Walter Benjamin wird am 15. Juli 1892 in Berlin als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Der aus dem bürgerlichen Milieu stammende Benjamin studiert in Freiburg, München, Berlin und Bern Philosophie, deutsche Literatur und Psychologie. Nach seiner Promotion lebt er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin bis er 1933 nach Paris emigriert und dort Mitglied des Instituts für Sozialforschung wird. Als er von Organen der Franco-Regierung im spanischen Grenzort Port Bou gezwungen wird, in den kollaborationistischen Teil Frankreichs zurückzukehren, nimmt Benjamin sich am 27. September 1940 das Leben. Der studierte Philosoph und Literaturkritiker Benjamin ist aber auch Soziologe und Zeitkritiker. Er schreibt Arbeiten in allen genannten Bereichen, die sein weitgefächertes Wissen und Interesse zeigen. Dabei schaut er über die einzelnen Fachgebiete hinaus. Beeinflußt wird er von der Frankfurter Schule, einem Kreis von Sozial- und Kulturwissenschaftlern, die eine kritische Gesellschaftsanalyse betreiben. Dort lernt er auch Adorno kennen, der sich nach Benjamins Tod für die Anerkennung seiner Theorien einsetzt und 1955 den Suhrkamp Verlag als Verleger der Werke des Theoretikers gewinnt.
Zu seinem Hauptwerk zählt auch der 1936 erscheinende Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“. Der Aufsatz stellt bis heute einen bedeutenden Beitrag zur Kunstphilosophie dieser Zeit dar. Einer Zeit, in der die Weimarer Republik beendet ist, die Faschisten die Macht an sich gerissen haben und nun mit allen Mitteln versuchen, diese in ihren Händen zu behalten. Die genannte Arbeit des Marxisten Benjamin ist geprägt von diesen politischen Zuständen und wendet sich gegen den Nationalsozialismus.
Sein Hauptanliegen ist jedoch: „bestimmte Kunstformen, insbesondere den Film, aus dem Funktionswechsel zu verstehen, dem die Kunst insgesamt im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung unterworfen ist.“1
[...]
1 Unseld, Siegfried (Hrsg.): Zur Aktualität Walter Benjamins, S.54
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung: Kurze geschichtliche und biographische Einordnung Walter Benjamins und seines Werks
2. Hauptteil: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
2.1 Entstehungsgeschichte der technischen Reproduzierbarkeit
2.2 Aura des Kunstwerks
2.3 Ausstellungswert verdrängt Kultwert
2.4 Veränderungen in der Rezeptionsweise
2.5 Funktionswechsel der Kunst
3. Schluß
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung: Kurze geschichtliche und biographische Einordnung Walter Benjamins
Walter Benjamin wird am 15. Juli 1892 in Berlin als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Der aus dem bürgerlichen Milieu stammende Benjamin studiert in Freiburg, München, Berlin und Bern Philosophie, deutsche Literatur und Psychologie. Nach seiner Promotion lebt er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin bis er 1933 nach Paris emigriert und dort Mitglied des Instituts für Sozialforschung wird. Als er von Organen der Franco-Regierung im spanischen Grenzort Port Bou gezwungen wird, in den kollaborationistischen Teil Frankreichs zurückzukehren, nimmt Benjamin sich am 27. September 1940 das Leben.
Der studierte Philosoph und Literaturkritiker Benjamin ist aber auch Soziologe und Zeitkritiker. Er schreibt Arbeiten in allen genannten Bereichen, die sein weitgefächertes Wissen und Interesse zeigen. Dabei schaut er über die einzelnen Fachgebiete hinaus. Beeinflußt wird er von der Frankfurter Schule, einem Kreis von Sozial- und Kulturwissenschaftlern, die eine kritische Gesellschaftsanalyse betreiben. Dort lernt er auch Adorno kennen, der sich nach Benjamins Tod für die Anerkennung seiner Theorien einsetzt und 1955 den Suhrkamp Verlag als Verleger der Werke des Theoretikers gewinnt.
Zu seinem Hauptwerk zählt auch der 1936 erscheinende Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“. Der Aufsatz stellt bis heute einen bedeutenden Beitrag zur Kunstphilosophie dieser Zeit dar. Einer Zeit, in der die Weimarer Republik beendet ist, die Faschisten die Macht an sich gerissen haben und nun mit allen Mitteln versuchen, diese in ihren Händen zu behalten. Die genannte Arbeit des Marxisten Benjamin ist geprägt von diesen politischen Zuständen und wendet sich gegen den Nationalsozialismus.
