle 2: Korrekt und inkorrekt klassifizierte Aussagen [absolut und relativ])
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Tabelle 3: Gewusste und nicht gewusste Aussagen gesamt [absolut und relativ])
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Tabelle 4: Gewusste Aussagen nach Fragen [absolut und relativ])
4.2 Schaubilder (auf Basis der Zahlentafeln)
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(Grafik 1: Altersverteilung Aktiv- und Passivtext [absolut])
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(Grafik 2: Altersverteilung gesamt [absolut])
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(Grafik 3: Geschlechtsverteilung Aktivtext [relativ])
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(Grafik 4: Geschlechtsverteilung Passivtext [relativ])
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(Grafik 5: Geschlechtsverteilung gesamt [relativ])
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(Grafik 6: Einschätzung der Schwierigkeit Aktiv- und Passivtext [absolut])
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Grafik 7: Einschätzung der Schwierigkeit gesamt [absolut])
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Grafik 8: Korrekt und inkorrekt klassifizierte Aussagen im Aktiv- und Passivtext [relativ])
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(Grafik 9: Gewusste und nicht gewusste Aussagen gesamt [relativ])
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(Grafik 10: Gewusste Aussagen nach Fragen im Aktiv- und Passivtext [relativ])
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(Grafik 11: Gewusste Aussagen nach Fragen gesamt [relativ])
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Grafik 12: Differenz der gewussten Aussagen nach Prozentpunkten [Plus-Werte: A > P, Minus-Werte: A < P, Null-Werte: A = P])
4.3 Erläuterung und Erörterung
Sinn und Zweck dieses Kapitels. Ziel dieses Kapitels ist es, die in den Punkten 4.1 Zahlentafeln (als Basis für die Schaubilder) und 4.2 Schaubilder (auf Basis der Zahlentafeln) abgebildeten Tabellen und Grafiken zu erklären, kritisch zu diskutieren und im Hinblick auf Fragestellung und Hypothese dieser Arbeit zu interpretieren. Bevor das geschieht, sollen letztere beiden nochmals in Erinnerung gerufen werden:
Fragestellung sowie verbale und operationale Hypothese. Die Fragestellung (F) lautet: Wie sinnvoll ist die deutsche Wissenschaftssprache für das Textverständnis? — Die verbalisierte Hypothese (H’) lautet: Informa- tionen, die aus jenen Texten stammen, welche vorwiegend im Aktiv verfasst wurden, sind leichter zu erinnern als jene, die aus Texten stammen, welche vorwiegend im Passiv verfasst wurden. — Die operationalisierte Hypothese (H”) lautet: Versuchspersonen, die einen Text lesen, dessen Anteil aktivischer Formulierungen je- nen passivischerübersteigt, machen in einem darauffolgenden Test durchschnittlich eine gr öß ere Anzahl von korrekten Richtig-/Falsch-Angaben als Versuchspersonen, die einen Text lesen, bei dem es umgekehrt ist.
Teilnehmende und Geschlecht. Insgesamt nahmen 32 Personen an der Untersuchung teil. Davon waren 4 Männer (12,5 %) und 28 Frauen (87,5 %). Auch, wenn das natürliche Geschlecht der Teilnehmenden im Sinne der Gender Studies nicht unerheblich ist, ermöglicht die hohe Frauenanzahl einheitliche Gruppen, in denen Konfundierungen aufgrund des biologischen Geschlechts weitgehend ausgeschlossen sind. (Vgl. Tabelle 1 und Grafik 3-5.)
Textzuteilung und Geschlechterverhältnis. Von der Gesamtheit aller Teilnehmenden wurde 16 (50,0 %) der aktivische und 16 (50,0 %) der passivische Text zugeteilt, was die Gruppengröße vollkommen ausgleicht. Anzumerken ist, dass die Aktiv-Gruppe insgesamt 3 Männer (18,8 %) umfasste, die Passiv-Gruppe aber nur 1 Mann (6,3 %). Da der Frauenanteil in der ersten jedoch immer noch bei 81,3 % (13 Frauen) liegt, dürften auch hier Konfundierungen aufgrund des natürlichen Geschlechts ausgeschlossen sein. Der Frauenanteil in der zweiten Gruppe liegt bei 93,8 % (15 Frauen). (Vgl. ebd.)
