In den USA, einem Land, daß sich selbst als sehr religiös betrachtet, spielte die
christliche Religion in der Vorkriegsdebatte über die Sklaverei eine wichtige Rolle, denn sie
wurde sowohl von den Weißen als auch von den Schwarzen zur Rechtfertigung ihrer
Positionen benutzt. Beiden Seiten war es wichtig, ihre christliche Moral zu verteidigen.
Abraham Lincoln formulierte treffend das Problem, mit dem sich die christlichen
Denominationen auseinandersetzen mußten: „Both read the same Bible and pray to the same
God; and each invokes His aid against the other. It may seem strange that any men should
dare to ask a just God’s assistance in wringing their bread from the sweat of other men’s
faces; but let us not judge not that we be not judged.”1 Die afroamerikanischen Christen
mußten sich in besonderem Maße damit auseinandersetzen, daß ihre Peiniger dieselbe Bibel
als Basis für die Sklaverei benutzten, die sie als Hoffnungsträger erkannt haben. Die
Befürworter der Sklaverei fanden sowohl im Neuen als auch im Alten Testament Argumente
für ihre Standpunkte. Im Alten Testament wurden die Passagen zitiert, die von Kains und
Hams Verfluchung sprechen, und im Neuen Testament war die Ermahnung von Paulus an die
Diener, daß sie ihren Herren gehorchen sollen, eine zentrale Belegstelle.2 Außerdem wurde
gezeigt, daß viele fromme biblische Charaktere, wie Abraham, selbst Sklaven besaßen und
daß sich Jesus nicht explizit gegen die Sklaverei ausgesprochen hat, obwohl sie zu seiner Zeit
präsent war.
Die Predigten dienten dazu, die Schwarzen von ihrer Inferiorität zu überzeugen, die
angeblich gottgewollt war. Dieser Ausschnitt zeigt, wie der Katechismus der Sklaven aussah: [...] Man sieht daran, wie die Weißen die Bibel strategisch eingesetzt haben. Sie
vermittelten den Schwarzen nur diejenigen Passagen aus der Bibel, die als Beweis für ihre
Unterdrückung dienen konnten. Sie mußten davon überzeugt werden, daß ihre Hautfarbe
etwas Negatives ist, und daß Gott sie mit der Sklaverei bestraft hat. So wie die Weißen die
Erbsünde von Adam und Eva in sich trugen, trugen die Schwarzen angeblich die zusätzliche
Erbsünde Kains oder Hams. Es mußte ihnen klargemacht werden, daß die Farbe Weiß rein ist,
die Farbe Schwarz hingegen unrein. Die meisten Schwarzen waren Analphabeten, das heißt,
daß sie die Bibel nicht selbstständig lesen konnten. [...]
1 John R. McKivigan and Mitchell Snay, eds., Religion and the Antebellum Debate over Slavery
(Athens: Univ. of Georgia Press, 1998) 1.
2 Eph. 6:5.
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Die Protestautoren Maria Stewart und David Walker
2.1 Maria Stewart
2.1.1 Lebenslauf Maria W. Stewart
2.1.2 Restaurierung des Selbstwertgefühls
2.1.2.1 Abschaffung der hierarchischen Beziehungen zwischen den Rassen
2.1.2.2 Die Rolle der Frau
2.1.3 Rechtfertigung für die öffentliche Arbeit der Frauen
2.1.3.1 Stewards Auserwählung durch Gott
2.1.4 Moral heben
2.1.4.1 Unterschied zwischen den weißen Predigern und Maria Stewart
2.1.4.2 Stärkung der Gemeinschaft
2.1.5 Gott bestraft Sklaverei und Hypokrisie
2.1.6 Gott verlangt den Einsatz der Christen
2.1.6.1 Wie sich Stewarts Gottvertrauen äußert
2.1.6.2 Gott verlangt den Einsatz von jungen Menschen, Frauen und Weißen
2.1.7 Ziele des Afroamerikanischen Christentums im Werk von Stewart
2.1.7.1 Das Christentum soll Hoffnung und Weisheit geben
2.1.7.2 Religiöse Erklärung des Leids
2.1.8 Kritik
2.2 David Walker
2.2.1 Lebenslauf David Walker
2.2.2 Walkers Verständnis vom Christentum
2.2.2.1 Gott ist auf der Seite der Unterdrückten
2.2.2.2 Die Menschenrechte der Afroamerikaner
2.2.2.3 Die Farbe Schwarz und die Fluch-Argumentation
2.2.3 Walkers Erklärung und seine Lösung für das Problem der Sklaverei
2.2.4 Walkers Kritik an die eigene Rasse
2.2.5 Emazipatorische Schritte
2.2.5.1 Christliche Hypokrisie
2.2.5.2 Missionierungsauftrag
2.2.5.3 Taufe und sozialer Aufstieg
2.2.6 Kritik am Rekolonialisierungsplan
2.2.7 Gerechtfertigter Mord an Weiße
2.2.7.1 Gott wird einen Erlöser schicken
2.2.8 Zusammenhalt der schwarzen Rasse
2.2.9 Bildung
2.2.9.1 Religiöse Bildung schützt vor einer Missinterpretation der Bibel
2.2.9.2 Bildung als höchstes Lebensziel
2.3 Vergleich Walker- Stewart
3 Nat Turner: der Racheengel Gottes
3.1 Lebenslauf Nat Turner
3.2 Turners Verständnis vom Christentum
3.2.1 Vor der Tat
3.2.1.1 Turner fühlt sich von Gott auserwählt
3.2.1.2 Zusammenhang zwischen Bildung und seiner Tat
3.2.1.3 Mögliche Gründe für die Tat
3.2.1.4 Turner sieht sich als Racheengel
3.2.2 Turners Vorstellung vom Christentum nach der Tat
3.2.2.1 Christentum und Moral
3.2.2.2 Prädestinationsgedanken
3.2.2.3 Manipulatorische Schritte
3.2.2.4 Turner als Christusfigur
3.3 Unterschied Walker- Turner
4 Die Assimilationisten: Jupiter Hammon und Philis Wheatley
4.1 Jupiter Hammon
4.1.1 Lebenslauf Hammon
4.1.2 Wie Hammon das Christentum versteht
4.1.2.1 Positives Gottesbild
4.1.2.2 Hammons Einstellung zur calvinistischen Prädestinationslehre
4.1.2.3 Belohnung im Himmel aufgrund von Gnade
4.1.2.4 Negative Menschenbild
4.1.2.5 Erbsünde jeglicher Art ist ausgelöscht
4.1.2.6 Hammons Einstellung zum Tod
4.1.2.7 Zweck seiner Drohung mit dem jüngsten Gericht
4.1.3 Krieg als Strafe Gottes
4.1.4 Religion und Sklaverei
4.1.4.1 Halten von Sklaven schließt eine echte Religiosität nicht aus
4.1.4.2 Befreiende Wirkung der Sklaverei
4.1.4.3 Gott wird sie nicht für immer in der Sklaverei lassen
4.1.4.4 Die Afroamerikaner als Christusfiguren
4.1.4.5 Hammons immenses Gottvertrauen
4.1.4.6 Hammons Vorstellung eines moralischen Lebens
4.1.5 Gott kämpft auf der Seite der Afroamerikaner
4.1.6 Hammons Einstellung zur Fluch-Argumentation
4.1.7 Hierarchien im Himmel
4.1.8 Hammons Beziehung zu Menschen seiner Rasse
4.1.9 Zusammenhang zwischen Bildung und Religion
4.1.10 Ansätze von Protest
4.1.10.1 Hammon erkennt die christliche Hypokrisie
4.1.11 Hammons Predigt im Vergleich zu Whitefield
4.1.12 Schlußbemerkungen
4.2 Phillis Wheatley
4.2.1 Lebenslauf Phillis Wheatley
4.2.2 Wie Phillis Wheatley das Christentum sieht
4.2.2.1 Phillis fühlt sich Gott ausgeliefert
4.2.2.2 Gott ist nicht parteisch
4.2.2.3 Phillis Wheatleys Beziehung zu ihrer Hautfarbe
4.2.3 Protestansätze
4.2.4 Widrigkeiten mit denen Phillis konfrontiert war
4.2.5 Phillis Wheatleys Verdienst
4.2.6 Auswirkungen des neoklassischen Stils
5 Zusammenfassung
6 Blibliographie
7 Danksagung
1 Einleitung
In den USA, einem Land, daß sich selbst als sehr religiös betrachtet, spielte die christliche Religion in der Vorkriegsdebatte über die Sklaverei eine wichtige Rolle, denn sie wurde sowohl von den Weißen als auch von den Schwarzen zur Rechtfertigung ihrer Positionen benutzt. Beiden Seiten war es wichtig, ihre christliche Moral zu verteidigen. Abraham Lincoln formulierte treffend das Problem, mit dem sich die christlichen Denominationen auseinandersetzen mußten: „Both read the same Bible and pray to the same God; and each invokes His aid against the other. It may seem strange that any men should dare to ask a just God’s assistance in wringing their bread from the sweat of other men’s faces; but let us not judge not that we be not judged.”[1] Die afroamerikanischen Christen mußten sich in besonderem Maße damit auseinandersetzen, daß ihre Peiniger dieselbe Bibel als Basis für die Sklaverei benutzten, die sie als Hoffnungsträger erkannt haben. Die Befürworter der Sklaverei fanden sowohl im Neuen als auch im Alten Testament Argumente für ihre Standpunkte. Im Alten Testament wurden die Passagen zitiert, die von Kains und Hams Verfluchung sprechen, und im Neuen Testament war die Ermahnung von Paulus an die Diener, daß sie ihren Herren gehorchen sollen, eine zentrale Belegstelle.[2] Außerdem wurde gezeigt, daß viele fromme biblische Charaktere, wie Abraham, selbst Sklaven besaßen und daß sich Jesus nicht explizit gegen die Sklaverei ausgesprochen hat, obwohl sie zu seiner Zeit präsent war.
Die Predigten dienten dazu, die Schwarzen von ihrer Inferiorität zu überzeugen, die angeblich gottgewollt war. Dieser Ausschnitt zeigt, wie der Katechismus der Sklaven aussah:
Q. Who was the first negro?
A. Cain.
Q. How did he become so?
A. The Lord set a black mark upon him.
Q. Did the Southern slave come from him?
A. Yes.
Q Have the negroes been held as slaves in all ages of the world?
A. Yes.
Q. Did Christ and his apostles approve of Roman slavery?
A. Yes.
Q. How do you know?
A. They didn’t say anything against it.
Q. Was Paul a good man?
A. Yes, he was a holy saint.
Q. What did he do?
A. He sent back a run-away slave.[3]
Man sieht daran, wie die Weißen die Bibel strategisch eingesetzt haben. Sie vermittelten den Schwarzen nur diejenigen Passagen aus der Bibel, die als Beweis für ihre Unterdrückung dienen konnten. Sie mußten davon überzeugt werden, daß ihre Hautfarbe etwas Negatives ist, und daß Gott sie mit der Sklaverei bestraft hat. So wie die Weißen die Erbsünde von Adam und Eva in sich trugen, trugen die Schwarzen angeblich die zusätzliche Erbsünde Kains oder Hams. Es mußte ihnen klargemacht werden, daß die Farbe Weiß rein ist, die Farbe Schwarz hingegen unrein. Die meisten Schwarzen waren Analphabeten, das heißt, daß sie die Bibel nicht selbstständig lesen konnten. Daher war es ein Anliegen der schwarzen Kirche, den Afroamerikanern Lesen beizubringen, damit sie sich selbst ein Bild von der Bibel machen konnten, ohne dabei von der weißen Kirche beeinflußt zu werden.
