Das Konzept der „interkulturellen Erziehung" steht seit den 70er Jahren besonders im erziehungswissenschaftlichen Interesse und hat sich insoweit durchgesetzt, dass speziell im schulischen Bereich beachtliche Fortschritte geleistet wurden. Aber aufgrund der zunehmenden Globalisierung und der daraus entstehenden ethnischen Vielfalt, scheint der Begriff der „interkulturellen Erziehung“ den gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen nicht mehr standzuhalten. Wolfgang Welsch hat sich 1995 dieser Problematik angenommen und untersucht, ob der traditionelle Kulturbegriff sich insoweit verändert hat, dass er der heutigen Gesellschaft nicht mehr gerecht wird. Das gab ihm Anlass, das Konzept der Transkulturalität auszuarbeiten (vgl. Welsch, 1997, Absatz 1). Aus dieser Thematik heraus startete an der Universität Hannover, im Fachbereich Erziehungswissenschaften im Jahre 2002 ein Projekt, welches in der Zielsetzung eine transkulturelle Identitätsbildung bei Multiplikatoren und Multiplikatorinnen in pädagogischen Handlungsfeldern in ihrer Bedeutung für pädagogisches Denken und Handeln verfolgt. Aus diesem Projekt heraus ergab sich für mich die Fragestellung, ob Studierende mit Migrationshintergrund eine transkulturelle Identität bilden und inwieweit mögliche Kontexte förderlich bzw. hinderlich sind.
In der im Anschluss folgenden Examensarbeit soll vorerst durch den allmählichen Aufbau der theoretischen Grundlagen ein Wissensgerüst entstehen, welches die Basis für die weitere Arbeit darstellt. In diesem Abschnitt soll vorwiegend die Entstehungsgeschichte der Migration und deren Begriffsbildung dargelegt werden. Anschließend soll das jeweilige Kulturverständnis und die dazu gehörende Problematik der Begriffsfindung geklärt werden. Eine stufenweise Entwicklung und sukzessive Heranführung an die Thematik soll dem Leser eine Hilfestellung sein, die Fülle der Grundbausteine dieser Arbeit nachzuvollziehen. In weiteren Punkten der Examensarbeit werden Begriffe wie Heimat und Herkunft geklärt, folgend von Familie und deren ökonomischen Situation. In einem Resümee wird der Zusammenhang von Herkunft, Familie, ökonomischer Situation und Transkulturalität dargestellt. Dem theoretischen Konstrukt folgt eine empirische Erhebung zur transkulturellen Identitätsbildung von Studenten und Studentinnen mit Migrationshintergrund.
Inhalt
1. Einleitung
2. Von der Migration zum transkulturellen Verständnis
2. 1 Migration 03 2. 1. 1 Internationale Migration
2. 1. 2 Arbeitsmigration in Europa
2. 1. 3 Arbeitsmigration in Deutschland
2. 2 Kulturverständnis
2. 2. 1 Kultur
2. 2. 2 Multikultur und Interkultur
2. 2. 3 Von der Ausländerpädagogik zum interkulturellen Lernen
2. 2. 4 Transkulturalität
2. 2. 5 Die Begriffe im zusammenhängenden Kontext
2. 3 Heimat und Herkunft
2. 4 Familie
2. 5 ökonomische Situation
2. 6 Der Zusammenhang von Herkunft, Familie, ökonomischer Situation und Transkulturalität
3. Eine empirische Erhebung zur transkulturellen Identitätsbildung bei Studierenden mit Migrationshintergrund
3. 1 Einführung in das Projekt
3. 2 Vorbereitung des Projekts
3. 3 Methodenauswahl und Auswertungsschritte
3. 4 Durchführung des Projekts
3. 5 Datenerhebung, Datenaufbereitung und Datenauswertung
3. 6 Statisches Datenprofil
3. 7 Beschreibung, Auswertung und Interpretation der Ergebnisse
3. 8 Darstellung der Interviews und leitende Forschungsfragen
3. 8. 1 Herkunft und Heimat
3. 8. 1. 1 Deskriptive Auswertung von Herkunft
3. 8. 1. 2 Interpretierende Kommentare zur Herkunft
3. 8. 1. 3 Deskriptive Auswertung von Heimat
3. 8. 1. 4 Interpretierende Kommentare zur Heimat
3. 8. 2 Familie
3. 8. 2. 1 Deskriptive Auswertung von Familie
3. 8. 2. 2 Interpretierende Kommentare zur Familie
3. 8. 3 ökonomische Situation
3. 8. 3. 1 Deskriptive Auswertung der ökonomischen Situation 3. 8. 3. 2 Interpretierende Kommentare zur ökonomischen Situation
3. 8. 4 Kulturverständnis und kulturelle Identität
3. 8. 4. 1 Deskriptive Auswertung von Kulturverständnis
3. 8. 4. 2 Interpretierende Kommentare zum Kulturverständnis
3. 8. 4. 3 Deskriptive Auswertung von kultureller Identität
3. 8. 4. 4 Interpretierende Kommentare zur kulturellen Identität
4. Der Zusammenhang von ökonomischer Situation, Herkunft und Familie in seiner Bedeutung für transkulturelle Identitätsbildung bei Studierenden mit Migrationshintergrund
5. Ausblick
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
1. Einleitung
Das Konzept der „interkulturellen Erziehung" steht seit den 70er Jahren besonders im erziehungswissenschaftlichen Interesse und hat sich insoweit durchgesetzt, dass speziell im schulischen Bereich beachtliche Fortschritte geleistet wurden. Aber aufgrund der zunehmenden Globalisierung und der daraus entstehenden ethnischen Vielfalt, scheint der Begriff der „interkulturellen Erziehung“ den gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen nicht mehr standzuhalten. Wolfgang Welsch hat sich 1995 dieser Problematik angenommen und untersucht, ob der traditionelle Kulturbegriff sich insoweit verändert hat, dass er der heutigen Gesellschaft nicht mehr gerecht wird. Das gab ihm Anlass, das Konzept der Transkulturalität auszuarbeiten (vgl. Welsch, 1997, Absatz 1). Aus dieser Thematik heraus startete an der Universität Hannover, im Fachbereich Erziehungswissenschaften im Jahre 2002 ein Projekt, welches in der Zielsetzung eine transkulturelle Identitätsbildung bei Multiplikatoren und Multiplikatorinnen in pädagogischen Handlungsfeldern in ihrer Bedeutung für pädagogisches Denken und Handeln verfolgt. Aus diesem Projekt heraus ergab sich für mich die Fragestellung, ob Studierende mit Migrationshintergrund eine transkulturelle Identität bilden und inwieweit mögliche Kontexte förderlich bzw. hinderlich sind.
In der im Anschluss folgenden Examensarbeit soll vorerst durch den allmählichen Aufbau der theoretischen Grundlagen ein Wissensgerüst entstehen, welches die Basis für die weitere Arbeit darstellt. In diesem Abschnitt soll vorwiegend die Entstehungsgeschichte der Migration und deren Begriffsbildung dargelegt werden. Anschließend soll das jeweilige Kulturverständnis und die dazu gehörende Problematik der Begriffsfindung geklärt werden. Eine stufenweise Entwicklung und sukzessive Heranführung an die Thematik soll dem Leser eine Hilfestellung sein, die Fülle der Grundbausteine dieser Arbeit nachzuvollziehen. In weiteren Punkten der Examensarbeit werden Begriffe wie Heimat und Herkunft geklärt, folgend von Familie und deren ökonomischen Situation. In einem Resümee wird der Zusammenhang von Herkunft, Familie, ökonomischer Situation und Transkulturalität dargestellt.