Sein Hauptanliegen ist jedoch :
„bestimmte Kunstformen, insbesondere den Film, aus dem Funktionswechsel zu verstehen, dem die Kunst insgesamt im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung unterworfen ist.“[1]
In Opposition zu den Theoretikern, wie z.B. R. Arnheim, die zum Curriculum des ersten Semesters zu zählen sind und sich mit der Frage beschäftigen, ob der Film nun Kunst ist oder nicht, geht es Benjamin vielmehr darum festzustellen, ob und inwieweit das neue Medium Film den Gesamtcharakter der Kunst verändert. Seine Weitsichtigkeit und Vielseitigkeit beweist Benjamin darin, daß er, anders als Dieter Prokop, der nur die wirtschaftlichen Faktoren untersucht, sowohl die geschichtlichen und ästhetischen, als auch die sozialen Prozesse beschreibt. Walter Benjamin verfährt dabei deskriptiv, indem er einen Funktionswandel der Kunst beobachtet[2], formuliert aber auf seinen Ergebnissen basierend Forderungen an die Kunst, hier im Speziellen an den Film, die sich daraus für ihn ergeben.
2. Hauptteil: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
2.1 Entstehungsgeschichte der technischen Reproduzierbarkeit
In einem seiner bekanntesten Werke, „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“, zeigt Benjamin zu Beginn die historischen Veränderungen in der Reproduktion auf, die in der Schaffung des Film ihren Höhepunkt finden.
Seit es Kunstwerke gibt ist es möglich, diese zu vervielfältigen, denn alles was der Mensch geschaffen hat, kann von Menschenhand nachgebildet werden. Neueren Datums als die manuelle ist nun die technische Reproduktion, die sich im Verlauf der Geschichte entwickelt und durchsetzt. Pioniere in der massenweisen Herstellung waren die Griechen, welche nur zwei Verfahren kannten. Mit Hilfe der Präge- und Gußverfahren war es ihnen möglich, Vasen, Münzen, etc. in großen Mengen zu produzieren. Mit allen anderen Kunstwerke war dies noch nicht möglich. Für graphische Abbildungen ändert sich das ab dem 7. Jahrhundert mit der Erfindung des Holzschnitts und im Mittelalter mit der Radierung und dem Kupferstich. Die Möglichkeiten des Drucks, der eine Reproduktion der Schrift erlaubte, führten zu weitreichenden Umwälzungen im literarischen Bereich.
Anfang des 19. Jahrhunderts „erreicht die Reproduktionstechnik eine grundsätzlich neue Stufe“[3] durch die Einführung der Lithographie, einem Steindruckverfahren, das es ermöglichte, auf bisher unbekannte Weise den Alltag zu illustrieren, Graphiken zu vervielfältigen und sie einer täglichen Neugestaltung zu unterziehen. Benjamin sieht in der Lithographie die heutige Illustrierte verborgen.
Bald darauf kommt die Photographie auf, die eine neue Epoche auf dem Gebiet der technischen Reproduktion einläutet. Ihre Auswirkungen, besonders auf die herkömmlichen Künste war enorm. So versteht Benjamin die Erfindung der Photographie als eine rasante Beschleunigung des Prozesses der bildlichen Reproduktion, da die künstlerische Rolle der Hand nun von der des Auges abgelöst wird. Das Auge hat die Fähigkeit, bedeutend schneller etwas zu erfassen als die Hand dies zeichnen kann. Wie man am Beispiel der Reihenphotographien, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von E. Muybridge, O. Anschütz und anderen produziert wurden, oder am Daumenkino sehen kann, haben die Menschen mit Beginn der Photographie auch auf die Bewegtheit der Bilder hingewirkt und experimentiert. Somit hat sich der Film aus der Photographie entwickelt, die als eine Vorstufe des Films zu verstehen ist.
Mit der technischen Reproduktion des Tons am Ende des vorherigen Jahrhunderts waren somit alle Grundvoraussetzungen für die Entwicklung des Tonfilms geschaffen.
