Ein Regierungswechsel in Deutschland ist - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Italien - immer ein herausragendes Ereignis. Denn bis jetzt wurde in der Bundesrepublik noch nie eine amtierende Bundesregierung abgewählt. Die bisherigen Regierungswechsel waren immer auf einen Koalitionswechsel zurückzuführen. 1969 und 1982 fungierte jeweils die FDP als das Zünglein an der Waage.
Eine Beschäftigung mit der Darstellung der Wende von 1982 in der Karikatur ist vor allem deshalb so lohnend, da in ihr die Motivkonstellationen der wichtigsten Handlungsträger im damaligen Parteiengefüge sehr anschaulich focussiert sind.
Die meisten herangezogenen Karikaturen stammen aus der umfangreichen Pressedokumentation des Deutschen Bundestages.
Die Darstellung des politischen Kontextes zu den einzelnen Karikaturen basiert - soweit nicht anders angegeben - auf dem 5. Band der „Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ von Wolfgang Jäger und Werner Link. Außerdem wurde die Berichterstattung des Spiegels hinzugezogen.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Im Vorfeld der Wende
3. Genscher und die letzten Tage der Koalition
4. Der Lotse Schmidt geht von Bord
5. Machtkämpfe in der neuen Koalition
6. Der politische Überlebenskampf der FDP
7. Das endgültige Ende der Ära Schmidt
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Vorwort
Ein Regierungswechsel in Deutschland ist - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Italien - immer ein herausragendes Ereignis. Denn bis jetzt wurde in der Bundesrepublik noch nie eine amtierende Bundesregierung abgewählt. Die bisherigen Regierungswechsel waren immer auf einen Koalitionswechsel zurückzuführen. 1969 und 1982 fungierte jeweils die FDP als das Zünglein an der Waage.
Eine Beschäftigung mit der Darstellung der Wende von 1982 in der Karikatur ist vor allem deshalb so lohnend, da in ihr die Motivkonstellationen der wichtigsten Handlungsträger im damaligen Parteiengefüge sehr anschaulich focussiert sind.
Die meisten herangezogenen Karikaturen stammen aus der umfangreichen Pressedokumentation des Deutschen Bundestages.
Die Darstellung des politischen Kontextes zu den einzelnen Karikaturen basiert - soweit nicht anders angegeben - auf dem 5. Band der „Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ von Wolfgang Jäger und Werner Link. Außerdem wurde die Berichterstattung des Spiegels hinzugezogen.
2. Im Vorfeld der Wende
In der folgenden Karikatur[1] stellt Hanel die Krise der Bonner Koalition unter Verwendung von Schiffsmetaphorik dar. Das Schiff Koalition ist auf Grund gelaufen und nur noch ein Wrack. Dennoch behält der Kapitän Helmut Schmidt seinen Kurs bei, obwohl die Besatzung - mit Ausnahme von Genscher - das Schiff bereits verlassen hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Gemeinsamkeiten der beiden Koalitionspartner waren besonders im Bereich der Sozial- und Wirtschaftspolitik aufgebraucht. Obwohl viele in der SPD und FDP die Koalition schon abgeschrieben hatten, versuchte Schmidt die Koalition aufrechtzuerhalten, was nach Ansicht Hanels nicht mehr möglich war. Die Haltung Schmidts wird in einem Zeit - Interview vom 16. April 1982 deutlich: „Ich glaube, daß einige sich über meine Zähigkeit und Standfestigkeit noch wundern werden.“[2] In der Karikatur läßt Hanel Schmidt starr nach vorne blicken, so daß er nicht sehen kann, daß das Schiff bereits auf Grund gelaufen ist und das Heck sich in Auflösung befindet. Dies kann man dahingehend interpretieren, daß Schmidt den Zerfall der Koalition verkennt bzw. verdrängt. Auch dies wird in dem Zeit - Interview deutlich, in dem sich Schmidt optimistisch auf die Zustimmung der Koalitionsabgeordneten bei der von ihm gestellten Vertrauensfrage am 5. Februar beruft: „Und das konstruktive Mißtrauensvotum möchte ich erst einmal erleben. Da müßten ja einige von denen, die mir im Februar das Vertrauen ausgesprochen haben, ihre Meinung inzwischen diametral ändern.“[3] Beim Zustand des Schiffes ist auffällig, daß der zweifach reparierte Bug, auf dem sich Schmidt befindet, noch notdürftig zusammenhält, während das Heck, auf dem sich Genscher befindet, bis auf das Skelett nicht mehr vorhanden ist. Hierdurch wird suggeriert, daß Genscher nicht mehr an der Rettung der Koalition interessiert ist, zumal er - statt Schmidt zu helfen - angelt und bereits ein Rettungsboot organisiert hat, mit dem er z. B. das „Schiff CDU“ ansteuern könnte. Genscher hatte seine Abkehr von der Koalition mit einem am 20. August 1981 in der FDP verbreiteten Brief eingeleitet, in dem es heißt: „Unser Land steht an einem Scheideweg ... Eine Wende ist notwendig ... “[4]
Auch in der SPD gab es Absetzbewegungen, wie die folgende Karikatur[5] Hanels zeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Walter Hanel (1982): „Hallo – mein Prinz!“
Diese Karikatur ist vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Hamburger Bürgerschaftswahlen vom 6. Juni zu sehen. Die FDP war erneut knapp an der Fünf - Prozent - Hürde gescheitert und die SPD, die ihre absolute Mehrheit verloren hatte, wäre für eine Regierungsbildung ohne die CDU auf die Zustimmung der Grünen Alternativen Liste angewiesen, die 7, 7 % der Stimmen erhielt.[6] In der Karikatur wagt die nicht gerade sehr attraktive, sprich in Hamburg erfolglose alte Prinzessin Brandt einen Annäherungsversuch an den grünen Froschprinzen, wobei sich dieser noch sträubt, was an seinem skeptischen Blick und seiner Brandt abgewandten Sitzhaltung zu erkennen ist.
