Während der mündlichen Ausführung meines Referates war eine umfangreiche und detaillierte Interpretation der Lyrik Inge Müllers auch aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Da ich aber gerade Ihre Lyrik als sehr veranschaulichend , „einfach“ und vor allem zugänglich empfinde, bin ich an einer ausführlichen Interpretation ihrer Gedichte interessiert. Insbesondere haben auch einzelne Diskussionen und unterschiedliche Erklärungsansätze meiner Kommilitonen über Inge Müllers Gedichte meine Neugierde zusätzlich geweckt. Während meiner mündlichen Ausführung werde ich in dieser schriftlichen Ausarbeitung auf einige Themenaspekte nicht eingehen. Autobiographische Daten sowie die Zeit vor 1961 werden keine Rolle spielen. Damit ist der zeitliche Rahmen dieser Arbeit festgelegt, er bewegt sich von August 1961 bis Juni 1966. Gegenstände dieser Arbeit werden sein die Interpretation der Gedichte „EIN MENSCH STEHT AN DER MAUER“ und „ MASKEN“. Gewählt habe ich diese Gedichte unter anderem in Anbetracht ihres ungefähren Entstehungszeitraumes, beide verfaßt Inge Müller zu einem Zeitpunkt, während ihre Zukunft als Schriftstellerin entscheidend geprägt und verändert wird. Der Bereich DDR, ihr Umgang mit Kultur, ihre Ästhetik soll am Skandal um das gemeinsame Stück von Inge und Heiner Müller „Die Umsiedlerin“ veranschaulicht und thematisiert werden. Beispiellos verallgemeinert dieses Ereignis die Situation vom Umgang der DDR – Regierung mit nicht entsprechender Literatur sowie deren Schriftsteller.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gedichtanalyse „Ein Mensch steht an der Mauer“
2.1. Interpretation
2.2. Intention der Schriftstellerin
2.3. Sprache, Ton und Satzbau
3. Kulturpolitik und Ästhetik der DDR
3.1. Kulturpolitische Etappen der DDR
3.2. Ästhetik der DDR
3.3. Der politische Eklat um „Die Umsiedlerin“
4. Gedichtinterpretation „Masken“
4.1. Interpretation
4.2. Ton, Sprache und Ausdruck
4.3. Die Beziehung Schriftstellerin und Lyrisches Ich
5. Schlußwort
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Während der mündlichen Ausführung meines Referates war eine umfangreiche und detaillierte Interpretation der Lyrik Inge Müllers auch aus zeitlichen Gründen nicht möglich.
Da ich aber gerade Ihre Lyrik als sehr veranschaulichend , „einfach“ und vor allem zugänglich empfinde, bin ich an einer ausführlichen Interpretation ihrer Gedichte interessiert.
Insbesondere haben auch einzelne Diskussionen und unterschiedliche Erklärungsansätze meiner Kommilitonen über Inge Müllers Gedichte meine Neugierde zusätzlich geweckt.
Während meiner mündlichen Ausführung werde ich in dieser schriftlichen Ausarbeitung auf einige Themenaspekte nicht eingehen. Autobiographische Daten sowie die Zeit vor 1961 werden keine Rolle spielen.
Damit ist der zeitliche Rahmen dieser Arbeit festgelegt, er bewegt sich von August 1961 bis Juni 1966.
Gegenstände dieser Arbeit werden sein die Interpretation der Gedichte „EIN MENSCH STEHT AN DER MAUER“ und „MASKEN“. Gewählt habe ich diese Gedichte unter anderem in Anbetracht ihres ungefähren Entstehungszeitraumes, beide verfaßt Inge Müller zu einem Zeitpunkt, während ihre Zukunft als Schriftstellerin entscheidend geprägt und verändert wird.
Der Bereich DDR, ihr Umgang mit Kultur, ihre Ästhetik soll am Skandal um das gemeinsame Stück von Inge und Heiner Müller „Die Umsiedlerin“ veranschaulicht und thematisiert werden. Beispiellos verallgemeinert dieses Ereignis die Situation vom Umgang der DDR – Regierung mit nicht entsprechender Literatur sowie deren Schriftsteller.
