James Stigler und James Hiebert behandeln in ihrem Werk „The teaching gap; Best ideas from the World´s Teachers for improving Education in the Classroom” sehr eindrücklich das Bildungsproblem in den USA. Internationale Schülerbewertungstests in den neunziger Jahren ergaben, dass amerikanische Schüler im internationalen Vergleich verhältnismäßig schlecht abschnitten. Das Bildungssystem war seitdem unzähligen Reformversuchen ausgesetzt, die jedoch kaum Erfolge zu verzeichnen hatten. 1998 wurden unter der Regierung Bill Clintons Reformversuche diskutiert, die eine Verringerung der Klassengrößen, eine größere Freiheit bei der Schulwahl, bessere Ausstattung der Lehrinstitute sowie Zusatzengagements und eine Umstrukturierung des Schulmanagements beinhalteten. Alle durchgeführten Reformen erreichten aber nicht ihr Ziel, den Lernerfolg der Schüler zu verbessern. Stigler und Hiebert vermuten, dass die Reformversuche deshalb zum Scheitern verurteilt waren, weil sie sich im wesentlichen nur auf äußere Faktoren beschränkten und die Qualität des Lehrens außer acht ließen. Sigler und Hieber berufen sich auf Bruner (1996), wenn sie empfehlen sich mehr auf diesen Faktor zu konzentrieren, da alle weitern Faktoren, die das Lernen der Schüler maßgeblich beeinflussen, wie zum Beispiel der soziale Hintergrund einzelner Schüler sowie die Gemeinderessourcen etc. außerhalb des Einflussbereichs der Institutionen liegen.
Die TIMSS-Studie bot daraufhin die Möglichkeit die Bildungssysteme drei führender Wirtschaftsnationen nämlich Japan, Deutschland und USA in einer Videostudie zu untersuchen. Japan lag bei vorherigen Untersuchungen immer an der Spitze, während Deutschland sich bisher kaum an derartigen Vergleichsstudien beteiligt hatte. Besonders gut eignete sich eine Videostudie für diese Art von Untersuchung. Die Forscher interessierte vor allem welche Methoden die Lehrer verwenden, wie gut Reformversuchein den betroffenen Ländern angenommen und umgesetzte werden und welche Unterschiede es zwischen den einzelnen Nationen gibt. Außerdem konzentrierte man sich darauf herauszufinden, was genau im amerikanischen Klassenzimmer geschieht.
Inhaltsverzeichnis
1. The Teaching gap
2. Methoden, um das Lehren in Japan, Deutschland und den USA zu erforschen
2.1 TIMSS
2.2 TIMSS Videostudie
3. Schemata des Lehrens
3.1 Eine deutsche Unterrichtsstunde – „Fortgeschrittene Prozeduren entwickeln“
3.2 Eine Japanische Unterrichtsstunde – „Strukturiertes Problemlösen“
3.3 Eine U.S.-Unterrichtsstunde- „Formeln lernen und Prozeduren üben“
4. Verfeinerung der Schemata
4.1 Mathematik im Klassenraum
4.2 Einbezug der Schüler in die Mathematik
5. Lehren ist ein System
5.1 Die Lehr-Muster der drei Länder
5.1.1 Das deutsche Muster
5.1.2 Das Japanische Muster
5.1.3 Das U.S. Muster
5.2 Vergleich der Muster
6. Lehren ist eine kulturelle Aktivität
6.1 Kulturelle Überzeugungen über Lehren und Lernen - Japan und USA
6.2 Ändern kultureller Aktivitäten
7. Jenseits von Reform: Japans Bemühungen zum Verbessern des Lehrens
7.1 „Unterrichtsstudien“ – Japans Alternative zur Reform
7.2 Reflexionen über Unterrichtstudien
8. Vorbereitungen für eine kontinuierliche Verbesserung
8.1 Prinzipien für eine messbare, stufenweise Verbesserung
8.2 Initiativen zur stufenweisen Änderung
9. Konkrete Vorschläge für Lehrer zur Umsetzung der Reform
9.1 Unterrichtsstudien in USA
9.2 Austauschsystem zum Teilen beruflichen Fachwissens
10. Fazit
1. The Teaching gap