Die weißen christlichen Kirchen im Norden zogen es vor, Sklaverei im Bereich des Profanen anzusiedeln. Die Beziehung zwischen den Sklaven und ihren Herren wurde als eine weitere interfamiliäre Beziehung gesehen, wie die Beziehung zwischen Frau und Mann sowie zwischen Eltern und Kindern. Sie sollte von derselben Hierarchie dominiert werden und unter denselben Gesetzen stehen. Die Herren sollten sich um das körperliche und seelische Wohl der Sklaven bemühen und die Sklaven um die Erfüllung ihrer Aufgaben. Daher sahen die Kirchen es nicht als ihre Aufgabe an, den Status der Sklaven zu ändern, sondern deren Behandlung: „the sin of slavery lay not in the holding of slaves per se, but in the misconduct one might exercise in the holding.“[4] Außer kleinere Splittergruppen wie die „Society of Friends“ oder die „Quaker“ übernahmen die Kirchen nur die Aufgabe, die Afroamerikaner zu missionieren oder an Rekolonialisierungsplänen der American Colonization Society mitzuwirken.[5] Anfangs hatten Sklaventreiber gegen die Christianisierungsversuche der Missionare Bedenken. Sie wurden milde gestimmt, indem man betonte, daß es ausschließlich um das Seelenheil der Schwarzen ginge und keineswegs um die Veränderung der irdischen Hierarchie:
British colonists in North America proved especially indifferent, if not downright hostile, to the conversion of their slaves. At first, opposition was based on the suspiciton that English low forbade the enslavement of Christians and so would require slaveholders to emancipate any slave who received baptism. Masters suspected that slaves would therefore seek to be baptised in order to gain freedom. These fears were quickly allayed by colonial legislation declaring that baptism did not alter slave status. With the legal obstacles aside, slaveowners for the most part still demonstrated scant interest in converting their slaves. According to the common wisdom, Christianity spoiled slaves. Christian slaves thought too highly of themselves, became imprudent, and even turned rebellious. Moreover, Anglo-Americans were troubled by a deep-seated uneasiness at the prospect that Slaves would claim Christian fellowship with white people. Africans were foreign; to convert them was to make them more like the English and therefore deserving better treatment. In fact religion, like language and skin color, constituted the colonists identity. To Christianize black-skinned Africans, therefore, would confuse the distinctiveness of the races and threaten the social order based upon that distinctiveness. Finally, the labor, not the souls of the slaves concerned most slaveholders.[6]
Gegen Anfang des 19. Jahrhunderts begannen Afroamerikaner, aus Protest gegen die weißen Kirchen ihre eigene Kirche zu gründen, wie zum Beispiel Richard Allen, der 1816 die „American Methodist Episcopal Church“ gründete.
Doch nicht nur schwarze Pastoren beschäftigten sich mit der religiösen Rechtfertigung der Sklaverei und mit einer Neuinterpretation der Bibel. Auch wenn die Kirche als Institution eine Debatte über Sklaverei vermied, waren die meisten Abolitionisten Christen.[7] Daher war es für jeden schwarzen Schriftsteller und für jeden politischen Redner ratsam, den Eindruck zu vermitteln, er oder sie sei ebenfalls religiös und moralisch. Notgedrungen wurde die Religion und der Rückbezug auf die Bibel ein wichtiges strategisches Mittel, um gegen die Sklaverei zu kämpfen.[8] Die schwarze Bevölkerung, egal ob frei oder versklavt, fand im Christentum eine Nische, in welcher sie ihr Gemeinschaftsleben pflegen konnte. Sie entwickelte eine ambivalente Sprache, die sich stark an die biblische Sprache lehnte, und deswegen konnte man als Weißer wenig dagegen unternehmen. Die diversen Interpretationsmöglichkeiten, welche die Bibel bietet, waren für das Entstehen von Protestansätzen sehr förderlich. Unterdrückte Völker in der Bibel wurden zum Symbol des eigenen Leids und gaben Hoffnung, daß Gott sie ebenfalls erretten könnte. Andererseits war die Geschichte dieser Völker auch eine Mahnung an die Weißen, daß Gott sie für ihre Taten bestrafen will: „Sermons harmoniously correlate the ancient biblical stories and changing historical situations.“[9] Unter dem Deckmantel der seelischen Freiheit, keimten auch Gedanken auf, welche die körperliche Freiheit und die Emanzipation betrafen.
Das Ziel meiner Arbeit ist es, das Spektrum der afroamerikanischen Bibelinterpretationen aufzuzeigen. Dazu werde ich Werke von fünf Autoren untersuchen, und diese miteinander sowie mit der Bibel vergleichen.[10] Diese Autoren sind, in der Reihenfolge ihrer jeweils ersten Publikation: Jupiter Hammon, Phillis Wheatley, Maria Stewart, David Walker und Nat Turner. Der daraus entstandene Kontrast soll die Reichweite der afroamerikanischen Bibelinterpretation demonstrieren, die von einer Übernahme der weißen Position bis hin zu einer Ablehnung dieser gehen kann.
Jupiter Hammon und Phillis Wheatley gelten als Assimilationisten, da sie sich, wie die weißen Missionare, überwiegend mit dem seelischen Wohl und der seelischen Befreiung der Sklaven auseinandergesetzt haben. Ich werde untersuchen, wie es dazu kam, daß sie die Position der Weißen übernommen haben und inwieweit sie es sich erlaubt haben, diese zu verändern, um gegen die Sklaverei zu protestieren.
Maria Stewart und besonders David Walker hingegen haben sich einen Ehrenplatz in der afroamerikanischen Protestgeschichte verdient, da sie sich überwiegend mit der Veränderung der irdischen Situation auseinandergesetzt haben. Es war ihnen jedoch nicht möglich, eine reine Protestliteratur zu schreiben, sie mußten sich auch an die weißen Normen halten, um Gehör zu finden.[11]
Nat Turner war kein politischer Redner, sondern ein Prediger. Durch seine Haltung und seine Predigten, die allerdings nicht überliefert sind, konnte er, nach eigener Aussage, seine Mitsklaven dazu motivieren, einen blutigen Aufstand zu wagen. Seine Beichte, die in einem Interview durch einen Weißen nach seiner Tat entstanden ist, ist Gegenstand meiner Arbeit. Darin gibt er seine Gründe für die Tat preis.[12]
Außerdem werde ich jeweils einen Assimilationisten und auch einen Protestautoren mit weißen Predigern vergleichen, die dasselbe Thema behandelten, um den Unterscheid zwischen einer afroamerikanischen Sichtweise, egal ob sie radikal ist oder nicht, und einer weißen Darstellung einer biblischen Geschichte zu zeigen.
Assimilation heißt im Kontext dieser Arbeit, daß sich die Autoren an die oben erwähnten Hierarchien zwischen Schwarzen und Weißen halten, die darauf basieren, daß die Schwarzen einer minderwertigeren, verfluchten Rasse angehören. Sie stimmen den Weißen zu, daß die Schwarzen eine niedrigere Position in der Schöpfung einnehmen als die Weißen und übernehmen die Wertigkeit der Farben Schwarz und Weiß. Ihre Meinung, was die Bibel über die Sklaverei sagt, überschneidet sich mit der der Weißen, und sie zitieren dieselben Bibelstellen, welche die Weißen zur Unterdrückung der Afroamerikaner benutzen, und legen die Bibel so aus, als ob die Sklaven ihren Herren mehr gehorchen sollten als vor ihrer christlichen Bekehrung. Die Antwort, wie man als Schwarzer ein Leben führt, das Gott gefällt, stimmt bei einem Assimilationisten mit der Antwort der Weißen überein. Assimilationisten geben auf die fundamentalen Fragen ihrer Gemeinschaft dieselben Antworten wie die Weißen. Solche Fragen zielen darauf ab, den Konflikt zu lösen, daß man zwar seelisch frei ist, aber körperlich ein Sklave. Sie beschäftigen sich mit dem Sinn des irdischen Leids, der Unterdrückung und mit der versprochenen Belohnung im Himmel. Assimilation heißt ferner, daß die schwarzen Autoren den weißen prosklavereiorientierten Predigern in Sprache und Stil ähneln.
Protest hingegen heißt, daß man an Stelle einer weißen Bibelinterpretation eine eigene, auf die Bedürfnisse der Afroamerikaner angepaßte Bibelinterpretation vorlegt. Die Farbsymbolik sowie die Stellung der Schwarzen innerhalb der Schöpfung sind hier verschieden. Das Ziel des Christentums ist es nicht, gehorsamere Sklaven zu machen, sondern zum Handeln zu bewegen. Man will beweisen, daß Gott die Sklaverei nicht zulassen möchte. Dadurch ändern sich die Hierarchien auf der Erde. Nachdem die Sklaverei in den Nordstaaten abgeschafft worden war, durften Freiheitsgedanken auch offiziell von Afroamerikanern zu Papier gebracht werden. Sie richteten sich zunächst an die schwarze Bevölkerung, dessen Analphabetenrate langsam zurückging, erhielten allerdings auch offensichtliche Drohungen an die Sklaventreiber, welche sie als hypokritische Christen bezeichneten. Kritik an die weiße Auslegung der Bibel und eine mögliche Bestrafung von Gott sind auch Bestandteil des Protestes. Ein solches Christentum soll den Afroamerikanern Hoffung geben und sie zum Handeln animieren. Man hat als Protestautor andere Antworten auf die fundamentalen Fragen eines bekehrten Sklaven als die Weißen und die Assimilationsautoren; man benutzt auch andere Bibelstellen als letztere, um seine Meinung zu belegen.
Anhand von Untersuchungen, wie diese afroamerikanischen Autoren das Christentum unter den spezifischen Bedingungen ihrer Unterdrückung verstehen, und wie sie das Christentum für eine emanzipatorische Argumentation nutzen, kann man sehen, wie facettenreich sich das Christentum in der schwarzen Gemeinschaft niedergeschlagen hat. Man kann dadurch einen Eindruck von der Spannbreite und der Komplexität des afroamerikanischen Christentums bekommen. Es ist zwar nicht der primäre Zweck dieser Arbeit zu beweisen, ob das afroamerikanische Christentum für die Emanzipation schädlich oder fördernd war, doch werde ich auch auf den Verdienst der Autoren in Richtung der Emanzipation eingehen. Dabei werde ich die verschiedenen Schreibbedingungen, die Religiosität und das Geschlecht der Autoren berücksichtigen.
2 Die Protestautoren Maria Stewart und David Walker
2.1 Maria Stewart
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.1 Lebenslauf Maria W. Stewart
Maria Stewart wurde 1803 in Hartford, Connecticut geboren. Im Alter von fünf Jahren verwaiste sie. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, arbeitete sie als Dienstmädchen in einer Pfarrersfamilie, wo sie neben einer religiösen Erziehung keine sonstige Bildung bekam. 1826 heiratete sie James W. Stewart, der drei Jahre später verstarb. David Walkers Appeal, das 1829 veröffentlicht wurde, und eine Glaubenserfahrung im Jahre 1830 regten Maria Stewart an, sich selbst aktiv für die Rechte der Schwarzen einzusetzen, und sich der Abolitionistenbewegung in Boston anzuschließen. Zwischen 1831 und 1833 hielt sie Reden und veröffentlichte Essays in William Lloyd Garrisons Antisklavereizeitung, „The Liberator“.[13] Die Werke, die ich in dieser Arbeit untersuchen werde, befinden sich alle in Marilyn Richardsons Ausgabe von 1987. Es handelt sich dabei um „Religion and the pure principles of morality“ (1831), „Cause for encouragement“ (1832), „Lecture delivered at the Frankin Hall“ (1832), „An address delivered before the Afric-American female intelligence society of America“ (1832), „An address delivered at the African Masonic Hall“ (1833) und „Farewell Address to her friends on the city of Boston“ (1833). Der wachsende Widerstand gegen ihre Ansichten zwang Stewart, nach New York umzusiedeln. Dort engagierte sie sich weiterhin in Frauenorganisationen und in der Abolitionistenbewegung. Sie arbeitete als Lehrerin in Brooklyn und Long Island, nach 1825 in Baltimore und Washington, D. C. Kurz vor ihrem Tod brachte sie eine überarbeitete Edition ihrer Abhandlungen und Reden aus den 30er Jahren mit einem Zusatzwerk, welches sie „Sufferings during the war“ nannte.[14]
2.1.2 Restaurierung des Selbstwertgefühls
Die weißen Sklaventreiber haben die Sklaven jahrzehntelang gedemütigt und erniedrigt. Sie haben ihnen versucht klarzumachen, sie stünden auf der Schöpfungsebene unter ihnen, und daß sie intellektuell und moralisch unterlegen seien. Selbst 1859 sprach Theodor Waitz noch von der schwarzen Rasse:
If there be various species of mankind, there must be a natural aristocracy among them, a dominant white species as opposed to the lower races who by their origin are destined to serve the nobility of mankind, and may be tamed, trained, and used like domestic animals, or may, according to circumstances, be fattened or used for physiological or other experiments without any compunction. To endeavour to lead them to higher morality and intellectual development would be as foolish as to expect that lime trees would, by cultivation, bear peaches, or the monkey would learn to speak by training.[15]
Um überhaupt einen Schritt in Richtung Emanzipation zu setzen, mußte man als Schwarzer ein gestärktes Selbstbewußtsein haben, und in besonderem Maße mußte man seine Menschenwürde wieder aufbauen, welche die Weißen konsequent, unter anderem durch die biblisch begründete calvinistische Prädestinationslehre, niedergemacht haben. Man mußte auch zeigen, daß die Schwarzen und Weißen derselben Rasse angehörten, und dazu eignete sich die Schöpfungsgeschichte der Bibel. Es war besonders wichtig, die Bibel dazu zu nutzen, den Schwarzen zu beweisen, daß Gott sie auf dieselbe Stufe gestellt hat wie die Weißen. Maria Stewart benutzt hierfür den Vers 1, Gen 26[16] der biblischen Schöpfungsgeschichte, welchen sie so verändert, daß sie ihre Hörerschaft direkt in der zweiten Person Plural anspricht, statt die dritte Person zu benutzen, wie im Originaltext. Dadurch wird das Selbstwertgefühl ihrer Hörerschaft direkt positiv beeinflußt. Insofern redet sie nicht von der Schöpfung aller Menschen im allgemeinen, sondern ganz speziell von der Schöpfung der Afroamerikaner: „He hath formed and fashioned you in his own glorious image, and hath bestowed upon you reason and strong powers of intellect” (Stewart, 29). Sie bedient sich damit der altbewährten rhetorischen Methode der Adjektion. Sie fügt wertende Adjektive wie „glorious“ und „strong“ hinzu, benutzt eine Alliteration, um zu betonen, daß die Schwarzen ehrwürdige Kreaturen sind, und sie integriert noch komplette Satzteile in den Vers, welche die Vernunftfähigkeit und das intellektuelle Vermögen der Afroamerikaner hervorheben. Sie beläßt es dabei nicht, sondern erwähnt noch den Psalm 8:5, in dem der Mensch nur eine Stufe niedriger als die Engel plaziert wird: „He hath crowned you with glory and honor; hath made you but a little lower than the angels“ (Stewart, 29).[17] So wird eine indirekte, aber doch sehr nahe Verbindung zu Gott hergestellt, die sich jetzt explizit auf die Afroamerikaner bezieht. Diese Verbindung wird aufgrund der Hautfarbe eines Menschen weder verstärkt noch abgeschwächt, sondern hängt von der Reinheit der Seele ab, genauso, wie die Hautfarbe nicht definiert, ob jemand ein Mensch ist: „it is not the color of the skin that makes the man or the woman, but the principle formed in the soul.” (Stewart, 70)
2.1.2.1 Abschaffung der hierarchischen Beziehungen zwischen den Rassen
Gott hat sie nicht nur mit Vernunft ausgestattet, sondern hat ihnen auch, wie allen Menschen, den Heiligen Geist versprochen, welches das größte Geschenk ist: „Certainly God has not deprived them of the divine influence of his Holy Spirit, which is the greatest of all blessings“ (Stewart 39). Die Weißen hatten sich bis dahin immer als eine überlegene Rasse empfunden. Stewart muß daher die hierarchischen Beziehungen zwischen den Afroamerikanern und den Weißen abschaffen, und das tut sie, indem sie betont, daß sie alle denselben Vater haben und alle den Heiligen Geist empfangen haben. Sie sind also nicht nur Menschen, sondern ganz besonders auch Kinder Gottes, und zwar im selben Maße wie die Weißen. Diese zwei Rassen stehen nicht in Konkurrenz vor Gott, sondern sind Geschwister in Christus. Nicht nur, daß sie in Gottes Augen auf derselben Stufe stehen wie die weißen Sklavenhalter, sie werden sogar nach dem Tod diesen bevorzugt, da sie auf jeden Fall das Reich Gottes erben werden, wenn sie sich ändern.
