Der Abschluss des deutsch-britischen Flottenabkommens löste bei der deutschen Regierung grenzenlose Euphorie aus. „Für Adolf Hitler“, so schreibt Joachim von Ribbentrop in seinem Buch „Zwischen London und Moskau“, „war dieser Tag der glücklichste seines Lebens.“ Hitler ließ sich gar zu der Aussage hinreißen, Ribbentrop, der Unterhändler bei den Verhandlungen in London, sei der größte Diplomat seit Bismarck. In der Retrospektive scheint die Begeisterung Hitlers über die Übereinkunft in der Frage der Flottenrüstung mit Großbritannien durchaus verständlich. Er hoffte zum einen auf ein dauerhaftes Bündnis, ein weiterer wichtiger Punkt war für ihn die Überwindung der außenpolitischen Isolation, die seit der Bildung der „Stresa-Front“ unübersehbar war. Hitler konnte endlich die deutsche Aufrüstung legalisieren, da die Marinebestimmungen des Versailler Vertrages nun auch offiziell ungültig wurden. Nicht zuletzt sicherte ihm das Abkommen einen enormen Prestigegewinn gegenüber dem Regierungsapparat und der Bevölkerung. Nicht ungelegen war für ihn dabei, dass die französische Regierung erklärte, das Abkommen habe auf sie „wie ein kalter Wasserstrahl gewirkt“. Das Verhältnis zwischen Frankreich und England verschlechterte sich drastisch, eine wochenlange „Eiszeit“ sowie eine monatelange Pressekampagne setzten ein.
Betrachtet man diese enormen Vorteile für die Hitlerregierung, so erscheint das Verhalten der britischen Politiker, die ihm diese Triumphe verschafften, unverständlich. Die Arbeit möchte deshalb der Frage nachgehen, welche Motive die britische Führung bewog, das deutsch-britische Flottenabkommen, das in der historischen Forschung durchweg negativ beurteilt wird, abzuschließen. Um aufzuzeigen, dass die britische Administration akuten Handlungsbedarf gegenüber Hitlers Angebot sah, werden die direkten Verhandlungsprozesse in London ausführlich eruiert, um den besonderen Zeitdruck zu verdeutlichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Weg zum Flottenabkommen
3. Der Beginn der Verhandlungen in London
4. Der Abschluss der Verhandlungen
5. Vertragsinhalt
6. Rechtfertigungen
7. Schlussbetrachtung
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Abschluss des deutsch-britischen Flottenabkommens löste bei der deutschen Regierung grenzenlose Euphorie aus. „Für Adolf Hitler“, so schreibt Joachim von Ribbentrop in seinem Buch „Zwischen London und Moskau“, „war dieser Tag der glücklichste seines Lebens.“[1] Hitler ließ sich gar zu der Aussage hinreißen, Ribbentrop, der Unterhändler bei den Verhandlungen in London, sei der größte Diplomat seit Bismarck.[2] In der Retrospektive scheint die Begeisterung Hitlers über die Übereinkunft in der Frage der Flottenrüstung mit Großbritannien durchaus verständlich. Er hoffte zum einen auf ein dauerhaftes Bündnis, ein weiterer wichtiger Punkt war für ihn die Überwindung der außenpolitischen Isolation, die seit der Bildung der „Stresa-Front“ unübersehbar war. Hitler konnte endlich die deutsche Aufrüstung legalisieren, da die Marinebestimmungen des Versailler Vertrages nun auch offiziell ungültig wurden. Nicht zuletzt sicherte ihm das Abkommen einen enormen Prestigegewinn gegenüber dem Regierungsapparat und der Bevölkerung. Nicht ungelegen war für ihn dabei, dass die französische Regierung erklärte, das Abkommen habe auf sie „wie ein kalter Wasserstrahl gewirkt“[3]. Das Verhältnis zwischen Frankreich und England verschlechterte sich drastisch, eine wochenlange „Eiszeit“ sowie eine monatelange Pressekampagne setzten ein.
