Das Gehirn der Spezies Mensch ist wohl die komplexeste, von der Natur hervorbrachte Errungenschaft. Nicht einmal der ausgeklügeltste Computer vermag es, den Menschen in allen Bereichen vollständig zu ersetzen. Er kann sich nicht flexibel genug an unvorhersehbare Hindernisse der Umwelt anpassen, während Menschen aufgrund verschiedener Mechanismen auch sehr kurzfristig ihre Handlungen so umstellen können, dass sie auf eintretende Schwierigkeiten (meistens) angemessen reagieren. Jedoch treten unter bestimmten Voraussetzungen immer wieder unbeabsichtigten Fehlhandlungen auf, die uns im Alltag häufig begegnen. Schwerwiegend können deren Folgen in verantwortungsvollen Berufen wie zum Beispiel beim Fliegen sein. Aufgrund neuerer Ergebnisse in der Volitionsforschung steht mit Hilfe des Rubikon – Modells ein Erklärungsansatz unter anderem auch für Fehlhandlungen zur Verfügung, welche wiederum Einblick in das Funktionieren menschlichen Handelns gewähren.
Inhalt
I. Die Grenzen menschlichen Handelns
II. Zum Rubikonmodell
III. Voraussetzungen intentionsgeleiteten Handelns
1.) Mentale Repräsentation intentionaler Inhalte
2.) Enge des Bewusstseins
3.) Bewusstseinsentlastung durch Automatisierung
4.) Kapazitätsbegrenzung der Exekutive
5.) Offene und geschlossene Rückmeldeschleife der Bewegungskontrolle
IV. Modi der Handlungssteuerung
1.) Modus der ausführungsnahen Zielrepräsentation
1.) Modus der weitgespannten Zielrepräsentation
V. Bedingungen für das Auftreten von Handlungsfehlern
1.) Automatisierter Handlungsablauf
2.) Modus der ausführungsnahen Zielrepräsentation
3.) Beteiligung einer ausführungsnahen bewussten Zielrepräsentation
VI. Ein Klassifikationsschema für Handlungsfehler
VII. Intentionspsychologische Klassifikation von Handlungsfehlern
1.) Initiierungsfehler
2.) Desaktivierungsfehler
3.) Ausführungsfehler
VIII. Ausblick
IX. Literatur
I. Die Grenzen menschlichen Handelns
Das Gehirn der Spezies Mensch ist wohl die komplexeste, von der Natur hervorbrachte Errungenschaft. Nicht einmal der ausgeklügeltste Computer vermag es, den Menschen in allen Bereichen vollständig zu ersetzen. Er kann sich nicht flexibel genug an unvorhersehbare Hindernisse der Umwelt anpassen, während Menschen aufgrund verschiedener Mechanismen auch sehr kurzfristig ihre Handlungen so umstellen können, dass sie auf eintretende Schwierigkeiten (meistens) angemessen reagieren. Jedoch treten unter bestimmten Voraussetzungen immer wieder unbeabsichtigten Fehlhandlungen auf, die uns im Alltag häufig begegnen. Schwerwiegend können deren Folgen in verantwortungsvollen Berufen wie zum Beispiel beim Fliegen sein. Aufgrund neuerer Ergebnisse in der Volitionsforschung steht mit Hilfe des Rubikon – Modells ein Erklärungsansatz unter anderem auch für Fehlhandlungen zur Verfügung, welche wiederum Einblick in das Funktionieren menschlichen Handelns gewähren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
II. Zum Ruibikon – Modell
(zitiert in Rheinberg, F 2000, S. 183)
Während schon Ach (1905) zwischen den beiden Seiten des Willensproblems, dem Zustandekommen der Absichten „im Kampf der Motive“ (zitiert in Heckhausen, H. 1989, S. 189) und der Determinierung des Handelns durch die Absicht trennte, gliederte Heckhausen die Geschehensabfolge in Motivierung, Zielsetzung, Vollzug und Nachphase. Heckhausen und Kuhl (1985) teilten die Entwicklungsabfolge von der ersten Wunschregung bis zur Bildung einer Handlungsabsicht (prädizisionale Phase im Rubikon – Modell) in viele mutmaßliche, nicht weiter definierte, Einzelschritte ein (Heckhausen H. 1989, S. 203).