Nachdem sie die Afroamerikaner mit Hilfe der Bibel in ihrem Menschsein bestätigt, geht sie über, sie als Volk zu definieren. Wie die anderen Abolitionisten, nimmt sie keine Rücksicht darauf, daß sie unterschiedlichen Volksgruppen angehörten, sondern bezeichnet alle als Afrikaner oder Äthiopier. Indem sie alle Afroamerikaner unter einem Begriff zusammenfaßt, will sie nicht nur die Gemeinschaft untereinander betonen. Es ist besonders wichtig zu sehen, daß Äthiopien in Ps. 68:32 unter den alten Königreichen der Erde aufgeführt wurde, im Gegensatz zu den Königreichen, aus welchen die amerikanische Kultur entstanden ist, die gar nicht im AT erwähnt werden. Sogar im NT werden nur die antiken Königreiche Griechenlands und das römische Reich erwähnt, nicht etwa die Engländer. Somit hat die schwarze Rasse eine viel ältere Geschichte und spielt in der Bibel eine größere Rolle als die weiße Rasse, auch wenn sie in den meisten Versen aus der King James Version, wo ihr Name 20 Mal vorkommt, eine eher negative Rolle spielt. Doch ist Maria Stewart die Prophezeiung in Ps. 68:31 auch bekannt: „Ethiopia shall soon stretch out her hands unto God“ (Stewart, 53, und in angewandelter Form 47, 58), und sie sieht sie als Hoffnungsvers für ihre Rasse. Die weiße Kultur ist aus der schwarzen entsprungen, und selbst die Weißen in den USA hätten so ein fortschrittliches Land ohne die Hilfe der Afroamerikaner nicht schaffen können: „in reality we have been their principal foundation and support“ (Stewart, 59). Das Selbstwertgefühl des schwarzen Volkes zu stärken, ist im Rahmen einer emanzipatorischen Bewegung von großer Notwendigkeit, denn dadurch erweist sich Streit untereinander als absurd.
2.1.2.2 Die Rolle der Frau
Konflikte können allerdings nicht nur zwischen den verschiedenen Volksstämmen entstehen, sondern auch zwischen den zwei Geschlechtern. Die Frauen hatten eine besonders beschwerliche Situation, da sie nicht nur von den Weißen, sondern auch von den Männern der eigenen Rasse als minderwertig gewertet wurden. Ihnen wurde geraten, sich in familiären Bereichen aufzuhalten, da sie gemäß dem Frauenbild des 19. Jahrhunderts dafür geschaffen worden sind: „the nineteenth-century american ideal of True Womanhood whereby a woman was measured in terms of her ’piety, purity, submissiveness and domesticity’” (Richardson, 20). Selbst in Freiheit, konnten sie kaum über den Status einer Dienerin hinauswachsen (vergl. Stewart, 46). Auf der sozialen Skala standen sie also unter dem schwarzen Mann.
Deswegen betont Stewart die besondere Rolle der Frau in der Bibel und ihre besondere Beziehung zu Gott: „the Deity more readily communicates himself to women“ (Stewart, 69). Sie erwähnt dabei Deborah, „a mother, [...] and a judge in Israel [Judges 4:4]“ (Stewart, 68),[18] Königin Esther, welche die Leben der Juden rettete,[19] Maria Magdalena, die als erste den auferstandenen Jesus sah, und die samaritische Frau (vergl. Stewart, 68). Gott hat diese Frauen gebraucht, und da Gottes Wesen sich nicht ändert,[20] hat er, besonders in schwierigen Zeiten, mit den Frauen einen Plan, der über die häuslichen Aufgaben hinausgeht. Dieser Plan führt die Frauen in die Öffentlichkeit und stärkt sie in ihrem Einsatz gegen die Unterdrückung ihrer Talente. Plötzlich ist überhaupt nicht mehr von Rassenkonflikten die Rede, sondern von der zwischengeschlechtlichen Rangordnung. Die Frauen sind Opfer, die unter der intellektuellen Unterdrückung ihrer Zeit leiden, obwohl sie genauso eine Seele, „noble souls“ (Stewart, 46), besitzen wie die Männer. Das war nicht immer so, und muß sich auch wieder ändern. Frauen haben früher bei moralischen, religiösen und politischen Themen mehr oder weniger Mitspracherecht gehabt: „holy woman ministered unto Christ and the apostles; and women of refinement in all ages, more or less, have had a voice in moral, religious and political subjects” (Stewart, 68). Selbst die Tatsache, daß sie durch die gewählte Reihenfolge „religious and political subjects“, der Frau zunächst eine religiöse und erst später eine politische Rolle einräumt, kann die Aussage nicht entkräften, daß sie sich für eine Neuorientierung bezüglich der Frauen einsetzt und den Frauen eine wichtige und besondere Rolle zuweist. Somit stärkt sie das Selbstbewußtsein der afroamerikanischen Frau in besonderer Weise. In einem weiteren Abschnitt sagt sie, Frauen hätten gezeigt, daß sie alle traditionell männlichen Tätigkeiten ausüben können: „marthyrs, apostles, warriors, [...], divines and scholars“ (Stewart, 69). Die Frauen dürfen als Apostel Männer belehren und die Bibel auslegen. Nicht nur das, sie dürfen auch für die Sache Gottes kämpfen.
2.1.3 Rechtfertigung für die öffentliche Arbeit der Frauen
Unter ständigem Rückbezug auf Gott und mit Hilfe rhetorischer Fragen rechtfertigt sie also die öffentliche Arbeit der Frauen. Sie sollen nicht durch die eigene Kraft ihre traditionelle Sphäre verlassen, sondern durch die Kraft der Religion: „The religious spirit which has animated women in all ages, showed itself at this time” (Stewart, 69). Die biblischen Anspielungen und die biblischen Verse, die sie benutzt, um auf die Bedeutung der Frauen aufmerksam zu machen, fungieren sozusagen als indirekte rhetorische Fragen, da diese auf der Bibel basieren und jeder gute Christ ihnen Glauben schenken müßte, zum Beispiel: „’And Jesus lifted up his voice and said, I thank thee, O Father, Lord of Heaven and Earth, that thou hast hid these things from the wise and prudent, and has revealed them unto babes; even so, Father, for so it seemed good in thy sight’ [Luke 10:21]“ (Stewart, 68).
Stewart spricht nicht die Emotionen, sondern hauptsächlich die Vernunft an. Hinzu stellt sie die Hypothese auf, daß Apostel Paulus, würde er in ihrer Zeit leben, die Frauen sicherlich nicht aus der Öffentlichkeit ausschließen würde. Das impliziert jedoch, daß die Frau nur in Notzeiten aktiv wird und ansonsten ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau nachgehen soll. Wahrscheinlich konnte sie ihre öffentliche Erscheinung sonst überhaupt nicht rechtfertigen. Es ist sehr wagemutig für eine Frau, die Autorität des Apostels in Frage zu stellen. Durch die Assimilation „worthless worm“ stellt sie sich allerdings wieder in den Hintergrund und schwächt ihre Aussage, was zu ihrer Zeit einfach notwendig war: „St. Paul declared that it was a shame for a woman to speak in public, yet our great High Priest and Advocate did not condemn the woman for a more notorious offence than this; neither will he condemn this worthless worm“ (Stewart, 68). Das impliziert jedoch, daß sich Paulus’ Aussage, im Gegensatz zu Gottes Wort, im Laufe der Zeit ändere und stellt dessen Gültigkeit bezüglich der Frauenrolle in Frage. Sie geht soweit, daß sie ein Behindern der Arbeit der Frauen als Sünde ansieht: „No longer ridicule their efforts, it will be counted for sin. For God makes use of feeble means sometimes, to bring about his most exalted purposes“ (Stewart, 69). Der Kontrast „feeble“ und „exalted“ zeigt deutlich, daß Stewart es so darstellen möchte, daß die Frauen nicht aus eigener Kraft Besonderes vollbringen können, sondern nur durch Gott erhöht werden. Die Bibel wird so als Rechtfertigung für die emanzipatorischen Schritte in Richtung der Frauenbefreiung benutzt.
Durch ihre Biographie zeigt sie, wie Gottes Plan für eine Frau konkret aussehen könnte. Ihre Identität als schwarze Frau leugnet sie an keiner Stelle, sie identifiziert sich als solche. Sie stellt nicht nur ihr Geschlecht in ein besseres Licht, sondern plädiert ganz konkret für ihre eigene öffentliche Arbeit, die sie als einen Dienst an die Gesellschaft sieht. Stewart will, daß den Frauen und ihr selbst die Chance gegeben wird, „serviceable to society“ (Stewart, 47) zu sein. Ihre Aufgabe ist ihrer Ansicht nach ganz eindeutig eine gottgegebene Mission, die sie annimmt: „’If it is thy will, be it even so, Lord Jesus!’“ (Stewart, 45). Alles was sie macht ist lediglich eine Antwort auf die Aufforderung Gottes, sich für seinen Zweck einzusetzen.
