Die Ernährung gehört unter sozialen, kulturellen, ethischen und ökonomischen
Gesichtspunkten zu den elementarsten Dingen des menschlichen und
gesellschaftlichen Lebens. In der betriebswirtschaftlichen und auch
wissenschaftlichen Diskussion findet sie jedoch noch kaum Beachtung. 1
Dabei sollte unsere Art und Weise sich zu ernähren, folglich unsere
Ernährungskultur, in vielfältiger Hinsicht kritisch hinterfragt werden.
Denn trotz wiederholt auftretender Lebensmittelskandale wählen Konsumenten
ihre Produkte weiterhin nach preislichen Kriterien und Bequemlichkeitsaspekten
aus. Vor allem vorgefertigte Lebensmittel, so genannte Convenience - Artikel2
erfreuen sich in unserer schnelllebigen Zeit einer zunehmenden Beliebtheit. Dass
diese aber aufgrund ihrer chemischen Zusätze zur Konservierung und
Aromatisierung gesundheitlich bedenklich sein könnten, findet weitaus weniger
Berücksichtigung.
Auch die Tatsache, dass Menschen allmählich Basisqualifikationen wie die
Kenntnis von Geruch, Geschmack und Zubereitung natürlicher Produkte
verlieren, wird kaum als beunruhigende Entwicklung wahrgenommen.
Dabei sollte allein schon der Gesundheitszustand der Bevölkerung Anlass zur
Besorgnis geben, denn jährlich verursachen ernährungsbedingte Krankheiten
Kosten von rund 50 Mrd. Euro.3 Zudem bedarf auch der Verlust gemeinsam
eingenommener Mahlzeiten als Kommunikationsfeld insbesondere für Kinder und
Jugendliche einer kritischen Betrachtung.
Diese Aspekte zeigen auf, dass es dringend geraten ist, sich mit unserer
Ernährungskultur auseinanderzusetzen und sinnvolle Veränderungen einzuleiten.
1 vgl. OSSENA 2002
2 Lebensmittel, die bereits bestimmte Be- und Verarbeitungsstufen durchlaufen haben. Dazu
zählen u.a. Fertiggerichte, die schnell und einfach zubereitet werden können.
3 vgl. Deutsche Gesundheitshilfe e.V.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Orientierung am Projektvorhaben und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Konsumeinheit Familie
2.1 Definition Familie
2.2 Soziale Beeinflussung durch Bezugsgruppen
2.3 Wandel der Familie
3 Kaufentscheidungen und Einflussfaktoren
3.1 Arten von Kaufentscheidungen
3.1.1 Kaufentscheidungen nach dem Ausmaß kognitiver Kontrolle
3.1.2 Kaufentscheidungen nach der Anzahl der Entscheidungsträger
3.2 Kaufentscheidungen und ihre Einflussfaktoren
3.2.1 Stadien des Familienlebenszyklus und entsprechendes Kaufverhalten
3.2.2 Rollenverteilung in der Familie
3.2.2.1 Rolle von Mann und Frau
3.2.2.2 Rolle der Kinder
3.2.3 Hierarchische Aspekte in der Familie
3.2.4 Produkttyp des Anschaffungsgutes
4 Ernährungsverhalten in der Familie
4.1 Ernährung zwischen Daseinsvorsorge und kultureller Gestaltung
4.2 Entwicklungstrends im Ernährungsbereich
4.2.1 Ausgaben für Nahrungsmittel
4.2.2 Zeitmangel und Convenience - Orientierung
4.2.3 Kenntnisse über Nahrungsmittel und ihre Zubereitung
4.3 Kaufentscheidungen im Nahrungsmittelbereich
4.4 Entscheider im Nahrungsmittelbereich
4.4.1 Rollen im Entscheidungsprozess
4.4.2 Interfamiliäre Arbeitsteilung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Printmedien
Zeitschriften
Internetquellen
1 Einleitung
Die Ernährung gehört unter sozialen, kulturellen, ethischen und ökonomischen Gesichtspunkten zu den elementarsten Dingen des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens. In der betriebswirtschaftlichen und auch wissenschaftlichen Diskussion findet sie jedoch noch kaum Beachtung.[1]
Dabei sollte unsere Art und Weise sich zu ernähren, folglich unsere Ernährungskultur, in vielfältiger Hinsicht kritisch hinterfragt werden.
