Der Alltag eines Menschen ist geprägt von einer Fülle unterschiedlicher Handlungen. Es gibt
kleine routinisierte Handlungen, wie Wecker stellen, Zähne putzen oder Kaffee kochen und
große bedeutungsvolle Handlungen, wie eine Hochzeit, eine Bergbesteigung oder die
Fertigstellung einer wissenschaftlichen Arbeit. Auch wenn nicht alles im menschlichen Leben
Handeln ist, so besteht doch das elementare Grundgerüst jeden Tages im Prinzip aus einer
Aneinanderreihung von Handlungen. Diese Verkettung, mit welcher sich der Mensch täglich
konfrontiert sieht, wird oft in ihrer Bedeutung nicht bewusst wahrgenommen. Im
Zusammenleben von Mitgliedern einer Gesellschaft muss der Mensch handeln um zu
Überleben. Ein Leben mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit ist denkbar, ein Tag gänzlich
ohne Handlungen dagegen bleibt allein der Phantasie vorbehalten. Wir leben mit anderen
Menschen, handeln für oder gegen andere. Die menschliche Gesellschaft kann aus diesem
Blickwinkel auch als konkreter Handlungszusammenhang von Mitmenschen betrachtet
werden und ist bereits entstehungsgeschichtlich gesehen das Ergebnis einer langen
Handlungsfolge. Das Handeln eines Menschen wird immer durch eine individuelle
Wertzuordnung bewertet. Die jeweilige Kultur, in der eine Person agiert, spielt bei der
Wertzuordnung eine wesentliche Rolle. Die Kultur beeinflusst das Verhalten, die Denkweise
und die eigenen Auswahlkriterien bei der Erfassung einer Situation. So ist es nicht
verwunderlich, dass sich in verschiedenen Kulturkreisen, verschiedene Handlungsstrategien
heraus kristallisiert haben. Gegenstand dieser Arbeit ist es nun verschiedene
Handlungstheorien einander gegenüberzustellen. Dabei werde ich zunächst einen knappen
Überblick über die wichtigsten Themen der westlichen Handlungstheorie geben. Es wird
zunächst der Begriff der Handlung geklärt, indem er von dem Begriff des Ereignisses
abgegrenzt wird. Danach werde ich auf den Begriff des Freiwilligen eingehen und darstellen
unter welchen Bedingungen Nichtwissen, die Freiwilligkeit aufhebt. Hier bediene ich mich
der Unterscheidung Thomas von Aquins zwischen begleitender, unfreiwilliger und
vorhergehender Unwissenheit. Der dritte Abschnitt des ersten Teils befasst sich mit den
Handlungsfolgen, wobei vor allem auf die Vorhersehbarkeit sowie auf motivierende und in
Kauf genommene Folgen eingegangen wird.
Der zweite Hauptteil wird sich mit verschiedenen ostasiatischen Ethikauffassungen
beschäftigen. [...]
Inhalt
1. Einleitung
2. Westliche Handlungstheorie
2.1 Hintergrund westlicher Handlungstheorie
2.2 Handlung und Ereignis
2.3 Der Begriff des Freiwilligen
2.4 Handlungsfolgen
2.4.1 Vorhersehbarkeit
2.4.2 Motivierende und in Kauf genommene Folgen
3. Ostasiatische Ethikauffassungen
3.1 Einführung
3.2 Daoismus
3.2.1 Dao und seine Ursprünge
3.2.2 WuWei
3.3 Konfuzianismus
3.3.1 Leben des Konfuzius
3.3.2 Handlungsweisen im Konfuzianismus
3.4 Buddhismus
3.4.1 Hinführung
3.4.2 Grundannahmen des Buddhismus
3.4.3 Richtungen des Buddhismus
3.4.3.1 Hinayana
3.4.3.2 Mahayana
3.4.4 Karmalehre
3.4.5 Mahayana/Hinayana Karmalehre Unterschiede und Gemeinsamkeiten
4. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Alltag eines Menschen ist geprägt von einer Fülle unterschiedlicher Handlungen. Es gibt kleine routinisierte Handlungen, wie Wecker stellen, Zähne putzen oder Kaffee kochen und große bedeutungsvolle Handlungen, wie eine Hochzeit, eine Bergbesteigung oder die Fertigstellung einer wissenschaftlichen Arbeit. Auch wenn nicht alles im menschlichen Leben Handeln ist, so besteht doch das elementare Grundgerüst jeden Tages im Prinzip aus einer Aneinanderreihung von Handlungen. Diese Verkettung, mit welcher sich der Mensch täglich konfrontiert sieht, wird oft in ihrer Bedeutung nicht bewusst wahrgenommen. Im Zusammenleben von Mitgliedern einer Gesellschaft muss der Mensch handeln um zu Überleben. Ein Leben mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit ist denkbar, ein Tag gänzlich ohne Handlungen dagegen bleibt allein der Phantasie vorbehalten. Wir leben mit anderen Menschen, handeln für oder gegen andere. Die menschliche Gesellschaft kann aus diesem Blickwinkel auch als konkreter Handlungszusammenhang von Mitmenschen betrachtet werden und ist bereits entstehungsgeschichtlich gesehen das Ergebnis einer langen Handlungsfolge. Das Handeln eines Menschen wird immer durch eine individuelle Wertzuordnung bewertet. Die jeweilige Kultur, in der eine Person agiert, spielt bei der Wertzuordnung eine wesentliche Rolle. Die Kultur beeinflusst das Verhalten, die Denkweise und die eigenen Auswahlkriterien bei der Erfassung einer Situation. So ist es nicht verwunderlich, dass sich in verschiedenen Kulturkreisen, verschiedene Handlungsstrategien heraus kristallisiert haben. Gegenstand dieser Arbeit ist es nun verschiedene Handlungstheorien einander gegenüberzustellen. Dabei werde ich zunächst einen knappen Überblick über die wichtigsten Themen der westlichen Handlungstheorie geben. Es wird zunächst der Begriff der Handlung geklärt, indem er von dem Begriff des Ereignisses abgegrenzt wird. Danach werde ich auf den Begriff des Freiwilligen eingehen und darstellen unter welchen Bedingungen Nichtwissen, die Freiwilligkeit aufhebt. Hier bediene ich mich der Unterscheidung Thomas von Aquins zwischen begleitender, unfreiwilliger und vorhergehender Unwissenheit. Der dritte Abschnitt des ersten Teils befasst sich mit den Handlungsfolgen, wobei vor allem auf die Vorhersehbarkeit sowie auf motivierende und in Kauf genommene Folgen eingegangen wird.
Der zweite Hauptteil wird sich mit verschiedenen ostasiatischen Ethikauffassungen beschäftigen. Dabei habe ich die drei wichtigsten geistig-philosophischen Strömungen herausgegriffen. Den Daoismus, den Konfuzianismus und den Buddhismus in verschiedenen Ausprägungen. Zunächst stelle ich kurz den Daoismus und seine Ursprünge dar.
Hier werde ich vor allem auf Laotze und dessen wichtigstes Werk Dao de Djing eingehen. Besonderes Augenmerk lege ich dabei auf das Prinzip des „nicht-Handelns“ (Wu Wei), welches einen Gegensatz zur westlichen Handlungstheorie darstellt.
Als zweite geistig-philosophische Strömung Ostasiens beschäftige ich mich mit dem Konfuzianismus, sowie mit seinem Begründer und Namensgeber. Dabei wird deutlich, dass Konfuzius eine eher ethisch-politische, als eine religiös-philosophische Lehre aufstellt, gleichzeitig aber auch eine bestimmte Idee von dem Menschen und seinen Handlungen im Weltganzen verfolgt. Demzufolge, werde ich vor allem auf die konfuzianische Werteordnung und deren wichtigsten Tugenden eingehen.
Der zentralen Teil des zweiten Hauptteils ist unter dem Oberbegriff Buddhismus zusammengefasst. Nach einer kurzen Einführung und der Darstellung der Grundzüge des Buddhismus, werde ich Hinayana und Mahayana Buddhismus voneinander abgrenzen.
Als Schwerpunkt des Buddhismus-Abschnittes betrachte ich die Karmalehre, bei welchem schließlich auch wieder zwischen Hinayana und Mahayana unterschieden wird.