Dem theoretischen Konstrukt folgt eine empirische Erhebung zur transkulturellen Identitätsbildung von Studenten und Studentinnen mit Migrationshintergrund.
Im Rahmen einer Umfrage an der Universität Hannover, Fachbereich Erziehungswissenschaften, wurde mit Hilfe des „problemzentrierten Interviews“ ein Leitfaden erstellt, nach dem bei Studierenden mit Migrationshintergrund Erkenntnisse über deren pädagogisches Denken und Handeln im Zusammenhang mit Transkulturalität gewonnen werden sollen.
Der erste Abschnitt des Praxisteils soll für den Leser eine Einführung in das Forschungsprojekt sein, wo die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen mit Hilfe dieses Konzeptes herausgefiltert werden, um daraus mögliche Konsequenzen für Studierende mit Migrationshintergrund erschließen zu können.
Der „Gegenstand“ des Forschungsprojekts ist die Identitätsbildung. Mit Hilfe des Projektes soll ein Erkenntnisbeitrag entstehen, ob Multiplikatoren und Multiplikatorinnen in pädagogischen Handlungsfeldern eine transkulturelle Identität bilden sowie welche Faktoren dabei eher förderlich bzw. hinderlich sind. Die Untersuchung soll zeigen, ob bestimmte biographische, gesellschaftliche und ökonomische Zusammenhänge einen Einfluss auf die transkulturelle Identitätsbildung ausüben. Mit Hilfe des „problemzentrierten Interviews“ nach Andreas Witzel können Erkenntnisse gewonnen werden, wie sich einzelne Faktoren auf das Leben der Studenten mit Migrationshintergrund auswirken und welche Bedeutung sie im Hinblick auf das Leben eines Studenten mit Migrationshintergrund haben. Daraus ergaben sich folgende Forschungsfragen, die in dieser Arbeit geklärt werden sollen:
- Kann bei Personen, welche mit zwei (bzw. mehreren) Kulturen aufgewachsen sind, eine transkulturelle Identitätsbildung festgestellt werden?
- Wie äußert sich eine transkulturelle Identität in den Engagements, Handlungsweisen, Reaktionen und im Verhalten der Multiplikatoren und Multiplikatorinnen?
- Welche Kontexte sind förderlich bzw. hinderlich zur Bildung einer transkulturellen Identität? Wird kulturelle Vielfalt von den Multiplikatoren und Multiplikatorinnen als förderlich oder hinderlich empfunden?
- Und wie äußert sich kulturelle Vielfalt in ihren Einstellungen und Reaktionen im Alltagsleben? Welche Einstellungen bzw. Aussagen werden vertreten im Bezug auf Herkunft und Heimat, Familie und ökonomischer Situation?
- Und letztendlich, gibt es einen Zusammenhang von ökonomischer Situation, Herkunft und Familie in seiner Bedeutung für transkulturelle Identitätsbildung bei Studierenden mit Migrationshintergrund?
Diese und weitere sich aus dem Kontext ergebende Fragen sollen in der folgenden Examensarbeit geklärt und erläutert werden.
2. Von der Migration zum transkulturellen Verständnis
In den folgenden Kapiteln sollen die theoretischen Grundlagen, die für diese Arbeit obligat erscheinen, dargelegt werden. Ein allmählicher Aufbau und die Einführung in die Thematik sollen dem Leser helfen, die Fülle der relevanten Aspekte zu begreifen und ein gewisses Vorwissen zu entwickeln.
2. 1 Migration
„Ob durch Krieg, Besatzung oder Flucht, aus Glaubensgründen oder schlicht wirtschaftliche Not: Migration und die dazugehörende Fremdheit haben Europa mitgeprägt“ (Bauer, 2003, o. Seitenzahl).
Mit Migration wird die: „ Wanderung oder Bewegung bestimmter Gruppen von Tieren oder Menschen“ beschrieben (Brockhaus, 1995, Seite 2257).
Nicht erst seit der Neuzeit gibt es ökonomisch motivierte Migrationsströme. Sie sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Migration hat es schon zur Zeit der normadisierenden Jäger und Sammler gegeben. Es gab die Wanderung ganzer Stämme, die auf der Suche nach Nahrung und nach neuen ergiebigeren Weidegebieten waren.
In der Vergangenheit haben internationale Wanderungen von Arbeitskräften eine bedeutende Rolle für die soziale und ökonomische Entwicklung vieler Staaten gespielt (vgl. Auernheimer, 2003, S. 16 f.).
2. 1. 1 Internationale Migration
„Unter internationaler Migration ist eine spezifische Form räumlicher Mobilität zu verstehen. Migration ist die – befristete oder dauerhafte – Verlegung des Wohnsitzes, eines Haushaltes oder einer Person an einen anderen Ort, an dem er oder sie Arbeitskraft anbietet“ (Huess, 1987, S. 13).
Von einer befristeten Migration wird gesprochen, wenn der Migrant dauerhaft seinen Wohnsitz im Inland behält und er nur für eine bestimmte geplante Dauer oder periodisch wiederkehrend im Ausland arbeitet. Die dauerhafte Migration hingegen beinhaltet sowohl eine klare, soziale als auch ökonomische Trennung des Migranten von seinem Heimatland. Dies kann sich dadurch äußern, dass nicht nur einzelne Personen, sondern die zu dem Migranten gehörenden Angehörigen auf unbefristete Dauer emigrieren, um mit der gesamten Familie einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden (vgl. Münz, (o. Jg.), Absatz 1).
Internationale Migration ist eindeutig von der interregionalen Migration abzugrenzen. Internationale Migration geht über die Staatsgrenzen hinweg. Im Gegensatz dazu ist die interregionale Migration einer Binnenwanderung gleichzusetzen. Touristen, Tages- oder Wochenpendler mit Arbeitsplatz im benachbarten Ausland oder kurzfristig beschäftigte Personen in einem anderen Land gelten somit nicht als internationale Migranten (vgl. Münz, (o. Jg.), Absatz 1).
Es stellt sich daher die Frage, ab welcher Aufenthaltsdauer jemand als Migrant bzw. Migrantin gilt. Die Frage lässt sich leider nicht eindeutig beantworten, da es von Land zu Land verschieden ist. In Deutschland werden laut offiziellen Migrationsstatistiken auch Ausländer mit nur dreimonatigen Aufenthalt erfasst. In der Schweiz hingegen gelten Ausländer erst als Migranten, wenn sie sich mindestens 12 Monate dort aufhalten. In den USA können sich Studenten oder temporäre Arbeitskräfte über mehrere Jahre aufhalten, ohne dass sie als Einwanderer gelten (vgl. Münz, (o. Jg.), Absatz 2). Die Vereinigten Staaten von Amerika erfassen im Gegensatz zu europäischen Staaten auch illegal anwesende Personen im Land, die keine Aufenthaltsdauer besitzen. Länder der dritten Welt hingegen verfügen über keine amtlichen Statistiken. Aufgrund dessen lassen sich keine genauen Angaben machen, wie viele internationale Migranten es derzeit auf der Welt gibt (vgl. Münz, (o. Jg.), Absatz 2).
2. 1. 2 Arbeitsmigration in Europa
Menschen treffen meist nicht unabhängig von ihren familiären und sozialen Kontexten die Entscheidung, das Herkunftsland zu verlassen. Die Zusammenhänge zwischen Migrationsentscheidung und der Form der Wanderung sind oft verschiedenartig gelagert (vgl. Herwartz-Emden, 2000, Seite 9 f.).
Die Auswanderer wollen durch Migration das Überleben der Familie sichern und gewährleisten.