Denn trotz wiederholt auftretender Lebensmittelskandale wählen Konsumenten ihre Produkte weiterhin nach preislichen Kriterien und Bequemlichkeitsaspekten aus. Vor allem vorgefertigte Lebensmittel, so genannte Convenience - Artikel[2] erfreuen sich in unserer schnelllebigen Zeit einer zunehmenden Beliebtheit. Dass diese aber aufgrund ihrer chemischen Zusätze zur Konservierung und Aromatisierung gesundheitlich bedenklich sein könnten, findet weitaus weniger Berücksichtigung.
Auch die Tatsache, dass Menschen allmählich Basisqualifikationen wie die Kenntnis von Geruch, Geschmack und Zubereitung natürlicher Produkte verlieren, wird kaum als beunruhigende Entwicklung wahrgenommen.
Dabei sollte allein schon der Gesundheitszustand der Bevölkerung Anlass zur Besorgnis geben, denn jährlich verursachen ernährungsbedingte Krankheiten Kosten von rund 50 Mrd. Euro.[3] Zudem bedarf auch der Verlust gemeinsam eingenommener Mahlzeiten als Kommunikationsfeld insbesondere für Kinder und Jugendliche einer kritischen Betrachtung.
Diese Aspekte zeigen auf, dass es dringend geraten ist, sich mit unserer Ernährungskultur auseinanderzusetzen und sinnvolle Veränderungen einzuleiten.
1.1 Orientierung am Projektvorhaben und Zielsetzung der Arbeit
Im Projekt OSSENA[4] wird davon ausgegangen, dass die wesentlichen Einflussfaktoren in Bezug auf die ökologische und soziale Qualität von Ernährung in einer Gesellschaft auf kultureller Ebene zu sehen sind. Daher kann ein wirksamer Ansatz nur über ein weitergehendes Verständnis der Einflussbeziehungen und Vermittlungswege formuliert werden.[5] Dabei ist der Ausgangspunkt der kulturtheoretischen Betrachtung von Ernährung im Rahmen des Projektes die Absicht, die bestehende Ernährungskultur, welche sowohl aus ernährungsphysiologischer, sozialer, ökologischer und ökonomischer Sicht kritisch bewertet werden muss, in nachhaltiger Weise zu beeinflussen.[6]
Der Kulturbegriff als solcher und die Ernährungskultur im Speziellen sind zentraler Bestandteil unserer Arbeit.
Wir versuchen uns dem Konstrukt der Ernährungskultur zu nähern, in dem wir die Ernährung als in ein Netz der Kultur verstricktes Element sehen.[7] Ernährungsverhalten, Institutionen wie die häusliche Tischgemeinschaft, (wissenschaftliche) Diskurse z.B. um gesunde Ernährung, Artefakte und symbolische Elemente der Ernährung sind u. a. Teil unserer Auseinandersetzung. Angerissen wird dabei auch der noch wenig entwickelte Zusammenhang zwischen Kultur und Kaufverhalten.
Das Projekt unterscheidet hinsichtlich der Bezugsebene zwischen Kultur als kollektives/soziales und individuelles Phänomen. Auf der Makroebene findet im Rahmen des Projektes eine Begrenzung des Untersuchungsbereiches auf die „Region Ostfriesland“ statt.
In Hinblick auf die Abgrenzung der Mikroebene konzentriert sich das Projekt auf die Zielgruppe Haushalte mit Kindern.[8]
Wie auch andere Projekte aufzeigen konnten, spielt die Familie immer noch eine herausragende Rolle, insbesondere Kaufentscheidungen erfolgen zum größten Teil in der Familie.[9]
Wir konzentrieren uns auf die Zielgruppe Familien (Haushalte mit Kindern) und arbeiten zu Beginn unserer Auseinandersetzung die besondere Stellung dieser Bezugsgruppe heraus. Auch der gesellschaftliche Wandel der Familie soll in diesem Zusammenhang thematisiert werden.
Den regionalen Aspekt werden wir vernachlässigen, um eine zu komplexe Darstellung zu vermeiden.
