Die gesellschaftlichen Veränderungen Hongkongs, besonders seit dem Beginn der Angliederungsverhandlungen, treten auch als Veränderungen der Pressestruktur in Erscheinung. Diese Veränderungen darzustellen, ist ein Ziel der Arbeit.
Ein weiteres Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es zu überprüfen, ob die juristisch verankerte Notwendigkeit zur Beibehaltung des way of life nach 1997 mit Blick auf die Pressestruktur tatsächlich gegeben ist, ob sich also Vielfalt und Freiheit der Presse erhalten können oder ob sie Änderungen unterworfen sind, die sich nicht im Einklang mit dem Basic Law oder der Joint Declaration verhalten. Es sollen die Faktoren der Pressestruktur sowie deren Wandel in Abhängigkeit zum sozialen und gesellschaftlichen Wandel beschrieben und bewertet werden.
Hongkong ist nicht erst seit 1997 von den durch die Angliederung hervorgerufenen Transformationsprozessen betroffen. Diese setzten bereits in der Frühphase der Verhandlungen am Anfang der 80er Jahre ein. Von diesem Zeitpunkt der Transformation soll die Untersuchung ihren Ausgang nehmen.
INHALTSVERZEICHNIS
A. Inhalt
B. Liste der verwendeten Abkürzungen
C. Liste der Tabellen und Abbildungen
1. Allgemeine Betrachtungen
1.1 Vorwort
1.2 Anmerkung zur Umschrift der chinesischen Begriffe
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Die Bedeutung der Presse im demokratischen Prozeß
2.1.1 Presse im westlichen Wertekontext
2.1.2 Asiatische Werte und Erwartungen an ein Pressesystem
2.1.3 Ein Modell der Organisationsstruktur der Medien
2.1.4 Komponenten des Strukturprinzips der Freiheit
2.1.5 Komponenten des Strukturprinzips der Vielfalt
2.2 Die Rolle der Presse in der Gesellschaft
2.3 Ein sozio-kulturelles Kategoriensystem nach Chu/Lee
2.3.1 Die politische Struktur und die politischen Eliten
2.3.2 Die ökonomische Struktur und die ökonomischen Eliten
2.3.3 Die Medieneigentümer und deren berufsständische Kultur
2.3.4 Die Journalisten und deren berufsständische Kultur
2.3.5 Die Rezipienten und deren politische Kultur
2.3.6 Ein Klassifikationssystem
3. Entwicklungslinien
3.1 Politische und gesellschaftliche Entwicklung Hongkongs
3.1.1 Anfänge
3.1.2 Politisierung und Transformationsphase
3.1.3 Aussichten
3.2 Historische Entwicklung der Presse in Hongkong
3.2.1 Von den Anfängen bis 1949
3.2.2 Von 1949 bis zur Transformationsphase
3.2.3. Die Periode der Transformation
3.2.4 Politische und wirtschaftliche Konsolidierung
4. Die Einflußfaktoren der Presse und deren Akteure
4.1 Zur Pressevielfalt in Hongkong
4.1.1 Pressevielfalt in Hongkong heute
4.1.2 Populäre Massenpresse
4.1.3 Chinesischsprachige Qualitätspresse
4.1.4 Englischsprachige Qualitätspresse
4.1.5 Die Parteipresse
4.1.6. Andere Medien
4.2 Die politische Struktur und die politischen Eliten Hongkongs
4.2.1 Das Verhältnis von Presse und Regierung
4.2.2 Das Problem der direkten Beeinflussung der Presse und der Zensur
4.2.3 Gesetze, Regulierungen und Organisationen
4.3 Die ökonomische Struktur und die Medieneigentümer
4.3.1 Ökonomische Struktur im Wandel
4.3.2 Die Verquickung von Staat und Kapital
4.3.3 Das Problem der institutionellen Selbstzensur
4.3.4 Die Tabloidisierung der Presse und deren Auswirkung
4.4 Die Journalisten Hongkongs und deren berufsständische Kultur
4.4.1 Umstände der journalistischen Arbeit
4.4.2 Das Problem der Selbstzensur
4.5 Die Rezipienten der Presse und deren politische Kultur
4.5.1 Die politische Kultur der Rezipienten
4.5.2 Das Problem der Glaubwürdigkeit
5. Konklusion
Literaturliste
Jahrbücher, Sammelbände und andere Drucksachen
Zeitungen und Zeitschriften
Internetressourcen
Anhang
The Basic Law of the Hongkong Special Administrative Region of the People's Republic of China.
Joint Declaration of the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the People’s Republic of China on the Question of Hong Kong
Constitution of the People's Republic of China
Erklärung der HKJA zum Vorschlag der Einführung eines gesetzlich verankerten Presserates im September 2001
Joint Code of Ethics of the 4 Journalistic Organizations
B. Liste der verwendeten Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
C. Liste der Tabellen und Abbildungen
Tabelle
Tabelle 1 - Die vier Typen von Pressesystemen und deren Faktoren nach Chu/Lee .
Tabelle 2 - Schließung Hongkonger Zeitungen in den 90er Jahren
Tabelle 3 - Die populäre Massenpresse
Tabelle 4 - Auflagenzahlen vor und nach dem Marktauftritt der Apple Daily
Tabelle 5 - Finanzergebnisse am Aktienmarkt notierter Zeitungen vor und nach dem Preiskrieg
Tabelle 6 - Die chinesischsprachigen Qualitätszeitungen
Tabelle 7 - Die ehemalige englischsprachige Qualitätspresse
Tabelle 8 - Die von der VR China kontrollierte Parteipresse
Tabelle 9 - Eigentümer und politische Ausrichtung der Publikationen
Tabelle 10 - Verschiedene Formen der Selbstzensur der Hongkonger Medien
Tabelle 11 - Glaubwürdigkeit der Presse 1990 und 1996
Abbildung
Abbildung 1 - Organisationales Modell der Medien (nach McQuail)
Abbildung 2 - Faktorausprägung politische Struktur und Eliten
Abbildung 3 - Faktorausprägung ökonomische Struktur und Eliten
Abbildung 4 - Faktorausprägung Medieneigentümer und deren Kultur
Abbildung 5 - Faktorausprägung Journalisten und deren Kultur
Abbildung 6 - Faktorverteilung Rezipienten und deren politische Kultur
Abbildung 7 - Übersichtskarte Hongkong, politisch
Abbildung 8 - Marktanteile der Merkmalsgruppen
Abbildung 9 - Glaubwürdigkeit innerhalb der Merkmalsgruppen 1990 und 1996
„ All signs suggest that following the handover, freedom of expression is likely to experience quite severe external and internal pressures All indications from China ‘ s leaders, and to a good extent from the incoming Special Administrative Region Chief Tung Chee-hwa, point to freedom of expression, and of the press, being restricted in some manner after the handover. “1
Aus dem Annual report of the Hong Kong Journalist Association (HKJA), herausgegeben im Juni 1997, wenige Tage vor der Angliederung Hongkongs an die Volksrepublik China.
„ Die Menschen kennen die Gegenwart.
Die Zukunft kennen die Götter.
Die einzig und vollkommen Erleuchteten. Die Weisen erkennen das aus der Zukunft
Nahende... “2
„ Weise aber das Nahende “, ein Gedicht von Konstantin Kavafis (1863-1933) nach Zeilen von Philostratos.
1. Allgemeine Betrachtungen
1.1 Vorwort
Als am 1. Juli 1997 die britische Kronkolonie Hongkong nach über 15 Jahre andauernden Verhandlungen an das chinesische Festland, die VR China angegliedert wurde, äußerten sich führende Politiker aus Ost und West sowie Journalisten besorgt über die Zukunft der Presse dieser Stadt. Das einführende Zitat aus dem jährlichen Report des Hongkonger Journalistenverbandes HKJA möge stellvertretend für diese Stimmen die Sorgen verdeutlichen.
Dabei wird in den beiden Gesetzeswerken, die die Angliederung der Kolonie juristisch regeln und absichern, deutlich, wie die Zukunft der Presse Hongkongs nach Maßgabe politischer und juristischer Vorstellungen verlaufen soll. Der Artikel 3(5) der Joint Declaration, mit der die Angliederungsverhandlungen eingeleitet wurden, besagt:
„ The current social and economic systems in Hong Kong will remain unchanged, and so will the life-style. Rights and freedoms, including those of the person, of speech, of the press, of assembly, of association, of travel, of movement, of correspondence, of strike, of choice of occupation, of academic research and of religious belief will be ensured by law in the Hong Kong Special Administrative Region. Private property, ownership of enterprises, legitimate right of inheritance and foreign investment will be protected by law. “3
Im Artikel 5 des Basic Law, des Grundgesetzes der SAR Hongkong heißt es:
„ The socialist system and politics shall not be practised in the Hong Kong Special Administrative Region, and the previous capitalist system and way of life shall remain unchanged for 50 years. “4
Selbsterklärtes Ziel der neuen Machthaber in Hongkong ist also die Beibehaltung des sozialen und ökonomischen Systems Hongkongs und damit seiner demokratischen Wurzeln. Zum way of life Hongkongs gehört zweifellos eine vielfältige Presse, die zu den freiesten in ganz Asien gehört.