Das Rubikon-Modell markiert klare Trennlinien zwischen den einzelnen vier Phasen, die ihre eigenen Funktionscharakteristiken haben. Gollwitzer (1988, zitiert in Heckhausen, H. 1989, S. 204) unterschied zwischen motivationalen und volitionalen Bewusstseinslagen, wobei erstere realitätsorientiert, letztere realisierungsorientiert sind. Deren Gedanken werden durch Inhalt, der Selektivität ihrer Aufnahme und ihrer Bearbeitung charakterisiert. Weder direkt in der prädezisionalen Motivationsphase (Abwägen möglicher Handlungsalternativen und Bildung einer Intention), noch in der präaktionalen Volitionsphase (Warten der Intention(en) auf passende Gelegenheit und Zeit bis zur Intentionsinitiierung) und der postaktionalen Motivationsphase (dem abschließenden Bewerten), jedoch während des Handeln, der Intentions- bzw. Handlungsrealisierung in der aktionalen Volitionsphase und den sie umgebenden kritischen Prozessen der Intentions- bzw. Handlungsinitiierung und der Intentions- bzw. Handlungsdesaktivierung können vor allem verschiedene Fehlhandlungen auftreten.
Vier Prozesse spielen für diese Betrachtungsweise eine Rolle; 1. Intentionen, also Ziele im Sinne angestrebter Endzustände durch eigenes Handeln, müssen bis zu ihrer Realisierung gespeichert und vor der Konkurrenz anderer Motivationstendenzen zum Beispiel durch das Bilden von Vornahmen (Intentionskomponenten, die auf Teilziele der Handlungsausführung gerichtet sind,) geschützt werden. 2. Zur Handlungsinitiierung ist die Selektion der Außenweltinformation zum Beispiel durch das Steuern des Aufwands an bewusster Repräsentation wichtig, um ebenfalls von konkurrierenden motivationalen und volitionalen Prozessen abzuschirmen. Vorerst aber sollen die Voraussetzungen für intentionsgeleitetes Handeln genauer betrachtet werden (Heckhausen, H. 1996, S. 821ff).
III. Voraussetzungen intentionsgeleiteten Handelns
1.) Mentale Repräsentatiion intentionaler Inhalte
Die erste Voraussetzung beinhaltet die mentale Repräsentation intentionaler Inhalte. Intentionen[1] sind prototypisch für die mentale Repräsentation handlungsleitender Art. Sie müssen bis zur Handlungsinitiierung gespeichert werden (präaktionale Volitionsphase) und beziehen sich auf das Handlungsergebnis und seine Folgen. Dagegen richten sich Intentionskomponenten oder Vornahmen auf die darunterliegende Zielebene der Handlungsausführung. Sie entstehen entweder bei der Bildung von Zielintentionen oder wenn es die Intentionsrealisierung erfordert, da sie kritische Punkte oder Phasenabschnitte des intentionsrealisierenden Handlungsablaufs vorweg nehmen und den Handelnden darauf einstellen. Diese kritischen Handlungsphasen, folglich auch deren Vornahmen und daraus resultierende Fehler werden nach Initiierung, Ausführung und Desaktvierung unterteilt. Mentale Repräsentation bedeutet nun, dass Vornahmen bis zu ihrer Erledigung aktiviert und somit leicht bewusst abrufbar bleiben. Sie ist entweder propositional oder imaginal enkodiert. Bewusst repräsentierte intentionale Inhalte dominieren über unbewusste.
2.) Enge des Bewusstseins.
Das Arbeitsgedächtnis unterliegt einer Kapazitätsbegrenzung für bewusste Informationsverarbeitung, was auf die Besonderheiten der einzelnen Teilsystem der Informationsverarbeitung unseres zentralen Nervensystems zurückzuführen ist. Entsprechend der Kognitionsforschung kann es sieben plus minus zwei Items aufnehmen, bevor die Gedächtnisspur wieder zerfällt. Neumann (1985, zitiert in Heckhausen, H. 1996, S. 821) stellte die These auf, dass Handeln ohne Kapazitätsbegrenzung zu komplex und flexibel für das erfolgreiche Realisieren gefasster Intentionen wäre. Bereits James (1890, zitiert in Heckhausen, H. 1996, S. 821) meinte, dass „sich im Laufe der Stammesgeschichte das Bewusstsein herausgebildet hat, um ein Nervensystem zu steuern, das zu komplex für seine Selbststeuerung geworden ist“ (Übersetzung vom Autor). Hier lässt sich Bezug auf das Abschirmen konkurrierender Motivationstendenzen durch selektive Aufnahme von Außenweltinformationen bei der Handlungsinitiierung nehmen. Um eine Absicht erfolgreich ausführen zu können, ist es sogar sinnvoll, dass bewusste Wahrnehmungsprozesse allein ihr dienen, vor allem, wenn sie temporär an Attraktivität verliert.