Auf der subjektiven Mikroebene findet stets auch eine Anpassung von Ernährungsverhalten an interne und externe Bedingungen statt, die nicht unmittelbar ernährungskulturell geprägt ist. Interne Faktoren sind zum Beispiel die Anzahl der Kinder oder die Berufstätigkeit der Eltern. Diese Bedingungen unterziehen sich zudem einem dynamischen Wandel[10], zur Erklärung bietet sich hier das Modell des Lebenszyklusses[11] an.
In unserer Bearbeitung erhält dieser Familien-Lebenszyklus eine besondere Stellung. Es werden die unterschiedlichen Entwicklungsstadien, die eine Familie durchläuft beleuchtet und sowohl die sich verändernden Präferenzen als auch die variierenden Kaufentscheidungen berücksichtigt.
Besondere Aufmerksamkeit gilt der nicht zu unterschätzenden Marktorientierung von Kindern und Jugendlichen.
In die Analyse des Projektes soll die Rolle der Frau im Kontext der Ernährung mit einbezogen werden. Mit der zunehmenden Berufstätigkeit der Frau kollidieren insbesondere kulturelle Rollenzuschreibungen, wie beispielsweise die Verantwortung für die Ernährungszubereitung. Ziel des Projektes ist es daher, mögliche neue Akzente einer nachhaltigen Ernährungskultur anzutesten, ohne auf starre und veraltete Rollen- und Wertmuster zurückzugreifen.[12]
Wir beschäftigen uns mit den unterschiedlichen Rollen- und Machtkonstellationen von Mann und Frau in der Familie, erarbeiten den mit heranwachsendem Alter bedeutsameren Einfluss der Kinder und versuchen im Zusammenhang mit der Ernährung die interfamiliäre Arbeitsteilung zu analysieren.
„Externe Bedingungen sind in den ernährungsbezogenen Angebotsstrukturen zu sehen. Angebote im Lebensmittelhandel, der Gastronomie oder auch in der Großversorgung stecken den ernährungsseitigen Handlungsraum für Familien ab.“[13]
Diese Aspekte werden wir in unseren Ausführungen aus genannten Gründen kaum berücksichtigen und konzentrieren uns stattdessen auf die oben angesprochenen internen Bedingungen.
Die geplanten Interventionen des Projektes orientieren sich an den obigen Abgrenzungen und laufen auf zwei Ebenen ab. Die erste Ebene spricht die Familien an, die zweite Interventionsebene beschäftigt sich mit den Akteuren entlang der Wertschöpfungskette.
Dabei sollen die Interventionen ernährungsspezifische Werte und ernährungsbezogenes Wissen, aber auch Fertigkeiten und sinnliche Erfahrungen im Bereich Ernährungsplanung und –zubereitung vermitteln. Auf der anderen Seite soll der ernährungsspezifische Handlungsraum und die Angebotsstruktur und –qualität in der Region im Sinne nachhaltiger Ernährungskultur erweitert werden.[14]
Das Projekt geht dabei auf die Veränderungen von Essgewohnheiten und Konsumtrends (Fast Food, Convencience-Produkte, …) ein. Angestrebt wird eine entgegenwirkende Entwicklung, daher zielt das Vorhaben auf die sinnliche Wahrnehmung der Produkte, ihre Herstellung und Erzeugung, macht sich die Identifikation mit der Region zu Eigen sowie nutzt und fördert den Genuss des Essens als kulturelle und soziale Handlung.[15]
Wir greifen diesen Aspekt auf und stellen weitere Veränderungen im Ernährungsbereich dar, wobei wir uns ganz besonders auf die Auswirkungen auf die Familie konzentrieren.
Die Intention des Projektes ist es nun, Veränderungen anzustoßen, die Bedingungen für Veränderungen zu analysieren und zu evaluieren.