Sie tritt damit in die Fußstapfen Jesu, der auch sagte: „O my Father, if this cup may not pass away from me, except I drink it, thy will be done“ (Mt. 26:42). Ihr Lebenszweck ist gleichzustellen mit der Lebensaufgabe Jesu, da sie quasi von Gott für ihre Gemeinschaft geopfert wird, damit sie die Wahrheit verkündet und ihre Gemeinschaft dadurch gerettet wird. Sie behauptet, nichts anderes als Ziel zu haben, als Gottes Wort zu verbreiten: „purely promote the case of Christ“ (Richarson, 50). Sie ist ein Medium Gottes: „strong advocate for the cause of God“ (Stewart, 52). Auf Seite drei ihrer Rede, welche sie vor „The Afric-American Female Intelligence Society of America“ gehalten hat, erwähnt sie sechs Mal, sie stehe im Dienst einer göttlichen Mission, und daß Jesus ihr Anführer sei. Ihre eigenen Interessen sind nebensächlich, alles was sie tut, tut sie im Namen Gottes, aus Liebe zu ihrem Volk und für Gott: „with pure motives of love for your souls“ (Stewart, 52). Ihr Motiv ist angeblich nichts anderes als die christliche Nächstenliebe, die eine der zwei höchsten Gebote im NT ist:[21] „every nerve and muscle was engaged in your behalf“ (Stewart, 67). Sie benutzt diese Übertreibung, um sowohl die geistige Anstrengung als auch die körperliche Anstrengung bildlich darzustellen. Ähnlich wie Christus, will und muß sie sich für ihr Volk, sowohl für Frauen als auch für Männer einsetzen. Indem sie ihnen Richtlinien für ein moralisches Leben mitteilt, will sie die Afroamerikaner vor der Rache Gottes schützen und gleichzeitig ihre soziale Situation verbessern.
Sie ist allerdings keine Christusfigur im Sinne von „Uncle Tom“,[22] sondern eine Kämpferin. Sie zeigt Alternativen zu „Uncle Tom“, wie man christliche Nächstenliebe ausleben kann. So rechtfertigt sie die Veröffentlichung ihrer Reden unter einen christlichen Deckmantel und beruft sich auf die bedeutendsten Gebote Jesu.
2.1.3.1 Stewards Auserwählung durch Gott
Da sich ihr Volk von Gott abgewendet hat, benutzt Gott sie, wie er auch andere Propheten benutzt hat, zum Beispiel Jeremia und Jona, um das Volk zu warnen. Das zeigt, daß Gott sich um die Afroamerikaner bemüht, da er speziell Leute auserwählt, um sie als Volk zu ermahnen, wie er auch sein Volk im AT, die Juden, gewarnt hat. Stewart will möglicherweise indirekt sagen, daß die Afroamerikaner die Rolle der Juden übernommen haben, und sie Gottes neues Volk im 19. Jahrhundert geworden sind. Da Stewart das Wort Gottes verbreitet, wäre sie vom Heiligen Geist inspiriert worden, genauso wie manche andere Bibelautoren. Alles was sie sagt, wäre also legitimiert. Es ist mehr als Inspiration, Gott spricht sogar ganz direkt durch sie: „I believe, that [...] he hath unloosed my tongue, and put his word into my mouth” (Stewart, 67). Sie betont auch: „God has fired my soul with a holy zeal for his cause“ (Stewart, 52). Das Wort „fired“ spielt vermutlich auf das göttliche Feuer an, das Moses zu seiner Aufgabe berufen hat.[23]
Genauso wie Moses, ist Stewart auserwählt worden, ihr Volk durch ihre politischen Reden aus der sowohl seelischen als auch realen Sklaverei zu führen. Sie ist aber auch wie Jeremia dazu auserkoren worden, das Volk Gottes wieder auf dem rechten Weg zu bringen, und das versucht sie mit Drohungen von der Strafe Gottes, wie Jeremia, welche sie durch Bibelzitate übermittelt.[24] Eine weitere biblische Persönlichkeit mit der sie sich vergleicht, ist der Apostel Paulus „I can say with St. Paul that at my conversion I came to the people in the fullness of the gospel of grace” (Stewart, 66). Wie Paulus in 1 Cor. 3:6, sieht sie in ihrer letzten Rede ihre Aufgabe als erfüllt an: „Paul may plant, and Apollos water, but God alone giveth the increase“ (Stewart, 73),[25] auch wenn man jetzt denken könnte, daß alles umsonst war. Sie kann nicht mehr machen, als sich so einzusetzen, wie sie es getan hat. Damit fügt sie sich in eine lange prophetische und missionarische Bibeltradition ein und vergleicht sich mit bedeutenden biblischen Persönlichkeiten. Die Bibel und die Religion dienen ihr als Rechtfertigung für das Austreten aus der für sie vorgesehenen Rolle als Frau, besonders als schwarze Frau.
Warum gerade sie dafür auserwählt sein soll, erklärt sie zu einem Geheimnis Gottes: „wise and holy purposes, best known to himself” (Stewart, 67). Gottes Wege sind ihrer Meinung nach für die Menschen unbegreiflich, und man darf sie nicht in Frage stellen. Der „humility topos“, der in dieser Zeit sehr üblich war und erwartet wurde, darf natürlich gerade bei einer Frau nicht fehlen, und sie wiederholt einige Male, daß sie nur einen Anfangsschritt im Befreiungsplan Gottes darstellt. Gott wird sicherlich fähigere Menschen als sie aussuchen: „others more experienced, more able and talented than myself, might go forward and do likewise” (Stewart, 50). Nichtsdestotrotz, zu der Zeit, in der sie publiziert, wird sie gebraucht, auch wenn sie sich oft in den Hintergrund stellt und ihre Ideen nicht als eigen anerkennt: „I have every reason to believe that it is the divine influence of the Holy Spirit operating upon my heart that could possibly induce me to make the feeble and unworthy efforts that I have” (Stewart, 67). Sie ist als Frau fähig, Gott über die Vernunft erfassen. Maria Stewart merkt an ihrem Schaffen den Einfluß Gottes, denn ohne Gott wäre sie zu schwach, um dieser großen und mutfordernden Aufgabe gewachsen zu sein.
Mit Vernunft kann man also Gott näher kommen und, auch wenn man ihn nicht versteht, ihn wenigstens erkennen. Diese intellektuelle Arbeit erwartet sie von ihrer Hörerschaft. Wenn ihre Hörer also ihre gottgegebene Vernunft anwenden, werden sie Gott in Stewarts Tun entdecken. Wenn man sich allerdings, so wie Stewart, auf Gott persönlich einläßt, dann wird er nicht die Vernunft, sondern das Herz verändern.
Trotz ihrer Zurückhaltung merkt man deutlich, daß sie selbstbewußt ist, und daß sie sich als talentiert und besonders begabt sieht; sie will ihre Gaben nicht verstecken: „nor will I, although a female of a darker hue, and for more obscure than they, bend my head of hang my harp upon willows” (Stewart, 71).[26] Wie dieses Beispiel zeigt, hat sie zu ihrer Zeit noch den Schutz der Religion gebraucht, um als Frau so selbstbewußt aufzutreten. Sie kann nicht einfach behaupten sie sei talentiert, sondern muß zu ihrem Lebenslauf eine Analogie in der Bibel finden, um ihre Rechte ausleben zu können.
Wie Jesus in Mt. 26:42, vergleicht sie ihre Bestimmung mit einem bitteren Kelch: wie Jesus ist sie bereit, ihn leer zu trinken, „to its very dregs“ (Stewart, 66). Sie erfüllt das für sie wichtigste Kriterium, um im Reich Gottes nützlich zu sein: Sie richtet ihren Blick nach oben und bejaht ihre Aufgabe: „Yea, Lord, I am able“ (Stewart, 66). An anderer Stelle sagt sie: „I consecrated my soul and body, and all the powers of my mind to his service, and from that time henceforth: yea, even for evermore, amen” (Stewart, 66). Trotz Zweifel, Sünde und Angst, ist sie bereit, diese besondere und schwere Aufgabe zu vollstrecken. Ihre erste Antwort auf Gottes Ruf erinnert an Mt. 20:22.[27] Die Ausrufe „yea“ und „amen“ erinnern an eine leidenschaftliche Auferweckungspredigt[28] und an die „call-and-response pattern“ des schwarzen Gottesdienstes.[29] Dieses Beispiel zeigt, daß das afroamerikanische Christentum versuchte, den Menschen Hoffnung zu geben, um Leid und Herausforderungen nicht widerwillig zu ertragen, sondern Probleme enthusiastisch anzugehen. Es zeigt ebenfalls, daß obwohl die Reden keine Predigten sind, Stewart Elemente aus Predigten einbettet.[30] Mit diesen Ausrufen will sie die Emotionen ansprechen und die Menschen zu Enthusiasmus und Umkehr bewegen. In ihren Reden fährt sie zweigleisig: Einerseits versucht sie, die Menschen über die Vernunftsebene zu erreichen, und andererseits spielt sie mit ihren Emotionen, wie die Beispiele solcher Exklamationen wie „yea“ und „amen“ mitten in einem argumentativen Diskurs zeigen.
2.1.4 Moral heben
Organisationen wie die „Society for the Suppression of Vice and Immorality“[31] waren bemüht, die Moral der schwarzen Gemeinschaft zu heben. Ergänzend zu der Arbeit solcher Organisationen waren Predigten schwarzer Pastoren besonders im Norden voller Ermahnungen und Ratschlägen, wie man ein moralisches Leben zu führen hat. Richard Allen prangert zum Beispiel die Trinkfreudigkeit an: „Go not to the tavern: the song of the drunkard will soon be changed to weeping and wailing and gnashing of teeth. Drunkenness hurls reason from the throne, and when she has fallen, Vice stands ready to ascend it. If you still grasp their hands, they will drag you down to everlasting fire.” (Vergl. Richard Allen, Address to the People of Color, 1808).[32] Allerdings dienten solche moralisierenden Predigten nicht nur dazu, den Seelenheil zu sichern. Viele Afroamerikaner waren davon überzeugt, eine gute Moral von Seiten der Schwarzen führe zu ihrer Befreiung:
Richard Allen and other Black leaders did not advise moral reform for its own sake. Rather, they saw an integral connection between proper moral conduct and the freedom of Black people. That is, these leaders believed that a proper moral standing among free Blacks would assist in the freeing of slaves and the increase in rights afforded to all African-Americans. That is, white Americans would not be able to enslave those, who, by their actions, demonstrated themselves to be civilized and moral beings. Black religious leaders were determined to respond to all the objections whites gave to the granting of full rights to Black Americans.[33]
Maria Stewart ist ebenso streng wenn sie über die Moral ihrer Rasse urteilt. Überzeugt vom Zusammenhang zwischen Moral und Freiheit, versucht Stewart, sich auf die etablierten Werte in der Bibel zu berufen. Die Bibel beschafft ihr die nötige Basis, um ihre Hörer von der gottgewollten und gottbefohlenen moralischen Lebensführung zu überzeugen, und sie somit für ihre Zwecke zu gewinnen. Weiterhin versorgt die Bibel sie mit nachahmbaren Vorbildern und konkreten Wegweisern zu einem moralischen Leben.
2.1.4.1 Unterschied zwischen den weißen Predigern und Maria Stewart
Weiße Missionare haben ebenfalls versucht, die Afroamerikaner mit Hilfe der christlichen Gebote zur Befolgung moralischen Werte anzuregen. Ihr Zweck unterscheidet sich allerdings enorm von dem Maria Stewarts, da die Weißen Missionare die Schwarzen nur zu besseren und gehorsameren Sklaven machen wollten. Während sie immer wieder betonten, daß ein moralischer Fortschritt nicht die soziale Ordnung, sondern nur den Status nach dem Tod verändere, betont M. Stewart insbesondere die irdischen Konsequenzen eines moralischen Lebens, welche in letzter Instanz zur Freiheit und Beendigung von Rassenhaß sowie zu sozialer Benachteiligung führen. Sie tadelt Verstöße der Schwarzen, die von Kleinigkeiten wie fehlender Schamhaftigkeit: „Where is the maiden who will blush at vulgarity?“ (Stewart, 31), bis hin zur Feindschaft untereinander gehen. Sie mäkelt solche Kleinigkeiten, damit sich die Afroamerikaner an dieselben Normen halten wie die Weißen und sie somit gezwungenermaßen als gleichwertig angesehen werden. Die größeren Fehltritte dagegen beanstandet sie, weil diese ganz gravierende Folgen für das Wohl der Gemeinschaft und des Seelenheils haben. Die Weißen haben damit kaum noch etwas zu tun.
Ihre Reden gleichen den Jeremiaden früherer Puritaner wie Thomas Shepard.[34] Beide vergleichen die Lage ihrer Völker mit den abtrünnigen Völkern im AT. In ihrer ersten Rede „Religion and the pure principles of morality, the sure foundation on which we must build“[35] stellt Stewart schon ganz explizit die Verbindung zwischen den Juden zu Zeiten Jeremias und ihrer Situation her: „I really think we are in as wretched and miserable a state as was the house of Israel in the days of Jeremiah” (Stewart, 32). Schon am Anfang ihrer ersten Rede beklagt sie sich, wie Jeremia, über die Sünden ihres Volkes: „[Jeremiah 9:1] transgression of the daughters of my people” (Stewart, 30). Shepard konzentriert sich ebenfalls auf die Juden: „Ps. cvi. 12 When they were saved from the sea, they soon forgat the Lord”.[36] Er spricht von einer Zeit nach ihrer Erlösung von der ägyptischen Gefangenschaft,[37] während Stewart Jeremia zitiert, der während der babylonischen Gefangenschaft schrieb.