"The declaration states that Hong Kong will retain its system and 'way of life' after 1997, but press freedom is one part of that 'way of life' that appears unikely to survive."5
Die gesellschaftlichen Veränderungen Hongkongs, besonders seit dem Beginn der Angliederungsverhandlungen, treten auch als Veränderungen der Pressestruktur in Erscheinung. Diese Veränderungen darzustellen, ist ein Ziel der Arbeit.
Ein weiteres Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es zu überprüfen, ob die juristisch verankerte Notwendigkeit zur Beibehaltung des way of life nach 1997 mit Blick auf die Pressestruktur tatsächlich gegeben ist, ob sich also Vielfalt und Freiheit der Presse erhalten können oder ob sie Änderungen unterworfen sind, die sich nicht im Einklang mit dem Basic Law oder der Joint Declaration verhalten. Es sollen die Faktoren der Pressestruktur sowie deren Wandel in Abhängigkeit zum sozialen und gesellschaftlichen Wandel beschrieben und bewertet werden.
Hongkong ist nicht erst seit 1997 von den durch die Angliederung hervorgerufenen Transformationsprozessen betroffen. Diese setzten bereits in der Frühphase der Verhandlungen am Anfang der 80er Jahre ein. Von diesem Zeitpunkt der Transformation soll die Untersuchung ihren Ausgang nehmen.
Werden heute Transformationsgesellschaften untersucht, wird durch die Wissenschaft häufig die Frage aufgeworfen, inwieweit die Presse nicht nur Objekt des Wandels, sondern vielmehr dessen Auslöser und Gestalter ist. Die Untersuchungen beziehen sich häufig auf den Wandel in Osteuropa, bei dessen Untersuchung sich diese Frage in der Tat aufdrängt.
„ Das strukturelle Novum, das die Medien in Transformationsgesellschaften erfahren, ist die Tatsache, daß sie nicht mehr Teil des politischen Systems sind sondern daß sie sich als eigenständiges in der Gesellschaft mit eigener Funktionslogik etablieren. Mit ihren politischen Primärfunktionen können sie zur Transformation und zur Konsolidierung von Demokratie beitragen. Allerdings sind zu dieser Funktionserfüllung bestimmte Voraussetzungen vonnöten, die wiederum erst durch Ergebnisse der Transformation hergestellt werden können. Somit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Transformationsprozeß und Medienentwicklung. Die Rolle der Medien im Transformationsprozeß näher zu bestimmen heiß t also, die gegenseitige Beeinflussung beider zu beschreiben: Hat primär der Prozeß der Transformation die Medienentwicklung beeinfluß t, oder hat etwa die Medienentwicklung den Transformationsprozeß bestimmt? “6
Für die vorliegende Untersuchung spielte diese Fragestellung jedoch keine Rolle. Sie erscheint dem Autor in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand ungeeignet, da der Transformationsprozeß Hongkongs, wie deutlich gemacht werden wird, rein politisch gesteuert und durch Verträge abgesichert ist.
Ferner soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß der Begriff der Presse, der Pressestruktur und des Pressesystems in dieser Arbeit synonym und im Sinne von Siebert/Peterson/Schramm und deren Four Theories of the press verwendet wird. Damit umfaßt der Pressebegriff alle Medien der Massenkommunikation, wobei sich vorrangig mit der gedruckten Presse auseinandergesetzt werden soll.7 Der später in dieser Arbeit eingeführte Strukturbegriff findet für den Begriff Pressestruktur keine Anwendung.
1.2 Anmerkung zur Umschrift der chinesischen Begriffe
In der vorliegenden Arbeit werden alle hochchinesischen Namen, Begriffe und Ortsbezeichnungen in der amtlichen Transkription der Volksrepublik China, der Pinyin-Umschrift wiedergegeben. Von dieser Regelung sind erstens chinesische Termini ausgenommen, die in zitierten Originaltexten vorkommen und dort in anderen Transkriptionssystemen transliteriert worden sind. Eine weitere Ausnahme bilden die Namen zitierter chinesischer Autoren, sofern sie nicht aus der Volksrepublik China stammen. Das Nichtvorhandensein einer einheitlichen amtlichen Transkriptionsmethode des Kantonesischen bringt es mit sich, daß Namen und Begriffe in verschiedenen Publikationen verschieden transliteriert sind. Alle kantonesischen Begriffe und Namen werden deshalb in der Arbeit so verwendet, wie sie nach Dafürhalten des Autors in der Fachliteratur am häufigsten transliteriert sind.
Werden chinesische Zeichen angegeben, dann werden Namen und Begriffe, die mit der Volkrepublik China in Zusammenhang stehen, in der in der VR China üblichen Kurzzeichen-Variante dargestellt. Begriffe, denen kantonesische Transliterationen zugrunde liegen, werden in der in Hongkong und Taiwan üblichen Langzeichenvariante dargestellt.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Die Bedeutung der Presse im demokratischen Prozeß
2.1.1 Presse im westlichen Wertekontext
In der Präambel des Basic Law sowie im Artikel 3(5) der Joint Declaration8 ist festgehalten, daß Hongkong sein bis 1997 entwickeltes demokratisches Gesellschaftssystem beibehalten darf. Dazu gehört erklärtermaßen nicht nur eine demokratische Form der Regierung, sondern auch eine Pressestruktur, die der anderer demokratischer westlicher Länder gleicht und zu den freiesten und vielfältigsten ganz Asiens, wenn nicht sogar der Welt, gehören möchte. In der Politik- und Kommunikationswissenschaft sind normative Standards formuliert, an denen sich eine demokratische Gesellschaft und das Pressesystem dieser Gesellschaft messen lassen muß. Somit lassen sich Sollwerte formulieren, die für jedes erklärte demokratische Pressesystem, und damit ebenso für das Hongkonger Pressesystem, überprüft werden können. Die Bedeutung der Massenmedien in einer Demokratie liegt darin, daß sie die informationellen, kognitiven Voraussetzungen für die Partizipation der Bürger schaffen sollen, was ein breites Spektrum an politischen Sichtweisen und das Fehlen politischer Einflußnahme beinhaltet.9 Die westliche Gesellschaftsentwicklung ging mit der Erfahrung einher, daß die Freiheit und die Rechte des Einzelnen sich nützlich auf die Gesellschaft im Ganzen auswirken. So wurden diese Faktoren über die Zeit in den philosophischen und allgemeingültigen Wertekomplex aufgenommen. Demnach sind Freiheit und Vielfalt der öffentlichen Kommunikation ein unverzichtbarer Bestandteil des demokratischen Institutionengefüges, da ohne sie die Grundprinzipien der Demokratie nicht oder nur unzureichend verwirklicht werden können.10 Damit basiert ein rein demokratisches Modell der Massenkommunikation also auf zwei Strukturprinzipien - Vielfalt und Freiheit.11 Dabei definieren sich diese beiden Strukturprinzipien wie folgt:
„ Vielfalt bezeichnet das Vorhandensein einer ausreichend groß en Zahl eigenständiger Medien, die miteinander in Wettbewerb stehen. Diese Angebotsvielfalt gilt als strukturelle Voraussetzung für die Informationsfunktion der Medien, die darin besteht, das gesamte Spektrum unterschiedlicher Meinungen zu repräsentieren Das Merkmal Freiheit richtet sich vor allem auf Strukturen, die die politische Unabhängigkeit der Medien sicherstellen. Ziel ist es, politische Eingriffe in die Berichterstattung zu verhindern, um zu gewährleisten, daß die Medien ihre Kontrollfunktion wahrnehmen können und Kritik an den politischen Machtträgern artikuliert werden kann. “12
Diese Prinzipien werden durch formales Recht durchgesetzt, welches die Privilegien und Handlungsgrenzen der Medien festlegt.
2.1.2 Asiatische Werte und Erwartungen an ein Pressesystem
Das zu untersuchende Pressesystem ist geographisch dem asiatischen Raum zuzuordnen, weshalb an dieser Stelle kurz auf die anhaltende Diskussion über asiatische Werte in Bezug auf die im vorigen Kapitel hergeleitete Freiheitsidee eingegangen werden soll.
