Diese Arbeit beschäftigt sich in der Hauptsache mit der sozialen Konstruktion der Geschlechtlichkeit – mit der Ethnomethodologie beginnend und dann insbesondere der Weiterführung und Ergänzung durch Stefan Hirschauer und Gesa Lindemann. Beide fokussieren die Erhebung von empirischen Daten über die soziale Konstruiertheit von individuellen Strukturen und Konzepten, insbesondere derer des Geschlechts. Ihre empirischen Daten gewinnen sie durch die Interviews mit Transsexuellen, die ihre Empfindungen, Erlebnisse und Probleme berichten. Die erbrachten Forschungsergebnisse bzgl. der Entstehung von Geschlecht sind dabei mehr Mittel bzw. Nebenprodukt als primäres Ziel der Forscher. Die Ergebnisse dienen der Erforschung des Entstehungsprozesses von Konstruktionen bzw. Konzepten, deren Träger wir alle mehr oder weniger sind. Diese Arbeit zielt genau auf diese Ergebnisse bzgl. der Entstehung von Geschlechtlichkeit.
Inhalt
1. Einleitung
1.1 Politisch-historischer Bezug
1.2 Zur vorliegenden Arbeit
2. Mikrotheorie und Geschlechtersoziologie
2.1 Mikrotheoretische Grundlagen
2.2 Mikrotheoretische Geschlechtersoziologie
3. Ethnomethodologie
3.1 Ethnomethodologische Grundlagen
3.1.1 Konstruiertes Geschlechter
3.1.2 Grundlage der Geschlechterdarstellung
3.3 Das Krisenexperiment
4. Die Geschlechterkonstruktion bei Hirschauer
4.1 Empirischer Konstruktivismus
4.2 Sex and Gender
4.3 Der reflexive Zirkel
4.3.1 Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtszuständigkeit
4.3.2 Geschlechtsdarstellung
4.3.3 Geschlechtsattribution
4.3.4 Stabilität der zirkulären Geschlechterkonstruktion
4.4 Kritik
4.4.1 Fehlende politische Thematisierung
4.4.2 Die Konstruktion durch Normen
5. Die Geschlechterkonstruktion bei Lindemann
5.1 Zur Einführung
5.2 Die Leibphänomenologie
5.2.1 Unterscheidung von Leib und Körper
5.2.2 Schlussfolgerungen
5.3 Kern der Theorie
5.3.1 Die Verschränkung von Leib und Körper
5.3.2 Wirklichkeit als leibliche Verstrickung
5.3.3 Stabilität durch verinnerlichte soziale Kontrolle
5.3.4 Transsexuelle als Krisenexperimente
5.4 Kritik
6. Ergebnisse
6.1 Zusammenfassende Kritik
6.2 Der sozialpädagogische Bezug
6.3 Politische Diskussion
7. Schlussbemerkung
Literatur
Anhang
1. Einleitung
1.1 Politisch-historischer Bezug
Mit dem Einsetzen der Ausdifferenzierung von Familie im Zuge des Industrialisierungsprozesses im 18. und 19 Jh. und des `bürgerlichen Familiensystems´ beginnt die sich seitdem immer weiter fortschreitende Diversifizierung von Funktionen und Aufgaben quer durch die Gesellschaft. Ausgangs- und Kristallisationspunkt dieses Prozesses ist bis heute die bereits seit dem prähistorischen Paläolithikum eingesetzte Separation von „Männerarbeit“ bzw. „Frauenarbeit“ mit der heute üblichen Aufgabenteilung von Unterhaltserwerb durch den Mann und „Kultivierung des Häuslichen“ durch die auf das Haus beschränkte Frau.
Seitdem diese bürgerliche Familienideologie entstand, gab es jedoch immer wieder Frauen, die sich für eine politische Gleichberechtigung und Teilhabe von Frauen am öffentlichen Leben organisierten (zuerst bürgerliche, dann auch proletarische Frauenbewegung; s. Seminar) und vorhandene Restriktionen bekämpften. Diese Frauenbewegungen setzten sich in unterschiedlichen Formen und Vorzeichen bis in unsere Zeit fort, wo man sich sozial- und geisteswissenschaftlich mit der Frage nach der sozialen Konstruktion von Geschlecht u.a. als Voraussetzung dieser Aufgaben- und Leistungs- diversifikation vor allem entlang des Geschlechts beschäftigt.