Shepard macht keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, während Stewart von Anfang an auf die Unterscheidung der Geschlechter eingeht. Zunächst kritisiert sie also ihr eigenes Geschlecht, vermutlich um die Gunst der Männer zu erwerben, damit diese sich nicht gleich am Anfang angegriffen fühlen müssen.
Als Inbegriff der Sünde sieht sie Sodom und Gomorrah[38] und ist verängstigt, daß die afroamerikanischen Frauen[39] denselben Weg gehen: „Ah, methinks I see this people living in wickedness; and as the Lord liveth, and as your souls live, were it not for the few righteous that are to be found among us, we should become as Sodom, and like unto Gomorrah.” (Stewart, 51)
Es gibt noch weitere Gemeinsamkeiten zwischen dem weißen puritanischen Thomas Shepard und der schwarzen Maria Stewart. Shepard meint, Gott habe die Puritaner für ihre Unwachsamkeit im Glauben bestraft: „I believe we should not have had those Pequot furies upon us, but God saw we began to sleep” (Shepard, 376). An einer Stelle läßt Stewart durchscheinen, daß sie glaubt, Gott bestrafe sie ebenfalls wegen ihrer Sünden: „Wherefore hast thou so long withheld from us the divine influence of thy Holy Spirit? Wherefore hast thou hardened our hearts and blinded our eyes? It is because we have honored thee with our lips, but our hearts were far from thee. We have polluted thy Sabbath, and even our most holy things have been mockery to thee [...] Return, again unto us.” (Stewart, 33) „Again“ impliziert, daß die Schwarzen bessere Zeiten erlebt haben, wie auch die Juden vor der babylonischen Gefangenschaft.
Wie Shepard, vergleicht Maria Stewart ebenfalls Sünde mit einem Schlafzustand. Die Aufforderung: „awake to righteousness and sin not“ (Stewart, 35) könnte die Fortsetzung von Shepards Tadel: „short awakenings you have, but long sleeps“ (Shepard, 379) sein. Stewart spricht allerdings nicht nur von einer Unwachsamkeit im Glauben. Im Gegensatz zu Shepard, der ja nur den religiösen Glauben stärken und damit die Moral heben will, ist es ihr primäres Ziel, die Menschen zum Handeln zu bewegen, nicht nur zum Beten. Das Schlafen der Christen hat nicht nur Konsequenzen für ihr seelisches Heil, sondern verhindert, daß Sklaverei und Rassismus ein Ende nehmen: „Christians have too long slumbered and slept; [...] and the devil is going about like a roaring lion, seeking whom he may devour” (Stewart, 51-52).[40] Sie nimmt wieder die Bibel als Stütze für ihre Argumentation, da die Bildsprache der Bibel den Ernst der Situation wiedergibt und diese Sprache auch jeder versteht. Es ist nicht schwer, den Zusammenhang zwischen dem brüllenden Löwen, der als Symbol für den Teufel steht, und der Sklaverei zu sehen.
In ihrem Aufruf: „O, ye daughters of Africa, awake! Awake! Arise! No longer sleep nor slumber, but distinguish yourselves“ (Stewart, 30), welcher seine Leidenschaftigkeit betreffend fast einzigartig in Stewarts Essays ist, wird durch die Wiederholung „awake! Awake!“, der Alliteration in „a“ und „s“ und den dreifachen Ausrufezeichen eine große Dringlichkeit demonstriert. Er richtet sich nicht an sündigen Christen, sondern an die Frauen, die aufgefordert werden, über ihren Status hinauszuwachsen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Insofern unterscheidet sich Stewart von Shepard, auch wenn beide dieselben biblischen Bilder des Schlafens und Wachens benutzen sowie Parallelen zwischen ihrer Situation und den untreuen Juden ziehen.[41] Beide wollen die Moral ihrer Völker heben, der Zweck dieser moralischen Verbesserung ist jedoch unterschiedlich. Shepard kümmert sich in erster Linie um das Seelenheil, aber Stewart will bewirken, daß ihre Zuhörerschaft zum Handeln animiert wird. Allerdings heißt das nicht, wie schon in einem Zitat angegeben, daß sie den Seelenheil vernachlässigt. Für Stewart zieht echter Glaube die Konsequenz zu handeln nach sich. Moralisches Handeln stärkt die Gemeinschaft und erhöht damit die Chance, Freiheit zu bekommen, da es die Weißen veranlassen könnte, sie als gute Christen zu sehen und sie freizulassen.
2.1.4.2 Stärkung der Gemeinschaft
Die Last, die sie als Volk zu tragen haben, ist für wenige schwarze Fürsprecher, die Stewart „noble advocate“ (Stewart, 61) nennt, viel zu groß, so wie die Last der Israeliten für Moses allein viel zu groß war. Deswegen müssen viele Afroamerikaner gestärkt werden und Energie bekommen, die nur Gott geben kann, vorausgesetzt sie wenden sich von ihrem unmoralischen Leben ab. Die Schritte zur Emanzipation sind also: Sich von einem unmoralischen Leben abzuwenden, sich Gott zuzuwenden und gestärkt in einen friedlichen, geistigen Kampf zu ziehen und alle zur Verfügung stehenden gewaltlosen Möglichkeiten auszunutzen.[42]
Stewart beklagt, daß ihre Rasse den schlechtesten Ruf unter allen Völker der Erde hat, sogar schlechter als der der Indianer: „even the wild Indians […] are more united than ourselves“ (Stewart, 54). Ihrer Meinung nach kann es unmöglich nur an der Hautfarbe liegen, sondern an der Art und Weise wie sie leben. Sie stellt fest, daß kein Volk soviel Feindschaft und Neid untereinander kennt wie die Afroamerikaner. Bei dieser unmoralischen Lebensführung sei es kein Wunder, daß sie verachtet werden. Sie zitiert König Solomon in Prediger 7:28, der nach gerechten und moralischen Menschen gesucht hat: „’Behold’, […] ’a man have I found in a thousand, but a woman among all those have I not found’“ (Stewart, 54). Es gibt einige wenige Männer die moralisch leben, aber Frauen findet sie erst gar nicht. Wahrscheinlich betont sie hier wieder die Verantwortung der Frau, da derjenige, der mehr Verantwortung hat, auch mehr kritisiert wird, wenn es zu Fehlern kommt. Um überhaupt ein Volk zu werden und als solches akzeptiert zu werden, dürfen die Frauen keine Gelegenheit auslassen, die zu ihrer moralischen und sozialen Verbesserung beitragen wird: „convincing the world, by our own efforts, however feeble, that nothing is wanting on our part but opportunity“ (Stewart, 53).
Eine moralische Verbesserung würde also die Gemeinschaft untereinander stärken, da dann kein Neid mehr, sondern Nächstenliebe existieren würde, und das würde die Afroamerikaner auch in den Augen anderer Völker aufwerten. Eine gestärkte Gemeinschaft zieht auch weiße Abolitionisten an, die von dessen Lebensweise beeindruckt sind, und welche dann die Bewegung unterstützen. Stewart will, daß ihre Rasse eines Tages nicht mehr von anderen Völkern verachtet wird: „that day the hissing and reproach among the nations of the earth against us will cease“ (Stewart, 37). Die Völker der Erde sollen zu den Afroamerikanern aufblicken oder sie zumindest als gleichwertig anerkennen: „that we may soon become so distinguished for our moral and religious improvement, that the nations of the earth may take knowledge of us“ (Stewart, 34), statt sie zu verachten: „we are despised above all the nations upon the earth” (Stewart, 54). Somit äußert sie den Wunsch, als Vorbild für die anderen Nationen zu dienen. Dadurch deutet sie an, daß die Afroamerikaner mit etwas Disziplin moralisch besser als andere Rassen sein werden. Stewarts Wunsch entspricht dem amerikanischen Ideal „city upon a hill“,[43] den sie jetzt auf die Afroamerikaner überträgt. Sie wünscht sich, daß sich ihr Volk von anderen abhebt, und daß die Schwarzen außergewöhnlich, „men of eminence“ (Stewart, 58), werden sollen. Selbst wenn sie ihre Rasse nicht explizit als Vorbild für die Welt deklariert, wahrscheinlich weil es zu gewagt wäre,[44] macht die Wahl der Wörter wie „distinguished“ oder „eminence“ ihre subtile Intention doch deutlich. Sie will, daß die Afroamerikaner nicht nur auf derselben Stufe wie die anderen Rassen, besonders die der Weißen, stehen, sondern sogar über ihnen. Weiter sagt sie: „I am of a strong opinion that the day on which we unite, heart and soul, and turn our attention to knowledge and improvement, that day the hissing and reproach among the nations will cease” (Stewart, 37). An dieser Stelle sieht man, daß sie sich nicht nur auf moralische Werte konzentriert, sondern auch auf die Bildung, und zwar nicht nur im Sinne einer religiösen Bildung, die nichtsdestotrotz einen hohen Stellenwert hat. Was den Menschen in erster Linie fehlt, um Bildung zu erlangen, ist Ehrgeiz und Mut: „laudable ambition and requisite courage.” (Stewart, 58)
Da sich vielleicht nicht alle ihre Mitbürger vom Zusammenhang zwischen Moral und Freiheit auf einer argumentativen Weise überzeugen lassen, weist sie darauf hin, daß ein moralisches Leben ein Befehl Gottes ist, was kein Christ leugnen kann. Die Botschaft der zehn Gebote ist so bekannt, daß sie diese gar nicht erwähnen muß. Dafür zitiert sie verschiedene Bibelstellen, in denen Gott Gefallen an rechtschaffenden Menschen findet, sowie viele Stellen aus dem Buch der Sprüche, das moralische Richtlinien zeigt, wie zum Beispiel Proverbs 14:34: „righteousness exalteth a nation, but sin is a reproach to any people [Proverbs 14:34]“, (Stewart, 35) oder Proverbs 4:13: „Take fast hold of instructions; let her not go; keep her, for she ist thy life” (Ricardson, 36/37). Zu ihrer Person sagt sie, daß sie lieber moralisch als reich sein möchte: „I would prefer moral worth and excellence of character to the wealth of the Indies or the gold of Peru“ (Stewart, 44). Sie erinnert auch an aggressivere Verse wie zum Beispiel: “I cut off my right hand, as it were, and plucked out my right eye, and cast them from me, thinking it better to enter life halt and maimed, rather than having two hands or eyes to be cast into hell [Mark 9:43]“ (Stewart, 66). Diese Verse könnten an diejenigen gerichtet sein, die mehr als ihr Gewissen brauchen, um moralisch zu leben. Sie droht zwar einerseits mit der ewigen Verdammnis, wenn man sich Gottes Willen widersetzt und willentlich sündigt, wie mit dem Zitat aus Mt. 5:22: „’whosoever shall say, thou fool, [to his brother] shall be in danger of hell-fire’“ (Stewart, 67), andererseits lockt sie aber auch mit dem biblischen Versprechen, daß die Rechtschaffenden eine Belohnung im Himmel erwartet, wie aus Psalm 103:13: „’And as a Father pitieth his children, so the Lord pitieth them that dear him’” (Stewart, 71). Richardson äußert sich dazu zusammenfassend: „In her ‘political sermons’ presented in secular forums, even as she denounced the many ways in which her people continued to fall from grace, Stewart announced and elaborated upon a celebratory vision of redemptive progress toward independence of body and spirit.” (Richardson, 16)
Konkrete Ratschläge, ein moralisches Leben zu führen, findet sie ebenfalls in der Bibel. Zunächst ist Jesus das Vorbild schlechthin: „may we imitate the character of the meek and lowly Jesus” (Stewart, 34). Wie schon angedeutet, ist Stewart bemüht, in seine Fußstapfen zu treten. Auch andere Personen, wie Hiob zum Beispiel, der soziale Arbeiten geleistet hat,[45] sind Vorbilder (vergl. Stewart, 34). Man kann außerdem aus den Fehlern der biblischen Charaktere lernen, wie zum Beispiel aus den Fehlern der Pharisäer.[46] Letztendlich muß man auf Gott hören, Gott selbst wird jedem Weisheit geben, den richtigen Weg zu gehen, auch wenn man keine Bildung genossen hat: „God is able to fill you with wisdom and understanding” (Stewart, 41). Sie erinnert daran, daß Gott oft gerade die Ungebildeten gebraucht hat: „Although learning is somewhat requisite, yet recollect that those great apostles, Peter and James, were ignorant and unlearned. They were taken from the fishing boat, and made fishers of man” (Stewart, 69).[47] Dies ist auch ein indirekter Appell an die Weißen, die ungebildeten Afroamerikaner als Pastoren arbeiten zu lassen, da Gott andere Maßstäbe als Hautfarbe oder Bildungsgrad hat die Eignung für ein Predigeramt zu prüfen.