Die asiatische Ideengeschichte ist von der westlichen unterschieden. In Asien ging die Entwicklung der Gesellschaft und die Entwicklung des diskursiven Denkens nicht mit der Erfahrung einher, daß die Freiheit und die Rechte des Einzelnen sich nützlich auf die Gesellschaft im Ganzen auswirken. Sie wurden im Gegensatz dazu als schädlich für die Gesellschaft aufgefaßt und fanden damit keinen Eingang in den Wertekontext.
„ ... the Western concept of human rights, conceived in the Western adversarial democratic tradition has no exact equivalent in East Asia. “13
Die ostasiatische, konfuzianisch geprägte Wertekultur ist im Gegensatz zur westlichen „ consensual, group oriented “14. Dieser konfuzianistische Wertekontext kennt das Individuum nicht als eigenständigen Begriff, sondern denkt in Beziehungen, die mit Rechten und Pflichten behaftet sind und harmonisch zum Nutzen aller verlaufen sollen. Der ganzheitliche, konsens-, gemeinschafts- und beziehungsorientierte Wertehorizont der buddhistisch/konfuzianistisch geprägten Gesellschaften führt zu einer völlig anderen Herangehensweise an das Problem der Erwartungen an ein Pressesystem. An die Stelle des konfrontationsorientierten Konzeptes von Freiheit, Vielfalt, Objektivität, Unabhängigkeit und kritischer Instanz tritt ein konsensorientiertes Konzept einer Harmonie von Presse und Staat.15
„ It is obvious that indigenous philosophies have a greater bearing on press systems in ... Asia than any scale of values based on Western communication theories, and there is a real need to re-examine Western theories and practices in the light of Asian cultures and traditions. However, the search for an Asian perspective does not imply rejection of the Western perspective. It should take whatever is useful and put this in the context of that society ‘ s social structure, cultural values and religious beliefs. “16
Da die Joint Declaration und das Basic Law als künftige gesellschaftliche Grundlage eben kein asiatisches Referenzsystem vorsieht, sondern ein demokratisches und genau dieses in seiner Konsistenz zu prüfen ist, soll in der Folge die westliche Sicht auf das Problem von Freiheit, Vielfalt, Rolle der Presse in der Gesellschaft und Struktur eingenommen werden und nicht die asiatisch geprägte. An dieser Stelle sollte lediglich der Umstand erwähnt werden, daß zu dieser Wertediskussion durchaus auch andere Positionen bezogen werden. In der folgenden Untersuchung soll versucht werden, eine normative und wertende Vorgehensweise weitmöglichst zu vermeiden.
2.1.3 Ein Modell der Organisationsstruktur der Medien
Im weiteren soll ein Modell zur Anwendung kommen, welches die Struktur und den Prozeß von Medienorganisationen beschreibt. Ein solches Modell soll in die Lage versetzen, die Zwänge und Einflüsse, denen die Presse ausgesetzt ist, zu benennen und relevante Merkmale von Medienunternehmen hervorzuheben. Zu diesem Zweck schlägt McQuail, 1992 vor, ein herkömmliches Modell beliebiger Industrieorganisationen an die Bedürfnisse der Medien anzupassen. Ein solches Modell zeigt drei Hauptmerkmale auf: die Marktstruktur - das sind die Hauptmerkmale von Finanzierung, Kontrolle, Marktbewegungen und Zwängen; die Leitung - die wichtigsten Typen organisationalen Verhaltens; die Leistungserbringung - die Hauptfaktoren, die ein Bewerten des output eines Unternehmes ermöglicht (vgl. nachfolgende Abbildung).17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 - Organisationales Modell der Medien (nach McQuail)
Da sich dem Problem des Strukturprinzips der Freiheit (Kap. 2.1.4) unter der Heranziehung der beiden Hauptfaktoren Marktstruktur und Leitung genähert werden soll, werden hier kurz deren Unterkategorien erläutert.
„ Because freedom of the media is first of all a structural condition it has to be approached somewhat differently from other evaluative principles, with relatively more attention to the condition of independence at the levels of structure and of conduct ... and rather less to performance in terms of output. “18
Unter dem Hauptmerkmal Marktstruktur finden sich die Unterkategorien Konzentration, Integration, Produktdifferenzierung, Eintrittsbarrieren und Kostenstruktur. Konzentration bezieht sich auf den Grad der Monopolisierung, den die Medien bezüglich Kontrolle oder Besitztum angenommen haben. Mit Integration sind horizontale oder vertikale Kontrolle oder Besitzmonopolisierung gemeint, wobei die horizontale Kontrolle den Herstellungs prozeß eines Medienproduktes und vertikale Konzentration die Kontrolle über mehrere Produkte auf gleicher Herstellungsprozeßstufe bedeutet. Produktdifferenzierung bezieht sich auf den Umfang der verschiedenen Produkte oder Dienstleistungen eines Medienunternehmens. Die Verschiedenheit kann zeitliche, funktionale oder geographische Komponenten besitzen. Das Verhältnis von fixen Kosten zu variablen Kosten eines Medienunternehmens wird als Kostenstruktur bezeichnet.
Unter dem Hauptmerkmal Leitung finden sich die Unterkategorien Produktstrategie, Innovationskraft, Werbung und Preispolitik. In der Ausprägung dieser Faktoren unterscheiden sich Medienunternehmen in signifikantem Maße von anderen Industrien. Dies liegt in der speziellen Einkommensstruktur und der speziellen Produktbeschaffenheit der Medien begründet. Der Hauptteil der Einnahmen eines Medienunternehmens kommt in der Regel nicht vom Konsumenten selbst, sondern von Werbetreibenden, die das Produkt als Medium nutzen. Das Produkt ist viel kurzlebiger als Produkte anderer Unternehmen. Es ist sowohl täglich gleich und doch täglich völlig verschieden. Aus diesem Grund müssen die Produktstrategien der Medienunternehmen hochinnovativ sein. Diese Suche nach Innovation in der Produktpolitik nimmt einen großen Teil der Managementaufgaben in Medienunternehmen ein. Aufgrund des hohen Anteils an Einnahmen, die nicht vom Konsumenten des Medienproduktes selbst kommen, werden die kommerziellsten unter den Medien gänzlich frei oder weit unter Herstellungspreis vertrieben. Medienunternehmen sind nicht mehr, aber auch nicht weniger, auf Eigenwerbung angewiesen als Unternehmen anderer Branchen. Was die Werbung für Medienprodukte aber so besonders macht, ist, daß sie oftmals als Produkt derselben erscheint. Ein großer Teil der Medieninhalte sind selbst lediglich Werbung für andere Medieninhalte.19
2.1.4 Komponenten des Strukturprinzips der Freiheit
Wie bereits erwähnt, soll sich dem Problem des Strukturprinzips der Freiheit unter der Heranziehung der beiden genannten Hauptfaktoren organisationaler Medienstrukturen Marktstruktur und Leitung genähert werden. Deren ‚ conditions of independence ‘ müssen überprüft werden. Auf der Ebene der Marktstruktur ist die Freiheit der Unternehmung oft durch gesellschaftliche Vorkehrungen in Form von Verfassungen oder Pressegesetzen garantiert oder eingeschränkt. Pressegesetze setzen oft lediglich die Rahmen, innerhalb derer die Freiheit der Presse ihren Platz findet. Vom Faktor der Marktstruktur her gesehen, erscheint außerdem die Ausprägung von Produktdifferenzierung erwähnenswert. Umso mehr Medientypen existieren, umso höher die Vielfalt an Besitzern und Kontrollinstanzen ist, umso höher die tatsächliche Erreichbarkeit der Medien durch die Öffentlichkeit ist, umso höher wird der Grad an Freiheit in diesem Mediensystem sein. Im Zusammenhang mit dem Faktor Leitung sei der Grad an Freiheit erwähnt, der den Journalisten zugestanden wird.
Auf der Ebene von Marktstruktur bedeutet Freiheit die Freiheit der Medienbesitzer, Nachrichten und Ansichten zu publizieren und zu verkaufen, oder dies eben nicht zu tun. Es ist ferner die Freiheit, neue Publikationen zu initiieren, aber es ist auch die Freiheit von Zensur oder unfairer Besteuerung. Spricht man von der Ebene der Leitung, dann ist damit die Freiheit der Herausgeber gemeint, Nachrichten zu sammeln, diese zu veröffentlichen oder eben nicht, Standpunkte einzunehmen und Kritik zu üben. Es ist die Freiheit der Herausgeber vor dem Zugriff des Staates oder anderer außenstehender Institutionen wie Werbern, Sponsoren oder Parteien.