2. Gedichtanalyse „Ein Mensch steht an der Mauer“
2.1. Interpretation
Zum Einstieg habe ich die Interpretation des Gedichtes “Ein Mensch steht an der Mauer“ gewählt. Es entstand um den 13. August 1961, der Teilung Berlins, dem Mauerbau.
Vermutlich ist es eine ganz persönliche Reaktion Inge Müllers auf die geschichtlichen Ereignisse, die damals vor Ihren Augen ihren Lauf nehmen.
Erstaunlich empfinde ich die ersten unterschiedlichen Reaktionen der Eheleute Müller auf dieses Ereignis. Heiner teilt Anfangs die unter vielen Schriftstellern verbreitete Meinung, “es ist die Hoffnung auf in Aussicht gestellte geschütztere Freiräume fürs Schreiben.“ (Geipel 2002, 203). Der Mauerbau stellt zu diesem Zeitpunkt eine Erleichterung dar, in keiner Art und Weise aber eine Einschränkung in seiner Arbeit und seinem Lebensraum.
Seine Frau Inge hingegen verfaßt intuitiv ein Gedicht, das entsetzt, ängstlich und vorausschauend die Geschehnisse reflektiert.
In ihrem Gedicht “Ein Mensch steht an der Mauer“ beschreibt Inge in Umrissen die Szene einer Exekution.
Ihr Schreibstil erinnert beim ersten Lesen an einen Bericht, vergleichbar mit dem eines Augenzeugen. Sie schreibt einfach, kurz und prägnant trotzdem entsteht keine Distanz zwischen Leser und Gedicht. Im Gegenteil, eine unwahrscheinlich erschreckende Nähe zu der umschriebenen Situation entsteht.
In der Art, wie sie beschreibt, steckt eine schonungslose Distanzlosigkeit, die sich auf den Leser auswirkt, indem das Gedicht erschreckt, beklemmt und traurig stimmt.
Das Ganze ist äußerst gefühlvoll, intensiv und bewegt geschrieben. Es ist zu erkennen, dass die eigene Betroffenheit mit in das Gedicht einfließt. Inge verfaßt tief berührt aus sich heraus.
Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils sechs und acht Zeilen. Die erste Strophe beginnt mit der hervorgehobenen Zeile ,, EIN MENSCH STEHT AN DER MAUER“, es folgen, ,, Siebenköpfig ist sein Tod:/In vierzehn Menschenaugen“.
Die ersten drei Zeilen verdeutlichen, dass es sich um eine Exekution handelt. Das Hinrichtungskommando besteht aus sieben Menschen, die abschußbereiten Gewehre gegen den Verurteilten gerichtet. Dieser blickt seinem eigenen Tod ausweglos und unabänderlich ins Gesicht. Die Situation ist schon räumlich betrachtet für ihn hoffnungslos. Er steht mit dem Rücken zur Mauer, sein Gegenüber ist der Tod, ihm selbst siebenfach überlegen. Der „Mensch an der Mauer“ ist eingeschlossen von zwei nicht zu überwindenden Hindernissen, die emotionslos, gewissenlos und gefühlskalt agieren. Inge beschreibt in ihrem Gedicht einen Tod, der übermächtig erscheint und in Bezug auf das Entkommen als ausweglos beschrieben ist. Aber er ist menschlich, besteht aus sieben vielleicht Volkspolizisten, vielleicht Soldaten. „Menschenaugen“ die den wehrlosen „Mensch an der Mauer“ sehen, seinem Leben unberechtigt ein Ende setzen.
Die Zeilen vier bis sechs („Schneller als das Eisen/Ist der Schrei aus dem zerschlagnen Mund:/Brüder, ihr erschießt euch selber!“) beschreiben die einzige Reaktion des Verurteilten und den tödlichen Schuß.
Der Ausruf, kurz vor dem Tod heraus gebrüllt, klingt wie ein Appell an eines der sieben Gewissen. Wahrscheinlich sieht er seinen Mördern dabei in die Gesichter und fragt, wo ihre Menschlichkeit, ihr Verstand und vor allem ihr Sinn für Gerechtigkeit geblieben ist.
