Für eine Umsetzung von Bewegungsförderung bei Kindern im Vorschulalter bietet sich insbesondere die Institution Kindergarten an. Ein Großteil der Kinder zwischen drei und
sechs Jahren besucht den Kindergarten und verbringt hier einen nennenswerten Teil des Tages. Damit „bildet der Kindergarten für einen hohen Anteil der 3-6jährigen einen
wesentlichen Bestandteil ihrer Lebenswelt“ (Winkler S.13). Kinder können hier mit Bewegungsförderung in einem entscheidenden Alter erreicht werden, in dem „grundlegende
Einstellungen zum eigenen Körper geprägt und das Bewegungsverhalten entscheidend beeinflusst wird“ (Winkler S.11).
Es stellt sich hier die Frage, welche Ansatzpunkte und Möglichkeiten für Kindergärten bestehen Bewegungsförderung so zu gestalten und umzusetzen, dass sie zu einer gesunden Gesamtentwicklung der Kinder beitragen kann. Dieser Frage soll an dieser Stelle nachgegangen werden.
Hierzu wird zunächst betrachtet, welche Auswirkungen die Veränderungen in der Lebenswelt von Kindern auf ihre Bewegungs- und Erfahrungsmöglichkeiten haben. Im
Weiteren wird ausgeführt werden, welche Bedeutung der Bewegung für die Entwicklung von Kindern zukommt.
Vor diesem Hintergrund werden Konsequenzen für Ziele und Umsetzungsanforderungen einer Bewegungsförderung im Kindergarten entwickelt, um abschließend beispielhaft
aufzuzeigen, welche Ansatzpunkte in Kindergärten bestehen, um Bewegungsförderung so umzusetzen, dass sie eine gesunde Entwicklung der Kinder fördern kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Veränderte Lebens- und Bewegungsbedingungen von Kindern
3. Die Bedeutung von Bewegung für die kindliche Entwicklung
3.1 Voraussetzung gesunder körperlicher Entwicklung
3.2 Erfahrung der materialen Umwelt
3.3 Erfahrung der sozialen Umwelt
3.4 Erfahrung des Selbst und des eigenen Körpers
4. Konsequenzen für Ziele und Umsetzungsanforderungen der 7 Bewegungsförderung
5. Umsetzungsmöglichkeiten und Ansatzpunkte von Bewegungsförderung im Kindergarten
5.1 Angeleitete Bewegungsangebote
5.2 Bewegungsförderliche Aktionen: Ausflüge, Bewegungsfest etc
5.3 Nichtangeleitete Bewegungsangebote; z.B. „Bewegungsbaustelle“
5.4 Ausstattung mit Materialien und Kleingeräten
5.5 Bewegungsfördernde Gestaltung der Kindergarteninnenräume
5.6 Bewegungsförderliche Gestaltung des Außengeländes
5.7 Aus- und Fortbildung der ErzieherInnen
5.8 Elternarbeit
5.9 Kooperation mit Sportvereinen
6. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Für eine Umsetzung von Bewegungsförderung bei Kindern im Vorschulalter bietet sich insbesondere die Institution Kindergarten an. Ein Großteil der Kinder zwischen drei und sechs Jahren besucht den Kindergarten und verbringt hier einen nennenswerten Teil des Tages. Damit „bildet der Kindergarten für einen hohen Anteil der 3-6jährigen einen wesentlichen Bestandteil ihrer Lebenswelt“ (Winkler S.13). Kinder können hier mit Bewegungsförderung in einem entscheidenden Alter erreicht werden, in dem „grundlegende Einstellungen zum eigenen Körper geprägt und das Bewegungsverhalten entscheidend beeinflusst wird“ (Winkler S.11).
Es stellt sich hier die Frage, welche Ansatzpunkte und Möglichkeiten für Kindergärten bestehen Bewegungsförderung so zu gestalten und umzusetzen, dass sie zu einer gesunden Gesamtentwicklung der Kinder beitragen kann. Dieser Frage soll an dieser Stelle nachgegangen werden.