Louise Williams gibt in ihren Ausführungen zu bedenken, daß es zu einfach wäre, die Debatte über die Pressefreiheit bei einer Schwarz-Weiß-Malerei zwischen den Zensoren und den Befürwortern der freien Meinungsäußerung enden zu lassen.20 Man stünde einer großen Menge anderer Fragen gegenüber. Sie stellt Fragen wie: Kämpfen die verbliebenen Zensoren der Region einen zwecklosen Kampf gegen Satellitenfernsehen und Internet, oder wird ein solch intelligenter und wohlhabender Staat wie z.B. Singapur das Netz der Kontrolle auch der nächsten Generation der Informationstechnologie überstülpen? Und wenn die Zensoren verlieren, wird in jedem Fall echte Pressefreiheit die Folge sein? Sie gibt auf diese Fragen eine aussichts- und fragenreiche Antwort:
„ Here we learn that when the state relinquishes control of information a power vacuum is left behind. Into the vacuum rush a whole range of vested interests as new power structures are shaped. Can businesses or politicans just as effectively capture the press through the free market, using simple outright ownership or more underhand methods such as bribery? The much vaunted free market itself is a far from perfect model for the media. In a truly free market will not sensationalism win the day as the consumers ‘ taste for scandals, violence and gore inevitably pulls the media away from serious news reporting? Without the censors who will control the press in their new role as society ‘ s self appointed watchdogs?21
Auch die westliche Pressetradition kennt keine vollständige anerkannte Zusammenstellung von Elementen, die ein Pressesystem zu einem freien Pressesystem machen. Denis McQuail bietet 1992, abgeleitet von einer Untersuchung aus dem Jahre 1949, eine Zusammenstellung solcher Faktoren an, die die Bedeutung von Pressefreiheit fassen sollen.
Die Elemente, an denen sich Pressefreiheit (oder Presseunfreiheit) messen läßt, gliedern sich bei McQuail in drei Bereiche: die Rechte, die Umstände und die Pflichten.
Rechte:
- das Recht von Kooperationen oder Einzelpersonen auf die Veröffentlichung und den Verkauf von Nachrichten und Ansichten,
- das Recht, eine Zeitung zu gründen,
- das Recht, die Veröffentlichung bestimmter Nachrichten oder Ansichten zu verwehren,
- das Recht, an öffentlichen Versammlungen teilzunehmen und darüber zu berichten,
- das Recht, Informationen zu sammeln,
- das Recht der Öffentlichkeit, verschiedene Ansichten zu hören,
- das Recht der Öffentlichkeit, gerechte, vollständige und objektive Informationen zu erhalten.
Umstände:
- das Fehlen von Lizenzbestimmungen, von Zensur und von diskriminierenden Steuervorschriften,
- keine Einmischung in die Arbeit der Journalisten durch die Medieneigentümer, Werbetreibende, Herausgeber, Drucker u.ä.
Pflichten:
- der Öffentlichkeit, die Möglichkeit zum Ausdruck ihrer Ansichten zu geben,
- dem Wohl der Gemeinschaft zu dienen,
- verschiedene Ansichten zu präsentieren, seien sie auch unpopulär oder nicht mehrheitsfähig,
- als Überwachungsinstanz über die Regierung für die Öffentlichkeit zu dienen. Umso häufiger die Ausprägungen der genannten Elemente zutreffen und umso ausgeprägter diese sind, umso freier ist ein Mediensystem.22
"In Asia, it is a valid proposition that freedom of the press, even in new and restored democracies ..., is measured in terms of degrees in which frankness and criticism are tolerated by governments and their societies."23
2.1.5 Komponenten des Strukturprinzips der Vielfalt
Die Anfänge des Strukturprinzips der Vielfalt sind tief in der westlichen Idee einer modernen Gesellschaft verwurzelt. Diese Idee ist charakterisiert durch die hohe Wertschätzung, die Werten wie Idividualismus, Veränderung, Freiheit der Gedanken und Bewegungsfreiheit entgegengebracht wird. Im Laufe der Zeit wurden die westlichen Gesellschaftssysteme immer segmentierter und vielfältiger. Die Entwicklung der hohen Wertschätzung, die dem Faktor Vielfalt entgegengebracht wird, ist eine Reaktion auf diese Entwicklung. Dies zeigt der Versuch, aus der Notwendigkeit, die die moderne Gesellschaft mit sich brachte, eine Tugend zu machen, die fürderhin als eine Grundvorausetzung für moderne Gesellschaften gelten sollte. Politische Prinzipien moderner Gesellschaften und speziell deren kommunikationspolitische Prinzipien befürworten häufig ausdrücklich den Wert der Vielfalt, sei es nun die Vielfalt der Ausdrucksformen, der Meinungen oder der Kulturen. Durchgesetzt wird dies durch die Schaffung günstiger Voraussetzungen für Pressefreiheit oder durch die Intervention auf den Märkten. Vielfalt wurde zu einem breitgefächerten Prinzip, mit welchem man für die stärkere Beachtung von Minderheiten, nach mehr Auswahl für Konsumenten, gegen Monopolisierungserscheinungen oder verschiedene andere Einschränkungen politisch argumentieren konnte.24
Pluralistische Massenmedien können auf verschiedene Weise ihren Beitrag zum Wert der gesellschaftlichen Vielfalt beitragen. Drei Hauptwege sind zu unterscheiden: a) indem die Medien die Möglichkeit zum Zugriff auf verschiedene Sichtweisen und Meinungen liefern und b) ein großes Auswahlangebot schaffen, können sie c) die Unterschiede in der Gesellschaft wiederspiegeln. Daraus ergeben sich folgende Faktoren, die für ein Maß an Vielfalt in der Pressestruktur herangezogen werden können:25
Vielfalt als große Zahl an Übermittlungskanälen und Auswahlmöglichkeiten
Auswahl erhöht die Qualität von Kommunikationsdienstleistungen als Konsumprodukt betrachtet. Für die Konsumenten und Rezipienten bedeutet dies mehr Freiheit durch eine hohe Zahl an Dienstleistungen und Medienprodukten, die angeboten werden. Das betrifft Formate ebenso wie Inhalte der Medien. Eine hohe Anzahl verschiedenartiger Empfänger kann ebenfalls als Garant dafür angesehen werden, daß viele Meinungen und Informationen den Weg zu Konsumenten aus verschiedenen sozialen Schichten finden.
Vielfalt als Zugriffsmöglichkeit auf verschiedene Sichtweisen
Die Medien machen Informationskanäle zugänglich, durch die die verschiedenen Interessen und Meinungen Kontakt zur Gesellschaft aufnehmen und damit ihre eigene Kultur erhalten können. Durch diese Möglichkeit finden neue Ideen und Wandel Eingang in die Gesellschaft. Die Kanäle helfen außerdem dabei, die Mitglieder der Gesellschaft untereinander kommunizieren zu lassen. Das ist den identitätsstiftenden Kräften und dem Zusammengehörigkeitsgefühl zuträglich. Die wichtigsten Faktoren für den Zugriff sind die Freiheit und Möglichkeit des Ausdrucks.
Gesellschaftlicher Wandel und Struktur der Presse in Hongkong 14
Vielfalt als Wiederspiegelung gesellschaftlicher Unterschiede Die inhaltliche Betonung liegt in diesem Zusammenhang auf einer Strukturidentität zwischen den Medien bezüglich ihres Inhaltes, ihrer Form und ihrer Bedeutung und der Gesellschaft. Die Vielfalt der sozialen Realität sollte sich in den Medien strukturell wiederspiegeln.
Ein Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, das Einhalten der JD und des BL bezüglich des Erhaltes der demokratischen Struktur in Hinsicht auf die Pressestruktur zu überprüfen, was anhand der vorgestellten Strukturprinzipien Freiheit und Vielfalt unternommen werden kann. Anhand der genannten Faktoren Rechte, Umstände und Pflichten wird im Lauf der Untersuchung das Strukturprinzip der Freiheit und anhand der Faktoren Vielfalt der Inhalte und Formen, Freiheit und Möglichkeit des Ausdrucks und Strukturidentität das Strukturprinzip der Vielfalt auf ihre Konsistenz innerhalb des Wandels des Hongkonger Gesellschafts- und Pressesystems untersucht.
2.2 Die Rolle der Presse in der Gesellschaft
Wie eingangs erläutert, ist eines der Ziele der vorliegenden Arbeit einzuschätzen, inwiefern es der Presse gelungen ist, im Prozeß des gesellschaftlichen Wandels die von ihr zu erwartende Rolle zu spielen, oder ob ihr das aus verschiedenen Gründen nicht möglich war.
Es ist festzulegen, welche Faktoren dieser Rolle zuzuordnen sind, was diese Rolle also ausmacht. McQuail (1992) systematisiert die Rolle der Presse in der Gesellschaft funktionell. Er unterscheidet folgende Funktionen, die der Presse in der Gesellschaft zuzgewiesen sind: die Rolle des Gegners, die Rolle des Befürworters, die Rolle des Kritikers und Sachverständigen, die Rolle als Forum, die Rolle als Gatekeeper und die Rolle als informierende Instanz.
