„Das Übersetzen bedeutet, die richtige Note zu finden, und der Autor erkennt sich im Klang der Fremdsprache wieder.“ Mit diesem aussagekräftigen Satz fasst Claudio Magris, italienischer Schriftsteller, Germanist und Übersetzer zeitgenössischer Literatur, seine Übersetzungsauffassung in einem am 6. August 2012 in der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera erschienenen Artikel zusammen.
Als einer der wichtigsten Autoren unserer Zeiten leistet er nicht nur zur Förderung der mitteleuropäischen Kultur, die sein Leben stark geprägt hat, einen wichtigen Beitrag, sondern auch zur Beantwortung von wichtigen Fragen im Übersetzungsbereich, die jedoch nur selten thematisiert werden.
„Ist der Übersetzer Freund oder Feind des Schriftstellers?“: Anhand dieser Problem-stellung möchte ich mich mit einem Thema auseinandersetzen, dem nur wenig Gehör geschenkt wird. Kann man überhaupt eine Antwort geben auf eine solche Frage? Es gibt zwar immer wieder neue Theorien, Ansätze und Verfahren im Übersetzungsbereich; dabei wird jedoch zu wenig über die Beziehung zwischen Schriftsteller und Übersetzer gesprochen, obwohl diese von großer Bedeutung ist. Schon die Tatsache, dass man diese zwei beruflichen Figuren vergleichen kann, bedeutet, meines Erachtens, dass sich beide auf Augenhöhe befinden.
Claudio Magris wird mir dabei von großer Hilfe sein; ihm liegt diese Frage sehr am Herzen.
Die vorliegende Arbeit möchte eine Antwort auf die oben aufgeworfene Problemstellung finden, und zwar nicht nur anhand von Formulierungen, die Übersetzungswissenschaftler im Laufe der Zeit entwickelt haben, sondern vor allem aus der Sicht des italienischen Schriftstellers, Übersetzers und übersetzten Schriftstellers, der im Mittelpunkt dieser Arbeit steht und dessen Werke und Beiträge in Zeitschriften von großer Bedeutung sind.
Im ersten Teil der Arbeit werden das Leben und der Werdegang des Autors genau untersucht. Beide sind für das Verständnis seines Beitrags zur mitteleuropäischen Kultur unerlässlich.
Danach konzentriert sich die Arbeit auf Magris als übersetzten Schriftsteller, auf sein persönliches Verhältnis zu den Übersetzern seiner Werke und deren Schwierigkeiten bei der „Neuschöpfung“, wie Kaindl das Übersetzen nennt (2008:50). Aber auch auf die Frage, wie und warum Magris überhaupt eine Beziehung zu seinen Übersetzern pflegt, wird eingegangen.
Inhalt
1 Einleitung
2 Magris: Der Schriftsteller
2.1 Förderung der mitteleuropäischen Kultur
3 Magris: Der übersetzte Schriftsteller
3.1 Magris und die Interaktion mit seinen Übersetzern
3.2 Schwierigkeiten beim Übersetzen von „Un altro mare“ ins Englische
4 Magris: Der Übersetzer
4.1 Die Schwierigkeiten des Theaterübersetzens
4.2 Die Übersetzung von „Woyzeck“
4.2.1 Vergleich zwischen Original und italienischer Fassung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Das Übersetzen bedeutet, die richtige Note zu finden, und der Autor erkennt sich im Klang der Fremdsprache wieder.“ Mit diesem aussagekräftigen Satz fasst Claudio Magris, italienischer Schriftsteller, Germanist und Übersetzer zeitgenössischer Literatur, seine Übersetzungsauffassung in einem am 6. August 2012 in der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera erschienenen Artikel zusammen.
Als einer der wichtigsten Autoren unserer Zeiten leistet er nicht nur zur Förderung der mitteleuropäischen Kultur, die sein Leben stark geprägt hat, einen wichtigen Beitrag, sondern auch zur Beantwortung von wichtigen Fragen im Übersetzungsbereich, die jedoch nur selten thematisiert werden.