„Ziel des Projektes ist damit zum einen die Gestaltung einer neuen, besseren Ernährungskultur, die zu gesünderer und umweltbewusster Ernährung durch Freude/Genuss, zahlungsfähigen Preisen und alltagstauglichen Bedingungen führt. Zum anderen soll eine neue Angebotspalette entsprechend der Lebensbedürfnisse der Zielgruppen in qualitativer, organisatorischer und finanzieller Hinsicht geschaffen werden. Das Projektvorhaben zielt auf eine Steigerung gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit durch den Aufbau einer Wissensbasis über die Beziehung der Menschen zu ihrer natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt.“[16]
1.2 Aufbau der Arbeit
Nach einer kurzen Abgrenzung, was in dieser Arbeit hinsichtlich des Projektes geleistet werden kann und wo die Grenzen dieser Auseinandersetzung liegen, folgt im zweiten Kapitel die Definition der Konsumeinheit Familie. Vor allem die Abgrenzung zu anderen Bezugsgruppen (Arbeitskollegen, Mitschüler, Freunde,...) und die Gründe für die besondere Stellung der Familie hinsichtlich des Käuferverhaltens ihrer Mitglieder werden thematisiert.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit Kaufentscheidungen und ihren Einflussfaktoren, wobei zu Beginn in einer theoretischen Ausarbeitung die unterschiedlichen Arten von Kaufentscheidungen entwickelt werden. Das Ausmaß kognitiver Kontrolle und die Anzahl der beteiligten Entscheidungsträger sind Bestandteil der Darstellung.
Im Anschluss werden dann die verschiedenen Einflussfaktoren betrachtet, die maßgeblich den Kaufentscheidungsprozess beeinflussen, denn je nach Rollen- und Machtstruktur, Stadium im Familienlebenszyklus und Anschaffungsgut variieren die Entscheidungen in der Familie.
Im vierten Kapitel setzen wir uns mit dem Produkttyp „Lebensmittel“ auseinander und widmen uns insbesondere der kulturellen Gestaltung der Ernährung. Thematisiert werden ebenfalls Entwicklungstrends im Ernährungsbereich.
Im Rückgriff auf das im dritten Kapitel erarbeitete theoretische Wissen zu Kaufentscheidungsprozessen werden Einkaufsentscheidungen im Lebensmittelbereich eingeordnet.
Das letzte Kapitel schließt mit Überlegungen zu den geplanten Interventionen des Projektes und versucht diese sowohl theoretisch zu untermauern als auch weitere Vorschläge und Anregungen zu geben.
2 Konsumeinheit Familie
2.1 Definition Familie
Als Familie versteht KIRCHLER „eine Gruppe von Personen, die in enger Beziehung zueinander leben und gemeinsam Probleme alltäglicher Art zu bewältigen bestrebt sind“[17].
Die amtliche Statistik definiert die Familie enger und bezeichnet eine zusammenlebende Gruppe von Eltern und Kindern als Familie, wobei in vollständige und unvollständige Familien unterschieden wird. Das Zusammenleben von Ehepaaren mit ledigen Kindern im Haushalt wird als „vollständige Familie“ aufgefasst. Eine „unvollständige Familie“ besteht aus einem allein erziehenden Elternteil (Mutter oder Vater) und ledigen Kindern. Die Familie versteht sich in diesem Zusammenhang als Zweigenerationenfamilie.[18]
Um insbesondere den neuen Entwicklungen gerecht zu werden, sehen wir als Voraussetzung der Familie nicht die Ehe, sondern die Elternschaft als begründendes Element. Begriffe wie „uneheliche Familien“ und „Fortsetzungsfamilien“ werden nicht weiter abgegrenzt, aber verdeutlichen, dass „Eltern“ weder verheiratet noch leibliche Eltern der Kinder sein müssen, um als Familie bezeichnet zu werden.[19]
Im Einklang mit der Abgrenzung der Mikroebene im Rahmen des Projektes OSSENA berücksichtigen wir in unserer weiteren Auseinandersetzung vor allem Haushalte mit Kindern und differenzieren nicht weiter nach vollständiger oder unvollständiger Familie. Alleinerziehende Elternteile werden Bestandteil des Untersuchungspanels des Projektes sein, können in dieser Ausarbeitung aber nicht explizit betrachtet werden.
Den Haushaltbegriff grenzen wir insoweit ein, dass wir den privaten Haushalt als Familienhaushalt auffassen und Wohngemeinschaften, allein wirtschaftende Einzelpersonen und weitere Organisationen des Zusammenlebens als Form privater Haushalte vernachlässigen. Aufgrund unserer Eingrenzung verwenden wir die Begriffe Haushalt und Familie synonym.