Diese Rollen können nach McQuail dann als erfüllt gelten, wenn folgende Voraussetzungen zutreffend sind, d.h. zumindest verschiedentlich beobachtet werden können:26
- klares Ausdrücken redaktioneller Meinungen, gerade bezüglich schwieriger Themen, besonders dort, wo die ausgedrückten Meinungen unpopulär sind oder von der allgemeinen Meinung abweichen,
- Thematisieren von konflikthaltigen, negativ besetzten Themen, die nicht ausschließlich aufgegriffen werden, um Leser zu gewinnen,
- Einnahme einer herausfordernden und hinterfragenden Position gegenüber Behauptungen, die von der Regierung, der Wirtschaft und anderen Machtträgern gemacht werden,
- Durchführen investigativer Untersuchungen bei schwierigen Themen,
- Durchführen von befürwortenden Kampagnen zum Nutzen bestimmter Themen oder Interessengruppen,
- mutiges, hinterfragendes und aktives Herangehen an Nachrichten,
- Aufzeigen auch sehr großer Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Meinungsträgern,
- zum Ausdruck bringen von Lob, Kritik und Wertungen bestimmter Personen oder Politikrichtungen neben der reinen Faktendarlegung.
2.3 Ein sozio-kulturelles Kategoriensystem nach Chu/Lee
Beim Beschreiben von Pressestrukturen greifen gängige vergleichende Modelle auf politische und ökonomische Dimensionen zurück, mit Hilfe derer sie Klassifizierungen vornehmen können. Angefangen bei Siebert, Peterson und Schramm und deren Four Theories of the Press, gehen alle diese Modelle davon aus, daß Medienstrukturen hauptsächlich durch die politischen und ökonomischen Strukturen der Gesellschaft geformt werden.28 Daraus ließe sich schließen:27
„ With such and such a political and/or economic system, the media system will be such and such. “29
Demnach werde die Struktur eines Mediensystems durch Faktoren auß erhalb der Medien bestimmt. Der aktiven Rolle der Medien wird hingegen nur selten Beachtung geschenkt. So geben Journalisten einem bestimmten ausgeübten Druck nicht immer einfach so nach, sondern versuchen vielmehr, diesem Druck aktiv zu begegnen, unabhängig davon, ob sie sich in einem demokratischen oder autoritären System befinden. So werden, um ein Beispiel zu nennen, Journalisten oder Besitzer von Medien nicht einfach auf Einschränkungen von oben warten und diesen dann nachgeben; sie werden vielmehr Einfluß auf andere soziale Akteure nehmen. Die verschiedenen sozialen Akteure der Medien, der Politik und der Wirtschaft interagieren unablässig miteinander. Diese Interaktion zwischen allen Beteiligten der Medien, der Politik und der Wirtschaft sowie der Rezipienten formt den speziellen Charakter des Mediensystems einer Nation. Wie von Chu/Lee vorgeschlagen, soll in der vorliegenden Arbeit ebenfalls von einer aktiven Rolle der Medien und der Rezipienten ausgegangen werden. Dabei soll vorausgesetzt werden, daß in einem Mediensystem fünf bestimmende Faktoren maßgebend für die Struktur dieses Systems sind. Diese fünf Einflußfaktoren sind:
- die politische Struktur der zu untersuchenden Gesellschaft,
- dieökonomische Struktur der zu untersuchenden Gesellschaft,
- die berufsständische Kultur der Medieneigentümer,
- die berufsständische Kultur der Journalisten,
- und die politische Kultur der Rezipienten.
Unter Struktur sei hier im Sinne von Almond/Verba30 „ das beobachtbare Auftreten bestimmter Regelm äß igkeiten “ verstanden. Unter Kultur soll „ die kognitive, affektive und evaluierbare Einstellung spezifischen Aspekten der Realität gegenüber “ subsumiert werden.31 Damit bezieht sich politische Struktur auf das beobachtbare Auftreten bestimmter Regelm äß igkeiten in der Politik, während dieökonomische Struktur also das beobachtbare Auftreten bestimmter Regelm äß igkeiten im Wirtschaftsleben beschreibt. Die berufsständische Kultur bezieht sich auf die kognitive, affektive und evaluierbare Einstellung gegenüber dem eigenen Beruf, während die politische Kultur eine Beschreibung des Wissens, der Gefühle und der Werteorientierung der Gemeinschaft und der eigenen Person in der Politik sowie der eigenen Meinung bezüglich der Ergebnisse der Politik ist.32
„ The political culture of a nation is the particular distribution of patterns of orientation toward political objects among the members of the nation It includes (1) ‚ cognitive orientation ‘ , that is knowledge of and belief about the political system, it ‘ s roles and the incumbents of these roles ...; (2) ‚ affective orientation ‘ , or feelings about the political system, it ‘ s roles, personal and performance, and (3) ‚ evaluational orientation ‘ , the judgements and opinions about political objects that typically involve the combination of value standards and criteria with information and feelings. “33
Die Interaktion zwischen den fünf Faktoren wird durch deren jeweilige soziale Akteure durchgeführt. Es sind diese:
- die politischen Eliten,
- die ökonomischen Eliten,
- die Eigentümer der Medien,
- die Journalisten,
- und die Rezipienten.
Aus der Form der Interaktion dieser fünf Faktoren entstehen verschiedene Typen von Mediensystemen. Der soziale Akteur eines Faktors ist der Indikator, der die Ausprägung des Faktors anzeigt.34
Gerade in Pressesystemen, die einem Wandel unterliegen, ist die Untersuchung dieser Einflußfaktoren sinnvoll, denn hat der Staat die Kontrolle erst einmal aufgegeben, dann beginnt ein komplizierter Machtkampf um die Kontrolle über die Medien. An erster Stelle stehen die gewöhnlichen kommerziellen Interessen der privaten Medienunternehmen, die Profit durch Sensationsjournalismus zu verdienen suchen. Dann ist da die Macht der Anzeigenkunden, die Einfluß auf die inhaltliche Ausrichtung nehmen, einfach durch die latente Bedrohung, daß sie ihre Aufträge zurückziehen könnten. Als nächstes kommen die Politiker oder Geschäftsleute, die Kontrolle über den Kauf einer Zeitung gewinnen können. Und schließlich gibt es die Bedrohung durch Bestechung von Journalisten durch besimmte Interessengruppen und, wenn das nichts hilft, gibt es die Androhung von Gewalt, offen oder latent durch verschiedene präventive Maßnahmen der neuen Machthaber.35
2.3.1 Die politische Struktur und die politischen Eliten
Die Faktoren politische Struktur und politische Kultur stehen wohl in enger Beziehung zueinander, und doch muß man klare Unterscheidungen zwischen beiden treffen. Die politische Struktur bezieht sich auf das beobachtbare Auftreten bestimmter politisch orientierter Regelmäßigkeiten. Dazu gehören politische Parteien, die Bürokratie, die Rechtsprechung, Gesetze und Wahlen.36 Die politische Kultur hingegen bezieht sich auf den Glauben, die Gefühle und die Einstellung der Menschen den vorgenannten Regelmäßigkeiten gegenüber. Eine Struktur ist etwas, das von Menschen durch fortwährendes Praktizieren geschaffen und dadurch unabhängig von jeglichem individuellen Willen geworden ist, der diese Praxis verändern, verbessern oder vernichten wollte. Auf der anderen Seite bezieht sich politische Kultur auf die individuelle Einstellung dieser Struktur gegenüber, wobei diese Einstellung von vielen anderen Gesellschaftsmitgliedern geteilt werden muß. Es ist festzustellen, daß die politische Struktur nicht zwangsläufig der politischen Kultur vorangeht. Die politische Struktur ist das Resultat bestimmter historischer Erfahrungen. Die politische Kultur hingegen ist beides, eine abhängige und unabhängige Variable, die politische Struktur hervorruft und von ihr hervorgerufen wird.37
„ The criticism of The Civic Culture that it argues that political culture causes political structure is incorrect It is quite clear that political culture is treated as both an independent and a dependent variable, as causing structure and as being caused by it. “38
Um die Faktoren in ihrer Entwicklung beobachten und auswerten zu können, soll ihnen eine Ausprägung zugeordnet werden. So kann festgestellt werden, ob sich der Faktor im Untersuchungszeitraum verändert und wenn ja, in welcher Richtung. Der Faktor politische Struktur soll in einer Ausprägung untersucht werden, die von liberal bis autoritär reicht, wobei diese beiden Typen alle Charakteristika der beiden Theorien der liberalen Presse und der autoritären Presse von Siebert, Peterson und Schramm (1956) annehmen. Die liberale Pressestruktur ist demnach durch den Schutz der Rechte des Individuums gekennzeichnet, während die autoritäre Struktur die absolute Macht in der Hand des Staates/Machthabers sieht. Die Ausprägung wird anhand der von Siebert/Peterson/Schramm aufgestellten Einzelfaktoren ermittelt. Dabei stehen Nutzungsrechte, Kontrollinstrumente und Verbote im Mittelpunkt der Betrachtung.39
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 - Faktorausprägung politische Struktur und Eliten
Die politischen Eliten schließen Regierungsmitglieder, Ratsmitglieder, Vorstände von Parteien und Interessengruppen und militärische Befehlshaber ein.40