1.2 Zur vorliegenden Arbeit
Diese Arbeit beschäftigt sich in der Hauptsache mit der sozialen Konstruktion der Geschlechtlichkeit - mit der Ethnomethodologie beginnend und dann insbesondere der Weiterführung und Ergänzung durch Stefan Hirschauer und Gesa Lindemann. Beide fokussieren die Erhebung von empirischen Daten über die soziale Konstruiertheit von individuellen Strukturen und Konzepten, insbesondere derer des Geschlechts. Ihre empirischen Daten gewinnen sie durch die Interviews mit Transsexuellen, die ihre Empfindungen, Erlebnisse und Probleme berichten. Die erbrachten Forschungsergebnisse bzgl. der Entstehung von Geschlecht sind dabei mehr Mittel bzw. Nebenprodukt als primäres Ziel der Forscher. Die Ergebnisse dienen der Erforschung des Entstehungsprozesses von Konstruktionen bzw. Konzepten, deren Träger wir alle mehr oder weniger sind. Diese Arbeit zielt genau auf diese Ergebnisse bzgl. der Entstehung von Geschlechtlichkeit.
2. Mikrotheorie und Geschlechtersoziologie
2.1 Mikrotheoretische Grundlagen
Die Mikrosoziologie zielt auf die Interdependenzen intersubjektiven Handelns durch unvermittelte Kommunikation in face-to-face-Situationen, die in ihrer Abhängigkeit von umgebenden sozialen Strukturen analysiert werden (Bublitz, 2000, S. 86).
Nach meiner Seminarmitschrift gilt es auf der Mikroebene, die Individualität von Erfahrung, die in Abhängigkeit bestimmter Reizkonstellationen und deren subjektiver Interpretation bzw. Reizverarbeitung aufgrund Vorwissen, Vorerfahrung und bereits vorhandener Persönlichkeitsmerkmale entstehen, in ihrer Bedingtheit zu verstehen. Das Individuum konstruiert auf der Grundlage der Ergebnisse eines ununterbrochenen Interpretationsprozesses (Erfahrungen) eine eigene soziale Wirklichkeit (vgl. Begriff der Lebenswelt von E. Husserl). Diese in direkter Kommunikation geschaffenen zunächst personeninternen Strukturen werden zunehmend entäußert und so intersubjektiv auch bereits mikrosoziologisch und im Bereich der Mezzo-Ebene (Familie) verfestigt und formalisiert.
Die Mikrotheorien gehen im weiteren davon aus, daß sich makrotheoretische Strukturen (Soziales/Gesellschaft) jeweils durch einzelne, an Individuen bestimmbaren Bedürfnissen, Motiven und Handlungen konstituieren. „Aussagen über soziale Sachverhalte sind letztlich rückführbar auf Aussagen über Individuen.“ (Garfinkel, 1967, S. 288), wenn man aus mikrotheoretischer Sicht von autonom handlungsf Ähigen Subjekten und deren komplexen Kommunikations- und Interpretationszirkeln ausgeht. Makrotheoretische Erklärungsmuster auf der Grundlage der Dynamik und des Einflusses gesellschaftlicher Strukturfunktionen und kollektiv-verbindlicher Normen auf das subjektive Handeln werden abgelehnt oder zumindest außer Acht gelassen.
Hier sei auch auf das `individualistische Programm´ der Soziologie verwiesen. Denn eine Grundannahme dieses Programms ist essentiell für diese Arbeit. Das Bewusstsein darüber, dass Gesellschaft als Begriff keine ontologische Wirklichkeit ist, sondern - als ein hypothetisches Konstrukt der Soziologie - ein mehr oder weniger zutreffendes Abbild für eine intersubjektive Realität.