Brandt hatte sich im Hinblick auf eine mögliche Koalition mit den Grünen 1984 wie folgt geäußert: „Ich wäre schön dumm, wenn ich nein sagen würde.“[7] Das Werben der Prinzessin Brandt wird von Genscher sorgenvoll beobachtet, der - mit einer Krücke im Rollstuhl sitzend - zumindest im Hinblick auf die Regierungsbildung in Hamburg handlungsunfähig („behindert“) ist und der die angestammte Rolle der FDP als dritte Kraft und Mehrheitsbeschaffer bedroht sieht.
In der folgenden Karikatur vom 30. Juli thematisiert Hanel die wachsende Entfremdung zwischen Schmidt und dem DGB sowie der SPD.
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Das Denkmal Schmidt, dessen Ansehen weit höher lag als das seiner Partei, droht von Demontagetrupps des DGB und der SPD zum Einsturz gebracht zu werden, wobei die größte Bedrohung von seiner eigenen Partei auszugehen scheint, die sogar schon eine Abrißbirne einsetzt, während der SPD - Vorsitzende Brandt dabei steht und die Demontage Schmidts zumindest stillschweigend toleriert.
Als Demontage Schmidts ließ sich die scharfe Kritik des DGB an den Sparbeschlüssen der Koalition vor der Sommerpause auffassen. So bezeichnete der DGB das Haushaltskonzept als „beschäftigungspolitisch verfehlt“ und „sozial unausgewogen“.[8]
Bei der SPD ist vor allem auf Oskar Lafontaine hinzuweisen, der meinte, „daß für die SPD die Aufrechterhaltung der Koalition unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht sinnvoll ist“.[9]
Auf Lafontaine soll auch folgende Äußerung zurückgehen: „Schmidts Tugendkatalog von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit und Standhaftigkeit umfasse Sekundärtugenden, mit denen man auch ein KZ betreiben könne.“[10] Wie Bölling berichtet, war Schmidt hierüber sehr erbost: „Wenn ähnliches noch einmal geschehe, werde er die „Baracke“ nicht mehr betreten. Schlimmes Gift sei hier verspritzt worden. Er fragt: „Was hätte die Partei wohl gemacht, wenn das über Willy Brandt oder über Kurt Schuhmacher gesagt worden wäre ?“[11] Über die Rolle der SPD schreibt Bölling, daß „das Ende nun wirklich nicht allein von Genscher verschuldet sein wird. Die Querelen in der Partei sind von der Springer - Presse ausgebeutet, aber doch nicht von ihr erfunden worden.“[12] Was die Beziehung zwischen Brandt und Schmidt betraf, ist vor allem auf unterschiedliche Meinungen über die Haltung der SPD zu den Grünen und zur geplanten Nachrüstung hinzuweisen.
3. Genscher und die letzten Tage der Koalition
In der nächsten Karikatur problematisiert Kolfhaus den taktischen Spagat Genschers, der zwischen zwei Stühlen hängt und dabei abzustürzen droht, was vom Bundeskanzler mit Mißfallen und vom deutschen Michel mit Skepsis beobachtet wird, zumal dieser sich einem von Genscher ausgelösten Steinschlag ausgeliefert sieht.
[...]
[1] Pötzsch, 178.
[2] Pielert, 150.
[3] Ebd.
[4] Ebd., 154f.
[5] Dollinger / Keim, 139.
[6] Vgl. Chronik ’82, 41.
[7] Der Spiegel, Nr. 28 / 1982, 20.
[8] Der Spiegel, Nr. 29 / 1982, 19.
[9] Ebd.
[10] Jäger, 244.
[11] Bölling, 70.
[12] Ebd., 65.
- Citar trabajo
- Markus Laag (Autor), 1998, Die Wende 1982 im Spiegel der Karikatur, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23600
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