Diese Arbeit will zeigen, wie sich nach der Kaiserkrönung Karls des Großen etwas politisch völlig Neues und prinzipiell Widersinniges etablierte: ein Doppelkaisertum. Das Frankenreich hatte zuvor begonnen, nach und nach das von Byzanz hinterlassene Machtvakuum auszufüllen und somit die Position der byzantinischen Kaiser zu schwächen.
Weiterhin geht es in dieser Arbeit um den großen Einfluss des Byzantinischen Reiches auf die Entwicklung der Staatsidee im Westen und die Verknüpfung des fränkischen und deutschen Königtums mit dem zunächst völlig andersartigen Universalismus des römischen Kaisertums.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Zum Thema
1.2 Zu den Quellen
2. Die Situation vor der Kaiserkrönung
2.1 Byzanz
2.2 Frankenreich
2.3 Das Papsttum
2.4 Fazit
3. Die Interpretation der Kaiserkrönung
3.1 Im Westen
3.2 Im Osten
4. Die Kaiserfrage 800-802
4.1 Karl-ein römischer Kaiser?
4.2 Fränkische Ansichten über Irene nach 800
4.3 Das Heiratsprojekt-Legende oder realer Plan?
5. Die Kaiserfrage 803-810
5.1 Der Abbruch der Verhandlungen
5.2 Der Kampf um Venetien und Dalmatien
5.3 Die fränkischen Titel für den Kaiser in Byzanz
6. Der Ausgleich von 812
6.1 Der Weg zum Friedensvertrag
6.2 Die Situation nach 812
7. Ausblick
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Zum Thema
Diese Arbeit will zeigen, wie sich nach der Kaiserkrönung Karls des Großen etwas politisch völlig Neues und prinzipiell Widersinniges etablierte: ein Doppelkaisertum.
Weiterhin geht es um den großen Einfluß des Byzantinischen Reiches auf die Entwicklung der Staatsidee im Westen und „die im Zuge des westöstlichen Dualismus schicksalshafte Belastung des fränkischen und deutschen Königtums durch einen ihm zunächst völlig wesensfremden Universalismus des römischen Kaisertums, den eben dieses Königtum im Interesse der Weltgeltung des Abendlandes auf sich nehmen mußte“[1].
1.2 Zu den Quellen
Für die Sicht der Ereignisse aus byzantinischer Sicht ist die Chronik des Theophanes, die zwischen 810 und 815 entstand, bedeutsam, da ihm inzwischen verlorene Quellen vorlagen und seine Chronik für den relevanten Zeitraum die einzige erhaltene ausführlichere Quelle der byzantinischen Geschichte darstellt.[2] „Da Theophanes vornehmlich zur Belehrung seiner Klosterbrüder schrieb, dürfen wir weder höhere historische Kritik noch genaue Quellenangaben erwarten.“[3]
Auf fränkischer Seite sind zunächst die Reichsannalen zu nennen, die ein Werk offizieller höfischer Geschichtsschreibung sind und die Intention einer „Einwirkung auf die öffentliche Meinung der Mit- und Nachwelt“ hatte.[4] Allerdings ist dabei „durchaus nicht ausgeschlossen, daß einmal jahrelang die Arbeit liegen blieb und der betreffende Autor auch manchmal nachlässig und flüchtig arbeitete“[5].
Die Vita Karoli Magni ist eine Gedächtnisschrift, die Einhard nach 830 oder 833 schrieb, seine Absicht war „mehr auf eine angenehm zusammenfassende Darstellung, als auf strenge Genauigkeit in den Tatsachen gerichtet“[6].