2.2 Soziale Beeinflussung durch Bezugsgruppen
Mit der Definition der Familie zu Beginn dieses Kapitels greifen wir eine soziale Gruppe heraus, jedoch ist jedes Individuum in eine Vielzahl von Gruppen seiner engen und weiten sozialen Umwelt integriert.
KROEBER-RIEL definiert eine Gruppe als „eine Mehrzahl an Personen, die in wiederholten und nicht nur zufälligen wechselseitigen Beziehungen zueinander stehen“.[20]
Eine der interessantesten Gruppen ist die Bezugsgruppe, da es sich um eine Gruppe handelt „die das Verhalten einer Person deutlich beeinflusst“[21].
Bezugsgruppen können z.B. Schulkameraden, Peer-Groups, Freunde, Kommilitonen, Arbeitskollegen, Vereinsmitglieder und ganz besonders natürlich die Familie sein.
Durch das Verhalten anderer und/oder Meinungen und Erwartungen einer anderen Person oder Gruppe lassen sich Menschen beeinflussen. Dieser soziale Einfluss verändert und beeinflusst Meinungen und Einstellungen eines Individuums. Mitglieder der Bezugsgruppen können als Vorbild fungieren. Vereinzelt wird auch ihr Verhalten imitiert.[22] Gruppen sind so in der Lage auch das Kaufverhalten von Individuen zu beeinflussen. Jugendliche zeigen ein sehr intensives Gruppenverhalten, so dass sich Meinungen sehr schnell multiplizieren.[23]
Die Bezugsgruppe Familie ist gerade hinsichtlich der Analyse von Kaufentscheidungen von besonderer Bedeutung, denn Kaufentscheidungen werden größtenteils in der Familie getroffen.[24]
Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Konsumfragen sind Kaufentscheidungsprozesse in der Familie ein zentrales Thema. „Sie werden zu zentralen Lern- und Übungsfeldern fürs Leben und für das Sozialsystem der Familie.“[25]
In Deutschland leben trotz einer zunehmenden Anzahl an Singlehaushalten die meisten Konsumenten in Familien. Mehr als ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung lebt in einer Kernfamilie, d.h. zusammen mit einem Ehepartner und mindestens einem Kind.[26] Im Alltagsleben kommt der Familie die größte Bedeutung zu, sie wird aus diesem Grund als Primärgruppe bezeichnet.
Eine Familie ist mehr als eine gewöhnliche Gruppe von Individuen: „Sie hat eine Eigendynamik, die nicht allein auf individuelle Eigenarten ihrer Mitglieder zurückzuführen ist“[27]. Die Familie unterscheidet sich von anderen (Langzeit-) Gruppen vor allem durch eine festgelegte Rollenstruktur, die zumeist kulturell geprägt ist und auch die Aufteilung der Tätigkeitsfelder von Mann, Frau und Kindern regelt. Entscheidend ist aber die „Qualität der gefühlsmäßigen Beziehung zwischen den Familienmitgliedern“.[28]
Zwischen den Familienmitgliedern besteht eine starke emotionale Bindung sowie der Wunsch für immer oder zumindest für eine längeren Zeitraum bestehen zu bleiben. Aufgrund des starken Zusammengehörigkeitsgefühls kann das „Ausscheiden“ eines Mitgliedes zu schweren Persönlichkeitsstörungen führen.
Jedes einzelne Mitglied ist von besonderer Bedeutung und bringt sich mit all seinen Stärken und Schwächen ein. Die Familie fordert von ihren Mitgliedern wie keine andere Bezugsgruppe „sich frei vom Druck sozialer Erwünschtheit entsprechend den persönlichen Eigenheiten zu verhalten“.[29]
Interaktionen zwischen Familienmitgliedern folgen im Vergleich zu einander fremden Personen weniger häufig strengen Regeln und sind oftmals wesentlich emotionaler ausgeprägt, in Gesprächen ist Konfliktvermeidung nicht das oberste Ziel. Dennoch haben die Mitglieder eine Familie ähnliche Präferenzen, selbst wenn sie ein Problem unabhängig voneinander lösen, fällen Sie häufiger dieselben Entscheidungen.[30]
Je nach Zusammensetzung und Alter etc. der Mitglieder laufen Entscheidungen in der Familie allerdings unterschiedlich ab. Die veränderten Situationen in den verschiedenen Phasen des so genannten Familienlebenszyklus finden im dritten Kapitel nähere Berücksichtigung.