2.1.5 Gott bestraft Sklaverei und Hypokrisie
Der Blick auf Gott impliziert auch, daß man sich für Gott einsetzt. Dafür muß man Gottes Willen kennen. Gottes Wille ist, wie schon erwähnt, die Befolgung seiner Gebote. Die Weißen Missionare sind auch soweit gegangen, auch wenn sie eine etwas andere Auffassung davon hatten, was man unter Gottes Gebote zu verstehen hat. Im Grunde genommen sind sich Maria Stewart und weiße Missionare einig: Man muß Gottes Willen und Gottes Gebote befolgen. Allerdings muß Maria Stewart ihre Hörerschaft davon überzeugen, daß Gottes Wille weiter geht als die Befolgung moralischer Konventionen. Sie muß jetzt biblisch begründen, daß Gott gegen die Sklaverei ist, und wenn man ein Christ ist, muß man gegen Sklaverei und Rassismus kämpfen, sonst befolgt man nicht Gottes Willen.
Das weiße Christentum hat jahrelang die Bibel als Beweis genommen, daß die Sklaverei gottgewollt oder zumindest von Gott toleriert wurde, wie ich schon im ersten Kapitel dargestellt habe. Nun müssen die Afroamerikaner diese Aussage ebenfalls mit Hilfe der Bibel widerlegen. Schon in ihrer ersten Rede schafft es Stewart, die Sklaverei als ihren Feind darzustellen. Sie paraphrasiert Psalm 68:2 „the chains of slavery and ignorance would melt like wax before the flames“ (Stewart, 31). Im Originalvers, der ihren Zuhörern bekannt sein sollte, steht: “as wax melteth before the fire, so let the wicked perish at the presence of God“. Durch diese Parallele schafft sie es, die Sklaverei und die Ignoranz als ihre Feinde kenntlich zu machen, denn sie ersetzt „wicked“ durch „slavery“.
Das Gottesbild, das die Weißen den Afroamerikanern vermitteln wollten, ist keineswegs positiv. Es gilt daher, dieses Bild zugunsten der Unterdrückten zu verändern. Gott ist ein einladender Gott, der seine Gnade jedem zuteilt, egal welcher Rasse man angehört. Schon in der ersten Rede wird dieses neue Gottesbild durch Jesaja 55:1 biblisch begründet: “Ho, every one that thirsteth, come ye to the waters, and he that hath no money; yea, come and buy wine and milk without money and without price“ (Stewart, 33). In diesem Vers geht es nicht darum, die lebensnotwendigen Nahrungsmittel zu bekommen, sondern Luxusgüter. So dürfen die Unterdrückten Gott sogar um außergewöhnliche Wohltat bitten. Da die Freiheit, kein außergewöhnliches Privileg ist, sondern ein Grundrecht, darf man Gott um so mehr darum bitten. Die Schwarzen dürfen auch Gott vertrauen, daß er auf ihrer Seite ist, „trust in the Lord and do good; so shall thou dwell in the land, and verily thou shall be fed” (Stewart, 40).[48] Hier bezieht sich Stewart auf das Versprechen, das Gott seinem Volk Israel gegeben hat, das aber genauso für sie gilt. Gott hat ihnen, wie den Puritanern, das Land Amerika, geschenkt.[49]
Es ist ihnen also genauso geschenkt worden wie den Weißen, die sie unterdrücken und versklaven. Konform der Unabhängigkeitserklärung haben sie ein Recht, dort menschenwürdig behandelt zu werden: „the whites have so long and so loudly proclaimed the theme of equal rights and privileges, the our soul have caught the flame also, ragged as we are.[50] As far as our merit deserves, we feel a common desire to rise above the condition of servants and drudges“ (Stewart, 47). Sie möchte also nicht auf die Kosten der Weißen leben, sie möchte nur die Möglichkeit haben, daß die Schwarzen ihres Glückes eigene Schmiede sein können, wie die Weißen auch. Gott hat auch ihnen diese Möglichkeit geschenkt, doch die Weißen ignorieren sie. Afrika ist für sie ein fremdes Land: „I am a true born American; your blood flows in my veins, and your spirit fires my breast” (Stewart, 46). Sie spricht auch vom gefallenen Afrika: „fallen Africa“ (Stewart, 48).[51] Als Christen sollten sie auch das Recht haben, in einem christlichen Land zu leben und ihre Religion ausüben zu dürfen. Nach Liberia auszuwandern kommt für sie überhaupt nicht in Frage: „they would drive us to a strange land. But before I go, the bayonet shall pierce me through.“ (Stewart, 64)
Stewart weist auch darauf hin, daß die Weißen nicht so viel Wohlstand erreicht hätten, wenn sie die Afroamerikaner nicht ausgenutzt hätten. Um die Beziehung zwischen den Weißen und den Afroamerikanern zu erläutern, benutzt sie die Bibel. Wie König Solomon, der nicht selbst seinen Tempel erbaut hat, aber die ganze Ehre dafür bekommen hat, bekommen die Weißen alle Ehre, obwohl doch die Afroamerikaner ihre hauptsächliche Unterstützung darstellten: „principal foundation and support“ (Stewart, 59). Damit zeigt sie auch, daß die Schwarzen fähig sind, so etwas Außergewöhnliches und Pompöses zu schaffen, wie es der Tempel Salomos war als er errichtet wurde. Sie weist auch darauf hin, daß die Weißen wie der reiche Mann aus der Geschichte mit Lazarus leben (vergl. Lukas 16:19), und eben diese Tatsache, daß sie überhaupt so leben, haben sie den Schwarzen zu verdanken: „We will tell you that it is our gold that clothes you in fine linen and purple, and causes you to fare sumptuously every day [Luke 16:19]; and it is the blood of our fathers, and the tears of our brethren that have enriched your soils. AND WE CLAIM OUR RIGHTS” (Stewart, 40). Die außergewöhnliche Großschreibung zeigt, daß es ihr wichtigstes Anliegen ist. Die Behandlung ihrer Rasse ist äußert ungerecht, und ein gerechter Gott wird ihre Peiniger nicht ungestraft davonkommen lassen. Spätestens im Himmel erwartet sie die ewige Verdammnis.
Gott hat allerdings schon mal sein Volk gerettet und die Unterdrücker bereits auf der Erde bestraft. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Gott fähig ist, die Amerikaner ebenfalls schon auf der Erde zu bestrafen: „to plead our cause against you, and to pour out upon you the ten plagues of Egypt“ (Stewart, 40).[52] Sie droht wiederholt mit der furchtbaren Rache Gottes: „Vengeance is his, and he will repay. […] America has risen to her meridian. When you begin to thrive, she will begin to fall. God hath raised you up a Walker and a Garrison” (Stewart, 40).[53] Damit wird deutlich, daß die Arbeit der Abolitionisten von Gott unterstützt wird, oder sogar, daß die Abolitionisten die Arbeiter Gottes sind, die vom ihm entsandt wurden, um an seiner Stelle zu kämpfen. Daher können sie sich der ganzen Unterstützung Gottes sicher sein. Sie müssen Gott vertrauen und beten, dann wird Gott sie erlösen: “in God’s own time, and his time is certainly the best, he will surely deliver you with a mightly hand and with an outstreched arm” (Stewart, 41).[54] Hände und Arme sind die Körperteile des Menschen, die den Willen ausführen und am meisten Schaden anrichten können. „Mightly“ und „outstreched“ verstärken die Drohung der Aussage, da es sich nicht um menschliche Gewalt handelt, sondern um die mächtige und zornige Gewalt Gottes. Stewart ermahnt, daß Gott in der Bibel nicht nur ein liebender Vater, sondern auch zornig und bestrafend gegenüber denen ist, die ihn mißachten und die sein Volk quälen: „It will be the great day of joy and rejoicing to the humble followers of Christ, but a day of terror and dismay to hypocrites and unbelievers“ (Stewart, 50). Der Zorn Gottes ist gewaltig, und man kann ihm nicht entkommen. Diejenigen, die davon betroffen sind, werden wie in der Offenbarung 6:16 um Erlösung schreien: „’Rocks and mountains! Fall upon us, and hide us from the wrath of the Lamb, and from him that sittieth upon the throne’ [Revelation 6:16]!“ (Stewart, 50). Durch das Paradox „wrath“ und „lamb“ zeigt Stewart die zwei Seiten Gottes. Sie sagt allerdings an keiner Stelle, daß die Afroamerikaner nur die rettende Seite Gottes kennenlernen werden, während die Weißen nur die zornige Seite erfahren werden. Sie unterteilt nicht nach den Rassen, sondern nach deren Beziehung zu Gott.
Allerdings leben viele Weiße ein sehr sündiges Leben, da sie die Schwarzen aktiv unterdrücken: „you may kill, tyrannize and oppress as much as you choose until our cry shall come up before the throne of God, for I am firmly persuaded that he will not suffer you to quell the proud, fearless and undaunted spirits of the Africans forever“ (Stewart, 40). Hier stellt sie alle Afrikaner als Volk auf die „gute“ Seite und damit ihre Gegenspieler, ihre Peiniger, auf die „schlechte“. Sie totalisiert zwar nicht ganz und sagt: „many of the sable-skinned Africans you now despise will shine in the kingdom of heaven as the stars forever and ever“ (Stewart, 39), und nicht „all of the sable-skinned Africans“. Es ist aber zumindest eine Mehrheit der Afrikaner gemeint, dagegen fällt die Mehrheit der Weißen unter dem Richterspruch Gottes. Gottes Zorn wird deshalb ausgelöst, weil die Greueltaten der Weißen gerächt werden müssen: „the blood of her [Africa] murdered one cries in heaven for vengeance against thee [Amerika]“ (Stewart, 39). Besonders richtet sich der Zorn Gottes gegen die weißen Männer: „o, ye great and mighty man of America, you rich and powerful ones, many of you will call for the rocks and mountains to fall upon you“ (Stewart, 39). Hier hat die Drohung im Gegensatz zu ihrer späteren Rede einen ganz realen Adressaten. Die weißen Männer unterdrücken sowohl die schwarze Rasse als auch die Frauen. Maria Stewart ist als eine schwarze Frau also doppelt belastet.
Diejenigen Weißen, die nichts gegen die Sklaverei unternehmen, tragen dazu bei. Gott wird nicht nur über die individuellen Taten urteilen, sondern auch über die Nationen als Ganzes: „and before him shall be gathered all nations, and kindred, and tongues, and people […] [Romans 14:11]“ (Stewart 51).[55] Sie wirft Amerika sogar Mord vor: „thou art almost become drunken with the blood of her slain; thou hast enriched thyself through her toils and labors, and now thou hast refuseth to make even a small return“ (Stewart, 39). Hier wird die Anlehnung an die biblische Sprache ganz offensichtlich. Sie benutzt auch nicht die zweite Person singular „you“, sondern „thou“, um ihrer Aussage einen drohenden Ton zu verleihen. Sie spricht wie eine Prophetin, und die Metapher „drunken with blood“ und das Wort „slain“ verbildlichen Amerikas Kannibalismus. Die Amerikaner verhalten sich keineswegs wie zivilisierte und moralische Christen, sondern wie wilde Menschenfresser. Daher hat die amerikanische Nation[56] als Ganzes die Verantwortung, das Königreich Satans: „Satan’s kingdom“ (Stewart, 34) in ihrem eigenen Land zu zerstören, um in den Himmel zu kommen. Stewart richtet sich oft an Amerika als eine „Nation“. Das Verhalten der Amerikaner ist ihrer Meinung nach eine Anmaßung. Wenn Gott die Afroamerikaner mit dem Heiligen Geist beschenkt hat, dann ist Rassismus unbegründet: „why should man any longer deprive his fellow-man of equal rights and privilegdes? Oh, America, America, foul and indelible is thy stain!“ (Stewart, 39).[57] „Stain“ erinnert an das Merkmal von Kain,[58] den er als Strafe erhalten hat, und der als Beweis genommen wurde, daß man die schwarze Rasse versklaven darf.[59] Jetzt benutzt Stewart die Permutation und überträgt den Fleck der Schande auf die Weißen, um einerseits die Argumentation der Weißen zu annullieren, und andererseits damit zu zeigen, daß jenes Volk die Schande Gottes sichtbar trägt, das gegen Gottes Gebot verstößt: „’He that knoweth the Lord’s will and obeyeth it not, will be beaten with many stripes [Luke 12:42].’” (Stewart, 71). In der „King James“-Version heißt der Vers: „„And that servant, which knew his lord's will, and prepared not himself, neither did according to his will, shall be beaten with many stripes” und befindet sich in Lk. 12:47. Stewart hat das Possessivpronomen „his“ durch den bestimmten Artikel „the“ ersetzt und bezieht sich damit nicht auf den Sklavenhalter, wie im Originaltext, sondern auf Gott. Sie gibt den Versen, welche die Weißen zur Unterdrückung ihrer Sklaven benutzt haben eine komplett andere Bedeutung.