James Stigler und James Hiebert behandeln in ihrem Werk „The teaching gap; Best ideas from the World´s Teachers for improving Education in the Classroom”[1] sehr eindrücklich das Bildungsproblem in den USA. Internationale Schülerbewertungstests in den neunziger Jahren ergaben, dass amerikanische Schüler im internationalen Vergleich verhältnismäßig schlecht abschnitten. Das Bildungssystem war seitdem unzähligen Reformversuchen ausgesetzt, die jedoch kaum Erfolge zu verzeichnen hatten. 1998 wurden unter der Regierung Bill Clintons Reformversuche diskutiert, die eine Verringerung der Klassengrößen, eine größere Freiheit bei der Schulwahl, bessere Ausstattung der Lehrinstitute sowie Zusatzengagements und eine Umstrukturierung des Schulmanagements beinhalteten.[2] Alle durchgeführten Reformen erreichten aber nicht ihr Ziel, den Lernerfolg der Schüler zu verbessern. Stigler und Hiebert vermuten, dass die Reformversuche deshalb zum Scheitern verurteilt waren, weil sie sich im wesentlichen nur auf äußere Faktoren beschränkten und die Qualität des Lehrens außer acht ließen. Sigler und Hieber berufen sich auf Bruner (1996)[3], wenn sie empfehlen sich mehr auf diesen Faktor zu konzentrieren, da alle weitern Faktoren, die das Lernen der Schüler maßgeblich beeinflussen, wie zum Beispiel der soziale Hintergrund einzelner Schüler sowie die Gemeinderessourcen etc. außerhalb des Einflussbereichs der Institutionen liegen.
Die TIMSS-Studie bot daraufhin die Möglichkeit die Bildungssysteme drei führender Wirtschaftsnationen nämlich Japan, Deutschland und USA in einer Videostudie zu untersuchen. Japan lag bei vorherigen Untersuchungen immer an der Spitze, während Deutschland sich bisher kaum an derartigen Vergleichsstudien beteiligt hatte. Besonders gut eignete sich eine Videostudie für diese Art von Untersuchung. Die Forscher interessierte vor allem welche Methoden die Lehrer verwenden, wie gut Reformversuchein den betroffenen Ländern angenommen und umgesetzte werden und welche Unterschiede es zwischen den einzelnen Nationen gibt. Außerdem konzentrierte man sich darauf herauszufinden, was genau im amerikanischen Klassenzimmer geschieht.[4]
Einige Ergebnisse der Videostudie waren so einschlägig, dass Stigler und Hiebert ihre Arbeit an ihnen entlang orientierten. Das erste Ergebnis der Studie hatten war bereits zuvor vermutet worden und sah sich nun bestätigt:
Das Lehren, nicht die Lehrer ist der kritische Faktor.[5] Es kann behauptet werden, dass gute Lehrer, die allerdings nur mit limitierten Methoden arbeiten, kein gutes Niveau in ihrem Unterricht erreichen, ebenso wenig wie schlechte Lehrer, die über ein sehr großes Methodenrepertoire verfügen.
Überraschend fanden es die Forscher auch, dass es innerhalb einer Nation kaum Unterschiede im Lehren gab, während sich die verschiedenen Länder in ihren Unterrichtsweisen stark unterschieden. Es kann also vermutet werden, dass Lehren eine kulturelle Handlung ist[6], und somit nur schwer änderbar ist.
Ein weiteres Ergebnis der Studie besagt, dass es zu wenige Methoden gibt um das Lehren nachhaltig zu verbessern.[7] Der Wille die Reformvorschläge zu befolgen ist bei den Lehrern zwar vorhanden eine tatsächliche Verbesserung ist nicht spürbar. Das Problem sehen Stigler und Hiebert hier darin, dass die Lehrer nicht über ein Wissen darüber verfügen, was Lehren im Grunde ausmacht. Zudem haben Lehrer kaum Möglichkeiten ihr (intuitives) Wissen und ihrer Erfahrungen zu teilen. Lehrer arbeiten allein, und sehen ihre Freiheit, Unabhängigkeit und Professionalität gefährdet, wenn sie ihr Wissen mit Kollegen teilen sollen.
2. Methoden, um das Lehren in Japan, Deutschland und den USA zu erforschen
2.1 TIMSS:
Unter dem Begriff TIMSS verbirgt sich die „Third International Mathematics and Science Study“, an der 41 Nationen teilnahmen. Angestrebt war ein internationaler Vergleich von Schülern im 8. Schuljahr, mitenthalten eine Analyse von Schulbüchern, Befragungen von Lehrern und Schülern und auch eine seit 1993 geplante Video-Vergleichsstudie, die allerdings aus finanziellen und praktikablen Gründen nicht in allen 41 Staaten, sondern nur in dreien, nämlich Japan, Deutschland und USA durchgeführt werden sollte.