Der Stand der Technologie war nun einerseits soweit, alle bisherigen Kunstwerke abbilden zu können, andererseits bildete die Reproduktionstechnik um die Jahrhundertwende mit dem Film ihre eigene Kunstform aus: die Filmkunst. Diese entwickelte sich aus dem Umstand, daß:
Das reproduzierte Kunstwerk [...] in immer steigendem Maße die Reproduktion eines auf Reproduzierbarkeit angelegten Kunstwerkes [ist].[4]
Ein weiteres Beispiel dafür ist der Film, der die Reproduktion impliziert und ohne sie nicht überlebensfähig wäre. Benjamin führt hier den Gesichtspunkt der Kostenrentabilität ein. Die Filmproduktion ist teuer, schon 1927 mußte ein größerer Film neun Millionen Zuschauer ins Kino locken, um sich zu finanzieren.[5]
2.2 Aura des Kunstwerks
Jedoch fehlt selbst der besten Reproduktion der Aspekt seines „einmaligen Daseins an dem Orte, an dem es sich befindet“[6]. Benjamin nennt dies auch das „Hier und Jetzt“ oder auch Aura des Kunstwerks. So findet man heute in vielen bürgerlichen Wohnzimmern Dürers „Betenden Hände“ oder da Vincis „Mona Lisa“ über dem Sofa hängen, und nicht mehr nur im Pariser Louvre mehrere Stunden Anfahrtszeit von hier entfernt. Dabei macht gerade die Einmaligkeit eines Kunstwerkes seine Echtheit aus, welche man mittels chemischer und physikalischer Analysen oder Nachforschungen über seine geschichtliche Zeugenschaft nachweisen kann. Mit dem erstgenannten Verfahren lassen sich Veränderungen der physischen Struktur und somit die materielle Dauer bestimmen, mit letzterer Untersuchung kann die Tradition eines Kunstwerkes erforscht werden.
Nach Benjamin bewahrt das Kunstwerk bei der manuellen Fälschung seine Autorität. Bei der technischen Reproduktion verhält sich das gegenteilig. Zum einen ist die Reproduktion selbständiger, das heißt es kann neue Blickwinkel und Zugänge zu einem Kunstwerk schaffen - durch beispielsweise Zeitlupen oder Großaufnahmen wird das Auge des Betrachters gelenkt - zum anderen ist die Reproduktion an keinen bestimmten Ort gebunden, das bedeutet sie ist ortsunabhängig und kann überallhin gebracht und betrachtet werden, wie zum Beispiel die oben genannten „Betenden Hände“ und „Mona Lisa“ im Wohnzimmer anstatt im Kunstmuseum oder Tresor. Dem Umstand, daß die Produkte der technischen Reproduktion das „Hier und Jetzt“ entwerten, steht Benjamin nicht nur negativ gegenüber, sondern er sieht zwei große Pluspunkte. So erlaubt die Massenproduktion kein einmaliges Vorkommen und macht die Kunstwerke erreichbar für jeden, dadurch daß sie unbegrenzt reproduzierbar und ständig zu aktualisieren sind:
Die ursprüngliche Melancholie Benjamins, die Trauer um die ‚Aura‘ des Kunstwerks, die unaufhaltsam verfällt, um die Einmaligkeit des Produkts, die in der Massenware untergeht, verschränkt mit der Erkenntnis, daß die Reproduzierbarkeit des Kunstwerks den Massen gestattet, Kunst wie nie zuvor zu konsumieren.[7]
2.3 Ausstellungswert verdrängt Kultwert
Aus dem Vorherigem kann geschlossen werden, daß mit der Reproduktion die Möglichkeiten der Ausstellung eines Kunstwerkes wachsen. Benjamin unterscheidet zwei Aspekte bei der Rezeption: den Ausstellungswert und den Kultwert, welcher der Ältere der beiden ist. Begründet ist er darin, daß die historischen Kunstwerke bis zum Aufkommen der Reproduktionstechniken ausschließlich Eliten vorbehalten war. Je früher in der Geschichte, desto ausgeprägter waren die Kunstwerke unöffentlich oder den Massen nicht zugänglich. Zum Beispiel war der Anblick von Götterstatuen nur Priestern oder Bücher nur Gelehrten vorbehalten. Da die ersten Kunstgegenstände im Dienst für Rituale entstanden sind, ist der „Kult“ ihre ursprünglichste Art des Eingebettetseins. Die technische Reproduktion emanzipiert das Kunstwerk nun von diesem Kult- bzw. Ritualwert.
[...]
[1] Unseld, Siegfried (Hrsg.): Zur Aktualität Walter Benjamins, S.54
[2] vgl. dazu: Zur Aktualität Walter Benjamins, S.182
[3] Benjamin, Walter: Das Kunstwerk..., S.12
[4] Benjamin, Walter: Das Kunstwerk..., S. 21
[5] vgl dazu: Benjamin, Walter: Das Kunstwerk..., S.53
[6] Benjamin, Walter: Das Kunstwerk..., S.13
[7] Adorno, Theodor W. u.a.: Über Walter Benjamin, S.122
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- Kerstin Tille (Author), 1998, Über den Aufsatz von Walter Benjamin: "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23450
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