Schwierigkeit. Die Gesamtheit aller Teilnehmenden gab der Untersuchung auf einer Skala von 1 (sehr ein- fach) bis 10 (sehr schwierig) durchschnittlich eine 6,2, was etwas oberhalb der Mitte von 5,5 liegt. Bemer- kenswert erscheint, dass die Aktiv-Untersuchung im Mittel mit einer 6,8 als komplizierter und die Passiv- Untersuchung mit einer 5,5 als simpler bewertet wurde, ob erstere wohl bessere Ergebnisse lieferte (62,8 % gewusste Aussagen, vgl. Tabelle 3 und Grafik 9) als letztere (54,0 % gewusste Aussagen, vgl. ebd.). Das mag daran liegen, dass der aktivische Text im Gegensatz zum passivischen »sperriger« klingt, weil bei dessen Verfassen viele der Formulierungen mithilfe des Indefinitpronomens man aus dem unpersönlichen Passiv ins Aktiv retransferiert werden mussten. Der passivische Text hingegen klingt - ob hier wohl auch viele Formu- lierungen dem »einfachen« Passiv geschuldet sind - eher nach wissenschaftlicher Fachsprache und somit für diese Gattung vertrauter als der aktivische. (Vgl. Tabelle 1 und 3 sowie Grafik 6-7 und 9.)
Alter und Ausreißer. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden betrug 22,4 Jahre, wovon 21,6 auf jene der Aktiv-Untersuchung und 23,1 auf jene der Passiv-Untersuchung entfallen. Mit einer gemeinsamen Alters- spanne von 19 bis 25 Jahren fallen der eine Ausreißerwert von 32 Jahren der Aktiv-Gruppe und jene beiden von 32 und 33 Jahren der Passiv-Gruppe nicht weiter ins Gewicht. (Vgl. Tabelle 1 und Grafik 1-2.)
Korrekt und inkorrekt klassifizierte Aussagen. Um dem Untersuchungsaufbau entgegenzukommen ist es zunächst notwendig, 1. korrekt klassifizierte Aussagen, 2. inkorrekt klassifizierte Aussagen und 3. mit » Weißnicht « beantwortete Aussagen zu trennen. Die korrekt klassifizierten Aussagen umfassen jene Markierungen, die von den Teilnehmenden richtig gesetzt wurden, die inkorrekt klassifizierten Aussagen jene, die falsch ge- setzt wurden, und die mit » Weißnicht « beantworteten Aussagen umfassen jene Markierungen, die aufgrund von Unwissen oder Unschlüssigkeit im Formularfeld Weißnicht gesetzt wurden. Beim aktivischen Text wur- den insgesamt 62,8 % (301 Aussagen) korrekt und 14,1 % (69 Aussagen) inkorrekt klassifiziert sowie 22,8 % (109 Aussagen) mit Weißnicht markiert; beim passivischen hingegen wurden insgesamt 54,0 % (259 Aussa- gen) korrekt und 19,6 % (94 Aussagen) inkorrekt klassifiziert sowie 26,5 % (127 Aussagen) mit Weißnicht markiert. Schon daraus lässt sich deutlich ablesen, dass jene Teilnehmenden, die den Aktiv-Text vorliegen hatten, bessere Ergebnisse erzielten als jene, die den Passiv-Text vorliegen hatten: In den korrekt klassifizierten Aussagen sind sie um 8,9 Prozentpunkte besser, in den inkorrekt klassifizierten Aussagen um 5,2 und in den mit » Weißnicht « beantworteten Aussagen um 3,7. (Vgl. Tabelle 2 und Grafik 8.)