2.2 TIMSS Videostudie
Die Ziele der TIMSS-Videostudie waren die Beantwortungen folgender Fragestellungen. Wie wird in der 8. Klasse Mathematik in Deutschland, Japan und USA unterrichtet? Wie stehen amerikanische Lehrer zur Reform, und findet die Reform im Klassenraum Anwendung?
Es kam eine Reihe von unterschiedlichen Forschungsmethoden[8] zur Anwendung. Zunächst wurden Videoaufnahmen von Unterrichtstundengemacht. Dazu wurden jeweils Fragebögen an Schüler und Lehrer ausgegeben, sowie Kopien der Schulbuchkapitel und Arbeitsblätter zu Ergänzung verwendet. Das Auswahlverfahren für die untersuchten Unterrichtsstunden war zufällige Auswahl, welche die Wahrscheinliche Zusammensetzung innerhalb einer Nation wiederspiegeln soll. Es standen 231 Videoaufnahmen aus den verschiedenen Ländern zur Verfügung. Davon stammten 100 Videoaufnahmen aus Deutschland, 50 aus Japan und 81 aus den USA.
Störfaktoren, die die Ergebnisse der Studie verfälschen könnten, wie zum Beispiel Auswirkungen, welche die Kamera auf Schüler oder Lehrer haben könnten wurden versucht zu minimieren. Man bat die Lehrer um „Ehrlichkeit“ in bezug auf die gehaltene Unterrichtsstunde. Zur Kontrolle ließ man Berichte zur jeweils vorherigen und zur nachfolgenden Stunde anfertigen, um zu vermeiden, dass es sich bei den gemachten Aufnahmen um einmalige „Showstunden“ hält.
Die Auswertung der Videos begann 1994 und nahm die größte Zeit in Anspruch. Es wurden zunächst von allen Unterrichtsstunden Übersetzungen angefertigt, die dann als Untertitel eingefügt werden konnten. Es folgte eine Einteilung in „Phasen“. Dazu wurden die Bänder von einer Anzahl von Forschern in einer internationalen Jury unzählige male angesehen, bis man sich schließlich auf eine gemeinsame Kategorisierung einigte. Die Bildung eines speziellen Vokabulars und eines Kodierungssystems erleichterten die Verständigung und somit die Arbeit an den Videos. Schließlich wurden dann durch ausgeklügelte Auszählungs- und Bewertungssysteme Ergebnisse der Studie formuliert.
3. Schemata des Lehrens
Zu Beginn der Auswertungsphase 1994 diskutierten die Forscher über Auffälligkeiten der Unterrichtsstunden der unterschiedlichen Länder, als eine der Mitarbeiter behauptete die Hauptunterschiede der Unterrichtstypen in Deutschland, Japan und USA zusammenfassen zu können:
“In Japanese Lessons, there is the mathematics in one hand, and the students on the other. The students engage with the mathematics, and the teacher mediates the relationship between the two. In Germany, there is the mathematics as well, but the teacher owns the mathematics and parcels it out to the students as he sees fit, giving facts and explanations at just the right time. In U.S. lessons, there are the students and there is the teacher. I have trouble finding the mathematics; I just see interactions between students and teachers.”[9]
(In japanischen Unterrichtsstunden gibt es die Mathematik auf der einen Seite und die Schüler auf der anderen. Die Schüler lassen sich auf die Mathematik ein und der Lehrer vermittelt die Beziehung zwischen beiden. In Deutschland gibt es auch die Mathematik, aber der Lehrer besitzt sie und teilt sie den Schülern aus, wie er es für angemessen hält, liefert Fakten und Erklärungen genau zum richtigen Zeitpunkt. In U.S.-Unterrichtsstunden gibt es die Schüler und den Lehrer. Ich habe Schwierigkeiten die Mathematik zu entdecken; Ich sehe bloß Interaktionen zwischen Lehrern und Schülern.)