Hierzu wird zunächst betrachtet, welche Auswirkungen die Veränderungen in der Lebenswelt von Kindern auf ihre Bewegungs- und Erfahrungsmöglichkeiten haben. Im Weiteren wird ausgeführt werden, welche Bedeutung der Bewegung für die Entwicklung von Kindern zukommt.
Vor diesem Hintergrund werden Konsequenzen für Ziele und Umsetzungsanforderungen einer Bewegungsförderung im Kindergarten entwickelt, um abschließend beispielhaft aufzuzeigen, welche Ansatzpunkte in Kindergärten bestehen, um Bewegungsförderung so umzusetzen, dass sie eine gesunde Entwicklung der Kinder fördern kann.
2. Veränderte Lebens- und Bewegungsbedingungen von Kindern
In den letzten Jahrzehnten haben weitgreifende Veränderungen der Lebensbedingungen von Kindern stattgefunden (Breuer S.5). In der Diskussion um „Veränderte Kindheit“ wird auf vielfältige Veränderungen hingewiesen (Breuer S.7ff), die weit überwiegend die Möglichkeiten von Kindern begrenzen über aktive Bewegungserfahrungen und unmittelbar sinnliche Wahrnehmung ihre Umwelt zu erkunden und sie sich anzueignen.
So hat die Zunahme des Straßenverkehrs und die Verdichtung der Bebauung dazu geführt, dass es für Kinder kaum noch möglich ist auf der Straße oder auf Plätzen zu spielen, die nicht gesondert dafür vorgesehen sind (Walden/Schmitz S.127). Raumgreifende Bewegung ist Kindern daher meist nur auf speziell hierfür vorgesehenen Spielplätzen möglich. Sind diese im Wohnumfeld vorhanden, ist es jedoch für kleinere Kinder nicht möglich diese ohne Begleitung der Eltern zu nutzen. Der Aktionsspielraum der Kinder und ihre Möglichkeiten ihre Umwelt zu erkunden und sie sich aktiv zu „erobern“ sind hierdurch begrenzt.
Es hat eine „Verlagerung des Spielens von draußen nach drinnen“ (Walden/Schmitz S.128) stattgefunden (Verhäuslichung), die durch die Möglichkeiten des Medienkonsums verstärkt wird. Auch im Alltag von Vorschulkindern kommt Mediennutzung bereits ein großer Stellenwert zu (Walden/Schmitz 128). Medienkonsum bedeutet eine Begrenzung der körperlichen Aktivität (Breuer S.11) und führt dazu, dass Kinder zunehmend „Erfahrungen aus zweiter Hand“ machen (Mediatisierung der Erfahrungen, Walden/Schmitz S.129). Die unmittelbare und sinnliche Aneignung der Umwelt durch eigenständiges Handeln und Erfahren wird hierdurch zurückgedrängt (Breuer S.11).
Auch die „Verinselung“ (Walden/Schmitz S.126) des Lebensraumes macht es Kindern schwerer sich ihr Umfeld aktiv zu erschließen und beschränkt ihre Bewegungsmöglichkeiten. Der Lebensraum von Kindern besteht nicht mehr aus einem zusammenhängenden Ganzen, sondern setzt sich aus „Inseln“ zusammen, die verstreut in einem den Kindern unbekannten Gesamtraum liegen (Altenberger/Maurer S.54). Zwischen diesen Inseln werden Kinder meist mit dem Auto chauffiert. Breuer spricht von passiver Mobilität (S.9).
Bewegungsförderliche Spielkontakte finden zudem nur noch selten spontan und in „unorganisierten Spielkontakten“ (z.B. im Innenhof oder auf der Straße) statt (Breuer S.9). Da viele Kinder ohne Geschwisterkinder aufwachsen, finden Spielkontakte zu anderen Kindern häufig nur nach Verabredung und in geplanten Zeitabschnitten statt (Breuer S.9). Die Zeiten, in denen Kinder mit anderen Kindern spielen, sind damit reglementiert und begrenzt.