Mitte der 80er Jahre wurden weltweit ca. 23 Millionen Arbeitsemigranten geschätzt. Davon leben ca. 6,5 Millionen Menschen in den USA und in Europa. Der Rest verteilt sich auf den Mittleren Osten, auf West- und Südafrika sowie Lateinamerika. Die heutige Migrantenpopulation in Westeuropa beläuft sich (die Familienmitglieder eingeschlossen) auf ca. 16 Millionen Menschen (vgl. Auernheimer, 1990, Seite 37 f.).
Es sind seit Kriegsende etwa 30 Millionen Menschen mit ihren Angehörigen nach Westeuropa gekommen, welche teilweise schon wieder in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt sind. Die Arbeitsmigration hat in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ein gewaltiges Ausmaß erreicht und ist zu einem weltweiten Phänomen geworden.
Da viele Arbeitsmigranten ihre Familien nachkommen ließen, erhöhte sich der Bedarf an infrastrukturellen Einrichtungen, wie zum Beispiel Schulen, Kindergärten etc. Der Bedarf blieb leider meist ungedeckt, so dass es in manchen Ländern zu sozialen Spannungen kam. Hieraus folgte in den 80er Jahren eine Herausbildung neuer ethnischer Minderheiten.
Die Arbeitslosigkeit bei den Ausländern stieg an und es folgte eine Ghettoisierung der Arbeitnehmerfamilien. Besonders in Großstädten bildeten sich immer mehr Ausländerviertel mit eigener ethnischer Infrastruktur (vgl. Auernheimer, 1990, Seite 37 f).
2. 1. 3 Arbeitsmigration in Deutschland
Anfang der 60er Jahre belief sich die Anzahl der ausländischen Mitbürger auf etwa 686.200 im Bundesgebiet, das waren ca. 1,2 % der Gesamtbevölkerung. In knapp vierzig Jahren hat sich die Ausländerzahl in Deutschland extrem erhöht. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung belief sich im Jahre 2000 auf 8,9 % der Gesamtbevölkerung, das sind 7.296.800 Menschen (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, 2000, Seite 231). Ende des zweiten Weltkrieges waren es nur ca. 1% der Gesamtbevölkerung, die ohne deutschen Pass lebten (vgl. Statistisches Bundesamt, 1995, Seite 10).
„Die Bundesrepublik Deutschland wird aufgrund ihrer Lage in Europa von den gegenwärtigen und zukünftigen Wanderungsbewegungen im hohen Maße betroffen sein. Für einen potentiellen Zuwanderer genießt Deutschland aufgrund des Wohlstandes, der wirtschaftlichen und politischen Dynamik sowie dem hohen Lohnniveau und humanen Arbeitsbedingungen besondere Wertschätzung“ (Ceyhun, 1993, Seite 31). Menschen dürfen in Deutschland frei ihre Meinung äußern und leben in einem System der sozialen Sicherung.
Die Bedrohung der körperlichen, psychischen, kulturellen und religiösen Existenz durch Unterdrückung, Verfolgung, Hunger oder Zerstörung der Lebensräume bewegt die Menschen zur Flucht nach Deutschland. Nicht nur politische Verfolgung, sondern insbesondere die Angst vor der wirtschaftlichen Zukunft veranlasst die Menschen vieler verschiedener Länder, ihre Heimat zu verlassen (vgl. Ceyhun, 1993, Seite 30).
Die Wanderung der ausländischen Arbeitnehmer ist demnach ein Resultat der Anwerbevereinbarung der Bundesrepublik Deutschland beginnend mit Italien (1955), Griechenland und Spanien (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und dem ehemaligen Jugoslawien im Jahre 1968. Die Anwerbephase wurde erst 1973 durch den Anwerbestop beendet (vgl. Barth, 2000, Seite 12).
Europa hat sich verändert und weiterentwickelt. Aufgrund dieser europäischen Entwicklung haben sich auch die Bedingungen der Migration für Staatsangehörige aus Italien, Spanien, Griechenland und Polen entscheidend verändert. Aus diesen europäischen Ländern sind mittlerweile europäische Partner mit Freizügigkeit und Niederlassungsrechten für dessen Staatsangehörige geworden. Auch die türkischen Staatsangehörigen haben nach dem Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Türkei einige sozial- und ausländerrechtliche Begünstigungen, sofern sie als Arbeitnehmer eingereist oder Familienangehörige sind (vgl. Barth, 2000, Seite 12).
2. 2 Kulturverständnis
Um sich dem Grundgedanken einer Multikultur, Interkultur und Transkultur zu nähern und um diese Begriffe zu erfassen, muss zuerst eine Definition für den Kulturbegriff gefunden werden. Im Folgenden soll versucht, werden den Begriff der Kultur, deren Entstehung und Entwicklung sowie deren Bedeutung für ein transkulturelles Identitätsgefühl herauszukristallisieren.
2. 2. 1 Kultur
Hergeleitet ist der Begriff Kultur aus dem Lateinischen, von cultra, was sinngemäß soviel wie Bearbeitung, Pflege, Bebauung oder Anbau bedeutet. Die Verwendung von cultra fand daher eher im landwirtschaftlichen Zusammenhang, nämlich als agri cultura, dem Ackerbau, statt. Im Lateinischen existiert jedoch auch das Verständnis von animi cultra, was übersetzt in die entgegengesetzte Richtung zielt; nämlich in Sinn von Ausbildung bzw. Veredelung. Diese Begriffsfindung ist für diese Arbeit von größerer Bedeutung, denn diese steht im engeren Zusammenhang mit der Bildung bzw. der Veredelung des Menschen. Damit sind jene Prozesse gemeint, die im Allgemeinen als Kultivierung bezeichnet werden. Essentiell für das antike Kulturverständnis ist jedoch nicht
„das Wissen um die Umstände außerhalb des Einflussbereiches des Menschen, sondern erst das Wissen um den Unterschied zwischen den Umständen, auf die er Einfluss hat, und den Umständen, auf die er keinen Einfluss hat. Kultur ist in diesem Sinne und seither ein Differenzwissen, ein Wissen um Unterschiede, die die Lage des Menschen bestimmen und die bewusst zu halten sind, wenn sich der Mensch seiner Lage vergewissern will“ (Meyers großes Taschenexikon, Band 12, Seite 232 ff.).
Der heutige Kulturbegriff hat sich in Gegensatz zu dem Vorgenannten verändert, so dass dieser vermutlich erst in der Moderne entstanden ist. Aufgrund dessen kann Kultur durch
„die Veränderung der Natur durch den Gebrauch von Werkzeugen und die Gesamtheit der Lebensformen einer menschlichen Gruppe“ erklärt werden.
„...In der Vorgeschichte werden die einzelnen Perioden nach Material und Form der Werkzeuge als verschiedene Kulturen oder Kulturkreise unterschieden. Mit der Entwicklung der Hochkulturen verschiebt sich der Sinn des Kulturbegriffs und dehnt sich auf das Ganze der sozialen Einrichtungen, Gebräuche und Lebensordnungen aus“ (Grosses Handlexikon, 1979, Seite 609).