2.3 Wandel der Familie
Die Familie an sich hat sich in den letzten Jahren einem starken Wandel unterzogen. Die traditionelle Familie dominiert zwar nach wie vor, aber auch alternative Formen des Zusammenlebens zwischen Erwachsenen und Kindern nehmen zahlenmäßig zu, wie auch die Entscheidung alleine einen Haushalt zu unterhalten. Heute leben bereits 16,7 % der Bevölkerung in Einpersonenhaushalten.[31]
Die Entwicklung von der Groß- zur Kleinfamilie ist bereits weit fortgeschritten, im Jahr 2000 lebten im Durchschnitt nur noch 2,2 Personen in einem Haushalt, 52,5 % der Mehrpersonenhaushalte beinhalten Kinder.[32]
Die Rolle der Frau hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, bedingt insbesondere durch die gestiegene Frauenerwerbstätigkeit. Die aktive Erwerbstätigkeit[33] bei Frauen zwischen 15 und 64 Jahren mit Kindern liegt bei 59,4 %. Die Erwerbsquote steigt bis auf 69,1 % an, wenn das jüngste Kind bereits älter als 6 Jahre ist.[34] Frauen bereichern auf diese Weise das Familienbudget, durch die Erwerbstätigkeit bleibt aber immer weniger Zeit für die traditionell von ihnen erfüllten Aufgabenbereiche wie etwa die Zubereitung der Mahlzeiten. Jedoch sehen viele Frauen sich auch nicht mehr für klassische Aufgaben wie die Kindererziehung und andere häusliche Pflichten alleine verantwortlich.[35]
Dem ungeachtet halten sich traditionelle Rollenmuster, etwa 40 % der Bevölkerung stimmt der Aussage zu, „dass es für alle Beteiligten viel besser [ist], wenn der Mann voll im Berufsleben steht und die Frau zu Hause bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert“[36] Die Einstellung zu der erstrebenswerten Rollenverteilung in der Familie hängt stark vom jeweiligen Familietyp ab, unter dem Punkt 3.2.2 Rollenverteilung in der Familie wird diese Thematik explizit aufgegriffen.
Der Einfluss auf die Familie durch andere soziale Gruppen hat in den letzten Jahren stark zugenommen und auch die Familienorientierung der Kinder und Jugendlichen verändert. Mit zunehmendem Alter schätzen Jugendliche Freundschaftsbeziehungen höher als die Beziehung zu ihren Eltern ein.[37] Ursächlich sind abschwächende Verwandtschaftsbeziehungen und auch die zunehmende Berufstätigkeit beider Elternteile. Hinzu kommt, dass Kinder heute in ihrer Entwicklung bereits früher reifer und mündiger sind[38] und schon in jungen Jahren zu einem selbstverantwortlichen Handeln und Entscheiden erzogen werden.
Jedoch bleibt festzustellen, dass trotz Zunahme des Einflusses anderer Bezugsgruppen die Bedeutung der Familienmitglieder für individuelle und gemeinsame Kaufentscheidungen noch relativ groß ist.[39]
3 Kaufentscheidungen und Einflussfaktoren
Zu Beginn dieses Kapitels betrachten wir die unterschiedlichen Arten von Kaufentscheidungen anhand der Stärke der kognitiven Kontrolle und der beteiligten Entscheidungsträger. Im zweiten Teil dieses Kapitels gehen wir auf einige Einflussfaktoren ein, denn Kaufentscheidungsprozesse in der Familie laufen nicht immer identisch ab.
