L. L. Farrar versucht in Arrogance and Anxiety. The Ambivalence of German Power 1848- 1914, die Ursachen für den Kriegsausbruch 1914 jenseits nationaler, personaler oder gruppenspezifischer Schuldzuweisungen zu beleuchten. Farrar betrachtet dazu die Umstände und Ereignisse, die zum Krieg führten. Er beleuchtet die Rolle und die Situation aller europäischen Mächte, konzentriert sich aber hauptsächlich auf Deutschland, als eine Nation, die auf Macht und Stärke gründete und deren Führer sich durch Macht und Stärke definierten. Farrar bemüht sich zunächst, die Entwicklungen und Veränderungen in Europa von 1848 bis 1890 und spezieller von 1890 bis 1914 deutlich zu machen. Für die Jahre unmittelbar vor dem Kriegsausbruch, also 1912 bis 1914, benutzt er eine analytische, nicht chronologische Methode: Er verteilt seine Untersuchungen auf vier Themen, die Politik und die Allianzen der großen Mächte, die Balkankrise als Bedrohung des Status quo, die Beziehung zwischen Innen- und Außenpolitik sowie die militärischen Strategien und die Diplomatie der europäischen Mächte. Diese Themenbereiche werden dann unabhängig voneinander, jeweils für die Jahre 1912 bis 1914, analysiert.
Bei seinen Betrachtungen kommt Farrar immer wieder auf die schon den Titel des Buches bildenden Schlagwörter arrogance und anxiety zurück, zwei Verhaltensmuster, die im gegenseitigen Wechselspiel die Politik aller europäischen Mächte beeinflussten, für Deutschland aufgrund seiner zentralen, eingekesselten Lage auf dem Kontinent aber von besonderer Bedeutung waren. Dementsprechend wird auch in der vorliegenden Arbeit, die Farrars Buch vorstellen und analysieren will, immer wieder der Rückbezug auf diese beiden Leitbegriffe seinen Platz finden, in der Regel durch eine unübersetzte Übernahme in den Text. Am Ende dieser Arbeit stehen dann noch einige internationale Kritikerstimmen und ein eigenes Fazit zu Farrars Buch.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Entwicklungen in Europa von 1848 bis 1890 und von 1890 bis 1912
3. Die Jahre 1912 bis 1914
3.1. Die Politik und die Allianzen der großen Mächte
3.2. Die Balkankrise als Bedrohung des Status quo
3.3. Die Beziehung zwischen Innen- und Außenpolitik
3.4. Militärische Strategien und Diplomatie
4. Die Diplomatie der Julikrise 1914
5. Farrars Schlussbetrachtungen
6. Farrars Buch in den internationalen Zeitschriftenrezensionen
7. Fazit
1. Einleitung
L. L. Farrar versucht in Arrogance and Anxiety. The Ambivalence of German Power 1848-1914, die Ursachen für den Kriegsausbruch 1914 jenseits nationaler, personaler oder gruppenspezifischer Schuldzuweisungen zu beleuchten[1]. Farrar betrachtet dazu die Umstände und Ereignisse, die zum Krieg führten. Er beleuchtet die Rolle und die Situation aller europäischen Mächte, konzentriert sich aber hauptsächlich auf Deutschland, als eine Nation, die auf Macht und Stärke gründete und deren Führer sich durch Macht und Stärke definierten.[2]
Farrar bemüht sich zunächst, die Entwicklungen und Veränderungen in Europa von 1848 bis 1890 und spezieller von 1890 bis 1914 deutlich zu machen. Für die Jahre unmittelbar vor dem Kriegsausbruch, also 1912 bis 1914, benutzt er eine analytische, nicht chronologische Methode: Er verteilt seine Untersuchungen auf vier Themen, die Politik und die Allianzen der großen Mächte, die Balkankrise als Bedrohung des Status quo, die Beziehung zwischen Innen- und Außenpolitik sowie die militärischen Strategien und die Diplomatie der europäischen Mächte. Diese Themenbereiche werden dann unabhängig voneinander, jeweils für die Jahre 1912 bis 1914, analysiert.