2.2 Die mikrotheoretische Geschlechtersoziologie
Die mikrotheoretische Geschlechtersoziologie untersucht die alltäglichen Situationen und Bedingungen, in denen das Geschlechterverhältnis eine Rolle spielt. Ergebnisse der Frauenforschung, der Anthropologie und Ethnologie (M. Mead 1958 und Kessler/McKenna 1978) verweisen darauf, daß gesellschaftliche Geschlechtszuschreibungen nicht universal sind. Zweigeschlechtlichkeit und geschlechtsspezifische Sozialisationen sind nicht kulturübergreifend und unveränderbar. Feldforschungen und Berichte der oben genannten AutorInnen belegen dies.
In neueren Lexika gilt Geschlecht als archetypische bipolare Kategorisierung jeden Lebens, aber in ihrer historisch-sozialen Ausgestaltung veränderbar (vgl. Bertelsmann-Lexikon, 1994, S. 3583). Die feministische Mikrosoziologie lehnt darüber hinaus jede natürliche Gegebenheit von Geschlechtlichkeit ab und definiert diese als sozial konstruiert (vgl. Gildemeister 1986, Hagemann-White 1988) und von den Individuen „mitgemacht“. Man lehnt die Annahme angeborener und kulturübergreifend vorhandener Geschlechtsunterschiede ab. (vgl. Bublitz, 2000, S. 84).
3. Ethnomethodologie
3.1 Ethnomethodologische Grundlagen
Harold Garfinkel und seine Mitarbeiter prägten Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts den Begriff der Ethnomethodologie zur Charakterisierung ihrer wissenschaftlichen Arbeit, die die Routinehandlungen des menschlichen Alltags fokussierte. „Ethnomethodologische Studien untersuchen alltägliche Handlungsweisen sichtbar rational und berichtbar für alle praktikablen Zwecke, d.h. erklärbar, als Organisationsform alltäglicher Alltagshandlungen zu machen.“ (Garfinkel, 1967, S. 283). Nach Lindemann muss es daher der Ethnosoziologie darum zu tun sein, sich das Vertraute fremd zu machen, um auf die Konstruiertheit der Alltagswelt zu stossen (vgl. Lindemann 1993b, S.18).
Für Garfinkel verweist das „Ethno“ dabei auf das jeweilige Routinewissen eines Mitglieds der Gesellschaft und wie es dieses einsetzt. Handlungen und Interaktionen unter Gesellschaftsmitgliedern funktionieren nur auf der Grundlage eines bestimmten `Wissenspools´, „... das sich die Gesellschaftsmitglieder gegenseitig als selbstverständlichen und sicheren Wissensbestand unterstellen müssen, um überhaupt agieren zu (...) können.“ (AG Bielefelder Soziologen, 1973, S. 20).
3.1.1 Konstruierte Geschlechter
Nach der Ethnomethodologie ist Geschlecht nichts `natürlich Gegebenes´, sondern eine soziale Konstruktion. Die jeweilige gesellschaftliche Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit ergibt sich demnach nicht zwangsläufig aus der formellen Geschlechtszuschreibung anhand primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale. Ist soziale Wirklichkeit über Kommunikation entstanden, dann ist sie sprachlich vermittelt und als solche nur Abbild bzw. Symbol von Wirklichkeit. Die objektivierte bzw. vergegenständlichte Wirklichkeit auch des eigenen Lebens ist somit illusionär.
Gegen den Körper als geschlechtliche Basis spricht, dass die kulturelle Existenz der Zweigeschlechtlichkeit nicht aus den Genitalien folgt. Denn die Genitalien sind nicht aufgrund ihrer Gestalt Anzeiger für Geschlecht. Nur im kulturellen Zusammenhang, in dem Vagina für Frau und Penis für Mann steht, und aufgrund einer gesellschaftlichen Zuschreibungspraxis bei der Geburt erlangen die Genitalien die Bedeutung von Geschlechtsanzeigern. Die natürlichen Unterschiede sind somit ein Rückgriff auf kulurell gesetzte Zeichen. Ausserdem spricht dagegen, dass biologisches Wissen kein Faktum ist, sondern dem Alltagswissen folgt und insofern ebenfalls nicht a priori gegeben ist. Denn um biologische Geschlechtsunterschiede zu finden, muss die Idee eines Unterschiedes vorhanden sein. Die Unterscheidung von zwei Geschlechtern anhand der Körper setzt ein Wissen um die Geschlechterdifferenz und deren Wichtigkeit voraus (vgl. Lindemann, 1993a, S. 45).