Gewusste und nicht gewusste Aussagen. Da die Teilung in Falsch und Weißnicht mehr aus psychologi- schen denn methodologischen Gründen erfolgte (vgl. Punkt 3.1 Planung der Untersuchung), kann sie aufge- hoben werden. Für die Hypothesenüberprüfung ist es bedeutsam, zwischen gewussten und nicht gewussten Aussagen - oder auch erinnerten und nicht erinnerten Inhalten und Informationen - zu unterscheiden (vgl. Tabelle 3 und Grafik 9): Dementsprechend wurden beim aktivischen Text 62,8 % (301 Aussagen) gewusst und nur 37,2 % (178 Aussagen) nicht gewusst, beim passivischen Text dagegen wurden nur 54,0 % (259 Aussagen) gewusst, aber 46,0 % (221 Aussagen) nicht gewusst. Das entspricht wiederum der obigen signifi- kanten Differenz von 8,9 Prozentpunkten zugunsten der Aktiv-Untersuchung. (Vgl. Tabelle 3 und Grafik 9.)
Betrachtung einzelner Aussagen. Der Blick auf die einzelnen Aussagen zeigt, dass beide Gruppen insge- samt 5 Aussagen (Nr. 1, 10, 11, 12 und 18) gleich oft korrekt als richtig oder falsch klassifizierten (das ent- spricht einem Anteil von 16,7 %). Die Aktiv-Gruppe bewertete mit einer Mehrheit insgesamt 19 Aussagen (Nr. 2, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 13, 14, 16, 17, 20, 21, 23, 24, 25, 26, 27 und 30) korrekt (63,3 %); die Passiv-Gruppe bewertete mit einer Minderheit die übrigen 6 Aussagen (Nr. 5, 15, 19, 22, 28 und 29) korrekt (20,0 %). (Vgl. Tabelle 4 und Grafik 10-12.)
Fazit. Die gewählte Erhebungsmethode hat sich als geeignet erwiesen und die Hypothese im Rahmen dieser Untersuchung bewährt.
5. Schluss
Wissenschaftssprache als Fachsprache. Jeder Mensch hat heutzutage mit der Sprache der Wissenschaft und anderer fachlicher Bereiche zu tun, die bspw. über Massenmedien, Sachbücher und Belletristik in die Gemeinsprache eindringen. Dabei ist die Definition des Begriffes Fachsprache - und somit des Begriffes Wis senschaftssprache - schwierig und in der Forschung nicht eindeutig festgelegt.
Definition des Begriffes Fachsprache. Ob jede Definition wohl nur in einem gewissen Rahmen gilt, lässt sich festhalten, dass Fachsprachen - je nach Sichtweise - 1. entweder innerhalb oder neben der Gemeinsprache existieren, 2. von der alltäglichen Kommunikation abweichen, 3. der Verständigung von Fachleuten dienen und 4. eine Verständnisbarriere aufbauen können.
Verständnisbarriere und Fragestellung. Da dieses verminderte Verständnis nicht nur fachexterne, sondern auch fachinterne Personen begrifft, denen das »fachliche Denken« noch nicht zueigen ist (z. B. Interessenten, Auszubildende oder Studierende), und somit auch die Didaktik, fragt diese Arbeit danach (F), wie sinnvoll die deutsche Wissenschaftssprache für das Textverständnis ist. Davon ausgehend, dass sich Fachsprachen alle sprachlichen Schichten (z. B. Lexik, Morphologie und Syntax) mit der Gemeinsprache teilen, sich aber in der Anwendungshäufigkeit einzelner sprachlicher Mittel von dieser unterscheiden, wird das syntaktische Mittel des Passivs als Genus verbi der deutschen Sprache, welches in Fachsprachen sehr viel häufiger vorkommt als in der Gemeinsprache, herausgegriffen.