2.3.2 Die ökonomische Struktur und die ökonomischen Eliten
Die Ausprägung des Faktorsökonomische Struktur mißt sich anhand des Konzentrationsgrades der Verfügungsrechte an Kapital. Sie reicht von „weit gestreute Verfügungsrechte“ bis „monopolistische Verfügungsrechte“. Diese Unterteilung erscheint sinnvoller als die herkömmliche Unterscheidung zwischen sozialistischer und kapitalistischer Kapitalstruktur, da diese Systeme ihre eigentlichen Bedeutungen verloren haben. So ist das Wirtschaftssystem der Volksrepublik China mittlerweile ein fast vollständig privatwirtschaftlich kapitalistisches, obwohl sich die Regierung immer noch in Lippenbekenntnissen zum sozialistischen Wirtschaftssystem übt. Daher ist für die vorliegende Untersuchung nicht die Bezeichnung des Wirtschaftssystems ausschlaggebend, sondern die reale Verteilung der Besitzstrukturen an Kapital. Diejenigen, die die Verfügungsrechte am Medienkapital besitzen, legen unter anderem die inhaltlichen Hauptrichtlinien des Mediums fest. Wenn die Kapitalquellen, aus denen sich die ökonomische Grundlage der MedienU speist, weit gestreut ist, dann erhöht sich auch die Chance, daß weit gestreute Themen durch die Medien angesprochen werden, um den Interessen der Besitzer gerecht zu werden. Andererseits sind monopolistische oder konzentrierte Kapitalinteressen dafür verantwortlich, daß ein Mediensystem inhaltlich eher einseitige Inhalte anbieten wird, da aufgrund schmaler Besitzstrukturen nur wenigen Interessen entsprochen werden muß. Ökonomische Eliten schließen Großindustrielle, Wirtschaftspolitiker, Manager, Banker und Händler sowie entsprechende Wissenschaftsvertreter ein.41
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 - Faktorausprägung ökonomische Struktur und Eliten
2.3.3 Die Medieneigentümer und deren berufsständische Kultur
Als Medieneigentümer bezeichnet man diejenigen, die die Verfügungsrechte an den Medien besitzen, und die die Hauptrichtlinien für diese Medien festlegen. Soll deren berufsständische Kultur untersucht werden, dann sind nach unserer Definition die kognitive, affektive und evaluierbare Einstellung gegenüber der Eigenschaft als Medieneigentümer ausschlaggebend für eine Bewertung. Diese Einstellung kann idealistisch sein. Dies meint eine idealistische, uneigennützige Einstellung bei der Gründung von Medienunternehmen sowie das Verantwortungsbewußtsein der Medieneigentümer gegenüber der Gesellschaft bzw. deren soziales Verantwortungsbewußtsein. Eine mehr profitorientierte Kultur ist durch eine größere Beachtung der eigenen Profitinteressen gekennzeichnet. Die Medien werden in diesem Fall wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen behandelt. Verantwortungsbewußtsein in gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht wird dann nur als Slogan aufgefaßt, mit dem man das Image der Medien aufwerten, sich Vorteile verschaffen und den Profit erhöhen kann. Eine vollständig eigennützige Kultur tritt nur in monopolistischen ökonomischen Strukturen auf, z.B. wenn die Medien vom Staat kontrolliert werden. Hier profitiert der Eigentümer nur noch durch die Macht der eigenen Position.42
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 - Faktorausprägung Medieneigentümer und deren Kultur
2.3.4 Die Journalisten und deren berufsständische Kultur
Journalisten sind diejenigen, die operativ für die Erstellung der Medieninhalte verantwortlich zeichnen. Die Ausprägung deren berufsständischer Kultur soll anhand deren kognitiven, affektiven und evaluierbaren Einstellungen gegenüber der Eigenschaft als Journalisten ermittlet werden. Sie kann von „fremd-orientiert“ bis „selbst-orientiert“ reichen. Selbstorientierte Journalisten üben diese Tätigkeit aus reinem Selbstinteresse aus. Für sie ist es ein Beruf wie jeder andere, ohne die besondere soziale Funktion des Journalisten (z.B. als Gatekeeper) und die soziale und gesellschaftliche Verantwortung der Medien wahrzunehmen. Fremd-orientierte Journalisten hingegen verstehen ihren Beruf als mit einer besonderen sozialen Funktion behaftet und handeln entsprechend.43
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 - Faktorausprägung Journalisten und deren Kultur
2.3.5 Die Rezipienten und deren politische Kultur
Als Rezipienten bezeichnet man diejenigen Menschengruppen, die die Medieninhalte täglich konsumieren. Deren politische Kultur wird durch das Wissens, die Gefühle und die Werteorientierung der Gemeinschaft und der eigenen Person in der Politik sowie der eigenen Meinung bezüglich der Ergebnisse der Politik definiert.
Wissen, Gefühle und Werteorientierung einer Person lassen sich anhand folgender Fragen ermitteln:
„ 1. What knowledge does he have of his nation and of his political system in general terms, it ‘ s history, size, location, power, ‚ constitutional ‘ characteristics, and the like? What are the feelings toward these systematic characteristics? What are his more or less considered opinions and judgments of them?
2. What knowledge does he have of the structures and roles, the various political elites, and the policy proposals that are involved in the upward flow of policy making? What are his feelings and opinions about this structures, leaders, and policy proposals?
3. What knowledge does he have of the downward flow of policy enforcement, the structures, individuals, and decisions involved in these processes? What are his feelings and opinions on them?
4. How does he perceive of himself as a member of his political system? What knowledge does he have of his rights, powers, obligations, and of strategies of access to influence? How does he feel about his capabilities? ... “44
Folgt man der Klassifizierung von Almond/Verba (1963), dann prägt sich dieser Faktor zwischen den Eigenschaften „teilnehmend“ und „engstirnig“ aus.45 Rezipienten einer teilnehmenden Kultur sind aktiv in politische Prozesse eingebunden. Sie sind über die Politik informiert und stellen Ansprüche an das politische System. Sie unterstützen bestimmte politische Führungspersönlichkeiten oder lehnen diese ab und halten die Politik bzw. die Bürokratie für rechenschaftspflichtig. Engstirnige Rezipienten mischen sich nicht in die Politik ein und gehorchen passiv der Regierung und dem Gesetz. Sie sind traditionell orientiert, wissen nur wenig über die Politik der Regierung und haben ferner keine Meinung zu dieser.46
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 - Faktorverteilung Rezipienten und deren politische Kultur
2.3.6 Ein Klassifikationssystem
Wenn es auch nicht Anliegen der vorliegenden Arbeit sein soll, die Presse Hongkongs zu klassifizieren, so kann es doch nützlich sein, das von Chu/Lee 1995 vorgeschlagene Klassifikationssystem für die Untersuchung zu nutzen. Die zuvor besprochenen Faktoren werden herangezogen, um vier Pressetypen zu klassifizieren. Ein freies System, ein relativ freies System, ein repressives und ein relativ repressives System. Durch die Klassifizierung hat man nicht nur die Möglichkeit, die einzelnen Faktoren des Pressesystems in Ihrem vermutlichen Wandel zu beschreiben, sondern hat ein Werkzeug zur Hand, die Pressestruktur als Ganzes in Ihrem Wandel anhand des Wandels ihrer einzelnen Faktoren zu bewerten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 - Die vier Typen von Pressesystemen und deren Faktoren nach Chu/Lee47
Das freie Pressesystem ist gekennzeichnet durch die Verteidigung von Individualrechten, inklusive des Rechts auf freie Meinungsäußerung und dem Recht auf die Verteidigung des eigenen Rufes, Recht auf Privatsphäre und das Recht auf einen fairen Prozeß. Die Medieninhalte sind vielfältig sowohl in ihrer Form, als auch in ihrer Aussage. Sozial gesehen, dienen die Medien als Marktplatz der Ideen. Politisch sind sie eine Überwachungsinstanz der Regierung. Wirtschaftlich gesehen agieren sie als Informationszentren. Sie vertreten das Ideal des Profits und des Wettbewerbs, vertreten aber genauso das Ideal des Dieners der Gesellschaft. Die Journalisten sind professionell und sind sich ihrer sozialen Verantwortung bewußt. Die Leistung der Medien mißt sich nicht nur am internen Festhalten an bestimmten professionellen Codes, sondern auch an aktiven Rezipienten, die bereit sind, bestimmte Medien zu sanktionieren, sollten diese unverantwortlich handeln. Die Pressestruktur des Typ I wird geformt als ein Ergebnis einer liberalen Regierung, weit gestreuten Kapitalinteressen in der Gesellschaft, einer idealistischen berufsständischen Kultur der Medienbesitzer, einer professionellen, fremd- orientierten Kultur unter den Journalisten und teilnehmenden Rezipienten. Keines der bekannten demokratischen Systeme entspricht heute diesem Typ - es ist ein Idealtyp. Doch kommen die westlichen Pressesysteme dem Typ I recht nahe.