Oft wird angenommen, dass Kultur ein eindeutiger Begriff sei. Doch das trifft aus dem einfachen Grund nicht zu, da sich der Kulturbegriff wandeln kann und andere Völker und Länder wahrscheinlich ganz andere Auffassungen von dem haben, was im Okzident bzw. Abendland unter Kultur verstanden wird. Eine sehr allgemein gehaltene Definition bezeichnet Kultur als:
„die Gesamtheit der geistigen und künstlerischen gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als den Ausdruck menschlicher Höherentwicklung“ (Duden-Schüler-Lexikon, 1969, Seite 369)
„Der Begriff der Kultur bezieht sich in Unterscheidung zu dem Begriff der Natur (die ohne Zutun des Menschen existiert) auf alles, was der Mensch als gesellschaftliches Wesen bzw. die Menschen aller Völker zu den verschiedensten Zeiten und in unterschiedlichster Weise produktiv bearbeitet oder gestalterisch hervorgebracht haben; dies im Widerstreit mit den zerstörerischen Potenzen, die der Menschheit eigen sind. In diesem Sinne ist Kultur Bedingung und Ergebnis des denkenden und handelnden Menschen auf der Suche nach den jeweils adäquaten Lösungen seines gesellschaftlichen Seins“ (Meyers LexikonVerlag, CD-Rom Ausgabe)
In jedem Industriestaat der Erde kann von Kulturen nur im Plural gesprochen werden. Viele Kulturbegriffe beziehen sich hauptsächlich auf Alltagskulturen, wie man zum Beispiel Gestik und Mimik eines Menschen deutet, welchen Abstand man beim Reden als unangenehm empfindet, die guten Sitten beim Essen und Trinken, wie man sich begrüßt oder verabschiedet etc.. Alle diese Aufzählungen bilden einen kulturellen Code, den jeder von uns Menschen unbewusst oder ungewusst beherrscht (vgl. Barth, 2000, Seite 15). Es gibt viele unterschiedliche Definitionen von Kultur, wobei sich im Kontext des interkulturellen Lernens ein weites Verständnis von Kultur durchgesetzt hat. Daraus folgend ist
„Kultur ein für eine größere Gruppe von Menschen gültiges Sinnsystem oder – aus anderer Perspektive betrachtet - die Gesamtheit der miteinander geteilten verhaltensbestimmenden Bedeutungen“ (Leenen / Grosch, 2000, Seite 359). „Wissenssoziologisch könnte man eine Kultur auch als das einem Kollektiv gemeinsame Wissen kennzeichnen, das heißt als die im Bewusstsein seiner Mitglieder verankerten Erwartungen hinsichtlich üblicher Verhaltensweisen, Werthaltungen, sozialer Deutungsmuster und Weltbilder. Solche Erwartungen werden im Verkehr der Gesellschaftsmitglieder untereinander als selbstverständlich vorausgesetzt“ (Leenen / Grosch, 2000, Seite 359-360).
Aufgrund der Fülle der unterschiedlichen Begriffsbestimmungen von Kultur in der Literatur kann keine allgemeingültige Definition gegeben werden.
Kultur hat eine komplexe Gestalt und es ist kaum möglich, alles auf einen einfachen, alles erfassenden Nenner zu bringen, sie gewissermaßen zu operationalisieren. Es sind daher nur wenige allgemein-gültige Indikatoren hierfür aufzuweisen.
Samuel P. Huntington beschreibt die, im nichtdeutschen Sprachgebrauch gültige, „Unterscheidung zwischen „Zivilisation“ (= Kultur) im Singular und „Zivilisationen“ (= Kulturkreisen) im Plural“ (Huntington, 2002a, Seite 50). Als zivilisiert gelten hierbei Personen, die sesshaft, städtisch und alphabetisiert sind (vgl. Huntington, 2002a, Seite 50). Daraus folgend kann gesagt werden, dass Zivilisation als der Maßstab zur Beurteilung von Gesellschaften gilt (vgl. Huntington, 2002a, Seite 50). Huntington kommt schließlich zu der Auffassung, dass sowohl Zivilisation wie Kultur die gesamte Lebensweise eines Volkes bestimmt (vgl. Huntington, 2002a, Seite 51). Während im englischen Sprachgebrauch eine Zivilisation eine Kultur im großen Maßstab ist, ist es im deutschen Sprachgebrauch genau umgekehrt. Zivilisation wie Kultur enthalten die „Werte, Normen, Institutionen und Denkweisen, denen aufeinanderfolgende Generation einer gegebenen Gesellschaft primäre Bedeutung beigemessen haben“ (Huntington, 2002a, Seite 51).
Häufig werden Kulturen abgegrenzt durch bestimmte Merkmale wie Sprache, Religion, Volkszugehörigkeit etc. Der Kulturbegriff beschäftigt sich allerdings nicht nur mit Gesamtgesellschaften, sondern auch mit deren Teil-, Sub- und Gegenkulturen (vgl. Leenen / Grosch, 2000, Seite 360).
Kultur hat somit viele Gesichter und beinhaltet ein breites Band an geistigen, gedanklichen und künstlerischen Traditionen sowie gegenwärtigen Lebensäußerungen.
2. 2. 2 Multikultur und Interkultur
Multi kommt aus dem Lateinischen und hat die Synonyme viel, viele, vielfach, mehrere, diverse (vgl. Deutsches Wörterbuch, 1985, Seite 514). Daraus folgend nennt man Situationen, an denen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft beteiligt sind, multikulturell. Eine multikulturelle Gesellschaft zielt demnach auf eine Vielfalt unterschiedlicher Lebensformen in einer Gesellschaft ab.
„Multikulti“ gehört zweifellos zu den Begriffen der Migrationsdebatte und hat aufgrund dessen eine größere Popularität im Sprachgebrauch gefunden. Auch in der Werbung wurde Gebrauch von der Idee der multikulturellen Gesellschaft gemacht. Es hat sich ein buntes Bild der United Colors und der Come-together-Generation entwickelt. Die Internetgesellschaft, die fröhlich plaudernd miteinander kommuniziert und alle Konflikte und Grenzen zwischen Arm und Reich, Jung und Alt, zwischen Einheimischen und Einwanderern auszulösen versucht, ist zum Alltag geworden (vgl. Barth, 2000, Seite 10). Nach Wolfgang Barth muss
„ein ganzheitliches Migrationskonzept an der Anerkennung der tatsächlichen Migrationssituation ansetzen. Die Idee der Multikulturellen Gesellschaft hat das Problem, dass der Kulturbegriff ins Politische übersetzt und dabei unter den gegebenen Bedingungen ethnisch definiert und abgeleitet wird. Dieser unreflektierte Kulturbegriff ist in der politischen Debatte nicht hilfreich“ (Barth, 2000, Seite 17).
Multikulturalität geht von der Existenz klar unterscheidbarer, in sich homogener Kulturen aus und greift die Probleme des Zusammenlebens verschiedener Kulturen innerhalb einer Gesellschaft auf. Das Konzept der Multikultur sucht nach Chancen der Toleranz, Akzeptanz, Verständigung, der Konfliktvermeidung und Konflikttherapie. Die heutigen Kulturen haben nicht mehr die unterstellte Form der Homogenität und Abgeschlossenheit (vgl. Welsch, 1997, Absatz 11 und Absatz 12).
Nach Wolfgang Welsch geht das Multikultur-Konzept von einem Kulturverständnis aus, welches durch ethnische Fundierung, soziale Homogenisierung und durch Abgrenzung nach außen gekennzeichnet ist. Dementsprechend kann man sich Kulturen als Kugeln oder Inseln vorstellen (vgl. Welsch, 1997, Absatz 11-14).