Verbale und operationale Hypothese. Die dazugehörige verbalisierte Hypothese (H’) lautet darauf, dass In- formationen, die aus jenen Texten stammen, welcheüberwiegend im Aktiv verfasst wurden, leichter zu erin- nern sind als jene, die aus Texten stammen, welcheüberwiegend im Passiv verfasst wurden. Daraus leitet sich folgende operationalisierte Hypothese (H”) ab: Versuchspersonen, die einen Text lesen, dessen Anteil ak- tivischer Formulierungen jenen passivischerübersteigt, machen in einem darauffolgenden Test durchschnitt- lich eine gr öß ere Anzahl von korrekten Richtig-/Falsch-Angaben als Versuchspersonen, die einen Text lesen, bei dem es umgekehrt ist.
Methode. Gemäß der operationalen Hypothese wurde eine Untersuchung gewählt, die dreierlei Bestandteile hat: 1. einen aktivisch formulierten Text, 2. einen passivisch formulierten Text und 3. einen Test in Form eines Fragebogens. Die Texte enthalten genau dasselbe astronomische Thema (Supernovae), unterscheiden sich aber darin, dass der eine (ausschließlich) im Aktiv und der andere (überwiegend) im Passiv geschrieben ist. Dabei wurde auf die einfachsten aktivischen und passivischen Formulierungen zurückgegriffen sowie aktivische und passivische Varianten vernachlässigt.
Durchführung. Nachdem die Teilnehmenden den Text, der ihnen zufällig zugeteilt worden war, durchgelesen hatten, sollten sie fünf Minuten lang etwas anderes tun, um sich abzulenken, und anschließend wahre und falsche Aussagen im Fragebogen als richtig oder falsch klassifizieren. Insgesamt nahmen 32 Personen an der Untersuchung teil, wovon 16 die aktivische und 16 die passivische Variante durchliefen.
Ergebnis. Zugunsten der Hypothese ließ sich feststellen, dass jene Teilnehmenden, die den Aktiv-Text vorliegen hatten, um insgesamt 8,9 Prozentpunkte bessere Ergebnisse lieferten als jene, die den Passiv-Text vorliegen hatten.
Folgen. Auf Basis dieser Untersuchung lässt sich sagen, dass die Anonymisierung fachlicher Texte, sofern sie überwiegend mit dem sprachlichen Mittel des Passivs als Genus verbi durchgeführt ist, textuelle Inhalte und Informationen schwieriger zu erinnern macht. Da fachliche Texte jedoch anonymisiert werden müssen und damit die ich -Form nicht wieder eingeführt werden kann, sollte vorwiegend auf andere entpersönlichen- de sprachliche Mittel zurückgegriffen werden (wie z. B. unpersönliche Pronomina, das Präsens, Nominali- sierungen sowie bedeutungsleere oder -schwache Verben). In jedem Fall jedoch sind aktivische Formulie- rungen passivischen vorzuziehen.
Verbesserungsvorschläge für wiederholende Untersuchungen. Wie unter den Punkten 3.1 Planung der Untersuchung, 7.1 Aktivischer Text und 7.2 Passivischer Text nachzulesen ist, wurde in der Formulierung des aktivischen und/oder passivischen Textes ein Fehler gemacht: Der letzte Satz des Aktiv-Textes lautet Mit [ Ø ] heutigen modernen Teleskopen und Suchprogrammen entdeckt man jährlich mehrere hundert Supernovae., jener des Passiv-Textes jedoch Mit [den] heutigen modernen Teleskopen und Suchprogrammen werden jähr- lich mehrere hundert Supernovae entdeckt. Das Fehlen des Wortes den im aktivischen Text, ist auf eine Un- achtsamkeit beim Verfertigen der Texte zurückzuführen. Sein Effekt auf das Ergebnis der Untersuchung kann als gering gewertet werden, dennoch sollte bei einer möglichen Wiederholung die Einheitlichkeit der beiden Texte garantiert sein. — Die höchste abgeschlossene Ausbildung, der derzeitige Beruf bzw. die derzeitige Ausbildung und eine mögliche freie Antwort bei den als falsch klassifizierten Aussagen wurden zwar erhoben, aus Platz- und Zeitgründen jedoch schlussendlich nicht ausgewertet. Diese Daten könnten bspw. in eine de- tailliertere und differenziertere Diskussion der einzelnen Fragen oder Fragebögen einfließen und somit im Hinblick auf folgende Fragen Antworten liefern: Wussten die Teilnehmenden nur, dass eine Aussage falsch formuliert war, oder konnten sie sich auch an deren richtige Formulierung erinnern? Inwieweit könnten Aus- bildung und Beruf die Ergebnisse beeinflusst haben?
