Einleitung
Als im Jahr 1967 dem südafrikanischen Chirurgen Christiaan Barnard die erste Herztrans-plantation gelang, geschah dies vor dem Hintergrund eines Paradigmenwechsels im Zuge der sich entwickelnden Intensivmedizin, die scheinbar klinisch "tote" Patienten mittels Reanimation erstmals wieder zum Leben erwecken konnte.
Parallel in verschiedenen Staaten begannen deshalb Ärzte in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, die bestehende Definition des Todes auf der Grundlage des Herz-Kreislauf-Stillstands infrage zu stellen und eine Neudefinition zu fordern. Offizielle Stellungnahmen wie die des "Ad Hoc Committee" der Harvard Medical School führten bald zur Durchsetzung eines neuen Hirntod-Kriteriums, nachdem die Arbeit 1968 unter dem Titel "A definition of irreversible coma" erschienen war(1) .
Intensive Diskussionen hatten in Deutschland schon vor der Veröffentlichung der Harvard-Kriterien begonnen, und 1968 schlossen sich ebenfalls die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie der neuen Hirntod-Definition an.
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1 "A definition of irreversible coma. Report of the Ad Hoc Committee of the Harvard Medical School to Examine the Definition of Brain Death." JAMA 1968 Aug 5;205(6):337-40 (im folgenden zitiert als Harvard-Report)
Inhaltsverzeichnis
- I. Hirntod — Eine pragmatische Umdefinierung des Todes?
- II. Ebenen der Hirntoddiskussion
- III. Zusammenhang zwischen Hirntod und Transplantation
- IV. Ausblick
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der ethisch-moralischen Dimension des Hirntod-Konzepts und seiner Verbindung zur Organtransplantation. Sie analysiert die "pragmatische Umdefinierung" des Todes durch die Einführung des Hirntod-Kriteriums im Kontext der Entwicklung der Transplantationsmedizin.
- Die "pragmatische Umdefinierung" des Todes durch das Hirntod-Kriterium
- Ethische Einwände gegen das Hirntod-Kriterium und die Organtransplantation
- Die verschiedenen Ebenen der Hirntod-Diskussion (begrifflich-definitorisch und ethisch-pragmatisch)
- Der Zusammenhang zwischen Hirntod und Organtransplantation
- Die ethischen Herausforderungen der Transplantationsmedizin und zukünftige Entwicklungen
Zusammenfassung der Kapitel
I. Hirntod — Eine pragmatische Umdefinierung des Todes?
Dieses Kapitel untersucht die Kritik an der Einführung des Hirntod-Kriteriums als "pragmatische Umdefinierung" des Todes. Es analysiert die Argumente von Hans Jonas und Michael Quante, die die pragmatische Motivation des Hirntod-Konzepts im Kontext der Organtransplantation kritisieren. Quante argumentiert, dass das Hirntod-Kriterium zwar aus pragmatischen Gründen eingeführt wurde, aber dennoch das bestmögliche Kriterium für den Tod darstellt, da es den irreversiblen Ausfall der Integrationsleistung des Gehirns beschreibt.
II. Ebenen der Hirntoddiskussion
Dieses Kapitel betrachtet die verschiedenen Ebenen der Hirntod-Diskussion. Quante unterscheidet zwischen einer begrifflich-definitorischen und einer ethisch-pragmatischen Ebene. Die Kritik von Jonas und Hoff, die dem Hirntod-Kriterium Inadäquatheit unterstellen, gehört zur ersten Kategorie. Die ethisch-pragmatischen Einwände betreffen die gesellschaftlichen und moralischen Herausforderungen, die mit der Anwendung des Hirntod-Kriteriums im Kontext der Transplantation verbunden sind. Bimbacher fügt der Diskussion die Frage nach der Akzeptanz des Hirntod-Kriteriums hinzu, die er als rein philosophische Überlegung betrachtet.
III. Zusammenhang zwischen Hirntod und Transplantation
Dieses Kapitel analysiert den Zusammenhang zwischen Hirntod und Transplantation. Der Hirntod ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Organentnahme. Quante argumentiert, dass die Transplantationsmedizin auf das Hirntod-Kriterium angewiesen ist, da ein Herz-Kreislauf-Toter die Verwendbarkeit von Organen für Transplantationen praktisch unmöglich machen würde. Er stellt die ethischen Aspekte der Organentnahme von Hirntoten in den Vordergrund und betont, dass die Transplantationsmedizin nur dann moralisch vertretbar ist, wenn es keine fundamentalen moralischen Einwände gegen die Organentnahme gibt und der Hirntod begrifflich und juristisch klar definiert ist.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Hirntod, die Organtransplantation, die "pragmatische Umdefinierung" des Todes, ethische Fragestellungen in der Medizin, die verschiedenen Ebenen der Hirntod-Diskussion (begrifflich-definitorisch und ethisch-pragmatisch), die Herausforderungen der Transplantationsmedizin und zukünftige Entwicklungen in der Biomedizin.
- Citation du texte
- Daniel Sommerlad (Auteur), 2001, Ethische Fragestellungen in der Medizin: Hirntodkonzept und Transplantation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2464