Betrachtet man diese enormen Vorteile für die Hitlerregierung, so erscheint das Verhalten der britischen Politiker, die ihm diese Triumphe verschafften, unverständlich. Die Arbeit möchte deshalb der Frage nachgehen, welche Motive die britische Führung bewog, das deutsch-britische Flottenabkommen, das in der historischen Forschung durchweg negativ beurteilt wird, abzuschließen. Um aufzuzeigen, dass die britische Administration akuten Handlungsbedarf gegenüber Hitlers Angebot sah, werden die direkten Verhandlungsprozesse in London ausführlich eruiert, um den besonderen Zeitdruck zu verdeutlichen.
Die Fragestellung der Arbeit erscheint besonders sinnvoll, da die Darstellungen vieler Historiker zum Thema fast nur die deutsche Seite in das Blickfeld der Betrachtung rücken. Die Interpretation der Motive Hitlers und seines „außenpolitischen Programms“ überwiegen in den wissenschaftlichen Abhandlungen deutlich. Auch innerhalb der inzwischen unüberschaubar[4] gewordenen Literatur über die sogenannte „Appeasement-Politik“ wird das Flottenabkommen zwar als erstes „Epochenereignis der Politik des Appeasement“ (Karl Dietrich Bracher[5]) erwähnt, doch keinesfalls hinreichend analysiert.
Aufgrund der stark interpretatorischen „Appeasement-Literatur“, die sich mittlerweile auf einen Austausch von Standpunkten und Gesinnungen zu beschränken scheint und dabei z.T. fahrlässig die direkten Quellen außer acht lässt, vollzieht der Verfasser eine Rückbesinnung auf die Primärquellen. Die „Akten der deutschen auswärtigen Politik“ und die Memoiren vieler Beteiligter bieten die Grundlage, um die Geschehnisse und die Intentionen der Akteure darzustellen. Häufig werden noch nicht edierte Archivdokumente zitiert, die von der Forschung ausfindig gemacht werden konnten.
Die Arbeit beginnt mit der Genesis der beiderseitigen Bereitschaft zu Verhandlungen, beschäftigt sich dann mit den Besprechungen in London, um abschließend die Gründe zusammenzufassen, die für ein positives Votum der britischen Regierungsmitglieder ausschlaggebend waren.
2. Der Weg zum Flottenabkommen
Hitler unterschied sich in der Forderung nach Revision des Versailler Vertrags keinesfalls von seinen Weimarer Vorgängern im Reichskanzler-Amt. Parallel zu seiner Forderung nach militärischer Gleichberechtigung untermauerte er seinen Wunsch nach Verständigung mit der britischen Regierung durch Angebote über ein Flottenabkommen, das für ihn die Voraussetzung für ein weitergehendes Bündnis - eine Aufteilung der Welt in Interessensphären - bilden sollte.[6] Diese Vorschläge setzten bereits im November 1933 ein[7] und wurden bei nahezu allen weiteren Treffen mit Abgesandten Großbritanniens wiederholt[8], ohne dass die Regierung in London auf derartige werbende Offerten einging. In der zweiten Hälfte des Jahres 1934 verkündete Hitler gar die Möglichkeit einer Begrenzung der deutschen Flotte durch ein endgültig festgelegtes Verhältnis der Flottenstärke zueinander: Dem Botschafter Phipps gegenüber fragte der „Führer“: „Was wolle eigentlich England von uns? Er, der Kanzler, habe sich stets bereit erklärt, sich auf dem Marinegebiet, das England in erster Linie interessiere, mit England etwa auf der Basis von 35% zu einigen. Wir hätten auf diesem Gebiet nur ein Interesse daran, in der Ostsee nicht den Russen unterlegen zu sein und den Franzosen, wenn sie in die Ostsee eindringen wollen, entgegenzutreten zu können.“[9] Seine Bemühungen stießen bei den Briten auf wenig Resonanz, so dass Hitler neue Wege beschritt, um die außenpolitische Isolation[10] zu überwinden.