„Kultur soll erstens das Leben der jeweiligen Gesellschaft im ganzen wie im einzelnen prägen, sie soll jede Handlung und jeden Gegenstand zu einem unverwechselbaren Bestandteil gerade dieser Kultur machen. Sie soll zweitens die Kultur eines bestimmten Volkes sein, dass auf dem Weg der Kultur sein spezifisches Wesen zur Entfaltung bringt. Damit ist drittens eine Abgrenzung nach außen verbunden: Jede Kultur soll als Kultur eines bestimmten Volkes von den Kulturen anderer Völker spezifisch unterschieden sein und bleiben“ (Welsch, 1995, Seite 39). Das Konzept der Multikultur ist oft mit einer Hierarchisierung der Kulturen verbunden. Die westlichen Kulturen, auch christlich-abendländische Kulturen genannt, gelten als die weiter entwickelten Kulturen. Unsere Hauptkultur soll erhalten und gegen kulturelle Einflüsse, durch Migration und Globalisierung, verteidigt werden. Aus dieser Aussage folgend ergibt sich ein soziales Gefälle zwischen Einheimischen und Migranten. Peter Waldmann ist der Meinung, dass eine multikulturelle Gesellschaft von drei Schichtgefügen konfrontiert wird. Auf der einen Seite werden sie von dem Schichtgefüge innerhalb der endemischen, vorherrschenden Bevölkerung konfrontiert. Auf der anderen Seite ergibt sich eine Konfrontation mit der sozialen Schichtung innerhalb der marginalisierten Gruppen. Eine dritte Konfrontation ergibt sich aus dem sozioökomischen Schichtungsgefälle zwischen den Gruppen (vgl. Waldmann, 1989, Seite 260 f).
Daraus wiederum folgend ergeben sich neue Konflikte und Probleme, die nie ganz abgeschafft, höchstens abgeschwächt oder entschärft werden können. Das Multikultur-Konzept zielt aber auf ein friedvolles Nebeneinander der Kulturen ab, denn nur so können Möglichkeiten der Toleranz und Akzeptanz gesucht werden (vgl. Welsch, 1997, Absatz 12).
Eine direkte Übersetzung bzw. das Synonym für inter (lat.) heißt zwischen. Folgerichtig kann man für Interkultur auch zwischen den Kulturen sagen (vgl. Deutsches Wörterbuch, 1985, Seite 377) .
„Der Begriff der Interkultur bezeichnet Austauschprozesse zwischen Kulturen, genauer gesagt: zwischen den Personen oder Gruppen mit unterschiedlichen Kulturhintergrund“ (Leenen / Grosch, 2000, Seite 358).
Interkultur ist demnach ein Austauschprozess zwischen verschiedenen Kulturen. Interkulturalität stellt ein theoretisches Modell für menschliches Verhalten in kulturellen Begegnungssituationen dar. Die Interkulturalität wird als eine Art Konzept definiert, das von einem dynamischen Interaktionsverhältnis zwischen den Kulturen ausgeht. Als Voraussetzung für ein durch Interkulturalität geprägtes Verhältnis gilt das Eigenkulturwissen (own-culture-awareness), Fremdkulturwissen (other-culture-awareness) und das Bewusstsein der Kulturalität des Verstehens (cross-culture-awareness), das heißt, dass man sich darüber bewusst sein muss, dass die Wahrnehmung über ein durch die eigene Kultur geprägtes Raster abläuft (vgl. Leenen / Grosch, 2000, Seite 360).
Das Interkultur-Konzept geht von einem Verständnis in sich geschlossener, abgegrenzter Kulturen aus. Die Betonung liegt hier auf den Aspekten der Kommunikation und des kulturellen Austausches.
Durch interkulturelle Kommunikation wird ein neuer Raum geschaffen, der zwar zeitlich begrenzt ist, aber eine ganz eigene Welt für sich darstellt. Diese „ganz eigene Welt“ bezeichnet man als Interkultur. (vgl. Leenen / Grosch, 2000, Seite 360).
2. 2. 3 Von der Ausländerpädagogik zum interkulturellen Lernen
Nach dem zweiten Weltkrieg begann die Einwanderungsgeschichte in Deutschland. Die großen Ströme gab es allerdings erst in den 60er Jahren nach dem Bau der Berliner Mauer und dem Versiegen des Zustroms von Arbeitskräften aus der DDR.
Die folgende Tabelle soll Aufschluss über die Entwicklung der gesamtgesellschaftlichen Situation in Deutschland geben.
Ausländer im Bundesgebiet seit 1960[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die intensivste arbeitsmarktorientierte Zuwanderung gab es in den Jahren 1968 bis 1972. Die Lückenzuwanderung, auch Gastarbeiterwanderung genannt, endete nach der Ölkrise 1973.
Der typische Gastarbeiter, der Anfang der 60er Jahre nach Deutschland kam, war jung, oft ledig und hatte meistens seine Familie in der Heimat gelassen. Aufgrund dessen war die Anzahl der schulpflichtigen, ausländischen Kinder in Deutschland anfangs sehr gering (vgl. Auernheimer, 2003, Seite 35).
Schon in der frühen Kindheit zeigen sich große Unterschiede bei der Eingliederung ins Bildungs- und Erziehungswesen. Besonders in den Kindergärten fällt eine deutliche Unterversorgung ausländischer Kinder auf. In konfessionellen Kindergärten werden noch immer deutsche, christlich geprägte Kinder bevorzugt. Auf der anderen Seite hält es sicherlich viele nicht-christliche Eltern davon ab, ihre Kinder in einen Kindergarten zu geben, der eine kirchliche Trägerschaft hat (vgl. Islam-Archiv Soest, 1994, Seite 93ff.). Aufgrund dessen meinen einige Fachleute, dass das Konzept der konfessionellen Trägerschaften längst überholt ist und daher überarbeitet werden muss (ebenda).
Viele Migranteneltern, besonders aber die Väter, sehen die Erziehung und die Betreuung im Kindergarten als eine Infragestellung ihrer Autorität und ihrer Kompetenz als Erziehende (vgl. Islam-Archiv Soest, 1994, Seite 93ff.). Oft befürchten die Migranteneltern auch eine Entfremdung ihrer Kinder innerhalb des Familienlebens, und lassen ihre Kinder bis zum Schuleintritt lieber im Elternhaus. Diese Kinder kennen bis zur Einschulung nur das Leben in der Familie und es wird ihnen schwerer fallen, sich in eine Gemeinschaft einzugliedern, die sich bereits schon vom Kindergarten her kennt. Die Sozialisation wird erschwert (ebenda).
Für alle in Deutschland lebenden Kinder gilt die allgemeine Schulpflicht. Ausgenommen von dieser Regel sind Kinder von diplomatischen Vertretern und Militärangehörigen.
Von der Erziehungswissenschaft und der Politik wurden Sprachbarrieren bei Schulanfängern ignoriert oder nur am Rande besprochen, da davon ausgegangen wurde, dass die Gastarbeiter wieder in ihre Heimat zurückgehen werden (vgl. Auernheimer, 2003, S. 35).
Größere Veröffentlichungen am Anfang der 70er Jahre machten darauf aufmerksam, dass die Sprachschwierigkeiten bei ausländischen Schülern eine neue Fremdsprachendidaktik auf den Stundenplan forderte.
Mit zunehmender Aufenthaltsdauer der Migrantenkinder wurde die Notwendigkeit der eigenen Zweitsprachendidaktik erkannt. Der herkömmliche Fremdsprachenunterricht an deutschen Schulen wurde den Bedürfnissen der Migrantenkinder nicht gerecht. Die vorläufige und begrenzte Zielsetzung bestand darin, dass Migrantenkinder ihre Sprachdefizite schnell abbauen sollten und ihre Rückkehr in die Heimat weiter offen blieb (vgl. Auernheimer, 2003, S. 37-39).
Der Erwerb der Muttersprache ist jedoch nicht mit dem Schuleintritt abgeschlossen (auch nicht bei deutschen Kindern). Wesentliche Bestandteile der Grammatik, des Wortschatzes und der Rechtschreibung müssen ergänzt bzw. erst erworben werden. Bei vielen ausländischen Kindern wird mit dem Schuleintritt die Entwicklung der Muttersprache abrupt abgebrochen. Die Kinder erlernen das Lesen und das Schreiben in einer Zweitsprache.
