Ein Gebiet voller Fragen
Der Begriff „Persönlichkeit“ wird in der Psychologie äußerst vielfältig und heterogen verwendet. Trotzdem oder gerade deshalb ist es notwendig, die grundlegenden Aspekte zu den unterschiedlichen Untersuchungsansätzen über Persönlichkeit zu erfassen, bevor einzelne Theorien studiert werden. Wie können wir Persönlichkeit definieren? Wie können wir das über Persönlichkeit bekannte Wissen verwenden und für zukünftige Forschungsrichtungen ausweisen? Was verlangen wir von einer Persönlichkeitstheorie? Woran erkennen wir eine „gute“ Theorie? Theorien basieren auf Fakten, werden aber von der Persönlichkeit der Psychologen, die sie entwickelt haben, mitbestimmt. Daher müssen Theorien sowohl vom wissenschaftlichen als auch vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet werden. Da, wie Kluckhohn und Murray (1953, zitiert in Pervin, L.A. 1987, S. 15) es ausdrücken, jede Person in gewisser Hinsicht „a) wie jede andere, b) wie manche andere und c) wie keine andere“ ist bestätigt sich auch ein Zitat von Sears (1950, zitiert in Pervin, L.A. 1987, S. 15): „Kein Gebiet der Psychologie ist hinsichtlich seiner Theorie für diejenigen, die es studieren, verwirrender als das der Persönlichkeit“
Inhalt
I. Wie wird Persönlichkeit in der Psychologie betrachtet
A.) Ein Gebiet voller Fragen
B.) Persönlichkeitspsychologie als eine Wissenschaft
1. Reflexion
2. Systematik
3. Intersubjektive Übereinstimmung
4. Empirie
5. Auswirkungen auf das Leben
C.) Persönlichkeitspsychologie als Teil der Psychologie
D.) Der Persönlichkeitsbegriff in der Psychologie
1. Begriffe
2. Erfassung von Einzigartigkeit
3. Verhaltensstabilität über Zeiten und Situationen hinweg
4. Der differentielle Aspekt
5. Formale Aspekte des Persönlichkeitsbegriffs
6. Inhaltliche Aspekte des Persönlichkeitsbegriffs
II. Theorie und ihr Stellenwert in der psychologischen Wissenschaft
A.) Bewertung von Theorien
1. Bandbreite
2. Einfachheit
3. Relevanz für die Forschung
B.) Theorien und die Geschichte des wissenschaftlichen Fortschritts
1. Frühes Entwicklungsstadium
2. Stadium der normalen Wissenschaft
3. Stadium der wissenschaftlichen Revolution
C.) Theorie und das Studium der Persönlichkeit
1. Anforderung an eine Theorie
2. Gibt es objektive Wissenschaft
III. Literatur
I. Wie wird Persönlichkeit in der Psychologie betrachtet?
A.) Ein Gebiet voller Fragen
Der Begriff „Persönlichkeit“ wird in der Psychologie äußerst vielfältig und heterogen verwendet. Trotzdem oder gerade deshalb ist es notwendig, die grundlegenden Aspekte zu den unterschiedlichen Untersuchungsansätzen über Persönlichkeit zu erfassen, bevor einzelne Theorien studiert werden. Wie können wir Persönlichkeit definieren? Wie können wir das über Persönlichkeit bekannte Wissen verwenden und für zukünftige Forschungsrichtungen ausweisen? Was verlangen wir von einer Persönlichkeitstheorie? Woran erkennen wir eine „gute“ Theorie? Theorien basieren auf Fakten, werden aber von der Persönlichkeit der Psychologen, die sie entwickelt haben, mitbestimmt. Daher müssen Theorien sowohl vom wissenschaftlichen als auch vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet werden. Da, wie Kluckhohn und Murray (1953, zitiert in Pervin, L.A. 1987, S. 15) es ausdrücken, jede Person in gewisser Hinsicht „a) wie jede andere, b) wie manche andere und c) wie keine andere“ ist bestätigt sich auch ein Zitat von Sears (1950, zitiert in Pervin, L.A. 1987, S. 15): „Kein Gebiet der Psychologie ist hinsichtlich seiner Theorie für diejenigen, die es studieren, verwirrender als das der Persönlichkeit“