Die Gesta Karoli Magni schließlich, die Notker nach 883 verfaßte, sind zwar von geringem Quellenwert und ideologisch gefärbt[7], wohl aber ein „wertvolles Zeugnis für das frühe Einsetzen der Sagenbildung um die Person Karls des Großen“[8]. „So wird, was Einhard zu sagen sich scheute, durch Notker deutlich betont, daß durch Karl und die Franken ein neues Universalreich geschaffen worden ist.“[9]
2. Die Situation vor der Kaiserkrönung
2.1 Byzanz
Die Gebietsverluste seit dem 6. Jahrhundert führten dazu, daß Byzanz nur noch einen kleinen Teil des römischen Erdkreises umfaßte und somit seine Supranationalität verlor: „Es war weder in der Lage, dem Papsttum selbst den gebührenden kaiserlichen Schutz gegenüber seinen Nachbarn in Italien zu gewähren, noch vermochte es die Entwicklung der Dinge im Westen überhaupt irgendwie wesentlich zu beeinflussen. Seine Kräfte waren praktisch durch die dauernden Kämpfe mit den östlichen Grenzvölkern gebunden [...].“[10]
2.2 Frankenreich
Das Frankenreich begann nach und nach das von Byzanz hinterlassene Machtvakuum auszufüllen, es erfüllte nahezu alle Kriterien des alten Rom: „Es war die überragende Macht der Region, es war [...] supranational, es erfüllte, in Spanien nicht weniger als in Deutschland, seine Pflicht als Verteidiger des Christentums gegen die Ungläubigen, und es war der Retter des Papsttums gegen die Langobarden.“[11] Es gibt sichere Indizien, die darauf hindeuten, daß Karl eine Gleichwertigkeit seines Königtums mit dem Kaisertum anstrebte: „die beabsichtigte Heirat seiner Tochter Rotrud mit Konstantin VI., die Libri Carolini mit ihrer Polemik gegen die östliche Theokratie[12], die Übernahme byzantinischer Kanzleigepflogenheiten, der Gebrauch des Goldsiegels, das bis dahin Reservat des Kaisers war, die oktogonale Form des Aachener Münsters.“[13]
2.3 Das Papsttum
Auch hier gibt es Anzeichen für eine Emanzipation gegenüber Byzanz: „die Umdeutung des Karl verliehenen römisch-byzantinischen Patriziustitels zu einem kurial-römischen Titel, die Fälschung der sog. Schenkung Konstantins, der Verzicht auf die Datierung nach griechischen Kaiserjahren in den päpstlichen Urkunden, die Prägung päpstlicher Münzen mit dem Bilde Hadrians statt kaiserlicher Münzen, die Lateranbilder, die Karl und Konstantin auf eine Stufe stellten“[14].
2.4 Fazit
„Der politische Ehrgeiz der Karolinger im Bewußtsein ihrer Vormachtstellung im Westen, ihr Stolz, nicht weniger zu sein als eine andere staatliche Macht dieser Erde, trafen mit dem Streben des Papsttums zusammen, das politisch unfähige byzantinische Kaisertum durch eine neue und bessere Ordnung der Verhältnisse zu ersetzen, die zugleich den Ansprüchen des römischen Stuhles Rechnung trug.“[15]
3. Die Interpretation der Kaiserkrönung
3.1 Im Westen
Alkuin[16] und die Lorscher Annalen bezeugen, daß man wegen der Herrschaft der Irene in Byzanz das nomen imperatoris als vakant betrachtete und Karl als geeigneten Nachfolger ansah, da er über Rom herrschte sowie über die übrigen sedes in Italien, Gallien und Germanien, und weil Gott alle diese sedes in seine potestas gegeben habe[17]: Et quia iam tunc cessabat a parte Graecorum nomen imperatoris, et femineum imperium apud se abebant, tunc visum est et ipso apostolico Leoni et universis sanctis patribus [...] seu reliquo christiano populo, ut ipsum Carolum regem Franchorum imperatorem nominare debuissent, qui ipsam Romam tenebat, ubi semper Caesares sedere soliti erant, seu reliquas sedes quas ipse per Italiam seu Galliam nec non et Germaniam tenebat; quia Deus omnipotens has omnes sedes in potestas eius concessit.[18] „Daß man durch die Kaiserausrufung Leos einen neuen universalen römischen Kaiser geschaffen zu haben glaubte, bezeugen alle Quellen übereinstimmend. Es war eine Rückübertragung des Kaisertums aus dem Osten in den Westen.“[19]
Die Erhebung Karls zum Kaiser wurde nach Notker durch die Feigheit des byzantinischen Kaisers legitimiert, der dem Papst die nötige Hilfe schuldig blieb; das byzantinische Reich wird als minderwertig diskreditiert: Quod cum clanculo per familiares suos Michahelo imperatori [Sic ![20]] Constantinopoleos indicari fecisset, et ille omne auxilium ab eo retraheret dicens: Ille papa regnum habet per se et nostro praestantius; ipse se per se isum vindicet de adversariis suis [...].[21] Im Gegensatz zum machtlosen Byzanz wird Karl zum caput orbis[22] erhöht und in völlig redundanter Weise als Cesar Augustus imperator Karolus[23] tituliert. Ein weiteres Argument Notkers ist der Bildungsstand der Franken, der so hoch sei, ut moderni Galli sive Franci aniiquis Romanis et Atheniensibus aequarentur[24], was denn doch etwas übertrieben erscheint. Außerdem schildert Notker die Ausplünderung der westlichen Welt durch die Hunnen bzw. Awaren, die erst durch Karl überwunden worden sei: Quos tamen invictissimus Karolus ita in annis octo perdomuit, ut de eis ne minimas quidem reliquias remanere permiserit.[25] Schließlich wird wie schon in den Lorcher Annalen damit argumentiert, daß doch nomen und potestas zusammengeführt werden müßten, ut qui iam re ipsa rector et imperator plurimarum erat nationum, nomen quoque imperatoris Caesaris et Augusti apostolica auctoritate gloriosius assequeretur[26]. Nach der Kaisererhebung wird den Byzantinern die Angst zugeschrieben, Karl könne regnum illorum [Sic !] suo subiugare [...] imperio[27].