2. Westliche Handlungstheorie
2.1 Hintergrund westlicher Handlungstheorie
Als Handlungstheorie lässt sich eine Gruppe soziologischer Theorien bezeichnen, die ihr gemeinsames Merkmal darin finden, dass sie gesellschaftliche Systeme auf soziales Handeln in sozialen Situationen zurückführen und dabei Organisationen, Institutionen und soziale Strukturen aus der Perspektive sozialer Akteure zu erschließen versuchen. Blickt man zurück in die Geschichte der Handlungstheorie, lassen sich verschiedene Hauptentwicklungslinien der systematischen Beschäftigung mit den Grundfragen des menschlichen Handelns erkennen. In der Entdeckung der Person als Grund des Handelns durch den griechischen Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.) wird die Geburtsstunde der Handlungstheorie vermutet. Die Hauptaspekte seiner Nikomachischen Ethik beziehen sich auf die Erkenntnis der Wahlfreiheit der Person zur Entscheidung von Zwecken und Mitteln einer Handlung. Weiterhin proklamiert er die Zurechnungsfähigkeit einer Person, die er als zureichenden Grund des Handelns ansieht. Diese kritische Auseinandersetzung mit der Verantwortungszuschreibung einer Handlung ließ bald darauf den Gedanken aufkommen, wie sich denn diese Wahlfreiheit des handelnden Menschen mit der Annahme einer durchgehenden Bestimmtheit des Weltgeschehens vertragen würde. Dieser Gedanke bewegte vor allem die mittelalterliche christliche Theologie und streute seine Ausläufer (mit der zentralen Frage: Wie kann der Schöpfer-Gott das Böse zulassen?′) sogar bis in die Neuzeit hin zu Luther, Calvin und der katholischen Theologie und Religionsphilosophie.
Im 16. Jahrhundert findet eine moderne wissenschaftliche Beschäftigung mit der Theorie des Handelns ihre Anfänge. Es bilden sich Grundkategorien von Fragestellungen heraus, die immer größere Bereiche der Wirklichkeit als diesseitig erfassen. In den Fokus rückt der individuelle Mensch, der in einem weltlichen Staat, einer Gesellschaft, handelt. Schlüsselfigur dieser neuen Perspektive, d.h. Begründer einer handlungstheoretisch ausgerichteten Sozialwissenschaft, ist Nicolo Machiavelli (1469 – 1527). Überzeugt, dass (v.a. politisches) Handeln von unterschiedlichen (v.a. religiösen) Motiven geleitet wird, arbeitet er in seinem Hauptwerk ‚Il Principe′ (1513) Strategien zu einem erfolgreichen politischen Handeln ohne Berücksichtigung moralischer Prinzipien heraus.
2.2 Handlung und Ereignis
Bevor man eine Handlung ethisch beurteilt, muss man sie bezüglich der Allgemeinheit unterscheiden. Es ist zu unterscheiden zwischen Handlungsindividuen, Handlungstypen mit Eigennamen und Handlungstypen ohne Eigennamen. Die Ethik interessiert sich ausschließlich für Handlungstypen ohne Eigennamen.
Des weiteren ist eine Bewertung des Handlungstypen erst bei hinreichender Spezifikation möglich. Die Spezifikation muss den Konflikt deutlich machen. Sie muss die Situation des Handelnden so beschreiben, dass die verschiedenen Möglichkeiten deutlich werden, vor denen er steht. Erst, wenn in der Beschreibung der Handlung die konkurrierenden Güter und Ziele deutlich werden, kann die Handlung moralisch beurteilt werden. x tötet y wäre demnach eine generelle Handlung. x tötet y aus Notwehr ist eine spezifische Handlung und lässt eine Beurteilung zu. Prima-facie Urteile geben also keine Antwort auf die Frage, ob ein Handlungstyp sittlich richtig ist oder nicht.
Alle Handlungen, so unterschiedlich sie auch sind, haben eine gemeinsame elementare Grundstruktur.
1.Element: Eine Person übt eine Kausalität aus
2.Element: Durch die Kausalität wird ein Prozess verursacht
3.Element: Aus diesem Prozess resultiert ein anderer Zustand der Welt
Eine Handlung ist demnach eine von einer Person verursachte Veränderung des Zustands der Welt. Wie jedoch das folgende Beispiel zeigen soll, ist diese Bestimmung zu allgemein gefasst.
(1) Eine Person verursacht einen Verkehrsunfall
(2) Eine Person verursacht einen Verkehrsunfall, um die Versicherung zu betrügen
Beide Beispiele weisen die eben genannte Grundstruktur auf. In beiden Fällen handelt es sich um eine kausale Beziehung. Beim ersten Beispielsatz lässt sich die Kausalkette jedoch weiterführen. So wurde der Unfall vielleicht verursacht, weil der Fahrer abgelenkt war, weil er telefoniert hat; er hat telefoniert, weil er seiner Frau zum Geburtstag gratulieren wollte, usw. Beim zweiten Satz ist das nicht möglich. Die Kausalkette hört vielmehr beim Handelnden selbst auf. Die Ursache ist nicht ein Ereignis, dass wiederum von einem anderen Ereignis verursacht ist, sondern eine Person. Der Handelnde ist Ursprung und Ursache seiner Handlung.