Aufgrund dessen entsandten einige Herkunftsländer Lehrer/innen, welche die nicht-deutschen Schüler in ihrer Muttersprache unterrichteten (vgl. Auernheimer, 2003, Seite 34-40 / Böhm, Böhm, Deiss-Niethammer, 1999, Seite 15 f).
Schwerpunkt der "Ausländerpädagogik" war deshalb eine Art Nothilfe, nämlich den Kindern der Arbeitsmigranten durch Nachhilfe, Sprachunterricht in gesonderten Lerngruppen außerhalb des regulären Unterrichts und sonstige Unterstützung in schulischen Angelegenheiten zu helfen (vgl. Böhm/Böhm/Deiss-Niethammer, 1999, Seite 15 ).
Im Jahre 1998 waren schon 10% von 3.648.000 Grundschülern nicht-deutsch (vgl. Bundesministerium f. Bildung und Forschung, 2000).
Aufgrund dessen sollte der ausländische Schüler nicht länger nur Gast in der deutschen Grundschule sein, sondern es müssen für die Kinder die gleichen Voraussetzungen geschaffen werden. Und es muss gemeinsam gelernt werden sich in der neuen Situation zurechtzufinden.
Neben den allgegenwärtigen Problemen zum Beispiel dem Verständnis der deutschen Sprache macht vielen Migrantenkindern auch die Konzeption des deutschen Schulsystems zu schaffen. Dabei fällt die einseitige Ausrichtung des Unterrichts auf Themen des deutschen Kulturraumes, besonders in den Sozialschulfächern und Kulturschulfächern, auf. Das kulturelle und gesellschaftliche Leben in den Herkunftsländern wird entweder gar nicht oder nur am Rande besprochen. Die kulturellen Werte des Herkunftslandes, ob nun selbst erfahren oder durch die Eltern vermittelt, werden oft ignoriert. Ein weiterer Punkt, der für den Misserfolg mit verantwortlich sein könnte, ist, dass die Migranteneltern ebenfalls mangelnde Kenntnisse über das deutsche Bildungssystem haben. Aufgrund schlechter Sprachkenntnisse sind die Migranteneltern oft völlig überfordert und können ihren Kindern keine Hilfestellungen zum Beispiel bei den Hausaufgaben oder beim Lernen für eine Klassenarbeit leisten. Stattdessen müssen sie mit ansehen, wie ihre Kinder mit dem Besuch der Sonderschule oder Einrichtungen für Lernbehinderte schon in den ersten Jahren an den untersten Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Um diesen Problemen entgegenwirken zu können, entwickelte sich das „interkulturelle Lernen, welches eine Form des sozialen Lernens ist. Es führt zum Abbau kultureller und nationaler Vorurteile. Es soll zu einer genauen Analyse und Relativierung der eigenen Normen und Sozialsysteme führen“ (Breitenbach, 1970, Seite 40).
Der Begriff "interkulturelle Erziehung" tauchte erstmals Mitte der 70er Jahre in der Pädagogik auf und steht seit den 80er Jahren besonders im erziehungswissenschaftlichen Interesse. Die unter dieser Bezeichnung heute vertretene Vielzahl theoretischer und praktischer Ansätze ist zunächst als eine Antwort auf die ethnische, sprachliche und kulturelle Vielfalt in Deutschland zu sehen und widmet sich der zentralen Fragestellung, wie ein verantwortlicher und vernünftiger Umgang der Angehörigen von Minderheiten und Mehrheiten in einer Gesellschaft aussehen sollte (vgl. Nieke, 1995, S. 9).
2. 2. 4 Transkulturalität
Die Begriffe der Interkultur und Multikultur lassen sich mit Hilfe von Literatur fassen und definieren. Doch was sagt Transkulturalität aus? Gibt es diese Bezeichnung wirklich oder ist sie eine Weiterentwicklung der Multikultur und Interkultur? Kulturbegriffe scheinen das kulturelle Selbstverständnis zu beeinflussen. Um sich diesen Fragen zu nähern, muss der Begriff der Transkultur geklärt und definiert werden.
Die Synonyme von trans (lat.) sind über, hinaus, jenseits (Deutsches Wörterbuch, 1985, Seite 377). Daraus folgend könnte man sagen, dass Transkultur über die eigene Kultur hinausgeht.
Durch die Folgen von Migration, Globalisierung, neuen Kommunikationssystemen und ökonomischen Interdependenzen haben sich viele Kulturen miteinander vernetzt, so dass der traditionelle Kulturbegriff sich insoweit verändert hat, dass er der heutigen Gesellschaft nicht mehr gerecht wird. Die Theorien der Multikultur und Interkultur scheinen den sozialen Entwicklungen nicht mehr standzuhalten, da die unterschiedlichsten Lebensformen nicht mehr an den Nationalgrenzen eines Staates enden. Oft kann Eigenes oder Fremdes nicht mehr voneinander differenziert werden. Dort, wo einst die separierten Einzelkulturen gestanden haben, ist eine interdependente Globalkultur entstanden, welche sämtliche Nationalkulturen verbunden und bis in die Einzelheiten durchdrungen hat (vgl. Welsch, 1997, Absatz 15). Transkulturalität steht also für eine Kultur der Integration.
Das transkulturelle Konzept scheint eine neue Möglichkeit zu sein, die Konsequenzen der Migration auf zugängliche und kooperative Art und Weise zu bewältigen.
Wolfgang Welsch ist der Meinung, dass kulturelle Identität und nationale Identität nicht gleichzusetzen sind, denn die nationale Identität sagt nichts über die kulturelle Zugehörigkeit aus (vgl. Welsch, 1997, Absatz 22). Damit werden insbesondere die Menschen angesprochen, welche entgegengesetzt ihres Kulturkreises in einem anderen Land geboren bzw. aufgewachsen sind. Es ist nun die Aufgabe der Identitätsbildung, die transkulturellen Komponenten miteinander zu verbinden bzw. zu vernetzen (vgl. Welsch, 1997, Absatz 23). Da Individuen, auch die endemischen, immer wieder mit fremden oder andersartigen Kulturen konfrontiert werden, ist es wohl kaum möglich, ohne Verbindung transkultureller Komponenten seine eigene Identität zu finden. Wichtig ist an dieser Stelle vor allem, dass die Menschen nicht nur ein gewisses Verständnis anderen Kulturen gegenüber aufbringen, sondern es ebenso zulassen sich von alten Gewohnheiten zu verabschieden und auf neue und fremde Situationen einzulassen (vgl. Welsch, 1997, Absatz 32).
Es gibt kaum ein Land auf der Welt, in dem homogene Kulturen vorzufinden sind; ganz im Gegenteil, aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen und Folgen der Globalisierung haben sich die Kulturen insoweit vernetzt, dass Produkte der einzelnen Kulturen im Prinzip der ganzen Welt zur Verfügung stehen Damit sind beispielsweise exotische Früchte gemeint oder der Import der Coca-Cola Limonade (vgl. Welsch, 1997, Absatz 17). Kulturelle Mischung tritt aber „ebenso in der hohen Kultur auf, und zwar seit langem - man denke beispielsweise an Puccini und die chinesische Musik; an Gauguin und Tahiti; an den Expressionismus und die afrikanische Kunst; oder an Messiaen und Indien. Zudem wird auch die Kultur im Sinn der Lebensformen und der täglichen Routine immer mehr transkulturell. Die Deutschen beispielsweise haben in den letzten Jahrzehnten mehr Elemente der italienischen und französischen Lebensart aufgenommen als je zuvor - selbst die Deutschen wissen heute das Leben zu genießen“ (Welsch, 1997, Absatz 17 bis Absatz 18). Es ist deshalb davon auszugehen, dass der heutigen Gesellschaft nichts mehr fremd erscheint und eine (Ver)Mischung von Eigen- und Fremdkultur gegeben ist.