Der Einschränkung des Raumes für spontane unorganisierte Bewegungsmöglichkeiten steht ein Trend zur „Versportung“ der Kindheit entgegen (Rolff /Zimmermann S.113f). Viele Kinder nehmen Angebote von Sportvereinen und anderen Anbietern wahr, so dass Bewegung meist „angeleitet und kontrolliert“ (S. 113) stattfindet. Nach Rolff/ Zimmermann ist Sport „fester, manchmal sogar zentraler Bestandteil moderner Kindheit.“ (S. 114)
3. Die Bedeutung von Bewegung für die kindliche Entwicklung
Bewegung und Bewegungserfahrungen sind für die Entwicklung von Kindern von grundlegender Bedeutung. Bewegung ist nicht nur Voraussetzung für eine gesunde körperliche und motorische Entwicklung von Kindern, sondern auch ein wichtiger Aspekt ihrer kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung. Bewegung ist somit ein wesentlicher Bestandteil der gesamten Persönlichkeitsentwicklung des Kindes (Winkler S.17).
3.1 Voraussetzung gesunder körperlicher Entwicklung
Bewegung ist Voraussetzung für die gesunde körperliche Entwicklung von Kindern und ihrer physischen Gesundheit (Walden/Schmitz S.40). Größing betont die Bedeutung, die der „vielseitigen, regelmäßigen und wohl dosierten Bewegungsbeanspruchung“ (S.149-152) in diesem Zusammenhang zukommt. Organsysteme brauchen den Bewegungsreiz, um sich altersgemäß zu entwickeln. Ihre Leistungsfähigkeit hängt maßgeblich von Art und Umfang ihrer Belastung ab. Bewegung begünstigt u.a. die Entwicklung eines leistungsfähigeren Herz-Kreislauf-Systems, einer kräftigeren Muskulatur und eines belastbareren passiven Bewegungsapparates (Knochen, Sehnen, Bänder). Durch Bewegung wird zudem Haltungsschäden vorgebeugt. Fehlende Bewegungsreize und –erfahrungen führen dagegen zu einer „allgemeinen Einschränkung des Leistungsvermögens der einzelnen Organsysteme´“ (Walden/Schmitz S.40) und einer verzögerten motorischen Entwicklung.
3.2 Erfahrung der materialen Umwelt
Das Kind nimmt über Bewegung mit seiner materialen Umwelt Kontakt auf und erschließt sie sich über Bewegungshandlungen (Pfeiffer S.83). Im Umgang mit den Gegenständen und durch sinnliches Wahrnehmen lernt das Kind ihre Eigenschaften und Beschaffenheit kennen, bildet Begriffe und erkennt Zusammenhänge. Das Kind „begreift“ im Umgang mit den Dingen, wie es mit seinen Bewegungshandlungen auf sie einwirken kann und erwirbt sich hierüber Handlungsfähigkeit.
Insbesondere in den ersten zwei Lebensjahren ist der handelnde, unmittelbar sinnliche Umgang mit der materialen Umwelt für die Herausbildung kognitiver Strukturen von Bedeutung (Pfeiffer S.83). Walden/ Schmitz (S.41) messen diesen Erfahrungsmöglichkeiten aber auch im Vorschulalter noch eine wesentliche Bedeutung als Ausgangspunkt für den Erwerb von Erkenntnissen und das Erkennen von Zusammenhängen bei. Sie betonen, dass auch im Vorschulalter durch das Ermöglichen vielfältiger Bewegungserfahrungen die kognitive Entwicklung der Kinder gefördert werden kann.
3.3 Erfahrung der sozialen Umwelt
Bewegungserfahrungen sind wichtiger Bestandteil der sozialen Entwicklung des Kindes (Zimmer 1991 S.19f). Bewegungsaktivitäten finden meist in einer Gruppe statt und erfordern daher Interaktion zwischen den Kindern. Interaktive Bewegungsanlässe erfordern somit auch Absprachen und Verständigung (Winkler S.19).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Kind kann in diesen Situationen lernen seine Interessen mit den Bedürfnissen anderer Kinder abzustimmen, gemeinsam Regeln auszuhandeln und sich an sie zu halten. Das Erfordernis von Kooperation in Bewegungssituationen kann dem Kind zum einen das Erleben von Gemeinschaftserfahrungen eröffnen. Andererseits bedeutet die Notwendigkeit zur Kooperation für das Kind auch mit Konfliktsituationen konfrontiert zu werden (Winkler S.19). Es lernt in diesem Zusammenhang sich durchzusetzen und nachzugeben, die eigenen Wünsche zu äußern und die Wünsche anderer wahrzunehmen und zu respektieren.