„Ist der Übersetzer Freund oder Feind des Schriftstellers?“ : Anhand dieser Problemstellung möchte ich mich mit einem Thema auseinandersetzen, dem nur wenig Gehör geschenkt wird. Kann man überhaupt eine Antwort geben auf eine solche Frage? Es gibt zwar immer wieder neue Theorien, Ansätze und Verfahren im Übersetzungsbereich; dabei wird jedoch zu wenig über die Beziehung zwischen Schriftsteller und Übersetzer gesprochen, obwohl diese von großer Bedeutung ist. Schon die Tatsache, dass man diese zwei beruflichen Figuren vergleichen kann, bedeutet, meines Erachtens, dass sich beide auf Augenhöhe befinden.
Claudio Magris wird mir dabei von großer Hilfe sein; ihm liegt diese Frage sehr am Herzen.
Die vorliegende Arbeit möchte eine Antwort auf die oben aufgeworfene Problemstellung finden, und zwar nicht nur anhand von Formulierungen, die Übersetzungswissenschaftler im Laufe der Zeit entwickelt haben, sondern vor allem aus der Sicht des italienischen Schriftstellers, Übersetzers und übersetzten Schriftstellers, der im Mittelpunkt dieser Arbeit steht und dessen Werke und Beiträge in Zeitschriften von großer Bedeutung sind.
Im ersten Teil der Arbeit werden das Leben und der Werdegang des Autors genau untersucht. Beide sind für das Verständnis seines Beitrags zur mitteleuropäischen Kultur unerlässlich.
Danach konzentriert sich die Arbeit auf Magris als übersetzten Schriftsteller, auf sein persönliches Verhältnis zu den Übersetzern seiner Werke und deren Schwierigkeiten bei der „Neuschöpfung“, wie Kaindl das Übersetzen nennt (2008:50). Aber auch auf die Frage, wie und warum Magris überhaupt eine Beziehung zu seinen Übersetzern pflegt, wird eingegangen.
Zu guter Letzt wird der Übersetzer Magris und seine Übersetzung des Theaterstückes „Woyzeck“ von Georg Büchner thematisiert, die Magris stark beeinflusst hat, sowohl hinsichtlich seiner Übersetzungsauffassung als auch bezüglich seiner zukünftigen Werke (Magris, 2005:25).
Dabei wird man beobachten können, wie er bei dieser Theaterübersetzung konkret vorgegangen ist, welche Übersetzungsmethoden er angewandt hat und welche Änderungen er zugunsten des Ausgangstextes vorgenommen hat.
Fest steht bereits jetzt, dass er dazu beigetragen hat, ein Meisterwerk der deutschen Literatur in Italien zu verbreiten und die Begegnung zweier fremder Kulturen zu fördern (Grande Dizionario Enciclopedico, 41988:717), was die Hauptaufgabe des Übersetzens sein sollte.
Die vorliegende Arbeit bietet sich nicht nur für Kenner der Übersetzungstätigkeit an, sondern auch für diejenigen, die erfahren möchten, wie sich der Übersetzer gegenüber dem Schriftsteller verhält, wie die Beziehung zwischen ihnen den ganzen Übersetzungsprozess beeinflussen kann, wie bei einer Dramenübersetzung vorgegangen werden sollte und welche Schwierigkeiten auftreten können. Vor allem aber dient sie dazu, einen Blick auf einen bemerkenswerten Vertreter der italienischen Literatur unserer Zeit und auf diese Weise auf ganz Italien zu werfen – etwas, was mir ganz besonders am Herzen liegt.
2 Magris: Der Schriftsteller
Wie der Einleitung bereits zu entnehmen ist, gilt Claudio Magris als einer der bedeutendsten Autoren der Gegenwart, der die italienische Literatur durch seine Werke maßgeblich beeinflusst hat und dies auch weiterhin tut (Grande Dizionario Enciclopedico, 41988:717). Obwohl die biographischen Details zugunsten anderer Aspekte normalerweise in den Hintergrund treten, sind sie in diesem Fall unabdingbar, denn sie helfen dabei, den Hintergrund des Schriftstellers besser zu verstehen.