3.1.2 Grundlagen der Geschlechtsdarstellung
Aus 3.1.1 folgt, Körper und Gegenstände haben kein Geschlecht, sondern ihre Männlichkeit und Weiblichkeit muss dargestellt und wahrgenommen werden. Dies gilt auch für die Bereiche des Körpers, die unserem Alltagswissen zufolge eine eindeutige Vergeschlechtlichung ermöglichen. Bei Garfinkel werden die Genitalien als „kulturelle Ereignisse“ aufgefasst (vgl. Lindemann, 1993b, S.22 u. 1993a, S. 45) Genitalien werden dabei Personen unterstellt, die ihr Geschlecht überzeugend darstellen (im Sinne von zeigen), ohne dass für diese Unterstellung die Körperpartie im Alltag näher in Augenschein genommen werden kann. Für die Darstellung ihres Geschlechts werden „indexikalische Ausdrücke“ genutzt, d.h. Mittel, die eines der beiden Geschlechter anzeigen. Dies kann Kleidung, Sprache, Mimik, aber auch der Körper sein (vgl. Lindemann, 1993a, S. 45). Zur Darstellung der Geschlechter „... stehen indexikalische Asdrücke, die reflexiv auf die Situation bezogen sind, und Darstellungen in einem zirkulären, sich wechselseitig voraussetzenden Verhältnis, denn Darstellungen bringen Situationen vermittels indexikalischer Ausdrücke hervor, ...“ (Lindemann, 1993, S. 45). Die Unterstellung, d.h. der kulturelle Besitz der Genitalie, verpflichtet den Besitzer zu weiteren Geschlechterdarstellungen (s. 4.3.1).
Die indexikalischen (symbolischen) Ausdrücke und die Darstellung setzen einander wechselseitig voraus (vgl. Lindemann, 1993a, S. 45). Damit eine rational verstehbare Situation entsteht, muss der Sinn der Darstellung und der Sinn der indexikalischen Ausdrücke aufeinander bezogen sein. Der Geschlechtskörper kann nicht losgelöst von einem kulturellen Zusammenhang betrachtet werden, (der Körper gibt sich nicht als männlich oder weiblich zu erkennen), sondern erhält Sinn nur im Zusammenhang sozialer und sinngebender Kontexte. „Für den hier interessierenden Zusammenhang wäre das entscheidende Kontextwissen: `Es gibt nur zwei und nur zwei Geschlechter, denen wir jeweils lebenslänglich angehören.´“ (Lindemann, 1993a, S. 45).
Des weiteren muss Geschlecht auch im Alltag dauerhaft und zuverlässig unterscheidbar sein. Die notwendige Unterscheidungspraxis durch definierte Handlungsmuster im Alltag funktioniert dabei unabhängig von der Körperform bzw. den primären Geschlechtsanzeigern und ermöglicht dadurch die Produktion sogenannten „natürlichen“ Wissens.
3.3 Das Krisenexperiment
Ein Krisenexperiment ist ein Verfahren der Ethnomethodologie mit dem Alltagswelt methodisch erforscht werden soll. Um die Selbstverständlichkeit des Alltags herauszuarbeiten, werden selbstverständliche und unhinterfragte Handlungen in einem Experiment gestört. Dies geschieht, indem die Verhaltenserwartungen der Teilnehmer konsequent nicht erfüllt werden (vgl. AG Bielefelder Soziologen, 2000, S. 29; Lindemann, 1993a, S. 46).
