„Die Geschichte ist im Kreis der Schulfächer in eine periphere, zuweilen sogar defensive Stellung geraten.“
1, so lautete 1970 die Einschätzung Joachim Rohlfes zum Defizit der Geschichtsdidaktik. Die
Situation des Geschichtsunterrichtes beschrieb er als prekär: „Die in den Schulstuben wohl noch heute
vielerorts dominierende Rolle des Lehrervortrags, die starke Betonung der Faktenvermittlung, das
große Gewicht, das pure Gedächtnisleistungen in der Zensurengebung haben, die einseitige Beanspruchung
des rezeptiven Lernens in den meisten Lehrbüchern - alle diese Erscheinungen bestätigen
den Eindruck, daß das Niveau der hervorgerufenen Lernprozesse hinter dem anderer Schulfächer
zurückbleibt.“2 Diese Kritik bildete den Hintergrund für den Paradigmenwechsel der Geschichtsdidaktik
in den 70er Jahren. Und vor diesem Hintergrund entwickelte Karl - Ernst Jeismann sein allgemeines
Verlaufsmodell des historisch - politischen Unterrichts, das bis heute nichts von seiner Bedeutung
eingebüßt hat. Die derzeitig gültigen Richtlinien für den Geschichtsunterricht in der gymnasialen
Oberstufe für Nordrhein - Westfalen basieren bis in die Terminologie hinein auf der Konzeption
von Jeismann3 und auch die neuen Richtlinien für die Sekundarstufe I haben viele Gedanken Jeismanns
aufgenommen4.
Leider hat es Jeismann unterlassen, stärkere Präzisierungen seines Modells bezüglich einer Anwendung
im Schulunterricht vorzunehmen. Dies wäre wohl für eine breite Durchsetzung seiner Ideen in
der Schulpraxis hilfreich gewesen und hätte verhindert, daß viele Lehrer seine Konzeption als ein
theoretisches Konstrukt aus dem geschichtsdidaktischen Elfenbeinturm betrachteten.
Diese Arbeit will nun versuchen, das Jeismannsche Verlaufsmodell anhand des Sachthemas „Die Jakobinerherrschaft“
umzusetzen. Nach einer kurzen Einführung in Jeismanns Didaktik sollen die sechs
Arbeitsschritte5 thematisch konkretisiert werden.
1 Rohlfes: Umrisse, 7.
2 Ebd., 9.
3 Vgl. Richtlinien: Sek. II, vor allem S. 33 / 34, 57 /58 und 68 / 69.
4 Vgl. Richtlinien: Sek. I.
5 Vgl. Jeismann: Geschichte, 87 / 88.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das allgemeine Verlaufsmodell des historisch - politischen Unterrichts von Jeismann
3. Die Umsetzung des Verlaufsmodells anhand des Sach- themas „Die Jakobinerherrschaft“
3.1 Einstiegsphase
3.2 Phase der unreflektierten Wertung
3.3 Die Organisationsphase
3.4 Die Phase der Analyse
3.5 Die Phase des Sachurteils
3.6 Die Phase der reflektierten Wertung
4. Schlußbemerkung
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Die Geschichte ist im Kreis der Schulfächer in eine periphere, zuweilen sogar defensive Stellung geraten.“[1], so lautete 1970 die Einschätzung Joachim Rohlfes zum Defizit der Geschichtsdidaktik. Die Situation des Geschichtsunterrichtes beschrieb er als prekär: „Die in den Schulstuben wohl noch heute vielerorts dominierende Rolle des Lehrervortrags, die starke Betonung der Faktenvermittlung, das große Gewicht, das pure Gedächtnisleistungen in der Zensurengebung haben, die einseitige Beanspruchung des rezeptiven Lernens in den meisten Lehrbüchern - alle diese Erscheinungen bestätigen den Eindruck, daß das Niveau der hervorgerufenen Lernprozesse hinter dem anderer Schulfächer zurückbleibt.“[2] Diese Kritik bildete den Hintergrund für den Paradigmenwechsel der Geschichtsdidaktik in den 70er Jahren. Und vor diesem Hintergrund entwickelte Karl - Ernst Jeismann sein allgemeines Verlaufsmodell des historisch - politischen Unterrichts, das bis heute nichts von seiner Bedeutung eingebüßt hat. Die derzeitig gültigen Richtlinien für den Geschichtsunterricht in der gymnasialen Oberstufe für Nordrhein - Westfalen basieren bis in die Terminologie hinein auf der Konzeption von Jeismann[3] und auch die neuen Richtlinien für die Sekundarstufe I haben viele Gedanken Jeismanns aufgenommen[4].
Leider hat es Jeismann unterlassen, stärkere Präzisierungen seines Modells bezüglich einer Anwendung im Schulunterricht vorzunehmen. Dies wäre wohl für eine breite Durchsetzung seiner Ideen in der Schulpraxis hilfreich gewesen und hätte verhindert, daß viele Lehrer seine Konzeption als ein theoretisches Konstrukt aus dem geschichtsdidaktischen Elfenbeinturm betrachteten.
Diese Arbeit will nun versuchen, das Jeismannsche Verlaufsmodell anhand des Sachthemas „Die Jakobinerherrschaft“ umzusetzen. Nach einer kurzen Einführung in Jeismanns Didaktik sollen die sechs Arbeitsschritte[5] thematisch konkretisiert werden.