Bei seinen Betrachtungen kommt Farrar immer wieder auf die schon den Titel des Buches bildenden Schlagwörter arrogance und anxiety zurück, zwei Verhaltensmuster, die im gegenseitigen Wechselspiel die Politik aller europäischen Mächte beeinflussten, für Deutschland aufgrund seiner zentralen, eingekesselten Lage auf dem Kontinent aber von besonderer Bedeutung waren.
Dementsprechend wird auch in der vorliegenden Arbeit, die Farrars Buch vorstellen und analysieren will, immer wieder der Rückbezug auf diese beiden Leitbegriffe seinen Platz finden, in der Regel durch eine unübersetzte Übernahme in den Text.
Am Ende dieser Arbeit stehen dann noch einige internationale Kritikerstimmen und ein eigenes Fazit zu Farrars Buch.
2. Die Entwicklungen in Europa von 1848 bis 1890 und von 1890 bis 1912
In den Jahren zwischen 1848 und 1890 wurde die Kräftebalance in Europa nicht zuletzt durch die zurückhaltende Politik Bismarcks gewahrt. Doch Bismarcks defensive Politik war vor allem nach dem deutsch-französischem Krieg zunehmend schwieriger aufrecht zu erhalten, da Europa bis 1890 immer mehr Macht entwickelte, die immer ungleicher verteilt wurde. In Deutschland drängte eine neue Generation an die politischen Machtspitzen, die mit der neuen Macht Deutschlands andere Pläne hatte. Ab 1890 war diese neue Macht Deutschlands, die vor allem durch die rasante Industrialisierung erreicht wurde schließlich nicht mehr länger mit der Politik Bismarcks vereinbar und Bismarck musste zurücktreten.
Die neue Generation schlug einen „neuen Kurs“ ein, nicht länger einen Kurs der Reaktion, sondern einen offensiven Kurs der Aktion. Teil dieses neuen Kurses waren die Ausweitung des Industrialismus sowie die Ausweitung des weltpolitischen Anspruchs, sprich die Ausweitung des Kolonialismus und des Imperialismus.
Durch diese neue Machtpolitik Deutschlands wurde sowohl die Geduld der anderen Mächte auf die Probe gestellt als auch das Gleichgewicht in Europa. Aber bis 1912 konnte sich das System den Veränderungen noch anpassen, nicht zuletzt, weil die anderen europäischen Mächte keine direkten Konsequenzen aus den Provokationen zogen (z. B. die deutsche Flottenpolitik als Provokation Englands oder die Kriegspläne (Schlieffenplan) als Provokation Frankreichs). Die Konsequenz der anderen Mächte, speziell der drei späteren Ententemächte England, Frankreich und Russland, bestand nur in einer gegenseitigen Annäherung. Diese war allerdings erst durch die aggressive Politik Deutschlands möglich und nötig geworden. Man kann also festhalten, dass Deutschland durch sein aggressives Auftreten, mit dem es sich aus seiner Rolle als eingekesselte, zurückstehende Nation befreien wollte, seine Konkurrenten um die Vormachtstellung in Europa näher zueinander gebracht hatte und somit seine eigene Lage eher verschlechtert als verbessert hatte. Deutschland war zwar stark genug, um sich gegen eine Allianz der drei anderen Großmächte zu behaupten, nicht aber stark genug, um sich gegen sie durchzusetzen. Um 1912 konnte also durch diese Pattsituation zwischen Deutschland und der Allianz Englands, Frankreichs und Russlands das Gleichgewicht in Europa noch aufrechterhalten werden.
Trotz oder aber auch aufgrund dieser Konstellation wäre hypothetisch noch eine friedliche Lösung denkbar gewesen. Aber durch das von arrogance und anxiety geprägte Verhalten der Großmächte wurde eine gewaltsame Lösung immer wahrscheinlicher und sollte schließlich unumgänglich werden.
[...]
[1] Vgl.: Altgeld, Wolfgang, in: GWU 5/1985 (Sammelband 36), S. 385.
[2] Vgl.: Farrar, L. L.: Arrogance and Anxiety. The Ambivalence of German Power 1848-1914. Iowa City 1981, S. xii.
- Arbeit zitieren
- Jan Hendrik Schmidt (Autor:in), 2003, Jenseits nationaler Kriegschuldfragen. Politikwissenschaftliche Ansätze: L. L. Farrar: Arrogance and Anxiety, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25595
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