Hatte schon der nationalsozialistische Putsch und die Ermordung des Bundeskanzlers in Österreich die Wachsamkeit der Regierungen in Rom, Paris und London wesentlich erhöht, so erforderte die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland eine Neubewertung der Sicherheitslage in Europa. Hitler setzte sich - durch innenpolitische Erfolge zunehmend selbstbewusster agierend - über die militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrages einfach hinweg und forderte die europäischen Großmächte nun offen heraus.[11] Mit einer bloßen Anbiederung konnte England nach seiner bisherigen Erfahrung offensichtlich nicht gewonnen werden. Nun sollten Druck und Drohmittel seinen Anträgen Gewicht verschaffen.[12] Wie würde die traditionell einflussreichste Ordnungsmacht Europas auf diese Herausforderung reagieren? Schon früh war erkennbar, dass sich die Engländer von der entschlossenen Politik der Stärke dieses „mystery“[13] (Churchill über Hitler) beeindrucken ließen und aus unterschiedlichen Gründen[14] keineswegs eine Politik der Konfrontation oder Eindämmung forcierten. England hatte wenig Interesse an einem kollektiven Vorgehen gegen den Unruhestifter in Mitteleuropa.[15] Stattdessen bildete sich in dieser Zeit die sogenannte Politik des „Appeasement“ heraus. Deutschland sollte wieder als gleichberechtigter Partner in das „europäische Konzert der großen Mächte“ integriert werden.[16]
In diesem Sinne besuchten Außenminister Simon und Lordsiegelbewahrer Anthony Eden am 25. März Hitler in Berlin, um eine Verständigung mit ihm zu erreichen.[17] Gemeinsam mit Frankreich hatte sich die englische Regierung noch im Februar darauf geeinigt, Deutschland durch verschiedene Sicherheitspakte (allgemeine Rüstungsabkommen, Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund, regionale Sicherheitspakte in Osteuropa und im Donauraum sowie ein Luftpakt)[18] in ein System kollektiver Sicherheit einzubinden und somit durch ein „general settlement“[19] zu kontrollieren. Dass Simon und Eden Hitler in Berlin überhaupt besuchten, war kurz nach dem Wochenendcoup der Wehrpflichteinführung schon ein deutliches Signal, das in Berlin zwar überraschte[20], aber höchst befriedigt zur Kenntnis genommen wurde. Paris hatte London zuvor vehement gedrängt, den geplanten Besuch abzusagen, um gemeinsam gegen die herausfordernde deutsche Aggression vorzugehen.[21] Schon zu diesem Zeitpunkt kristallisierten sich zwischen beiden Regierungen erhebliche Divergenzen heraus.
Während der Gespräche[22] mit Simon und Eden wich Hitler geschickt allen Anstrengungen der Briten aus, ihn für die Vorschläge vom Februar zu gewinnen.[23] Stattdessen stellte Hitler seinerseits Forderungen. Hitlers Taktik der „drohenden Werbung“ weckte Besorgnis – während der Gespräche in Berlin traf er die für Simon und Eden schockierende Feststellung[24], die deutsche Luftwaffe habe die Parität mit England bereits erreicht. Außerdem ließ er während der Gespräche mögliche deutsche Ambitionen nach Kolonien anklingen.[25] Der einzige Anknüpfungspunkt für einen Fortgang der Gespräche, durch den ein völliges Abreißen des Kontakts zum Diktator verhindert werden konnte, bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch in der Frage der Flottenrüstung, die er während der Unterredung in Berlin ins Spiel brachte. Nachdem Hitler auf dem Heeres- und Luftwaffensektor bereits unkontrolliert aufrüstete, schien eine Übereinkunft in der Flottenfrage nun auch für die Briten vonnöten. Die englische Einladung zu Expertengesprächen über Hitlers Angebot ging folglich Ende Mai in Berlin ein und wurde dort bereitwillig angenommen.[26]