Um die Geschlechterkonstruktion sichtbar zu machen, werden ebenfalls Alltagsroutinen verfremdet. Diese Verfremdungen bzw. Krisenexperimente erzeugen die Forscher durch von ihnen initiierte und gelenkte Krisen, die in standardisierten Forschungssettings ablaufen. Im Bereich des Konstruktions- prozesses von Geschlecht greifen die Forscher und im folgenden auch Hirschauer und Lindemann auf Beobachtungen bei Krisenexperimenten mit Transsexuellen zurück. Die Transsexualität zeigt hierbei auf, dass „... ein der Alltagstheorie vollends widersprechendes Phänomen in sozialer Interaktion eben dieser Alltagstheorie neu untertworfen wird.“ (Hagemann-White, zit. n. Bublitz, 2000, S. 85). Hirschauer und auch Lindemann führen insofern die ethnomethodologischen Studien und Begrifflichkeit von Garfinkel, Goffman und Kessler/McKenna weiter.
4. Die Geschlechterkonstruktion bei Hirschauer
4.1 Empirischer Konstruktivismus
Empirischer Konstruktivismus erforscht die Konstruktionsprozesse und
-leistungen (hier die thematisierte Geschlechterkonstruktion) der Teilnehmer anhand empirisch erhobener Daten, die durch Interviews, Fragebogen oder Beobachtung gewonnen wurden. Als Ausgangspunkt dient die Hypothese der Ethnomethodologie, dass eine sogenannte `objektive (ontologische) Wirklichkeit´
außerhalb von sozialer Konstruktion durch Handlungen der
Kommmunikationsteilnehmer nicht existent ist (vgl. Lindemann, 1993b, S. 22-24). Hirschauer und Lindemann greifen in ihren Arbeiten auf diese Grundthesen der Ethnomethodologie (s.o) zurück, um sie durch empirisch gewonnene Daten weiterzuentwickeln und ihre mikrosoziale Ausgangsthese durch makrosoziale Ph Änome zu erweitern.
4.2 Sex and Gender
Hirschauers Ausgangsthese und die der Ethnomethodologie von Garfinkel entsprechen sich in ihrer Grundthese, dass Geschlecht nichts „natürlich“ Gegebenes, sondern eine soziale Konstruktion ist. Anders als bei Garfinkel (Ethnomethodologie) integriert Hirschauer jedoch die von Kessler/McKenna bekannt gemachten Begriffe `sex´ und ´gender´ in seinem zirkulären Erklärungsmodell und erweitert den von diesen eingeführten Attributionsprozess (vgl. Hirschauer, 1989, S. 103). Das körperliche Geschlecht (engl. sex) ist dabei nicht Grundlage für das soziale Geschlecht (engl. gender), sondern Wirkung bzw. Effekt der sozialen Hervorbringung von Geschlecht. Als Gründe benennt er (vgl. Hirschauer, 1989, S. 101-103):
I. Nur im kulturellen Kontext und einer gesellschaftlich tradierten
Zuschreibungspraxis bei der Geburt erlangen die Genitalien ihre Bedeutung von sich gegenseitig bestätigenden Geschlechts- anzeigern. Diese können als `kulturelle Genitalien´ die Bedeutung der biologischen Geschlechtsmerkmale negieren (vgl. Hirschauer, 1989, S. 105).
II. Das biologischen Wissen um das körperliche Geschlecht `Sex´ folgt dem Alltagswissen und ist kein Faktum. Die persönliche Geschlechtszuschreibung basiert auf einer vorausgegangenen sozialen Trennung von Geschlecht. Diese Konstruiertheit ist dabei erkennbar in Krisenexperimenten, durch die Beobachtung bei „... Betrachtern von Transsexuellen, sich an Geschlechtsindizien zu orientieren...“ (Hirschauer, 1989, S. 106).
III. Die Geschlechter werden im Alltag ununterbrochen unterschieden und bestätigt. Dies ermöglicht die Produktion von „natürlichem Wissen“, das ab einem bestimmten Grad an Verinnerlichung von Wissen entsteht.