2. Das allgemeine Verlaufsmodell des historisch - politischen Unterrichts von Jeismann
Das Ziel des Geschichtsunterrichts ist es nach Jeismann, „den Schüler zu befähigen, sich einmal selbständig, d. h. unter Beherrschung eines gewissen Grundbestandes an kritischem Instrumentarium, zu den Deutungen der Vergangenheit zu verhalten, die ihm in der Gesellschaft angeboten werden.“[6] Die Aufgabe des Geschichtslehrers ist es, die Schüler mit geeigneten authentischen Zeugnissen aus der jeweiligen Zeit zu konfrontieren, um die unreflektierten Einstellungen und Gefühlshaltungen von Schülern in ein reflektiertes Geschichtsbewußtsein zu überführen.[7] Dieses Postulat findet sich auch in den Richtlinien für die Sekundarstufe I wieder, in denen es heißt, das unreflektierte Geschichtsbewußtsein von Schülern „gilt es im schulischen Alltag aufzugreifen, bewußt zu machen und in ein reflektiertes Verständnis der Interdependenz zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu bringen.“[8] Allerdings verzichten diese Richtlinien auf eine Empfehlung eines Verlaufsmodells. Stattdessen werden dem Lehrer drei Konstruktionsprinzipien ( genetische Orientierung, Problemorientierung und Orientierung an Grundbegriffen ) nahe gelegt.[9]
Zur „Verdeutlichung der Methodenkonzeption des angestrebten Unterrichtsprozesses“[10] hat Jeismann sechs Arbeitsschritte entwickelt. Das Proprium seines Verlaufsmodells besteht darin, daß die Schüler, ausgehend von einer Klärung bereits bestehender Einstellungen zu einem geschichtlichen Ereignis, durch eine Analyse von Quellen zu einem Sachurteil gelangen, das sie zu einer qualifizierten Wertung des untersuchten Gegenstandes befähigt.[11] Bei den Arbeitsschritten handelt es sich jedoch um kein Formalstufenschema. Es geht darum, „die in vorsichtiger Typisierung herausmodelierte Folge unterschiedlicher Situationen, Phasen, Akte oder Schritte sowie jeden einzelnen Schritt ... je nach den spezifischen Bedingungen einer Lerngruppe und je nach Thematik inhaltlich zu konkretisieren und abzuwandeln.“[12]
Im ersten Arbeitsschritt[13] soll ein Thema oder Problem unter Berücksichtigung curricularer Vorgaben, aktueller Ereignisse und Schülerinteressen aufgegriffen werden. Hierbei soll auch im Hinblick auf eine mögliche Strukturierung des Themas eine Zugriffsweise ausgewählt werden. Denkbare Grundformen historischer Untersuchung sind die gegenwartsgenetische Untersuchung, die diachrone Untersuchung, die synchrone Untersuchung, die Untersuchung eines historischen Falls sowie die perspektivisch - ideologiekritische Untersuchung.[14]
Im zweiten Arbeitsschritt sollen die Schüler erste Einstellungen zum Sachthema formulieren. Der Lehrer hat die Möglichkeit, provokative Informationen zu geben, um die Schüler zu einer Stellungnahme anzuregen.
Im dritten Arbeitsschritt soll das Informationsbedürfnis der Schüler ermittelt werden. Die Schüler können Fragen formulieren, die sich aus dem zweiten Arbeitsschritt ergeben haben. Bei der praktischen Planung sind Quellenbeschaffung, die Auswahl geeigneter Quellen und die Art der Quellenerschließung zu berücksichtigen.
Im vierten Arbeitsschritt soll das Quellen- und Informationsmaterial nach bestimmten Aspekten kritisch analysiert werden. Dies ermöglicht es den Schülern, Sachaussagen zu Einzelfragen zu machen.
Eine möglichst umfassende Quellenanalyse soll die Schüler in die Lage versetzen, im fünften Arbeitsschritt Sachurteile abzugeben. Anhand der Analyseergebnisse können nun Vorgänge und Situationen rekonstruiert und in übergreifende Zusammenhänge eingebettet werden.
Im sechsten Schritt sollen die Schüler zu einer reflektierten Bewertung des historischen Gegenstandes kommen. Die unreflektierten Hypothesen aus dem zweiten Arbeitsschritt sollen mit den Analyseergebnissen sowie den Sachurteilen verglichen werden und entsprechend verifiziert, falsifiziert oder modifiziert werden, wobei die Schüler ihre Wertungsprämissen offenlegen sollen. Ein Bezug des bewerteten historischen Gegenstandes zur Gegenwart soll bei den Schülern Betroffenheit hervorrufen und eine Bedeutung für eigenes Entscheiden und Handeln haben.
[...]
[1] Rohlfes: Umrisse, 7.
[2] Ebd., 9.
[3] Vgl. Richtlinien: Sek. II, vor allem S. 33 / 34, 57 /58 und 68 / 69.
[4] Vgl. Richtlinien: Sek. I.
[5] Vgl. Jeismann: Geschichte, 87 / 88.
[6] Ebd., 78f.
[7] Ebd., 77.
[8] Richtlinien: Sek I, 32.
[9] Vgl. ebd., 42 - 45.
[10] Jeismann: Geschichte, 88.
[11] Vgl. ebd., 87f.
[12] Ebd., 88.
[13] Vgl. für die folgenden Arbeitsschritte Jeismann: Geschichte, 87f..
[14] Vgl. Richtlinien: Sek. II, 33f.
- Citar trabajo
- Markus Laag (Autor), 1998, Die unterrichtliche Umsetzung des allgemeinen Verlaufsmodells von Jeismann anhand des Sachthemas "Die Jakobinerherrschaft", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24773
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