Nicht nur Mord und gewaltvolle Unterdrückung wird von Gott bestraft, sondern auch die Tatsache, daß die Weißen die Schwarzen absichtlich in Unkenntnis, in „ignorance“, halten. Wie die Wächter Zions, die vorgaben, Frieden zu wollen, und dafür bestraft wurden: „the watchmen of Zion have cried peace, peace, when there was no peace [Jeremiah 6:14]; they have been, as it were, blind leaders to the blind [Mt 15:14]“ (Stewart, 33), werden die Weißen, die Gottes Wort falsch auslegen, ebenfalls bestraft werden. Auf Seite 52 spricht sie die Christliche Hypokrisie an: „many who profess the name of Christ at the present day, live so widely different from what becometh the Gospel of our Lord Jesus Christ, that they cannot and they dare not reason to the world upon righteousness and judgement to come“. Weiter unten auf derselben Seite droht sie mit der Bibel: „’O, ye hypocrites, ye generations of vipers, how can you escape the damnation of hell [Mt. 23:33]’“. Es ist ein schlimmes Vergehen, wenn man sogar andere daran hindert, die Wahrheit zu sehen: „they neither enter in to the kingdom of heaven themselves, nor suffer others to enter in” (Stewart, 52). Stewart benutzt viele biblische Vergleiche, um die Weißen mit den Hypokriten der Bibel gleichzustellen, zum Beispiel vergleicht sie sie mit den Pharisäern und sagt, daß sie ihre eigenen großen Fehler nicht bemerkten, dafür aber die kleinen Fehler ihrer Brüder, womit die Afroamerikaner gemeint sein könnten: „They would pull the motes out of their brother’s eye, when they have a beam in their own eye [Matthew 7:3]“ (Stewart, 52). Ihre Kritik drückt sie durch Zitate aus der Bibel und seltener durch ihre eigenen Worte aus.
Die weißen aufrechten Christen, die es auch gibt, lassen sich ebenfalls von den Hypokriten beeinflussen. Sie wollen den Afroamerikanern zwar helfen, können es aber nicht, da sie blind sind und sich täuschen lassen: „blind leaders of the blind“ (Stewart, 53). „Wenn aber ein Blinder einen Blinden leitet, so werden sie beide in der Grube fallen“ (Mt. 15:14). Sie impliziert, daß die Lehren der weißen Kirche falsch sind, und daß die Weißen, die ihnen helfen wollen, sich durch diese falschen Lehrer in die Irre führen lassen. Eine Folge sei, daß die Afroamerikaner eine eigene Kirche bräuchten, die ihnen die Bibel neu interpretiert, und die Wahrheit mitteilt, auch wenn diese unangenehm sein sollte: „’Faithful are the wounds of a friend, but the kisses of an enemy are deceitful [Proverbs 27:6]’“ (Stewart, 60).
Die Missionsversuche der weißen Kirche kann man mit verräterischen Küssen vergleichen. Wenn die Weißen wirklich so gut gesinnt gegenüber den Afroamerikanern wären, würden sie die Wahrheit nicht verbergen, und sie würden sie in ihrer Bildung finanziell unterstützen. Statt das Geld für die Umsiedlung nach Liberia zu verwenden, könnten sie damit Schulen errichten (vergl. Stewart, 61). Aber da die Absichten der Weißen nicht ehrlich sind, wollen sie durch eine finanzielle Unterstützung nichts Positives erreichen: „ah, methinks, their hearts are so frozen towards us they had rather their money should be sunk in the ocean than to administer it to our relief: and I fear, if they dared, like Pharaoh, king of Egypt, they would order every male child among us to be drowned“ (Stewart, 61). Stewart vergleicht sie also nicht nur mit den Pharisäern, sondern sogar mit dem schlimmsten Pharaoh des AT, der jedes männliche Kind umbringen wollte.[60]
Doch so wie Gott Moses errettet hat, wird er auch ihnen helfen. Daher brauchen die Weißen sich nicht zu fürchten. So wie Gott mächtiger war als der Pharaoh, ist er mächtiger als die weißen Sklaventreiber: „we are not afraid of them that kills the body, and after that can do no more; [...] we fear Him who is able, after He hath killed, to destroy both soul and body in hell forever” (Stewart, 40). Die Parallele zu der ägyptischen Gefangenschaft gibt ihnen Hoffnung auf eine baldige Verbesserung der Situation. Doch wie die Juden damals, müssen sie sich auch bemühen, die Situation zu ändern. Gott ist bei ihnen, er unterstützt sie, aber sie müssen trotzdem selbst den Mut haben, aufzubrechen. Dann ist sie sich Gottes Unterstützung sicher: „I am full persuaded that he will bring me off conqueror, yea, more than conqueror, though him who hath loved me and given himself for me“ (Stewart, 41). Allerdings, so wie sich Gott für die Menschen geopfert hat, so sollen diejenigen, die ihn lieben, sich auch für Gottes Sache aufopfern, so wie es Maria Stewart auch tut.
2.1.6 Gott verlangt den Einsatz der Christen
Stewart vertritt nicht die Meinung, daß die Sklaverei an sich schlecht ist, sie allerdings für Gott ein Mittel darstellt, den Schwarzen zu ihrem Seelenheil zu verhelfen.[61] Sie ist auch nicht der Auffassung, daß man sein irdisches Leiden martyrisch aushalten muß und bis zum Jüngsten Tag passiv und geduldig sein Schicksal ertragen sollte. Obwohl gottes ultimativer Grund für die Sklaverei ein Geheimnis bleibt, (vergl. Stewart, 72) und sie sich sicher ist, daß spätestens im Himmel eine Gerechtigkeit stattfindet, ist sie überzeugt, daß Gott bereits auf der Erde Gerechtigkeit schaffen möchte, wenn die Menschen ihn unterstützen. Durch ihr eigenes Leben und durch biblische Vorbilder, die keineswegs „Uncle Tom“-Figuren waren, will sie beweisen, daß Gott auf der Seite der Unterdrückten ist, wenn diese das Böse auf der Welt bekämpfen. Moses ist natürlich das Paradebeispiel schlechthin, da er nicht passiv wartete, bis die Ägypter die Israeliten von sich aus freigelassen haben, sondern sich die Befreiung eines ganzen Volkes zur Aufgabe gemacht hat. Dabei sind auch unzählige Ägypter gestorben, zum Beispiel durch die Teilung des roten Meeres.[62] Also ist auch Gewalt nicht ganz auszuschließen, wenn Gott sie braucht, doch geht die Gewalt dann von Gott aus, und nicht von den Menschen.
Sie spricht selten davon, daß die Afroamerikaner mit physischer Gewalt gegen die Weißen vorgehen sollen. Auf Seite 63 findet man allerdings ein solches Beispiel:
But many powerful sons and daughters will shortly arrise, who will put down vice and immorality among us, and declare by Him that sitteth upon the throne that they will have their rights; and if refused, I am afraid they will spread horror and devastation arround. I believe that the oppression of injured Africa has come up before the majesty of Heaven; and when our cries shall have reached the ears of the Most High, it will be a tremendous day for the people of this land; for strong is the hand of the Lord Almighty.“ (Stewart, 63)
„Horror and devastation“ sind eindeutig mit physischer Gewalt zu verbinden. Da aber Gott in der Offenbarung auch droht, daß seine Todesengel die Ungläubigen richten werden, und die Schwarzen auch nur dann so handeln werden, wenn sich die Weißen nicht ändern, ist ihr Verhalten in einem gewissen Maße legitim. Sie ersetzen sozusagen die Todesengel Gottes, wie es Nat Turner später auch sieht. Sie sind ein Racheinstrument Gottes, eine Verlängerung seiner mächtigen Hand: „for strong is the hand of the Lord God Almighty“ (Stewart, 63).[63] Diese aggressive Meinung kommt auch nur an der Stelle, wo sie Amerika mit Babylon vergleicht: „America has become like the great city of Babylon [...] She is, indeed, a seller of slaves and the souls of men; she has made the Africans drunk with the wine of her fornication” (Stewart, 63).[64] Den Christen ist es wohl bekannt, daß Gott Babylon bestrafen wird. Ihre eigene Mission definiert sie in ihrer letzten Rede zusammenfassend als christlichen Krieg: „Christian warfare“ (Stewart, 71), und ihr unmittelbarer Gegner ist der Teufel: „I have indeed had to contend against the fiery darts of the devil“ (Stewart, 71). Dieses Bild soll ihren geistigen Kampf veranschaulichen und ähnelt der Bildsprache, die in den Predigten dieser Zeit verwendet wurde, und auch in der Bibel sehr präsent ist. So sind Stewarts Metaphern für jeden, der regelmäßig christliche Messen besucht, verständlich. Um ihre Mission zu beschreiben, benutzt sie auch Vokabular aus den Wortfeld des Krieges: „holy warfare [...], the Lord’s battle I mean to fight.“ (Stewart, 52)
Das Ausüben physischer Gewalt wird allerdings seltener erwähnt, als die christliche Liebe den Feinden gegenüber. Stewart will durch Gebet bewirken, daß Gott die Herzen der Sklaventreiber berührt, statt diese zu verfluchen: „We will no longer curse you for your wrongs; but we will implore the Almighty to soften you hard hearts towards our brethren, and to send them a speedy deliverance“ (Stewart, 43-44). Dadurch, daß sie sich auf Gott verlassen kann, ist sie fähig, ihren Feinden zu vergeben, diejenigen zu segnen, die sie gehaßt haben und für diejenigen zu beten, die sie ausgenutzt und verfolgt haben: „I can now forgive my enemies, bless those who have hated me, and cheerfully pray for those who have despitefully used and persecuted me“ (Stewart, 74).[65] Es ist bemerkenswert, daß diese christliche Liebe den Feinden gegenüber in ihren letzten Sätzen ausgedrückt wird, obwohl sie sehr viele negative Erfahrungen in Boston gemacht hat. Somit beweist sie mit ihrem Leben, welche positiven Auswirkungen ein christliches Leben haben kann, und kritisiert indirekt, daß sich diese Auswirkungen bei anderen Christen nicht gezeigt haben.
[...]
[1] John R. McKivigan and Mitchell Snay, eds., Religion and the Antebellum Debate over Slavery (Athens: Univ. of Georgia Press, 1998) 1.
[2] Eph. 6:5.
[3] Dwight Hopkins, Down, UP and Over: Slave Religion and Black Theology (Minneapolis: Fortress Press, 2000) 90-91.
[4] McKivigan, 40.
[5] “Consituted in Washington, D.C., in late December 1816, the ACS, brainchild of New Jersey Presbyterian minister Robert Finley, intended to help impoverished and persecuted free blacks help themselves by strongly encouraging them to emigrate to a colony on the West African coast that the ACS would help establish.” Aus Peter Hinks To Awaken my afflicted Brethren (University Park, Pa.: Pennsylvania State Univ. Press, 1997) 98.
[6] David G. Hackett, ed. Religion and American culture: a reader (New York: Routledge, 1995) 75-76.
[7] „Most of the men and women prominent in the anti-slavery agitation were deeply religious and made constant use of the teachings of Jesus in their appeals for support.“ (McKivigan, 3).
[8] Das heißt natürlich nicht, daß die politischen Redner nicht selbst eine tiefe Religiosität besitzen konnten.
[9] Cain Hope Felder, ed. Stony the Road we Trod (Minneapolis: Fortress Press, 1991) 120.
[10] Meine englische Referenzbibel ist die King James Version. Für die deutschen Bibelzitate habe ich die Elberfelder Übersetzung genommen.
[11] Um diese zwei Gruppen zu differenzieren, werde ich Jupiter Hammon und Phillis Wheatley als „Assimilationisten“ bezeichnen, auch wenn sie nicht vollkommen die Werte und religiösen Vorstellungen der Weißen übernommen haben, wie ich im Laufe der Arbeit zeigen werde. David Walker und Maria Stewart werde ich „Protestautoren“ nennen, auch wenn sie mehr oder weniger auch assimilatorische Züge haben.