Die durch zwischenmenschliche Beziehungen entstehende Konstruktion wird in der Fachliteratur unter „ doing gender “ zusammengefasst. „ Doing gender “ bezeichnet den sozialen Entstehungsprozess von Geschlecht, das sich in alltäglichen Routinen selbst hervorbringt. Doing gender ist in dieser Argumentation „... eine fortlaufende Praxis der Herstellung sexuierter Individuen und sozialer Arrangements, die den (unbequemen) Gedanken der „Mittäterschaft“ noch radikalisiert.“ (Hirschauer, 1993, S. 56). Deshalb war dieser Begriff auch ein geeignetes Instrument des politischen Feminismus gegen das Postulat natürlich gegebener Geschlechterdifferenz.
4.3 Der reflexive Zirkel
4.3.1 Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtszuständigkeit
In den Konstruktionsprozessen werden jeweils eine Handlungs- und eine Beziehungsebene unterschieden. Das Entstehen der Geschlechtszugehörigkeit und -zuständigkeit ist ein interaktiver Prozess. Dieser Konstruktionsprozess und die Leistungen der Teilnehmer sind Gegenstand der Analyse Hirschauers. „Es soll gezeigt werden, daß die Geschlechtszugehörigkeit der Teilnehmer wesentlich Effekt interaktiver Leistungen ist, durch die kulturelle Bedeutungen in Geschlechtsattributionen zugeschrieben und in Geschlechtsdarstellungen gezeigt werden.“ (Hirschauer, 1989, S. 102). Die Geschlechtszuständigkeit beschreibt die Relation zwischen DarstellerInnen und Ressourcen (geschlechtsspezifische Ansprüche, Rechte und Pflichten) als auch die Beziehung zwischen den DarstellerInnen und BetrachterInnen (Abb. 1 u. 3; vgl. Hirschauer, 1989, S.112). Niemand hat sein Geschlecht allein, denn es muss ihm von BetrachterInnen verliehen bzw. zugestanden werden.
Durch die Leistung der Darstellung und Attribution und mittels sozialer Beziehungen entsteht im Alltag Geschlecht im Prozess als Konstruktion und im Ergebnis als Konzept. Der Prozess wird dabei durch das Grundwissen um die Zweigeschlechtlichkeit bzw. Geschlechterdichotomie als objektive bzw.
ontologisch bezeichnete Wirklichkeit - der Realität! - gesteuert. Zur Voraussetzung für die Teilhabe an diesem Konstruktionsprozess ist nach Hirschauer eine eindeutige Geschlechtsidentit Ät notwendig.
Geschlechtszust Ändigkeit wird in diesem Zusammenhang als der gesellschaftliche Zwang, das eigene Geschlecht zu verkörpern, definiert. (siehe Bedeutung sozialer Kontrolle!). „Darstellungen von Geschlechtszugehörigkeit sollen daher als ihre Konstruktion verbergende Prozesse aufgefaßt...“ Hirschauer, 1989, S. 105) werden, die die Darstellungseffekte als „... etwas Außersozialem `naturalisieren´...“ (Hirschauer, 1989, S. 105).
Ein bestimmtes Geschlecht ist ein durch die kompetente Darstellung (in den Augen eines Betrachters) legitimierter und zur Fortführung verpflichteter Darsteller eines Geschlechterbildes (vgl. Hirschauer, 1989, S. 113). Besitzt demnach ein Mann aufgrund seiner körperlich-genitalen Legitimation das Recht den Titel `Mann´zu tragen, so hat er auch die Pflicht, sich als solcher den BetrachterInnen erkennen zu geben.
In diesem Zusammenhang fragt er, wie Geschlechterdarstellungen sozial strukturiert sind. Er findet in der Folge vier Trägheitsmomente sozialer Strukturen, die in den Darstellungen verwendet werden und zur Stabilität der sozialen Ordnung der konstruierten Geschlechterdichotomie beitragen: Gedächtnis (Körper, Akten, Mitwisser), Wissenschaft (produziertes Wissen über den Körper), semiotischer Weisungszusammenhang (Zeichen), Darstellungsrepertoires, die in einem kulturellen Kontext bekannt sind (vgl. Hirschauer, 1989, S.104-105).
[...]
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- Boris Hohenleitner (Autor), 2004, Die Geschlechterkonstruktion in der Mikrotheorie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24932
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