Das repressive System liegt dann vor, wenn sich die Faktoren gegensätzlich zum freien System verhalten. Charakteristisch sind also eine straffe, direkte und indirekte Kontrolle durch die Regierung. Die Medieninhalte sind gleichförmig in Form und Aussage und zielen darauf ab, ein bestimmtes festgelegtes soziales und wirtschaftliches Staatsziel zu erreichen. Die Medieneigentümer sind entweder Angestellte des Staates oder partizipieren lediglich am Gewinn oder an ihrer Stellung. Sie achten lediglich ihren eigenen Gewinn und nicht das Recht der Rezipienten auf Information und Artikulation. Auch die Journalisten sind sich Ihrer besonderen Rolle nicht bewußt oder handeln nicht danach. Sie sind rein selbst-orientiert. Auch sie tun nichts für die Verwirklichung des Informations- und Artikulationsrechts. Sie fungieren lediglich als Nachrichtenübermittler für die Regierung und nicht als Sprachrohr der Menschen. Die Rezipienten sind gewöhnlich schlecht informiert und bewerten die Medien rein passiv. Das Pressesystem existiert demnach nur in der Funktion als staatliche Propagandamaschine oder als Profitquelle für Geschäftsleute. Als Folge des Informationsentzuges sind die Rezipienten politisch, sozial und ökonomisch ausgebeutet. Das System entsteht als Ergebnis eines autoritären Staats, monopolisierten Kapitalinteressen, des fehlenden Idealismus oder der fehlenden Professionalität unter den Journalisten und Medieneigentümern. Die Rezipienten gehören einer engstirnig ausgeprägten politischen Kultur an, was sie davon abhält, die staatlichen Autoritäten in Frage zu stellen. Da die Medien vom Staat, durch Großindustrielle oder durch Medienbarone kontrolliert werden, hinterfragen die Rezipienten die Leistung der Medien nicht.
Die realiv freien und die relativ repressiven Systeme sind zwischen den beiden Extremen liegende Systeme, wie sie häufig in der Realität vorkommen. Diese Pressestrukturen weisen einige, aber nicht alle Faktorausprägungen der freien, bzw. repressiven Struktur auf. Sie gehen häufig ineinander über. Diese Übergangsprozesse sind häufig in der Realität zu beaobachten und zwar in beide Richtungen, das heißt sowohl vom realtiv repressiven zum relativ freien System als auch vom relativ freien zum relativ repressiven System. Das vorgeschlagene Modell ist also keinesfalls ein statisches Modell, sondern bietet vielmehr die Möglichkeit, einen Übergang zu diagnostizieren und diesen in seiner Tendenz zu bestimmen. Diese Anwendungsmöglichkeiten des Modells lassen es vorteilhaft erscheinen, es als Werkzeug bei der Untersuchung des Pressesystems des im gesellschaftlichen und sozio-kulturellen Wandel befindlichen Hongkongs zu benutzen.48
3. Entwicklungslinien
3.1 Politische und gesellschaftliche Entwicklung Hongkongs
Im folgenden sollen markante Entwicklungen der Hongkonger Geschichte aufgezeigt werden. Hierbei spielen die politischen, sozialen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse eine bedeutende Rolle. Es soll auf sie zurückgegriffen werden, wenn nachfolgend Wandlungsprozesse der Pressestruktur dargestellt werden.
3.1.1 Anfänge
Die ehemalige Kronkolonie und heutige Sonderverwaltungszone (SAR) Hongkong liegt an der Südostspitze des chinesischen Festlandes, an der Mündung des Perlflusses und grenzt an das Südchinesische Meer. Auf einer Gesamtfläche von 1092 km2, die sich geographisch auf die Insel Hongkong, die Halbinsel Kowloon, die New Territories und ca. 240 meist unbewohnte Inseln verteilen, hat Hongkong eine Einwohnerzahl von 7,2 Mio (Stand: Juli 2001). Etwa 95% der Bevölkerung ist chinesischen Ursprungs. In Hongkong sind drei Amtssprachen offiziell zugelassen: Die hochchinesische Sprache49, als offizielle Sprache der neuen Machthaber, das Kantonesische50, als Muttersprache der einheimischen Bevölkerung und die englische Sprache, die von den ehemaligen Kollonialherren übernommen wurde.51
Hongkong weist einen der höchsten Lebensstandards in ganz Asien auf. Das Bruttosozialprodukt betrug 1998 pro Kopf 25.100 US$ und liegt damit 3000 US$ über dem Deutschlands und 21.500 US$ über dem der Volksrepublik China. Dieser Wert täuscht jedoch darüber hinweg, daß es große Unterschiede in der Verteilung der Sachund Vermögenswerte gibt.
Die Lebenserwartung bei Frauen liegt bei knapp 82 Jahren, die der Männer bei 76 Jahren. Für alle Kinder zwischen 6 und 15 besteht Schulpflicht. Nur ein kleiner Prozentsatz derjenigen, die einen High School Abschluß besitzen, besuchen ein College oder eine Universität. Es gibt in Hongkong sieben Hochschulen und Universitäten. Die Analphabetenquote liegt unter 5%.52 Viele Jahrhunderte lang war der Platz an der felsigen Küste ein Fischerdorf und Piratenunterschlupf, am äußersten Zipfel des mächtigen chinesischen Kaiserreiches. Wegen der vor den in dieser Gegend häufig auftretenden sommerlichen Taifunen schützenden Lage, wurde diese Insel seit etwa 1820 von Opiumklippern und anderen britischen Händlern angelaufen.53
China war seit dem frühen 18. Jh. immer stärker in den interkontinentalen Handel einbezogen worden. Eine führende Rolle spielten dabei die großen europäischen Handelshäuser, insbesondere die East India Company des British Empires. Obwohl die Qing-Regierung54 westlichen Kaufleuten den Zugang zum Landesinneren verweigerte, entwickelte sich in erster Linie über das vom späteren Hongkong nur wenige Kilometer flußaufwärts gelegene Guangzhou (广州) ein umfangreicher Außenhandel. Da Europa seinerseits dem ökonomisch autarken und gewerblich hochentwickelten China kaum attraktive Handelsgüter bieten konnte, wurden die chinesischen Exporte in Metall bezahlt. Schon seit der späten Ming-Zeit war Silber nach China geflossen und hatte die Binnenwirtschaft belebt. Nach der Eroberung Bengalens entdeckten die Briten indische Rohbaumwolle als Tauschgut für chinesische Tee-, Seiden-, und Porzellanprodukte. Dadurch entfiel seit 1805 die Notwendigkeit, Silber in den Chinahandel hineinpumpen zu müssen. Wenig später erwies sich aus westlicher Sicht indisches Opium als ein noch viel vorteilhafteres Gut im Chinahandel. In der zunehmend demoralisierten Gesellschaft des Reichs der Mitte war die Nachfrage nach der Droge so gewaltig, daß sich die Handelsbilanz bald zu Chinas Ungunsten entwickelte. Zwischen 1827 und 1849 verlor China vermutlich die Hälfte des Silbers, das während der vorausgegangenen 125 Jahre ins Land geströmt war. Eine sehr ernsthafte deflationäre Krise, die alle Systeme des Wirtschaftskreislaufes traf, und zunehmende soziale Unruhe waren die Folge. So begaben sich China und Großbritannien auf Kollisionskurs. Der Opiumkrieg begann 1839, als der kaiserliche Kommissar Lin Zexu55 (林则徐) den Opiumhandel unterbrach und alles britische Opium in Guangzhou vernichtete, was die Opiumklipper veranlaßte, Beschwerde bei der britischen Krone einzulegen, die ihrerseits mit einem Befehl an die Flotte zum Angriff Guangzhous und anderer chinesischer Küstenstädte antwortete. Der Krieg endete 1842 mit der Niederlage Chinas und der Ratifizierung des ersten einer langen Reihe "Ungleicher Verträge", dem Vertrag von Nanjing.56
Nach dem 1. Opiumkrieg trat China durch den Vertrag von Nanjing die Insel Hongkong (香港岛) „ für immer “ an Großbritannien ab. Im Juni 1843 wurde sie formell zur Kolonie erklärt. Nach weiteren Kampfhandlungen besetzten britische Truppen die der Insel gegenüberliegende Halbinsel Kowloon (九龙), deren Annektion durch die Beijinger Konvention 1860 bestätigt wurde.57 Die Niederlage Chinas im chinesisch-japanischen Krieg 1895 nutzten westliche Mächte zur weiteren Ausdehnung ihrer Einflußbereiche. Großbritannien forderte und erhielt 1898 einen Pachtvertrag über 99 Jahre für ein nördlich und östlich an Kowloon angrenzendes Gebiet, die New Territories (新区), der fristgerecht 1997 auslief. Die damals gepachtete Fläche machte etwa 90% der ehemaligen Kolonie aus.58
Der Hauptgrund für die britische Okkupation war der ausgezeichnete natürliche Tiefseehafen, der Hongkong rasch zu einem bedeutenden Handelsplatz machte, an dem viele Handelsgesellschaften, Versicherungen und Banken Niederlassungen gründeten. Hinzu kamen die Werftindustrie und zahlreiche andere Bereiche des produzierenden Gewerbes. Die Bevölkerungszahl, die 1841 nur etwa 5000 Personen betrug, wuchs bis 1916 bereits auf mehr als eine halbe Million. 1939 waren es schon über eine Million Menschen.59
Hongkongs Wirtschaft war in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg primär auf den Zwischenhandel mit China ausgerichtet. Es gab allerdings bereits erste Ansätze von Industriewirtschaft. Im Zuge des Aufstiegs Hongkongs zu einem Knotenpunkt im internationalen Handelsverkehr, waren es anfangs vor allem Betriebe aus dem Bereich der Schiffbau- und Schiffreparaturindustrie, die sich in der Hafenstadt ansiedelten.