2.3 Der Begriff des Freiwilligen
Thomas von Aquin geht vom Begriff des Prozesses (motus) aus, und er unterscheidet zwischen spontanen und von außen verursachten Prozessen. So fällt zum Beispiel ein Stein auf grund seiner Schwerkraft spontan nach unten, oder er wird von einer äußeren Ursache nach oben geworfen. Von diesen beiden Bewegungsarten unterscheidet er eine dritte: die Bewegung auf grund der Vorstellung eines Ziels. Zu einer solchen Bewegung ist nur ein Wesen im Stande, das den Ursprung der Bewegung in sich selbst hat. Diese Form der Bewegung lässt sich also nicht mit dem Begriff der Ereigniskausalität erklären. Ursprung der Bewegung ist also nicht ein äußeres Ereignis, sondern eine dem Wesen innere Neigung. Eine Bewegung die auf Neigung beruht, wird als freiwillig bezeichnet. Die Vorstellung des Ziels ist also das Merkmal, das Handlungen von anderen Prozessen unterscheidet.
Bevor ich zu der Frage komme, unter welchen Bedingungen Nichtwissen die Freiwilligkeit aufhebt, möchte ich noch die beiden Begriffe Freiwillig und Absicht voneinander abgrenzen.
Was zunächst auffällt ist, dass es sich bei dem einen Wort um ein Adjektiv und bei dem anderen um ein Substantiv handelt. „Freiwillig“ ist eine Eigenschaft der Handlung, die von der Handlung nicht getrennt werden kann; eine Handlung ist entweder freiwillig oder unfreiwillig. Dagegen ist die Intention ein von der Handlung verschiedener Akt. Absicht und Ausführung der Handlung können zeitlich auseinanderfallen; wir können eine Absicht haben und dennoch die beabsichtigte Handlung nicht, oder erst Jahre später ausführen. Die Handlung kann die Absicht erreichen, sich ihr lediglich annähern oder sie gänzlich verfehlen. Dies macht deutlich, dass zwischen Handlung und Absicht zu differenzieren ist. Freiwillig ist jedoch, wie schon gesagt, eine Eigenschaft der Handlung. Auch eine unfreiwillige Handlung ist eine Handlung. Hier gibt es also keine Differenzia specifica der Handlung, jedoch unterliegen ausschließlich freiwillige Handlungen einer sittlichen Bewertung. Zusammengefasst kann man sagen, dass ein Prozess dann freiwillig ist, wenn die Ursache im Handelnden liegt (Wollen) und er die Einzelumstände der Handlung kennt (Wissen). Ob eine Handlung nun freiwillig oder unfreiwillig ist, hängt also vor allem vom Wissen des Handelnden ab. Unter welchen Umständen hebt nun Nichtwissen die Freiwilligkeit auf?
Thomas von Aquin unterscheidet drei Formen des Nichtwissens. Dabei ist der entscheidende Gesichtspunkt, wie sich das Nichtwissen auf den Willen auswirkt.
Die erste Möglichkeit ist, dass das Nichtwissen begleitend (concomitante) auftritt. Das Wollen ist hier nicht Ursache des Nichtwissens, aber die ohne Wissen ausgeführte Handlung wird von einem habituellen Wollen begleitet, das die Handlung bejaht. Solche Handlungen sind nach Thomas von Aquin und Aristoteles nicht unfreiwillig (involuntarium), denn sie werden von eben diesem habituellen Wollen begleitet. Sie sind aber auch nicht freiwillig (voluntarium), weil sie nicht auf einem aktuellen Wollen beruhen, denn dies kann sich nur auf einen gewussten Inhalt richten. Ein Beispiel für das begleitende Nichtwissen wäre ein Jäger, der unwissendlich statt dem Wild seinen Feind erschießt, dies jedoch wollte. Nichtwissen und Wollen verlaufen in diesem Fall parallel; es besteht keine Kausalbeziehung in einer der beiden Richtungen (zufällig).
Die zweite Möglichkeit ist, dass das Nichtwissen folgend (consequenter) auftritt. In diesem Fall ist die Unwissenheit eine Folge des Wissens; sie ist selbst gewollt. Hier unterscheidet Thomas von Aquin zwei Formen: 1.Die ignorantia affectata (gesucht). Die Unwissenheit ist beabsichtigt, um sich nachher mit der Unwissenheit entschuldigen zu können.
2.Faktoren der Nachlässigkeit. Man weiß etwas nicht, dass man wissen könnte (Möglichkeit) und wissen müsste (Pflicht).