3.1 Arten von Kaufentscheidungen
3.1.1 Kaufentscheidungen nach dem Ausmaß kognitiver Kontrolle
Nach Katona (1960), Howard/Shet (1969) und später Weinberg (1981) werden Kaufentscheidungen nach dem Ausmaß der gedanklichen Steuerung, sprich der kognitiven Kontrolle unterschieden. Differenziert werden extensive und limitierte Kaufentscheidungen mit stärkerer sowie der Gewohnheits- und der Impulskauf mit schwächerer kognitiver Kontrolle.
Das Ausmaß kognitiver Steuerung bei unterschiedlichen Typen von Kaufentscheidungen zeigt folgende Abbildung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ausmaß kognitiver Steuerung[40]
3.1.1.1 Extensive Kaufentscheidung
Beim extensiven Kauf sind kognitive Beteiligung und Informationsbedarf des Käufers groß. Der Kauf ist durch eine lange Entscheidungsdauer mit beträchtlichem Entscheidungsaufwand gekennzeichnet.[41] Dem Verbraucher liegen noch keine Informationen oder Entscheidungsmuster zum gesuchten Produkt vor. Alle Informationen zum Produkt und den entsprechenden Alternativen müssen neu und umfassend beschafft werden. Extensive Entscheidungen können auch alternativ als echte Entscheidung bezeichnet werden. Echte Entscheidungen werden nur gelegentlich getroffen. Dabei sind die Wahrnehmung einer neuen Situation und die Lösung des hervorgerufenen Problems erforderlich. Es muss auf eine Situation in neuer Art und Weise reagiert werden.[42]
Der Käufer erwartet spezifische Produktunterschiede und ist gegenüber Werbung aufmerksam. Rationale Kriterien spielen eine große Rolle, so kann als Beispiel Hintergrundmusik am Point of Sale (POS) eine extensive Entscheidung kaum beeinflussen.
[...]
[1] vgl. OSSENA 2002
[2] Lebensmittel, die bereits bestimmte Be- und Verarbeitungsstufen durchlaufen haben. Dazu zählen u.a. Fertiggerichte, die schnell und einfach zubereitet werden können.
[3] vgl. Deutsche Gesundheitshilfe e.V.
[4] BMBF-Projekt „Ernährungsqualität als Lebensqualität“ der Universität Oldenburg
[5] vgl. OSSENA 2002
[6] vgl. ebd.
[7] vgl. Setzwein 2003
[8] vgl. OSSENA 2002
[9] vgl. Schade et. al. 2002
[10] vgl. OSSENA 2002
[11] vgl. Kroeber-Riel 1999, S. 438
[12] vgl. OSSENA 2002
[13] OSSENA 2002
[14] vgl. ebd.
[15] vgl. ebd.
[16] OSSENA 2002
[17] Kirchler 1989, S. 21
[18] vgl. Krüsselberg 2001
[19] vgl. Maihofer et al. 2001, S. 11
[20] Kroeber-Riel, S. 421
[21] Kuß et. al 2000. S. 199
[22] vgl. Schade et. al. 2002, S. 26
[23] vgl. Kroeber-Riel 1999, S. 487
[24] vgl. Schade et. al. 2002, S. 26
[25] Familie & Co 1998
[26] vgl. Statistisches Bundesamt 2002, S. 524
[27] vgl. Kirchler 1989, S.25
[28] Kroeber-Riel 1999, S. 436
[29] Kirchler 1989, S. 27
[30] vgl. Kirchler 1989, S. 32f
[31] vgl. Statistisches Bundesamt 2002, S. 39
[32] vgl. ebd., S. 40
[33] Erwerbstätige ohne vorübergehend Beurlaubte z.B. durch Elternzeit
[34] vgl. Engstler et. al. 2003, S. 107
[35] vgl. Maihofer et. al. 2001, S. 10
[36] Statistisches Bundesamt 2002, S. 537
[37] vgl. Kroeber-Riel 1999, S.437
[38] vgl. Familie & Co 1998
[39] vgl. Kroeber-Riel 1999, S. 437
[40] vgl. Kuß et. al 2000. S. 97
[41] vgl. Kroeber-Riel 1999, S. 372
[42] vgl. Kuß et. al 2000. S. 93
- Quote paper
- Heike Eekhoff (Author), Britta Witte (Author), 2003, Ernährungsverhalten in der Familie - Eine Analyse der Kaufentscheidungen und ihrer Einflussfaktoren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24748
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