Die Isolierung Deutschlands durch die Bildung der „Stresa-Front“, die Verurteilung Deutschlands durch den Völkerbund und den französisch-sowjetischen Pakt (der den Briten sehr missfiel) wenige Tage später war für Hitler besorgniserregend.[27] Er konnte nicht ahnen, wie uneinig sich die ehemaligen Verbündeten des Ersten Weltkriegs in der Frage der Behandlung des ehemaligen Kriegsgegners eigentlich waren. Vor diesem Hintergrund hielt Hitler am 21. Mai 1935 eine große „Friedensrede“, in der er sich als unschuldiges Opfer einer Einkreisungspolitik gerierte, die durch die aggressiven Bemühungen Frankreichs und Russland evoziert worden sei. Hauptsächlich richtete er seine Appelle an England: „Was könnte ich anders wünschen als Ruhe und Frieden? Deutschland braucht den Frieden, und es will den Frieden.“[28] „Das nationalsozialistische Deutschland will den Frieden aus tiefinnersten weltanschaulichen Überzeugungen.“[29] Er bestritt, dass vom Rüstungsprogramm irgendeine Bedrohung ausgehe und forderte die Gleichberechtigung Deutschlands in der Rüstungsfrage. Er wolle den Gleichstand mit den anderen Ländern bei der Luftwaffe und bei der Marine nur 35 Prozent der britischen Tonnage. Deutschland habe weder den Wunsch noch sei es in der Lage, gegenüber England in eine Flottenrivalität einzutreten. „Die deutsche Reichsregierung erkennt von sich aus die überragende Lebenswichtigkeit und damit die Berechtigung eines dominierenden Schutzes des Britischen Weltreiches zur See an (...)[30] Verhandlungen stand nach diesen Ausführungen nichts mehr im Wege. Hitlers großspurige Ankündigungen, die in der britischen Öffentlichkeit äußerst positiv wahrgenommen wurden[31], sollten verifiziert werden.
3. Der Beginn der Verhandlungen in London
Die deutsche Delegation traf am 3. Juni in London ein. Sie bestand aus Joachim von Ribbentrop, der von Hitler zwei Tage zuvor gezielt für diese Mission zum „Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter“ ernannt worden war[32] sowie Konteradmiral Schuster, Korvettenkapitän Kiderlen, Marineattaché Wassner, Legationssekretär Erich Kordt und Dolmetscher Schmidt.[33] Nachdem die Delegation entgegenkommend aufgenommen wurde und sogar an der Parade anlässlich des Geburtstages von Georg V. teilnahm[34], begannen einen Tag später die Verhandlungen im Foreign Office. Die britische Delegation wurde dabei von Außenminister Simon geleitet, der auf ausdrücklichen Wunsch Ribbentrops anwesend war.[35] Die englische Seite repräsentierten außerdem vier z.T. hochrangige Vertreter der Admiralität. Das Foreign Office sandte lediglich den Sachverständigen für Flottenfragen Robert Craigie.[36] Simon betonte nach den üblichen Eröffnungsformeln ausdrücklich die Rolle der Experten und schlug vor, die Besprechungen mit einem umfassenden Meinungsaustausch zwischen den Sachverständigen zu beginnen.[37] Der Außenminister führte an, dass die britische Regierung für die kommenden informellen Besprechungen eine neue Methode vorschlage. Durch Erfahrungen in Verhandlungen mit anderen Mächten habe es sich herausgestellt, dass ein Fortschritt nicht zu erzielen sei, solange man sich auf die Festlegung von quantitativen [absoluten] Begrenzungen beschränke. Es gelte, sich über die Begrenzung der Typen in Tonnage, Bestückung usw. zu einigen und eine gegenseitige Bekanntgabe der Bauvorhaben zu vereinbaren.[38]
Diese Intention widersprach der deutschen Verhandlungsposition diametral. Die Briten wollten offensichtlich Hitlers Vorschlag der Festlegung der deutschen Flotte auf 35:100 gegenüber der britischen umgehen, obwohl den britischen Experten die deutsche Verhandlungsposition bereits bekannt war. Die britische Marineleitung hatte schon seit zwei Monaten die Möglichkeit einer quantitativen Festlegung beraten.[39] Simon legte hier vermutlich die Haltung des Foreign Office dar, die von der Strategie der Marineexperten zunächst divergierte.[40]