B.) Persönlichkeitspsychologie als eine Wissenschaft
In gewisser Weise ist jeder ein Persönlichkeitspsychologe. Wissenschaftler und Laien entwickeln Modelle über den Ablauf des menschlichen Funktionierens, benutzen Methoden, um Menschen voneinander zu unterscheiden und verfügen über Regeln zur Vorhersage von Verhalten. Die Wissenschaft jedoch stellt Methoden deutlicher dar, definiert die verwendeten Begriffe klarer, überprüft mittels systematischer Forschung die Vorhersagequalität der Theorien und bemüht sich um objektive Ergebnisse
Laut Fisseni, H.J. (1991, S. 3ff) weist Wissenschaft fünf Charakteristika auf, die sie von alltäglichen, nicht wissenschaftlichen Fragestellungen unterscheidet.:
1. Reflexion
Durch systematisches Nachdenken wird Selbstverständliches zum rationalen Problem. Eine Handlung, beispielsweise das Kommunizieren, wird Gegenstand des Bewusstseins. In diesem Falle sprechen wir dann von Metakommunikation. Auch unser Tun und unser Selbst können zum Objekt des Nachdenkens werden. Hier ist das Reflektieren eine kritische Tätigkeit, die das reflektierende Subjekt mit einbezieht
2. Systematik
Wörtlich übersetzt bedeutet Systematik Zusammenstellung und Zusammenschau. Auffälligkeiten werden durch systematische Kontrolle regelmäßig betrachtet und mit anderen Auffälligkeiten verglichen. Zum Systematisieren gehören zum Beispiel das Klassifizieren (Gleiche Gegenstände werden gleichen Aussageklassen zugeordnet.), das Bilden korrelativer Zusammenhänge (Immer dann, wenn – Aussagen), das Bilden kausaler Zusammenhänge (Weil, darum – Aussagen) und die Bildung finaler Zusammenhänge (Damit, darum – Aussagen). In der Persönlichkeitsforschung werden allenfalls Klassifikationen und korrelative Zusammenhänge belegbar ermittelt.
3. Intersubjektive Übereinstimmung
Ein urteilsfähiger Kreis von Personen, also Wissenschaftler, müssen das Wissen anerkennen. Sie entscheiden darüber, ob die wissenschaftliche Methode einwandfrei und der untersuchte Gegenstand als solcher überhaupt kontrollierbar ist. Hinter dieser Forderung steckt die Überlegung, dass ein kollegiales Urteil verlässlicher ist als ein individueller Erkenntnisversuch. Eine Theorie dem kritischen, das heißt, unterscheidenden Urteil auszusetzen, bedeutet zwangsläufig auch ihr Scheitern zu riskieren. Theorien müssen jedoch falsifizierbar sein, wenn sie als nützlich anerkannt werden sollen.
4. Empirie
Die Persönlichkeitspsychologie wird zunehmend als empirische Wissenschaft verstanden. Es werden Sinnesdaten erhoben, Daten, die den Sinnesorganen wie Auge und Ohr zugänglich sind. Sie werden auf verschiedenen Abstraktionsebenen reflektiert und systematisiert und müssen sich konsequenterweise wieder in Sinnesdaten nachweisen lassen. Die Erhebung solcher Daten erfolg jedoch nicht nach empirisch zu rechtfertigenden Gesetzen. Aussagen einer Theorie müssen widerspruchfrei (Widerspruchsprinzip) sein und in einem Begründungszusammenhang stehen (Satz vom zureichenden Grund). Empirisch lässt sich die Erhebung und Systematisierung von Daten nicht begründen, da erstens sich jede Aussage über empirische Sachverhalte auf solche Regeln stützt, deren Gültigkeit bereits vorausgesetzt wird, und weil zweitens der Geltungsbereich solcher Regeln über empirisch festgelegte Grenzen hinaus gehen, die Empirie aber nicht überall hinreicht.