Diese Aussage wurde zunächst stark kritisiert. Stigler und Hiebert bemerken jedoch, dass sich diese Darlegung als erstaunlich zutreffend erwies. Zwar muss sie an einigen Stellen etwas abgeschwächt werden, aber dennoch finden sich große Übereinstimmungen zwischen ihr und den vorläufigen Charakterisierungen der Unterrichtstypen. Stigler und Hiebert veranschaulichen die drei Unterrichtstypen anhand von je einem Beispiel, das als typisch für das jeweilige Land gilt, und grob auf einen Großteil der untersuchten Stunden zutrifft. Eine tabellarische Übersicht der Unterrichtsstunden findet sich auf Seite 30/31.[10]
3.1 Eine deutsche Unterrichtsstunde – „Fortgeschrittene Prozeduren entwickeln“
Der Mathematikunterricht in Deutschland enthält ein relativ fortgeschrittenes Level mathematischer Ansprüche. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Vermitteln und Entwickeln von Prozeduren, im Gegensatz zum Vorsetzen auszuführender Aufgaben. Die hier aufgeführte Unterrichtstunde stammt aus einer 8. Realschulklasse. Das Thema der Unterrichtsstunde sind die Winkelsätze, die Winkelsumme im Dreieck die eine Wiederholung des bisher durchgeführten Stoffes darstellen, sowie der Satz des Thales, der als neue Thematik eingeführt wird.[11]
Die Unterrichtsstunde lässt sich in vier Phasen unterteilen:
1) Kontrolle der Hausaufgabe
Durch Aufrufen einzelner Schüler und Vergleichen von Ergebnissen wird die Hausaufgabe kontrolliert. Die Korrektur geschieht meist durch den Lehrer.
2) Einführung in ein neues Problem
Die Schüler werden vor ein Problem gestellt - in diesem Fall der Thalessatz. Der Lehrer lässt die Schüler Vermutungen anstellen, bevor er Lösungen anbietet.
3) Beweisführung im Schüler-Lehrergespräch an der Tafel
4) Festigung, Hausaufgabe
Ein Arbeitsblatt mit einem Text über Thales wird vorgelesen, die Schüler bekommen eine Aufgabe, die zu Hause fertiggestellt werden soll.
Charakteristisch für deutsche Unterrichtstunden ist hier, dass der Lehrer die Kontrolle hat und die Schüler auf ein bestimmtes Ergebnis lenkt. Man unterscheidet zwei generelle Unterrichtstypen: solche, die das Üben von Bekanntem zur Aufgabe haben und solche, die dem Entwickeln von Neuem gewidmet sind.
3.2 Eine Japanische Unterrichtsstunde – „Strukturiertes Problemlösen“
Der Unterricht in Japan besticht durch seinen hohen mathematischen Anspruch. Außerdem ist der Unterricht vom Lehrer so vorstrukturiert, dass die Schüler weitgehend selbständig die vom Lehrer gestellten Probleme lösen können, welches ein Hauptziel des Unterrichts ist. Auch das Thema der japanischen Unterrichtstunde sind die Winkelsätze, besonders die Winkel zwischen Parallelen.[12]
Der Unterricht ist in fünf Phasen unterteilt:
1) Formelle Begrüßung, Rückblick auf vergangene Stunde
Der Lehrer rekapituliert die Ergebnisse der letzten Stunde.
2) Arbeit an altem Problem. Zusammenfassen der Schülerergebnisse
Die Schüler erklären ihre Lösungsvorschläge für das Problem der letzten Stunde
3) Weiterführen der gelernten Regel
Die Transferarbeit wird in Einzel- und Gruppenarbeit durchgeführt.
4) Zusammentragen der Gruppenergebnisse
5) Zusammenfassung der Unterrichtsergebnisse, Vorschau auf nächste Stunde
Die Schüler oder der Lehrer, der die Schülerarbeit beobachtet hat stellt die Ergebnisse der Klasse vor.
[...]
[1] Stigler, J.;Hiebert, J. (1999) The teaching gap; Best ideas from the World´s Teachers for improving Education in the Classroom. New York; The free Press
[2] Sigler/Hiebert (1999), S. 2
[3] Bruner, J. (1996). The culture of education. Cambridge, Mass.: Harvard University Press (S.86); In: Sigler/Hiebert (1999), S.3
[4] ebd. , S.9
[5] Stigler/Hiebert (1999), S. 10
[6] ebd., S. 11
[7] ebd.; S. 12
[8] Stigler/Hiebert (1999), S. 18-23
[9] Stigler/Hiebert (1999), S. 25
[10] ebd. S. 30/31
[11] ebd. S. 29-36
[12] Stigler/Hiebert (1999), S. 36-41
- Arbeit zitieren
- Julia John (Autor:in), 2004, Zu: The Teaching Gap - Best Ideas from the worlds teachers for improving education in the classroom, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26169
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