3.) Bewusstseinsentlastung durch Automatisierung
In dem Maße, wie Tätigkeiten gelernt werden, vermindern sich deren bewusste Verarbeitung bzw. deren Kapazitätsanforderungen an das Arbeitsgedächtnis während ihrer Aufgabe. Durch Lernen werden Tätigkeiten zu automatisierten Prozessen (Routinen) und bedürfen keiner bewussten Kontrolle mehr (Schiffrin & Schneider 1977, zitiert in Heckhausen, H. 1996, S. 822). Folglich unterliegen sie keiner Kapazitätsbegrenzung (Kerr 1973, zitiert in Heckhausen, H. 1996, S. 822). Eine schnelle, parallele Form der nichtbewussten Informationsverarbeitung ist nicht nur vom Zeit- und Arbeitsaufwand wesentlich effektiver (Marcel 1983, zitiert in Heckhausen H. 1996, S. 822), sondern ermöglichen zusätzlich Platz und Zeit für überlappende bewusste Zweittätigkeiten, die gleicher (handlungsleitende Wirkungskontrolle, vorauseilende Handlungsplanung u.a.), ähnlicher oder anderer (z.B. Motivatiionsprozesse, Überlappung im Dienste einer anderen Motivation) Art von Inhalten dienen können. Dieses Auslasten der Kapazität für bewusste Verarbeitung durch überlappende Zweittätigkeiten helfen, wenn Ausführungsvornahmen an antizipierenden kritischen Punkten realisiert werden sollen. Somit können Abschweifungen oder unterbrochene Teilhandlungen auf ihren Handlungskurs zurückgeführt werden. (s. auch interne und externe Rückmeldeschleife)
4.) Kapazitätsbegrenzung der Exekutive
Auch die Kapazität der Exekutive für simultane Erledigungen ist begrenzt. Zum Beispiel können Menschen nicht gleichzeitig in zwei entgegengesetzte Richtungen laufen. Die Exekutive, das willkürliche Motoriksystem ermöglicht (und fordert) eine gerichtete und eingrenzende Wahrnehmung, die Bewegung im Raum und das Einwirken auf die Umwelt. Aufgrund der Bewusstseinsenge läuft sie weniger Gefahr durch konkurrierende Intentionen in Konflikt zu geraten.
5.) Offene und geschlossene Rückmeldeschleife der Bewegungskontrolle
Die willkürliche Bewegungssteuerung unterliegt zwei verschiedenen Modi, deren Aufgabe die Überwachung und Kontrolle der Ausführungen und Folgen der Bewegungsexekutive sind.
Die interne Rückmeldeschleife dient in der nichtbewussten Bewegungssteuerung der ständigen Zielführung eines Handlungsablaufs. Da Begleiteffekte des eigenen Handelns nicht beachtet werden müssen, wie eben bei automatisierten Tätigkeiten, ist der Kontrollmodus offen (open-loop), wobei die mentalen Zielrepräsentationen ausreichen, das Handeln ohne externe Effektkontrolle zu realisieren (feed forward = Vorausentwurf).
Bei der externen Rückmeldeschleife erfordert die eigene Bewegung die bewusste Registrierung von Außenwelteffekten, um die Wirksamkeit einer schwierigen Tätigkeit, deren Erfolg nicht gesichert ist, zu überprüfen (feed back = Rückmeldung). In diesem geschlossenen aufwendigen Kontrollmodus ist ein hoher Aufwand an bewusster Verarbeitung (Kapazität) erforderlich, was vor allem während kritischer Ausführungsphasen, bei nicht vorhergesehenen Schwierigkeiten und Desaktivierung intentionsrealisierender Handlungsabschnitte von Nutzen ist.
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[1] Propositional: Stellung und Bewegung des eigenen Körpers wahrnehmend, durch Muskeln, Sehnen und Gelenke vermittelt (Dorsch Psychologisches Wörterbuch)
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