Hitler hatte Ribbentrop und Admiral Schuster während eines Expertengesprächs in seiner Münchner Wohnung vier Tage vor deren Abreise nach England unmissverständlich klargemacht, dass „keine weiteren Zugeständnisse zu machen seien und die Delegation dann lieber ohne den gewünschten Erfolg nach Hause zurückkehren sollte.“[41] „Der gewünschte Erfolg“ war zweifelsohne die (sakrosankte) Festlegung eines quantitativen Stärkeverhältnisses nach Hitlers Vorstellung von 35:100. Ribbentrop, „die Stimme seines Herrn“[42], konnte sich deshalb nicht auf Simons Vorschlag einlassen und replizierte nach Simons Ausführungen „mit etwas übertrieben wirkender Energie“[43]: „Die deutsche Reichsregierung darf die Erwartung aussprechen, dass dieser großzügige Entschluss des Kanzlers als ein deutscher Beitrag von größter historischer Bedeutung (...) voll gewürdigt wird. (...) Die deutsche Delegation könne die Aussprache nur dann führen, wenn auch von britischer Seite das Stärkeverhältnis als unantastbar feststehende Relation anerkannt ist. (...) Die Delegation wäre der britischen sehr dankbar für eine Bestätigung, dass Einigkeit über diesen Grundsatz besteht.“[44]
Diese Äußerungen mussten auf die Briten schon prätentiös wirken, äußerste Verwirrung und Verstimmung lösten allerdings die folgenden Worte des Sonderbotschafters aus, die Hitlers Bündnisgedanken nahezu unverblümt offenbarten. Nachdem Ribbentrop die rassische Verbundenheit beider Staaten beschworen hatte[45], argumentierte er ganz im Sinne Hitlers, dass „bei der Wahl zwischen Chaos auf der einen und dem Wiederaufbau auf der anderen Seite den Völkern die Entscheidung nicht schwer fallen würde.“ Eine deutsch-englische Zusammenarbeit „stellt die Existenz Europas sicher und garantiert die bestehende Weltordnung als Fundament unserer Kultur auf die Dauer“.[46] Es war dies die zugleich offiziellste und offenste Formulierung des gewünschten Globalbündnisses Deutschland und England.[47] Aus diesem Grund bemühte sich die deutsche Seite auch so energisch um die Anwesenheit des Außenministers Simon. Der Verlauf der Gespräche verdeutlicht, dass die Delegationen unter völlig disparaten Voraussetzungen zusammengekommen waren. Während die englische Seite ausschließlich über spezifische Details im Hinblick auf eine Verständigung im Bereich der Flottenrüstung verhandeln wollte, nutzte die von Hitler nur wenige Tage zuvor instruierte deutsche Gesandtschaft die Gelegenheit, um Hitlers „großzügiges historische Angebot“ vorzutragen. Diese kaum verhüllte Bündnisidee eines „Dauerarrangements zwischen beiden Ländern“[48], die auf britische Diplomaten äußerst befremdlich wirken musste, markierte zugleich den Anfang des großen und sinistren Missverständnisses, dem Hitler in seinen weitreichenden Planungen bis 1939 unterlag, nämlich dass Großbritannien eine kontinentale Hegemonie des Deutschen Reiches hinnehmen würde, solange die britische Seesuprematie gewährleistet sei.[49]
Simon reagierte geschickt, denn er ließ sich auf derartige Gedankenspiele gar nicht ein. Es handele sich darum, „in diesen Besprechungen den Boden vorzubereiten für eine zukünftige Flottenkonferenz sowie ein mehrseitiges Flottenabkommen, an dem die großen Seemächte teilhaben müssten“, erwiderte er.[50] Durch diese „Versachlichung“ zeigte er Ribbentrop indirekt, dass die Briten kein Interesse an einem weitergehenden Arrangement mit dem nationalsozialistischem Regime hatten. „Im übrigen scheine ihm die Forderung der deutschen Delegation etwas zu sein, was nicht an den Anfang, sondern an das Ende der Verhandlungen gehöre.“[51] Insistierend wiederholte Ribbentrop, dass die Begrenzung auf 35% nicht eine auszuhandelnde oder durchzusetzende Forderung sei, „sondern ein endgültiger Entschluss des deutschen Kanzlers, (...) der unerschütterlich feststehe. Der Punkt der Verhältnisstärken müsse klar gestellt werden, ehe in die Verhandlungen eingetreten werde, und er bitte noch einmal um eine klare Antwort auf die deutsche Frage.“[52]
[...]