Vorschläge für weiterführende Untersuchungen. Daran anschließend einige weitere mögliche Fragen: Be- deutet die Angabe Weißnicht wirklich, dass die Person nicht wusste, ob die Aussage richtig oder falsch war, oder aber, dass sie sich nur nicht sicher war? Liefert die gleiche Untersuchung mit einer größeren Grundge- samtheit ähnliche Ergebnisse? Wie wirken sich Alter, Geschlecht und situativer Kontext aus? Wie kommt es, dass die Aktiv-Untersuchung bessere Ergebnisse lieferte, ob sie wohl als schwieriger bewertet wurde? Sind die verwendeten Texte authentisch? Welche anderen Themen und/oder Texte können verwendet werden? Lie- fert die gleiche Untersuchung mit anderen Texten ähnliche Ergebnisse? Lässt sich die Untersuchung online besser umsetzen? Welche linguistischen und psychologischen Theorien können in die Auswertung einfließen? Wie wirken sich andere Frequenzspezifika (isoliert wie kontextuell) auf das Verständnis fachsprachlicher Texte aus? Sind Ergebnisse verschiedener Sprachen untereinander vergleichbar? Wie lassen sich fachsprachliche Texte verständlicher gestalten? Wie können all diese Erkenntnisse schlussendlich mitgeteilt und umgesetzt werden? — Diese Fragen zeigen, dass Fachsprachen und deren Verständlichkeit ein sehr breites Thema darstellen, das nur darauf wartet, von Wissenschaft und Forschung abgearbeitet zu werden.
6. Literaturverzeichnis
6.1 Fachliche Literatur
BUHLMANN, ROSEMARIE & ANNELIESE FEARNS (2000): Handbuch des Fachsprachenunterrichts. Unter besonderer Berücksichtigung naturwissenschaftlich-technischer Fachsprachen. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Tübingen: Gunter Narr. ISBN-10: 3-8233-4965-1
BUSSMANN, HADUMOD (Hg., 2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Alfred Kröner. ISBN-10: 3-520-45203-0
DAHLBERG, INGETRAUT (1975): Gedanken zur Terminologie von » Fach- « , » Sach- « und » Wissensgebieten « . In: Muttersprache . Vierteljahresschrift für deutsche Sprache 85, Wiesbaden: Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). ISSN: 0027-514X
GFREREIS, HEIKE (2005): Literatur. Stuttgart & Weimar: J. B. Metzler. ISBN-13: 978-3-476-02114-4
HAHN, WALTER VON (1983): Fachkommunikation. Entwicklung · Linguistische Konzepte · Betriebliche Bei- spiele. Berlin & New York: Walter de Gruyter (Sammlung Göschen, Bd. 2 223). ISBN-10: 3-11-008765-0
HARJUNG, DOMINIK (2000): Lexikon der Sprachkunst. Die rhetorischen Stilformen. Mitüber 1 000 Beispielen. München: Oscar Beck (Beck’sche Reihe, Bd. 1 359). ISBN-10: 3-406-42159-8
HOFFMANN, LOTHAR (1987): Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. 3., durchgesehene Auflage. Berlin: Akademie-Verlag. ISBN-10: 3-05-000-417-7
HOFFMANN, LOTHAR (1984): Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. 2., völlig neu bearbeitete Auflage. Berlin: Akademie-Verlag. ISBN-10: 3-87808-875-2
HOFFMANN, LOTHAR (1976): Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. 1. Auflage. Berlin: Akademie-Verlag. ISBN-10: nicht vorhanden
ICKLER, THEODOR (1997): Die Disziplinierung der Sprache. Fachsprachen in unserer Zeit. Tübingen: Gunter Narr. ISBN-13: 978-3-8233-4544-2