Die dritte Möglichkeit ist schließlich, dass das Nichtwissen vorhergehend (antecedenter) auftritt. Die Unwissenheit „geht“ dem Wollen „voran“, ist also in keiner Weise gewollt. Diese Unwissenheit hebt die Freiwilligkeit auf, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
1. Die Person hat sich nach besten Kräften und entsprechend ihrer Pflicht informiert. 2. Die Unwissenheit ist notwendige Bedingung des Tuns: Wenn die Person die Umstände gekannt hätte, hätte sie es nicht getan. 3. Sie bedauert nach Aufklärung die eingetretenen Folgen.
2.4 Handlungsfolgen
Die Folgen stellen einen entscheidenden Moment für die sittliche Beurteilung der Handlung dar. Unabhängig von allen moralphilosophischen Theorien sagt uns unser alltägliches Bewusstsein, dass ein Mensch für die Folgen seiner Handlungen verantwortlich ist. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Folge einer Handlung das einzige Kriterium ist, anhand derer wir entscheiden, ob eine Handlung sittlich richtig oder falsch ist. Oder brauchen wir außer den Folgen noch andere Gesichtspunkte, und wenn ja, welche? Die moralphilosophische Diskussion unterscheidet hier zwischen zwei Fragen:
(a) Sind die Folgen der Grund des sittlichen Handelns, d. h. beruht die Verbindlichkeit auf ihrer Folgen (folgenbasierte Ethik).
(b) Sind die Folgen Kriterium des sittlichen Handelns (folgeorientierte Ethik)? Und wenn ja, sind sie das einzige Kriterium, oder sind außer den Folgen noch andere Gesichtspunkte relevant?
Wie immer diese Kontroverse zu entscheiden ist, auf jeden Fall sind die Handlungsfolgen für die sittliche Beurteilung einer Handlung von großer Bedeutung. Es ist deshalb notwendig, diesen Begriff zu klären.
2.4.1 Vorhersehbarkeit
Handeln ist eine Form der Kausalität; der Handelnde greift durch die Bewegung seines Körpers in den Ereigniszusammenhang der Welt ein. Für Aristoteles stellt der Bewegungsursprung eine freiwillige Handlung dar. Von daher ergibt sich ein erster, weiter Begriff der Handlungsfolgen. Demnach sind Folgen einer Handlung alle Veränderungen oder Zustände, die nicht eingetreten wären, wenn die Handlung nicht stattgefunden hätte, d. h. für welche die Handlung notwendige Bedingung ist. Dieser Begriff ist jedoch zu weit. Er beschränkt sich auf die wirkursächliche Betrachtung, ohne das Wissen (Vorhersehbarkeit vor allem der negativen Folgen) und Wollen der Person einzubeziehen. In Betracht zu ziehen sind hier folgende Gesichtspunkte:
(a) Hat die handelnde Person die Folgen tatsächlich vorhergesehen? (b) Konnten die Folgen an sich, d. h. auf grund des allgemeinen Wissenstandes, vorhergesehen werden? (c) Warum ist handelnde Person nicht auf der Höhe des allgemeinen Wissenstandes? Ist es ihr zuzurechnen, dass sie die Folgen nicht vorhergesehen hat? Hat sie sich entsprechend dem Gewicht der Sache informiert? Innerhalb von (b) ist noch mal zu unterscheiden: war es möglich, die Folgen des Handelns zu überblicken, oder musste man, wie zum Beispiel bei der Anwendung neuer Technologien, mit bisher nicht bekannten Folgen rechnen? Hier ist folgende Unterscheidung wichtig: man sieht nicht, dass sich negative Folgen ergeben – man sieht, dass nicht, d. h. dass sich keine negativen Folgen ergeben können. Je grundlegender die Güter (z.B. die ökologischen Voraussetzungen des menschlichen Lebens) sind, die auf dem Spiel stehen, um so sicherer müssen negative Folgen ausgeschlossen werden.
Hans Jonas hat darauf hingewiesen, wie schwer diese Forderung zu erfüllen ist. Es bestehe eine Kluft zwischen unseren technischen Möglichkeiten und dem Vorherwissen um die Folgen. Er unterscheidet zwischen einer Nahprognose und einer Fernprognose, welche niemals die Sicherheit der Nahprognose erreichen könne, und er nennt als Grund dieser Unsicherheit die auch jeder elektronischen Rechenkunst spottende Komplexität der gesellschaftlichen und biosphärischen Wirkungsganzheit.
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- Arbeit zitieren
- Stefan Rumpfinger (Autor:in), 2003, Westliche Handlungstheorie in Gegenüberstellung mit ostasiatischen Ethikauffassungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24962
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