Bewegungshandlungen werden auch zum Gegenstand des sozialen Vergleichs (Winkler S.19). Das Kind misst sich mit anderen und lernt seine Fähigkeiten einzuschätzen. Bewegung ist für Kinder ein wichtiges Medium, um sich „sozial zu spiegeln und ihren Platz in der Gruppe zu finden“ (Winkler S.19). Dies beinhaltet jedoch auch die Gefahr der Herausbildung von Konkurrenzverhalten (Zimmer 1991 S.20) und Isolation von Kindern mit geringerer Bewegungsgeschicklichkeit (Walden/Schmitz S.43).
3.4 Erfahrung des Selbst und des eigenen Körpers
Kinder erwerben über Bewegungserfahrungen ein Bild von sich selbst (Zimmer 1996 S.24). In Bewegungssituationen macht das Kind Erfahrungen des Gelingens und Misslingens und gewinnt hierüber ein Konzept seiner körperlichen Fähigkeiten und Grenzen und letztlich seiner eigenen Person.
Zimmer betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung, die Bewegungserfahrungen für die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes zukommen (Kunz S.10). Kinder entwickeln auf Grundlage ihrer Erfahrungen ein System von Annahmen über die eigene Person (Kunz S.10). Wesentliche Informationsquellen, die zur Entwicklung dieses Selbstkonzeptes durch das Kind herangezogen werden, sind u.a. (vgl. Zimmer 2001 S.19)
- „Informationen über die Sinnessysteme“
- „Erfahrungen der Wirksamkeit des eigenen Handeln“
- „Informationen aus dem „Sich-Messen mit anderen“
- „Zuschreibungen von Eigenschaften durch andere“
Zimmer sieht dabei v.a. in der Erfahrung der Wirksamkeit des eigenen Handels einen wichtigen Aspekt. Diese Erfahrung ist Voraussetzung dafür, dass das Kind Selbstwirksamkeitserwartung und Kontrollüberzeugung entwickelt (Zimmer 2001 S.19). Diese sind wesentliche Komponenten eines positiven Selbstkonzeptes. Für den Aufbau der Überzeugung Dinge bewirken und verändern zu können (Selbstwirksamkeit) und Kontrolle über Situationen zu haben und durch die eigenen Handlungen Einfluss auf die Umwelt nehmen zu können (Kontrollüberzeugung), sind Bewegungserfahrungen maßgeblich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Denn insbesondere über Bewegungshandlungen können Kinder sich unmittelbar als Ursache für hervorgerufene Effekte erleben und damit deutlich erfahren, dass sie mit ihrem Handeln aktiv auf ihr Umfeld einwirken können (Kunz S.11).
Bewegungserfahrungen können bei Kindern allerdings auch zur Entwicklung eines negativen Selbstbildes beitragen. Körperliche Fähigkeiten haben bei Kindern einen hohen Stellenwert und wirken sich auf den sozialen Status des Kindes in der Gruppe aus (Zimmer 2001 S.17). Im Sich-Messen mit anderen Kindern können insbesondere Kinder mit Bewegungsbeeinträchtigungen Erfahrungen der körperlichen Unterlegenheit machen, die sich entsprechend negativ auf das Selbstkonzept auswirken. Wiederholte Misserfolgserlebnisse bei Bewegungsaufgaben können ebenfalls hierzu beitragen (Kunz S.7). Wird das negative Selbstkonzept durch Zuschreibungen durch die Umwelt bestätigt (Zimmer 2001 S.18) und erfährt das Kind, dass ihm Fähigkeiten nicht zugetraut werden, kann sich ein negatives Selbstkonzept verfestigen.
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- Citation du texte
- Anne Kienbaum (Auteur), 2003, Bewegungsförderung im Kindergarten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23434
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