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist der Kontext, in dem Aussagen formuliert werden. Drei Zusammenhänge müssen berücksichtigt werden: a) der Entdeckungszusammenhang (Bedingung und Anlass einer Untersuchung), b) der Begründungszusammenhang (Hypothesenbildung, Operationalisierung, Erhebung, Auswertung und Interpretation von Daten) und c) der Verwertungszusammenhang (praktische Bedeutung einer Untersuchung), welcher auch ethische Problemstellungen beim Umgang mit Untersuchungsergebnissen einschließt.
5. Auswirkungen auf das Leben
Nicht selten werden wissenschaftliche Sätze Teil der Allgemeinbildung und verlieren dabei ihren streng wissenschaftlichen Charakter. Viele Erkenntnisse aus der Medizin, der Physik, Genetik und auch Psychologie sind der breiten Öffentlichkeit zumindest oberflächlich vertraut und wirken auf das individuelle und öffentliche Bewusstsein. Psychologische Erkenntnisse wirken sich zum Beispiel bei der Begutachtung vor Gericht aus, oder persönlichkeitstheoretische Modelle liegen diagnostischen Instrumenten wie Tests oder Fragebögen zugrunde.
C.) Persönlichkeitspsychologie als Teil der Psychologie
Ein wichtiger Aspekt der Definition von Psychologie besagt, dass sie eine empirische Wissenschaft von Verhalten ist. Dabei stellt sich die Frage, was Verhalten genau und inwiefern Verhalten überhaupt erfassbar ist.
Es gibt verschiedene Arten von Verhalten: Motorisches Verhalten bezieht sich auf Bewegungen, Handlungen also, welche den Bewegungsapparat des Organismus betreffen. Außerdem wird Leistungsverhalten, soziales Verhalten und äußeres, das heißt beobachtbares Verhalten unterschieden. Allein wenn Verhalten von mehreren Beobachtern zum Beispiel in einem Labor protokolliert wird, ergeben sich meist sehr unterschiedliche Ansichten über ein und denselben Vorgang (mangelnde Objektivität), obwohl theoretisch doch alle Protokolle gleich oder zumindest ähnlich ausfallen müssten. Wie schwer also eine angemessene Einschätzung von Verhaltens sein kann, wird deutlich, wenn die Einflüsse auf den Beobachter betrachtet werden. Jeder Beobachter interpretiert seine Beobachtungen anders, nimmt eine eigene Wertung vor, gewichtet gemäß seinen vorhergehenden Erfahrungen und vor allem hinsichtlich seinen Erwartungen. Objektiv bestimmt wird die Einschätzung von Verhalten durch die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten, Verhalten zu beobachten und durch individuelle Unterschiede in den Sinnesorganen. Einem Blinden beispielsweise entgehen alle visuellen Reize und einem Gehörlosen fehlen sämtliche auditive Eindrücke.
Psychologie, die Wissenschaft von Verhaltensaspekten, bezieht sich auf solche Bereiche, die innerhalb geschichtlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen als relevant und kontrollierbar, das heißt, methodisch erfassbar erscheinen. Dafür werden geeignete Experimente vorausgesetzt, die zum einen technisch umsetzbar (Das EEG ist eine recht junge Methode, Gehirnströme zu messen), zum anderen ethisch vertretbar sein müssen. Die Psychologie ist weder die einzig möglich noch die richtige oder beste Verhaltenswissenschaft. Soziologie und Politologie u.a. lassen sich zwar schwerpunktmäßig, nicht aber inhaltlich abgrenzen. Allgemein ist die Psychologie eine Bezeichnung für „eine Mannigfaltigkeit von wissenschaftlichen Versuchen, menschliches Verhalten und Erleben adäquat zu erfassen.“ (Fisseni, H.J. 1991, S. 8) Die adäquate Erfassung erfolgt nach Thomae & Feger (1970, zitiert in Fisseni, H.J. 1991, S.8) durch folgende Kriterien: a) der Beschreibung bzw. Messung der Variation von Verhalten und Erleben, b) der Analyse der Bedingungen dieser Variation und c) der Verhaltensvorhersage aufgrund von Gesetzmäßigkeiten.
Es ist demnach erkennbar, dass Persönlichkeitsforschung als Wissenschaft und als Bestandteil der Psychologie sehr uneinheitlich und äußerst komplex ist.
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- Citation du texte
- Constanze Hahn (Auteur), 2001, Der Persönlichkeitsbegriff, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24346
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