[1] Zit. nach Ingrim, S. 151.
[2] Hildebrand, Reich, S. 697.
[3] Dülffer, S. 332.
[4] Vgl. z.B. die Appeasement-Historiographie bei Wende, S. 162ff.
[5] Zit. n. Wiggershaus, S. 1.
[6] Vgl. Hildebrand, Außenpolitik, S.43.
[7] Michalka, S. 95.
[8] Ebd., S. 102.
[9] ADAP, Serie C, Bd. III, Nr. 358.
[10] Vgl. die Tagebucheintragungen von Goebbels, „Die Welt ist gegen uns.“, S. 486.
[11] Hildebrand, Dritte Reich, S. 301.
[12] Fest, S. 700.
[13] Alter, Herausforderer, S. 175.
[14] Auf die außen- und innenpolitische Überforderung Großbritanniens kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Vgl. Niedhart, Geschichte, S. 150ff.
[15] Ebd., S. 150ff.
[16] Hildebrand, Reich, S. 698.
[17] Eden, S. 167.
[18] Niedhart, Beziehungen, S. 114.
[19] Ebd.
[20] Schmidt, Statist, S. 292.
[21] Francois-Poncet, S. 235.
[22] Vgl. die ausführliche Interpretation bei Hildebrand, Weltreich, S. 465ff.
[23] Fest, S. 700.
[24] Schmidt, Statist, S. 301.
[25] Hildebrand, Außenpolitik, S. 41.
[26] Dülffer, Flottenabkommen, S. 651.
[27] Kershaw, S. 698.
[28] Ebd.
[29] Zit. nach Hildebrand, Reich, S. 696.
[30] Kershaw, S. 699.
[31] Lord Halifax bezeichnete die Rede im britischen Kabinett als „die vielleicht wichtigste in Europa in diesem Jahr, die sorgfältigste Berücksichtigung verdiene“. Vgl. Hauser, S. 131.
[32] Schmidt, Außenpolitik, S. 181. Bisher war Ribbentrop „Bevollmächtigter für Abrüstungsfragen“.
[33] Wiggershaus, S. 323.
[34] Raeder, S. 301.
[35] Dülffer, Marine, S. 325.
[36] ADAP, Serie C , Bd. IV, Nr. 131, S. 250.
[37] Ebd., S. 251.
[38] Kordt, S. 103.
[39] Dülffer, Marine, S. 319.
[40] Ebd., S. 320.
[41] Raeder, S. 301.
[42] Schmidt, Statist, S. 312.
[43] Ebd., S. 311.
[44] ADAP, Serie C, Bd. IV, Nr. 131, S. 252.
[45] Ebd., S. 253.
[46] Ebd.
[47] Dülffer, Flottenabkommen, S. 263.
[48] ADAP, Serie C, Bd. IV, Nr. 131, S. 256.
[49] Aus der umfangreichen Literatur sei genannt: Henke, Josef, England in Hitlers politischem Kalkül 1935-1939, Boppard am Rhein 1973.
[50] ADAP, Serie C, Bd. IV, Nr. 131, S. 253.
[51] Ebd., S. 254.
[52] Ebd.
- Citation du texte
- Anonyme,, 2004, England und das deutsch-britische Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 - Intentionen und Entscheidungsprozesse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23617
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