[...]
1 Zit.: The Die Is Cast: Freedom of Expression in Hong Kong on the eve of the handover to China. Hong Kong Journalist Association. Juni 1997. Annual Report. Hongkong. 1997. S.2.
2 Zit.: Kabaphes, Konstantinos P.: Das Gesamtwerk : griechisch und deutsch / Konstantinos Kavafis. Aus dem Griech. übers. und hrsg. von Robert Elsie. Zürich: Ammann, 1997.
3 Vgl.: Anhang dieser Arbeit. S.4. Dort zitiert nach: http://www.info.gov.hk/trans/jd/index.htm.
4 Vgl.: Anhang dieser Arbeit. S.4. Dort zitiert nach: The Basic Law of the Hong Kong Special Administrative Region of the People's Republic of China. Hong Kong: One Country - Two Systems Economic Research Institute Ltd., 1992.
5 Zit.: Sciutto, James A.: Chinas Muffling of the Hong Kong Media. In: The Annals of The American Academy of Political and Social Science. Hrsg.: Alan W. Heston. Volume 547. September 1996: The Future of Hongkong. Special Editor: Max J. Skidmore. London: Sage Periodical Press, 1996. S.135.
6 Zit.: Thomaß, Barbara / Tzankoff, Michaela: Medien und Transformation in den postkummunistischen Staaten Osteuropas. In: Thomaß, Barbara / Tzankoff, Michaela (Hrsg.): Medien und Transformation in Osteuropa. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2001. S.237.
7 Vgl.: Siebert, Fred S.; Peterson, Theodore; Schramm, Wilbur: Four Theories of the Press. Urbana: University of Illinois Press. 1956. S.1.
8 zur Joint Declaration und zum Basic Law siehe Kapitel 3.1 dieser Arbeit. Im Wortlaut vgl.: Anhang dieser Arbeit.
9 Vgl.: Thomaß, Barbara / Tzankoff, Michaela: Medien und Transformation in den postkummunistischen Staaten Osteuropas. In: Thomaß, Barbara / Tzankoff, Michaela (Hrsg.): Medien und Transformation in Osteuropa. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2001. S.237.
10 Vgl.: Dahl, R.A.: Democracy and Ist Critics. New Haven: Yale University Press, 1989. S.220ff.
11 Vgl.: McQuail, Denis: Media Performance. Mass Communication and the Public Interest. London: Sage Publications, 1992.
12 Zit.: Voltmer, Katrin: Massenmedien und demokratische Transformation in Osteuropa. Strukturen und Dynamik öffentlicher Kommunikation im Prozeß des Regimewechsels. In: Klingemann, Heinz- Dieter / Neidhardt, Friedhelm: Die Zukunft der Demokratie. Berlin: Edition Sigma, 2001. S.126.
13 Zit.: Gunaratne, Shelton A. (Hrsg.): Handbook of the Media in Asia. London: Sage Publications, 2000. S.5. Dort zitiert nach: Hsiung, J.C.: Human rights in Asia: A cultural perspective. New York: Paragon House Publishers, 1985. S.7
14 Zit. ebd. S.12.
15 Vgl.: Gunaratne, Shelton A. (Hrsg.): Handbook of the Media in Asia. London: Sage Publications, 2000. S.5. Zum gleichen Thema vgl. auch: AMIC (Asian Communication and Research Information Center): Communication Theory. The Asian Perspective. Singapore: AMIC, 1988.
16 Zit.: Gunaratne, Shelton A., 2000. S.5. Dort zitiert nach: AMIC (Asian Communication Research and Information Center): Press systems in SAARC. Singapore: AMIC, 1994.
17 Vgl.: McQuail, 1992. S.87.
18 Zit.: ebd. S.99.
19 Vgl.: ebd. S.87ff.
20 Williams, Loise: Censors at work, censors out of work. In: Rich, Roland; Williams, Loise: Losing Control. Freedom of the Press in Asia. Canberra: Asia Pacific Press at the Australian National University. 2000. S.3.
21 Zit.: ebd. S.3f.
22 Vgl.: McQuail, 1992. S.101f.
23 Zit.: Doronila, Amando: Preface. Press freedom in Asia: an uneven terrain. In: Rich, Roland;
Williams, Loise: Losing Control. Freedom of the Press in Asia. Canberra: Asia Pacific Press at the Australian National University. 2000. S.xii.
24 Vgl.: McQuail, 1992. S.141ff.
25 Vgl.: ebd. S.144ff.
26 nach: McQuail, 1992.
27 Vgl.: Chu, Leonard L./ Lee, Paul S.N.: Hong Kong Media System in Transition: A Socio-Cultural Analysis. In: Asian Journal of Communication. Vol.5, No.2, 1995. S.90-108
28 Z.B. die Modelle von Siebert, Peterson und Schramm (1956), Picard (1985), McQuail (1987), Hachten (1987), Altschull (1995).
29 Zit.: Chu/Lee, 1995. S.91.
30 Vgl.: Almond, G./Verba, S.: The Civic Culture. New York: Princeton University Press, 1963. S.12ff.
31 Almond, G./Verba, S.: The Civic Culture Revisited. Newbury Park: Sage Publications, 1989. S.27.
32 Vgl.: Chu/Lee, 1995. S.91.
33 Zit.: Almond/Verba, 1963. S.14f.
34 Vgl.: Chu/Lee, 1995. S.93.
35 Vgl.: Williams, 2000. S.4.
36 Vgl.: Almond/Verba, 1963. S.15.
37 Vgl.: Almond/Verba, 1989. S.29.
38 Zit.: ebd.
39 Vgl.: Siebtert/Peterson/Schramm, 1956. S.7ff.
40 Vgl.: Chu/Lee, 1995. S.91ff.
41 Vgl.: ebd.
42 Vgl.: ebd.
43 Vgl.: ebd.
44 Zit.: Almond/Verba, 1963, S.16f.
45 Vgl.: ebd. S.16ff.
46 Vgl.: Chu/Lee, 1995. S.91ff.
47 nach: ebd. S.95.
48 Vgl.: ebd. S.96.
49 普通话, putonghua
50 奥语, aoyu
51 Vgl.: CIA - The World Factbook - Hongkong:
http://www.odci.gov./cia/publications/factbook/geos/hk.html
52 Vgl.: Harenberg Länderlexikon. Dortmund 1998. S.
53 Vgl.: Statistisches Bundesamt: Länderbericht. Hongkong. 1990. Stuttgart: Metzler-Poeschel Verlag. 1991. S.10.
54 Die Qing-Dynastie (1644-1911) war eine Fremddynastie der Mandschuren in China. Mit ihr endete die lange Reihe der kaiserlichen Dynastien Chinas.
55 Lebensdaten von Lin Zexu: 1785-1850
56 Vgl.: Länderbericht China. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1998. S.105ff.
57 Vgl.: Fairbank, John K.:The Cambridge History of China. Cambridge: Cambridge: University Press, 1978. S.163ff.
58 Vgl.: Länderbericht. Hongkong. 1990. S.10.
59 Vgl.: ebd. S.11.
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