Es gibt, wie auch aus den Medien bekannt, ein Problem der Beziehungen zwischen den Kulturen. Mit diesem Phänomen hat sich auch Samuel P. Huntington beschäftigt. Dieser sieht das Problem im Zeitalter unseres globalen Staatensystems bei der Abgrenzung der Kulturen voneinander, die sogar zu einem „Kampf der Kulturen“ führen kann (Huntington, 2002b). Er ist der Meinung, dass die vom kapitalistischen Westen und dem kommunistischen Osten geprägte bipolare Welt nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Wende in Osteuropa von einer multipolaren Welt abgelöst wurde. Diese Wende wurde durch die Konflikte zwischen den Angehörigen verschiedener Kulturen geprägt.
Nach dem Ende des „kalten Krieges“ träumten die Menschen vom Anbruch eines friedlichen und harmonischen Zeitalters. Doch sie stellten bald fest, dass die Welt immer unberechenbarer geworden ist, wie zum Beispiel die Autonomiebestrebungen im Balkan. Bürgerkriege wie im ehemaligen Jugoslawien sind wesentlich schwieriger unter Kontrolle zu bringen als große Kriege zwischen Nationalstaaten. Der Unterschied zwischen Bürgerkriegen und Kriegen zwischen Nationalstaaten liegt darin, dass in hier keine regulären Truppen einem einheitlichen Oberbefehl unterstehen. Auch am Persischen Golf mussten internationale Staatengemeinschaften die irakischen Truppen aus Kuwait vertreiben. Überall auf der Welt gab es und wird es immer wieder Konflikte geben.
Mögliche Ursachen für diese Konflikte sind unterschiedliche Sitten, Traditionen, Religionen, kulturbedingte Verhaltensweisen, die nicht miteinander vereinbarenden Wertesysteme und natürlich unterschiedliche Sprachen (vgl. Huntington, 2002a, Seite 81f.).
Dass die Weltsprache Englisch ist, ist nur eine Folge der Globalisierung. Der Einfluss des Englischen wird sich weiter erhöhen, was aber nicht bedeutet, dass wir bald alle nur noch englisch sprechen. Die Mehrsprachigkeit wird zunehmen, wie es schon bereits in vielen Teilen der Welt geschehen ist. In einigen afrikanischen Ländern müssen die Menschen bereits mehr als 5 Sprachen beherrschen, damit Konversation stattfinden kann (vgl. Huntington, 2002a, Seite 81-89). Meiner Meinung nach ist das ein ganz wichtiger Punkt des Konzeptes der Transkulturalität. Denn Mehrsprachigkeit verstärkt die verschiedenen Einflüsse der Kulturen. Wenn ich in der Lage bin, mich in einer anderen Sprache zu verständigen, kann ein Kulturaustausch stattfinden. Für Individuen ist Sprache ein wichtiger Teil der Kultur. Es entwickelt sich eine große Vielfalt unterschiedlichster Daseinsformen aus einem transkulturellen Format (vgl. Huntington, 2002a, Seite 81-89). Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob unser Nationalstaat einem transkulturellen Menschen gerecht wird!?
Viele Menschen fühlen sich gar entfremdet im eigenen Land, denn sie leben in ihrem Geiste bereits außerhalb oder über dem Nationalstaat. Unser Nationalstaat kann schon längst nicht mehr die Bedürfnisse eines transkulturellen Menschen stillen, denn Probleme und auftretende Fragen können nicht mehr gelöst oder beantwortet werden. In Deutschland leben zum Beispiel viele Ausländer, die nicht mehr nur zu einer Kultur oder Nationalität gehören. Diese Übernationalität wird vom transkulturellen Konzept aber als Chance gesehen, denn völlig homogene Nationen sind oft nicht mehr vorzufinden.
Mit der Machtübernahme der NAZIS 1933 wurde in Deutschland der Versuch unternommen, eine homogene Nation auf Basis von gemeinsamer Kultur und Sprache zu schaffen. Durch eine saubere Teilung, einer Grenze entlang der kulturellen Linie glaubte man Frieden zu erreichen. Dass diese Linien in der Wirklichkeit aber nicht eindeutig zu bestimmen sind, wurde nicht beachtet. Das deutsche Imperium stand unter dem Einfluss der kulturellen und sprachlichen Vorherrschaft der Nazis, so dass Deutschland hauptsächlich durch ihre militärische Macht zusammengehalten wurde. In der heutigen Zeit gibt es auch andere Mittel der Macht. Es müssen nicht immer nur militärische Aktionen ausgeübt werden. Eine der größten Mächte, von der die heutige Welt beherrscht wird, ist das Geld (vgl. Huntington, 2002a, Seite 117 f.).
Besonders attraktive Kulturen sind die, die erfolgreich sind und eine wirtschaftliche Stärke besitzen. Lange Zeit wurde angenommen, dass Modern und Westen eins sind. Diese Annahme hat sich allerdings geändert, denn die asiatischen Tigerstaaten haben heute eine florierende Wirtschaft, die sie als ein Produkt ihrer eigenen Kultur sehen (vgl. Huntington, 2002a, Seite 156 f.).
Das Konzept der Transkultur basiert auf einem anderen Kulturverständnis als bei der Multikultur und Interkultur. Die Kulturen haben keine abgegrenzte oder homogene Gestalt mehr, sondern sind durch ihre vielfältigen Verflechtungen und „Fusionen“ charakterisiert (vgl. Herzog, 2003, Absatz 25 und Absatz 36).
Es ist eine „Vielfalt unterschiedlicher Kulturen und Lebensformen“ (Welsch, 1997, Absatz 36) entstanden, „von denen jede aus transkulturellen Kombinationen hervorgeht und einen transkulturellen Zuschnitt zeigt“ (Welsch, 1997, Absatz 36)
Zusammengefasst findet in einer optimalen transkulturellen Gesellschaft somit ein freiwilliger Austausch zwischen den Kulturen statt, wobei keine der Kulturen bevorteilt oder benachteiligt wird. „Das Konzept der Transkulturalität zielt auf ein vielmaschiges und inklusives, nicht separatistisches und exklusives Verständnis von Kultur. Es intendiert eine Kultur und Gesellschaft, deren pragmatische Leistungen nicht in Ausgrenzungen, sondern in Anknüpfungen und Übergängen bestehen“ (Welsch, 1997, Absatz 30). Schließlich gibt es beim Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturkreise nicht nur Antagonismen, sondern es besteht stets die Möglichkeit, miteinander und voneinander zu lernen.
2. 2. 5 Die Begriffe im zusammenhängenden Kontext
Die modernen Einwandererfamilien in Deutschland sind sowohl multikulturell, interkulturell als auch transkulturell geprägt. Im Gegensatz zum Multikultur-Konzept, in dem die vermeintlich statische Hauptkultur gegen fremde Einflüsse verteidigt werden soll, werden beim Interkultur-Konzept Einflüsse anderer Kulturen als bereichernd angesehen.
Multikulturalität, Interkulturalität und Transkulturalität haben den selben Ursprung; Migration. Erst durch die entstandene Multikultur in Deutschland musste vor allem im Bildungswesen eine Veränderung stattfinden. Hieraus entwickelte sich die Interkultur bzw. interkulturelles Lernen, das heißt nicht nebeneinander zu leben, sondern miteinander leben und voneinander lernen.
Die in Deutschland geborenen, jugendlichen Migranten werden von Kindheit an verschiedenen kulturellen Einflüssen ausgesetzt. Auf der einen Seite werden kulturelle Orientierungen des Herkunftslandes über die Eltern vermittelt und auf der anderen Seite durchlaufen die Migrantenkinder zusammen mit deutschen Kindern die gleichen, zentralen gesellschaftlichen Sozialisationsinstanzen, wie zum Beispiel den Kindergarten, die Schule, Sportvereine etc..
Eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit zeigt, dass auch in der Alltagskultur gesamtgesellschaftlich eine Entwicklung zur Transkultur gegeben ist. Transkultur gibt es demnach nicht nur auf dem Papier, sondern ist zur Realität in der Gesellschaft geworden. Zum Beispiel ist die Musikrichtung HipHop in vielen Kulturen vertreten. Junge Menschen lieben diese Musik, unabhängig von ihrer Kultur. Musik scheint viele Kulturen miteinander verbinden zu können. HipHop ist zu einer Weltmusik geworden, wobei die Produzenten sicherlich nicht von vornherein eine transkulturelle Überzeugung verfolgt haben. Ein gutes Beispiel dafür ist ein indisch-stammiger DJ, welcher die Titelmelodie von der TV-Serie „Knight Rider“ mit Folkmusik aus dem indischen Subkontinent mischt. Im Schmelzkessel der asiatisch-englischen Immigrationskultur scheint das alles möglich zu sein. Sicherlich hat da noch niemand mit gerechnet, dass zu diesem Track plötzlich Millionen westlicher Pop- und Hiphop-Fans tanzen werden. Panjabi MC wurde in England geboren und heisst mit bürgerlichen Namen Rajinder Rai. Er hat mit indischen Geigen und Trommeln westliche Hiphop-Musik gemischt und die gesamte Clubszene, erst in Deutschland, dann in Europa und schließlich auf der ganzen Welt aufgemischt. Rai fühlte sich schon als Jugendlicher von Bob Marley (aus Jamaica) und James Brown (aus den USA) inspiriert, genauso wie von der indischen Plattensammlung seines Vaters. Durch die westliche und indische Kultur beeinflusst, überlegte er sich, wie es wohl klingen würde, wenn man die von unterschiedlichen Kulturen geprägten Musikrichtungen vereint. Das Resultat war ein Welterfolg. Innerhalb von zwei Tagen hatte er 100 000 Singles verkauft (vgl. o. V. (o. Jg.) Panjabi MC, http://www.panjabi-mc.de). In einem Interview sagte er: „es ist kein Zufall, dass diese Musik ausgerechnet in England entstanden ist. Viele Menschen in Amerika kommen mit den östlichen Rhythmen nicht klar, während viele Inder die westlichen Beats nicht verstehen. Wir in England sind beiden Seiten, der Beats und Flows, ausgesetzt“ ( o. V. (o. Jg.) Panjabi MC, http://www.panjabi-mc.de). Dies ist ein gelungenes Beispiel, um die Definition und Aussage über Transkulturalität von Wolfgang Welsch darzulegen. Er beschrieb: „Das Konzept der Transkulturalität entwirft ein anderes Bild vom Verhältnis der Kulturen. Nicht eines der Isolierung und des Konflikts, sondern eines der Verflechtung, Durchmischung und Gemeinsamkeit. Es befördert nicht Separierung, sondern Verstehen und Interaktion“ (Welsch, 1995, Seite 44).
Transkultur ist eine Entwicklung. Genauso wie sich der Mensch von Geburt an immer weiter entwickelt, entwickelt sich das transkulturelle Identitätsbild des Einzelnen. Bei manchen Menschen findet die Entwicklung schneller statt, weil sie schon früher als andere durch verschiedene Kulturen geprägt wurden. Wenn ein Kind zum Beispiel vor der Schule nicht in den Kindergarten geht, sondern nur zu Hause bei der Familie ist, wird dieses Kind bis zum Eintritt in die Schule nur durch die Kultur des Elternhauses geprägt sein. Je mehr Möglichkeiten einem Kind gegeben wird, um neue Kulturen kennen zu lernen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit sein, dass es eine transkulturelle Identität bilden wird. Wir müssen unseren Kindern die Möglichkeit geben, schon im frühen Kindesalter neue Kulturen kennen zu lernen, damit sie im Alter nicht mit Angst und Ablehnung an Neues und Fremdes herangehen.
2. 3 Heimat und Herkunft
„Vergesse nie die Heimat
wo deine Wiege stand,
denn du findest in der Fremde
kein zweites Heimatland“
(Autor unbekannt)
Gerade die ersten beiden Zeilen dieses Gedichtes bringen das zum Ausdruck, was viele Menschen unter Heimat verstehen. Die Heimat eines Menschen ist oft dort, wo er geboren ist, seine Kindheitserinnerungen liegen und die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat. Unter Heimat werden aber auch Gefühle, Geborgenheit, Sicherheit, Wärme und Schutz verstanden (vgl. Reiberg, 2000, Seite 82). Die Schwierigkeit ergibt sich erst dann, wenn man die Frage „wo ist deine Heimat?“ nicht beantworten kann. Wenn man sich hin und her gerissen und weder in dem einen noch anderen Land heimisch fühlt. Der eine Teil des Menschen ist mit Deutschland verwurzelt und der andere Teil fühlt sich als Fremder. Viele Ausländerkinder sind bereits in Deutschland geboren, haben ihre Schulzeit dort verbracht und Freunde gefunden. Oft beherrschen sie die deutsche Sprache besser als die des Herkunftslandes. Diese Tatsachen sprechen eigentlich dafür, dass ihre Heimat in Deutschland liegt. Doch dieses Land wird oft mit Kälte und Diskriminierung assoziiert. Die Gefühle von Wärme, Geborgenheit, Schutz und Sicherheit werden für das Herkunftsland empfunden.
Auf der anderen Seite werden die Ausländer auch in ihren Herkunftsländern als Fremde angesehen (vgl. Reiberg, 2000, Seite 82), als Fremde im eigenen Land.
Im allgemeinen Sprachgebrauch
„ist Heimat zunächst auf den Ort (auch als Landschaft verstanden) bezogen, in den der Mensch hineingeboren wird, wo die frühen Sozialisationserlebnisse stattfinden, die weithin Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und schließlich auch Weltauffassungen prägen (...)“ (Brockhaus, 1989, Seite 617 f).
Dies ist nur eine von vielen Definitionen. Daraus lässt sich schließen, dass „Heimat“ oder das „Heimatgefühl“ unterschiedlich empfunden wird. Heimat kann man nicht hören, riechen oder schmecken. Auf jeden Fall kann man einem Fremden die eigene Heimat nicht riechen oder schmecken lassen. Die eigenen persönlichen Sinnesdaten sind die Merkmale der eigenen Heimatvorstellung und nicht kollektierbar. Heimat ist somit ein individueller Tatbestand,
„der sowohl aus Eindrücken der äusseren wie aus Empfindungen der inneren Sinne und nach Maßgabe der Erinnerung zustande kommt“ (Blaue Reihe, November 2001).
Viele Menschen mussten ihre Heimat verlassen, weil sie politisch verfolgt wurden, weil furchtbare Kriege das Leben im Heimatland unmöglich machten oder sie vertrieben wurden, weil die ökonomische Situation es forderte oder weil die Menschen eine neue Herausforderung in einem neuen, fremden Land suchten.
Im Jahre 2000 lebten 7.296.800 Ausländer in Deutschland. Das sind 8,9% der Gesamtbevölkerung (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, 2002, Seite 21). Die Migranten kommen, wie auch aus der folgenden Tabelle zu entnehmen ist, aus unterschiedlichen Herkunftsländern.
[...]
[1] Quelle: Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: 02/2002. Seite 21
- Citation du texte
- Martina Szonn (Auteur), 2003, Der Zusammenhang von ökonomischer Situation, Herkunft und Familie in seiner Bedeutung für eine transkulturelle Identitätsbildung bei Studierenden mit Migrationshintergrund, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23864
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