Er schreit diese Feststellung aus sich heraus, bevor er getötet wird, „Schneller als das Eisen“ gelingt es ihm noch das Wort verzweifelt, flehend oder wutentbrannt an seine „Brüder“ zu richten. „Brüder“, im Sinne von verbunden sein, scheint hier bedeutungslos geworden zu sein.
Eine Gefühlslage, in der sich Inge befindet, sie spürt Verfremdung, empfindet die herrschende politische Situation als bedrückend und unverständlich.
Der „Schrei aus dem zerschlagnen Mund“ weißt auf voraus gegangene Schläge hin. Der „zerschlagnen Mund“ als Einblick in die Umstände, Münder werden zerschlagen, die anderes äußern als sie sollen. Die Wahl besteht, seinen Mund zu halten oder Diktiertes zu sprechen, sicherlich auch Inges verzweifeltem Inneren entsprechend, das danach sucht, sich ausdrücken zu können, aber möglicherweise keine Kraft zum Reden hat?
Die zweite Strophe beginnt mit der Zeile „Ein Mensch fällt an der Mauer.“. Die Hinrichtung ist vollzogen.
Diese erste Zeile der zweiten Strophe ist eine Fortsetzung der ersten Zeile des Gedichtes, es erinnert an einen schrecklichen Rhythmus. Fortan gehört dieser Rhythmus zum neuen Alltag, ein Mensch steht – ein Mensch fällt – ein Mensch steht! Auch die Zeilen dreizehn und vierzehn ( „Morgen steht wieder ein Mensch/An der Mauer“) beschreiben diesen Rhythmus. Szenen dieser Art werden sich häufen und Menschen stehen und sterben.
Ein Alltag, den Inge erkennt, und erschreckt ausdrückt, daß Exekutionen, „zerschlagne Münder“ zu dessen Tagesordnung gehören werden.
Inge beschreibt das Gefühl, eingeengt zu sein durch eine unüberwindbare Mauer, zusätzlich bedroht durch ein Regime, die menschliche Werte neuartig definiert. Der persönliche Freiraum ist in jeder Beziehung genommen worden.
„Ein Gewehrlauf weist zitternd/In den weiten Himmel/Gelenkt von zwei Händen“, die Zeilen acht bis zehn beschreiben die Atmosphäre nach der Hinrichtung.
Ein Gewehr zeigt in den Himmel, vielleicht hat es den tödlichen Schuß nicht abgegeben sondern war eines der sechs, die “nicht treffen mußten“. Die Waffe weist gegen den „Weiten Himmel“, möglich, daß sie sogar gegen ihn gerichtet ist? Gerichtet gegen Moral, Nächstenliebe und weitere ethische Grundsätze und menschliche Gebote!
Zwei zitternde Hände lenken sie, zitternd vor Angst, Ehrfurcht oder Fassungslosigkeit?
Die Zeilen elf und zwölf ( „Die die blieben sauber/Und legten sie in Fesseln.“) fallen etwas aus der Reihe der bisher klar und deutlich formulierten Zeilen.
Ich bin nicht sicher, ob die elfte Zeile an Zeile zehn sinngemäß anschließt. Wer ist genau mit „Die“ gemeint? Sind es tatsächlich die „zwei Hände“, oder klagt Inge Verantwortliche an. Menschen, die Grenzen neu definieren und andere einsperren. Mit „Fesseln“ gefügig machen, ohne sich die Hände zu beschmutzen. Unbeschadet, unbestraft, legen sie anderen durch Befehle und Verordnungen Ketten an, „Und legten sie in Fesseln“.
„Die“ die Selbständigkeit entziehen und Erwachsene wieder so unmündig wie Kinder machen, und jeden als Feind sehen, der sich nicht fügt und nicht gehorcht. Das werden viele sein, denn „Morgen steht wieder ein Mensch/An der Mauer“.
In den Tagen nach dem 13.August 1961 äußert sich der Generalsekretär Ulbrichts, Otto Gotsche folgendermaßen: „Jetzt haben wir die Mauer, und jetzt werden wir jeden daran zerquetschen, der gegen uns ist!“.
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- Citation du texte
- Nadine Hartje (Auteur), 2003, Inge Müller: Lyrik - Leben in der Diktatur., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24974
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