3.2 Im Osten
Zwar wurde auch in Byzanz Irenes Alleinherrschaft „als völliges, und zwar unerfreuliches Novum empfunden“[28]. Dennoch sah Byzanz in der Erhebung Karls zum Kaiser eine widerrechtliche Usurpation des Kaisertums durch die Franken, die die universelle Idee der Reichseinheit negierte: „At that time it was axiomatic that there could be only one Empire as there could be only one church.“[29] Außerdem wurde die Legitimität des Erhebungsverfahrens bestritten, da der Papst in der Rolle eines Kaisermachers aufgetreten war, die nach byzantinischem Verständnis nur dem Hauptkaiser zukam und die sich das geistliche Oberhaupt in Konstantinopel, der Patriarch, nie angemaßt hatte.[30] Bei Theophanes heißt es: „Seit dieser Zeit steht Rom unter der Herrschaft der Barbaren. Papst Leo vergalt Karl die Hilfe und krönte ihn zum Kaiser der Römer in der Kirche des heiligen Petrus, indem er ihn mit Öl von Kopf bis Fuß salbte [Sic !] und ihm ein kaiserliches Gewand und eine Krone antat [...].“[31] Da eine Kaisersalbung nicht zum byzantischen Zeremoniell gehört, scheint der Bericht des Theophanes dem byzantinischen Leser die Lächerlichkeit des fränkischen Machtanspruchs vor Augen führen zu wollen: eine vermeintliche Kaiserkrönung, die sich als die Letzte Ölung des alten Karl entpuppt.[32]
[...]
[1] Ohnsorge: Okzident, S.300.
[2] Vgl. Breyer: Bilderstreit, S. 15 / 16.
[3] Ebenda.
[4] Vgl. Wattenbach: Geschichtsquellen, S. 247 / 248.
[5] Ebenda, S. 248.
[6] Ebenda, S. 274.
[7] Vgl. Thümmel, S.17.
[8] Rau: Quellen, S.13.
[9] Ebenda.
[10] Ohnsorge: Zweikaiserproblem, S. 15 / 16.
[11] Lilie: Byzanz, S. 169.
[12] In den Libri Carolini wird erstmals und in einer offiziellen Staatsschrift der Kaiser in Byzanz als Rex bezeichnet ! (Vgl. Ohnsorge: Abendland, S. 118 und Conc. II Suppl. Praef., S. 3.)
[13] Ohnsorge: Abendland, S.515.
[14] Ohnsorge: Zweikaiserproblem, S.20.
[15] Ebenda, S.16.
[16] Vgl. Alcuin, Epp. 4, Nr. 174.
[17] Vgl. Ann. Laureshamenses zu 801
[18] Ebenda.
[19] Ohnsorge: Abendland, S.85.
[20] Michael wurde erst 811 Kaiser !
[21] Notker: Gesta, I, 26.
[22] Ebenda.
[23] Ebenda, I, 27.
[24] Ebenda, I, 2.
[25] Ebenda, II, 1.
[26] Ebenda, I, 26.
[27] Ebenda.
[28] Ohnsorge: Okzident, S. 55.
[29] Tsirpanlis: Reactions, S. 352.
[30] Vgl. Classen: Karl, S. 83 / 84.
[31] Theophanes: Chronik, S. 472 / 473.
[32] Vgl. Classen: Karl, S. 84.
- Citar trabajo
- Markus Laag (Autor), 1996, Der Ausgleich mit dem Kaiser in Byzanz, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23567
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