[12] Das Werk von Phillis Wheatley habe ich nicht in vollständig untersucht, sondern nur diejenigen Gedichte und Briefe, die sich in der Norton Anthology befinden. Für die Bearbeitung der Werke von Jupiter Hammon und Maria Stewart fand ich die einleitenden Interpretationen der Herausgeber nützlich.
[13] In the very first issue of his anti-slavery newspaper, The Liberator, William Lloyd Garrison stated, "I do not wish to think, or speak, or write, with moderation. . . . I am in earnest -- I will not equivocate -- I will not excuse -- I will not retreat a single inch -- AND I WILL BE HEARD." And Garrison was heard. For more than three decades, from the first issue of his weekly paper in 1831, until after the end of the Civil War in 1865 when the last issue was published, Garrison spoke out eloquently and passionately against slavery and for the rights of America's black inhabitants. William Lloyd Garrison Africans in America (accessed 09 March 2003); available from http://www.pbs.org/wgbh/aia/part4/4p1561.html.
[14] Nina Baym, ed., The Norton Anthology of American Literature. (New York: W. W. Norton & Company,1998) 201-202.
[15] Robert J. Young, Hybridity and Diaspora: Colonial Desire: Hybridity in theory, culture and race (London: Routelage, 1995) 7.
[16] „And God said, Let us make man in our image, after our likeness: and let them
have dominion over the fish of the sea, and over the fowl of the air, and over the cattle, and over all the earth, and over every creeping thing that creepeth upon the earth.” Gen 1:26. Die Biblischen Zitate auf Englisch dienen der Verdeutlichung der sprachlichen Ähnlichkeit zwischen dem Bibeltext und dem Text des Autors. Die deutschen Zitate sollen den Inhalt widergeben.
[17] „For thou hast made him a little lower than the angels, and hast crowned him with glory and honour.” Psalm 8:5.
[18] Die eckigen Klammern mit Angabe von Bibelstellen gehören bei Stewart zum Originaltext
[19] Vergl. Buch Esther.
[20] „What if I am a woman; is it not the God of ancient times the God of these modern days?” (Stewart, 68).
[21] „Das erste [Gebot] ist: ‚Höre Israel: Der Herr, unser Gott, ist allein dein Herr; und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft.’ Das zweite ist dies: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.’ Größer als diese ist kein anderes Gebot.“ (Markus 12: 29-31).
[22] Die Bezeichnung „uncle Tom“ ist aus dem Buch „Uncle Toms Cabin“ von Harriet B. Stowe (1852) entnommen und kennzeichnet einen Menschen, besonders einen Schwarzen, der sein Schicksal widerstandslos erträgt, hohen moralischen Ansprüchen gerecht wird, sich für die Gemeinschaft opfert und seinen Blick nur auf Gott richtet.
[23] Vergl. Exodus, Kapitel 3.
[24] Z.B. zitiert sie auf Seite 67 Mt. 5:22: „But whosoever shall say, thou fool, shall be in danger of hell-fire“ oder auf S. 73 zitiert sie Mt. 25:41: „Depart ye cursed into everlasting fire prepared for the devil and his angels.“
[25] Im Originaltext heißt es: „I have planted, Apollos watered, but God gave the increase“. Stewart benutzt nicht die erste Person Singular wie Paulus, sondern stellt sich in den Hintergrund. Damit wird sie dem von ihr erwarteten „humility topos“ gerecht.
[26] Vergl. Psalm 137:2: „We hanged our harps upon the willows in the midst thereof“. Sie wird nicht wie die Juden in Gefangenschaft ihre Hoffnung aufgeben, sondern weiterkämpfen.
[27] Mt. 20:22: „But Jesus answered and said, Ye know not what ye ask. Are ye able to drink of the cup that I shall drink of, and to be baptized with the baptism that I am baptized with? They say unto him, We are able”.
[28] Vergl. George Whitefield, ein wichtiger Prediger des First Great Awakening. George Whitefield, „Sermons“ The Anglican Library. (2001, accessed 09 March 2003); available from http://www.anglicanlibrary.org/whitefield/sermons/.
[29] „Characteristic of a black sermon is the call-and-response pattern: the preacher pronounces God's call and the congregation responds.” Emel Elbeck, „Rap, Black Rage and Racial Difference“ American Culture Studies (accessed 09 March 2003); available from http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~el6/s_r_rap.htm
[30] Richardson nennt ihre Reden „political sermons“ (Vergl. Richardson, 16).
[31] Gegründet 1809 vom schwarzen Pastor Richard Allen, Absalom Jones und einer weiteren Person. Vergl. Pinn, 162 und Carol V. R. George, Segregated Sabbaths: Richard Allen and the Rise of Independent Black Churches, 1760-1840 (New York: Oxford University Press, 1973), 127.
[32] Pinn, 40.
[33] Pinn, 41.
[34] Shepard, Thomas (1605-1649), puritanischer Prediger in Cambrigde, Vergl. Bernd Engler und Kurt Müller, eds. Metzler Lexikon amerikanischer Autoren (Stuttgart: J. B. Metzler,2000), 607 - 610.
[35] Boston, 1831.
[36] Thomas Shepard, „The Parable of the Ten Virgins Unfolded,“ in The Works of Thomas Shepard. vol. 2. (Boston: Doctrinal Tract and Book Society, 1853), 375.
[37] Shepard kann sich erlauben, eine Parallele zu einer Zeit nach der Gefangenschaft zu ziehen, da die Puritaner von der „Gefangenschaft“ in England erlöst worden sind. Die Betonung liegt also auf die Undankbarkeit der Puritaner. Stewart aber vergleicht ihr Volk mit dem der Juden während der Gefangenschaft, und zwar während der babylonischen Gefangenschaft, da ihr eigenes Volk noch nicht erlöst worden ist.
[38] Vergl. Gen. 13-19.
[39] Die Rede wurde vor der „Afric-American Female Intelligence Society of America“ (1832) gehalten. Den Frauen wird die Verantwortung für die Rettung ihres gesamten Volkes übertragen.
[40] Vergl. 1. Pet 5:8.
[41] Richardson sagt über Maria Stewart: ”[…] she was in line of those orators perpetuating what Sacvan Bercovitch […] describes as ‘the persistance of the Puritan Jeremiad throughout the eighteenth and nineteenth centuries […]”. Allerdings beklagten die puritanischen Jeremiaden, wie Shepard, den Verlust eines Idealzustandes. Maria Stewart beklagt allerdings keinen Verlust, daher kann man den ursprünglichen Term „Jeremiad“ nicht auf Maria Stewart anwenden. Außerdem beinhalten Maria Stewarts Werke meiner Meinung nach nicht nur, wie Wilson Moses in seiner Definition von der “Black Jeremiad” sagt, eine Warnung von Schwarzen an Weiße: „the constant warnings issued by blacks to whites, concerning the judgement that was to come for the sin of slavery“, sondern richten sich hauptsächlich an ihre eigene Rasse und ihr eigenes Geschlecht. (Vergl. Richardson, 16) zitiert aus Sacvan Bercovitch, The American Jeremiad (Madison: University Of Wisconsin Press, 1978) 11. und aus Wilson Jeremiah Moses, Black Messiahs and Uncle Toms: Social and Literery manipulations of a Religious Myth (University Park: Pennsylvania State University Press, 1982) 30.
[42] Diese Methode wurde noch sehr lange von den Schwarzen angewendet. Martin Luther Kind Jr. ist mit dem Erfolg dieses gewaltlosen Widerstandes in die Geschichte eingegangen. In seiner Rede „I’ve been to the mountaintop“ zeigt er zum Beispiel den Druck, den die Afroamerikaner durch ihre Kaufkraft ausüben können. Er sagt aber auch, daß die Schwarzen moralisch handeln sollen: „We don’t have to curse and go around acting bad with our words. We don’t need any bricks and bottles, we don’t need any Molotow Cocktails, we just need to go around to these stores, and to these massive industries in our country.”
[43] ”We shall find that the God of Israel is among us. […] For we must consider that we shall be as a city upon a hill, the eyes of all people are upon us”. Vergl. John Winthrop, “A model of Christian Charity”, in Norton Anthology, 225.
[44] Um Zweideutigkeiten aus dem Weg zu räumen betont sie, daß sie sich nicht über die Weißen erheben will. „[...] nor will we attempt to rise above you; we will presume to be called your equals only.” (Stewart, 63)
[45] „Denn ich befreite den Elenden, der um Hilfe rief und die Weise die keine Hilfe hatte. Der Segenswunsch des Mutterlosen kam auf mich, und das Herz der Witwe ließ ich jauchzen. Ich kleidete mich in Gerechtigkeit, mich bekleidete wie ein Oberkleid und Kopfbund mein Recht. Auge war ich dem Blinden, und Fuß dem Lahmen war ich.” Hiob 29:12.
[46] Vergl. Stewart, 33 .
[47] Vergl. Mt. 4:15.
[48] Vergl. Ps. 37:3.
[49] Vergl. „The New Englanders are a people of God settled in those, which were once the devil’s territories; and it may easily be supposed that the devil was exceedingly diesturbed, when he perceived such a poeple here accomplishing the promise of old made unto our blessed Jesus, that He should habe the utmost parts of the earth for His possessions.“ Cotton Mather „The Wonders of the Invisible World“ in Norton Anthology, 374.
[50] Vergl.: „We hold these truths to be self-evident: That all men are created equal; that they are endowed by their Creator with certain unalienable rights; that among these are life, liberty, and the pursuit of happiness; that, to secure these rights, governments are institued among men, deriving their just powers from the consent of the governed; that whenever any form of government becomes destructive at these ends, it is the right of the people to alter or to abolish it.”, “Declaration of Independence” in Enduring Vision, Appendix v
[51] Viele Afroamerikaner benutzen „fallen“ im Sinne von „sündhaft“.
[52] Vergl. 2. Mose 7:14 - 2. Mose 12:33.
[53] Sie verleiht ihrer Aussage eine prophetische Note, da sie die veraltete, biblische Konjugationsform des Verbes „to have“ benutzt und nicht die moderne Form „has“. Diese Methode verwendet sie in ihren ganzen Reden. Diese Formen unterstützen den Eindruck einer Predigt.
[54] Vergl. „Say, therefore, to the sons of Israel, 'I am the LORD, and I will bring you out from under the burdens of the Egyptians, and I will deliver you from their bondage. I will also redeem you with an outstretched arm and with great judgments“. Exodus 6:6. Im Originaltext der „New American Standard Bible“ fehlt die Formulierung „mightly hand“, die für Stewart zur Verstärkung der Aussage dient.
[55] Vergl. auch Mt. 25:32.
[56] Obwohl sie sich selbst als Amerikanerin sieht, zählt sie sich nicht zum Amerikanischen Volk, sie spricht häufig von ihrer Rasse als „Afric’s sons“ oder „Äthiopier“. Die Afroamerikaner werden als ein separates Volk vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen.
[57] Diese Konstruktion ähnelt auch einem Klagelied und ist ein Beispiel für einen jremiadischen Stil
[58] Vergl. „And the Lord set a mark upon Cain, lest any finding him should kill him.“ Gen 4:15.
[59] Kain allerdings wurde nicht versklavt, nur Ham (Gen.9:25), und dieser wurde nicht gekennzeichnet.
[60] Vergl. „Wenn ihr den Hebräerinnen bei der Geburt helft und bei der Entbindung seht, daß es ein Sohn ist, dann tötet ihn, wenn es aber eine Tochter ist, dann mag sie am Leben bleiben.“ 1. Mose 1:15.
[61] Diese Meinung haben z.B. Jupiter Hammon und Phillis Wheatley vertreten, die ich später behandeln werde.
[62] Vergl. 2. Mose und 2. Mose:14.
[63] Vergl. „Behold, the Lord God will come with strong hand, and his arm shall rule for him: behold, his reward is with him, and his work before him.” Isaiah 40:10.
[64] Vergl. „And there followed another angel, saying, Babylon is fallen, is fallen, that great city, because she made all nations drink of the wine of the wrath of her fornication.” Rev. 11:8. An dieser Stelle wird der Zusammenhang zwischen dem Bösen in der Bibel und der Sklaverei deutlich.
[65] Vergl. „But I say unto you, Love your enemies, bless them that curse you, do good to them that hate you, and pray for them which despitefully use you, and persecute you..” Mt. 5:44. Das beinahe wörtliche Zitat zeigt, wie sehr Stewart die Lehren Jesu verinnerlicht hat und selbst zu einer Christusfigur geworden ist.
- Citar trabajo
- Claudia Gerhardt (Autor), 2003, Afroamerikanisches Christentum zwischen Protest und Assimilation - Studien zu Texten vor dem Bürgerkrieg, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24724
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