"Schneller als man denkt, kann man seine Miete nicht mehr zahlen, wird alkoholabhängig und landet auf der Straße. Petra Mann ist kein Einzelfall. Viele Frauen werden von ihrer Kindheit an vom Pech verfolgt und müssen gezwungenermaßen ein solches Leben führen, in dem es lediglich um das ÜBERleben geht. Es ist Aufgabe der Politiker, daran etwas zu ändern. Es ist unsere Aufgabe, nicht wegzusehen. Jeder Cent und jedes Lächeln kann den Menschen auf der Straße den Tag etwas angenehmer machen, der für sie genaugenommen nur eine Qual ist. In dem Obdachlosenheim in Halle, in dem wir Petra Mann interviewt haben, kann man eine Nacht schlafen für drei Euro. Statt sich selbst ein Eis mit drei Kugeln zu kaufen, könnte man damit jemandem für eine Nacht einen angenehmen Schlaf schenken. Ich möchte meine Hausarbeit nicht dafür nutzen, Menschen mit festem Wohnsitz ein schlechtes Gewissen einzureden. Das Interview mit der traurigen Frau hat mir lediglich gezeigt, dass die soziale Ungleichheit direkt vor meiner Tür passiert und diese Einsicht hat mich über einen längeren Zeitraum zum Nachdenken angeregt. Ich wünsche mir, dass mehr getan wird."
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Wohnungslosigkeit
2. Soziale Probleme
2.1. Was sind soziale Probleme?
2.2. Wohnungslosigkeit als soziales Problem
2.2.1. Armut
2.2.2. Psychische Erkrankungen
2.2.3. Alkoholismus
2.2.4. Kriminalität
3. Weibliche Wohnungslosigkeit
3. Wohnungslose Frauen und Männer im Vergleich
4. Zusammenfassung
5. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
„Hast du irgendwelche Wünsche für die Zukunft?“
„Ganz ehrlich? Hab ich aufgegeben.“ (Interview mit Petra Mann, 12.12.12)
So würden mit Sicherheit die meisten Wohnungslosen auf diese Frage antworten. Am 12.12.2012 führte ich mit meiner Referatsgruppe zu dem Thema „weibliche“ Wohnungslosigkeit ein Interview in dem Heim für Obdachlose in Halle an der Saale durch. Petra Mann[1] erzählte uns fast 90 Minuten lang aus ihrem bisherigen Leben. Danach musste die Befragung abgebrochen werden, da sie unter Tränen zusammenbrach. Das ist kein Wunder, bei all den wiederkehrenden Erinnerungen, die es ihr seit ihrer Geburt unmöglichen machen, glücklich zu werden. Frau Mann war kein Wunschkind und das Leben auf der Straße ist für sie und 246.000 weitere Deutsche zum Alltag geworden. 25% dieser Wohnungslosen sind Frauen. (Vgl. BAG W 2009) Wie es dazu kommt, dass so viele Menschen jeden Tag um das Überleben kämpfen müssen und, warum ausgerechnet Frauen so stark von der Wohnungslosigkeit betroffen sind, möchte ich im Folgenden analysieren. Der Fall von Petra Mann wird dabei eine gesonderte Rolle spielen und immer wieder auftauchen, da dieses Interview in keinem Buch und auf keiner Internetseite zu finden ist, sondern aus dem realen Leben stammt. Dabei gehe ich vor allem auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen ein. Wohnungslosigkeit ist ein soziales Problem, an dem gearbeitet werden sollte, auch bei Frauen.
1. Wohnungslosigkeit
„Wohnungslos ist, wer nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügt.“ (BAG W 1997), ist eine weitgehende Definition, die jeder versteht und in der außerdem keinerlei Wertungen enthalten sind. Doch unter wohnungslos versteht man nicht lediglich das Fehlen eines festen Wohnsitzes. Es geht dabei auch um die Problematisierung einer spezifischen Lebensweise im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und sozialpolitischen Entwicklungen. Wohnungslose befinden sich nicht nur in einer materiellen Not, sondern durchleben auch tagtäglich die soziale Isolation.
2. Soziale Probleme
2.1. Was sind soziale Probleme?
Als soziales Problem wird jenes gesellschaftliche Problem bezeichnet, das als veränderbar gilt und in irgendeiner Form Gegenstand von politischen Debatten geworden ist. In den Medien sind diese oft zu sehen und zu hören. Das soziale Problem muss abgegrenzt und strukturiert werden, sowie einen identifizierbaren Namen besitzen. Um nur zwei Beispiele für eine Definition von sozialen Problemen zu geben, zitiere ich im Folgenden die Soziologen Case und Kögler.
„Ein soziales Problem meint jedwede soziale Situation, die die Aufmerksamkeit einer bedeutenden Zahl kompetenter Beobachter in einer Gesellschaft weckt und die dringend eine Korrektur oder ein Gegenmittel durch soziales beziehungsweise kollektives Handeln erfordert.“ (Case, 1924)
Kögler sagt, dass soziale Probleme eine „sozialpolitische und sozialarbeiterische Sammelbezeichnung für unterschiedliche Gruppen von Außenseitern und Unangepassten“ ist, „deren Lebensbedingungen und vor allem Defizite unter einer politisch motivierten und praxisorientierten Perspektive analysiert werden sollten.“ (Kögler, 1976)
Es lässt sich demzufolge festhalten, dass soziale Probleme immer nach einer Entwicklung von politischen Lösungen suchen, die zur Veränderung der Situation beitragen. Man bezeichnet es auch als „Herausforderung an die Sozialpolitik“. (Fuchs-Heinritz, 1995) Dazu muss das Problem zunächst identifiziert, sowie beschrieben und analysiert werden. Hierfür gibt es die Soziologie sozialer Probleme. Diese ist für die Analyse und Bearbeitung von Problemen gesellschaftlicher Benachteiligung verantwortlich. Es werden darin wissenschaftliche Fundierungen politischer Programme erstellt und soziale Dienste und die Reform der Sozialverwaltung können professionalisiert werden.
Ein soziales Problem ist kein konkretes Phänomen, sondern bezieht sich auf analytische Kategorien unterschiedlicher Phänomene. Ursachen können verschiedene sein, wie zum Beispiel die soziale Ungleichheit, eine prekäre Lebenssituation, Exklusion, fehlende soziale Integration und Ressourcen, sowie mangelhafte Bewältigungsstrategien. (Vgl. Deacon & Mann, 1999)
[...]
[1] Der richtige Name wurde aus Datenschutzgründen geändert.
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- Juliane Brettmann (Author), 2013, Wohnungslosigkeit als soziales Problem, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233581
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