PATOCKA, FRANZ (2012): Sprachwissenschaftliche Vorlesung: Fachsprache, Fachkommunikation, Sondersprachen. Vorlesungsskriptum. Universität Wien. Institut für Germanistik. Wien, Wintersemester 2011/2012
PERRIG, GABRIELA (2012): Stichwort: » Passivtranformation « . In : ELKE HENTSCHEL (Hg.in): Deutsche Grammatik. Berlin & New York: Walter de Gruyter. ISBN-13: 978-3-11-018560-7, E-ISBN: 978-3-11- 022902-8
SCHIPPAN, THEA (2002): Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. 2., unveränderte Auflage. Tübingen: Max Niemeyer. ISBN-10: 3-484-73002-1
SPILLNER, BERND (1996): Fachsprache. In: GERT UEDING (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Band 3: Eup-Hör. Tübingen: Max Niemeyer, ISBN-10 (Band 3): 3-484-68103-9. ISBN-10 (Gesamtwerk): 3-484-68100-4
STAMMEROHANN, HARRO (Hg., 1975): Handbuch der Linguistik. Allgemeine und angewandte Sprachwissenschaft. München: Nymphenburger Verlagsbuchhandlung. ISBN-10: 3-485-03541-6
VOGEL, PETRA MARIA (2009): Stichwort: » Passiv « . In: ELKE HENTSCHEL & PETRA VOGEL (Hg.innen, 2009): De Gruyter Lexikon. Deutsche Morphologie. De Gruyter: Berlin. ISBN-13: 978-3-11-018562-1
VOGEL, PETRA MARIA (2012): Stichwörter: » Genus verbi « und » Passiv « . In : ELKE HENTSCHEL (Hg.in): Deutsche Grammatik. Berlin & New York: Walter de Gruyter. ISBN-13: 978-3-11-018560-7, E-ISBN: 978-3-11-022902-8
WEIGERT, ALFRED; HEINRICH WENDKER & LUTZ WISOTZKI (2006): Astronomie und Astrophysik. Ein Grundkurs. 4., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Weinheim: Wiley-VCH. ISBN-10: 3-527- 40358-2
6.2 Sonstige Literatur
AUBURTIN, VICTOR (1997): Herr Brie. Geschichten von Katzen und anderen. Berlin: Das Arsenal, ISBN-13: 978-3-931109-06-6. S. 39: »Der Philosoph saß in seinem Studierzimmer und wollte über das Wesen der Dinge nachsinnen.«
GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON (2005): Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Durchgesehene Ausgabe 2001. Stuttgart: Philipp Reclam jun. (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 2). ISBN-10: 3-15-000002-5. S. 203, V. 11 574-11 576: »Das ist der Weisheit letzter Schluss: / Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, / Der täglich sie erobern muss.«
WIKIPEDIA.ORG (2012): Stichwort: » Supernova « . Abrufbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Supernova. Abgerufen am 12. März 2013 um 10.50 Uhr
7. Anhang
7.1 Aktivischer Text
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
7.2 Passivischer Text
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
7.3 Fragebogen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
7.4 Datenquelle des aktivischen Texts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
7.5 Datenquelle des passivischen Texts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
- Citar trabajo
- Christian Riedl (Autor), 2013, Wie sinnvoll ist die deutsche Wissenschaftssprache für das Textverständnis?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262269
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