Bereits die Tatsache, dass Claudio Magris in Triest geboren ist, erklärt warum er eine solche Neigung zu Mitteleuropa und dessen Literatur entwickelt hat. Triest wird von vielen als die mitteleuropäische Stadt schlechthin betrachtet, wo sich mehrere Kulturen im Laufe von Jahrhunderten miteinander verflochten haben. Die multikulturelle Atmosphäre, die in dieser Provinzhauptstadt Norditaliens herrscht, übt insbesondere auf die Schriftsteller, die in dieser Stadt geboren sind oder sie zumindest etwas kennen gelernt haben, einen starken Reiz aus (Grande Dizionario Enciclopedico, 41988:717). Man denke beispielsweise an Italo Svevo, Umberto Saba aber auch James Joyce, der längere Zeit in dieser Stadt wohnte und einige seiner Kurzgeschichten für sein Buch Dubliner dort verfasst hat (Thomson, 2004:230).
Für Claudio Magris ist Triest nicht nur seine Heimatstadt, sondern auch ein Ort, an dem er sich inspirieren lässt. Dort keimte auch die Liebe zur deutschen Sprache und Kultur auf, die ihn dazu veranlasste, Germanistik (zuerst in Turin und dann in Freiburg im Breisgau) zu studieren (Grande Dizionario Enciclopedico, 41988:717).
2.1 Förderung der mitteleuropäischen Kultur
Gerade seine Doktorarbeit gilt als Ausgangspunkt seiner literarischen Tätigkeit. 1963 wurde sie mit dem Titel Il mito asburgico nella letteratura austriaca moderna (dt. Der habsburgische Mythos in der modernen österreichischen Literatur) veröffentlicht. Danach folgten mehrere Werke – Romane, Essays, Theaterstücke – bis er 1986 sein Meisterwerk Danubio (dt. Donau: Biographie eines Flusses) verfasste. Durch diesen Roman, der zugleich ein Reisetagebuch, eine philosophische Abhandlung und ein historischer Text ist, schaffte er nicht nur den literarischen Durchbruch, sondern wurde auch zum „große Mitteleuropaforscher“, wie Ernestina Pellegrini ihn nennt (1999:177). Magris zufolge ist die Donau ein gesprächiger Fluss, der auf seinen 2888 km die Geschichten von mehreren Kulturen erzählt, wie z.B. die mitteleuropäische, die ein „Sammelbecken“ von Unterkulturen ist, die in diesem Fluss ihren „gemeinsamen Nenner“ gefunden haben. Danubio vermittelt dem Leser ein neues Bild des alten Kontinents und gleichzeitig auch des Flusses selbst, der „eine Metapher für die Komplexität, für die vielschichtige Widersprüchlichkeit der zeitgenössischen Identität [ist] – jeder Identität, weil die Donau ein Strom ist, der sich nicht mit einem Volk, mit einer Kultur identifiziert, sondern so viele unterschiedliche Länder, Völker, Nationen, Kulturen, Sprachen, Traditionen, Grenzen, politische und soziale Systeme durchfließt“ (Magris, zit. nach Pellegrini, 1999:177).
Aufgrund der zahlreichen Studien zu Mitteleuropa und dessen Kultur– und Literaturerbe, hat er nicht nur viele Preise erhalten sondern hat sich auch die Bezeichnung „Grenzüberschreiter“ verdient (Freund, 2001).
Natürlich hat er dazu beigetragen, die mitteleuropäische Kultur in Italien zu verbreiten und das Interesse an ihr zu wecken, auch durch die Übersetzung der Werke einiger der berühmtesten österreichischen und deutschen Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert, u.a. Georg Büchner – der Übersetzung von „Woyzeck“ ist ein ganzes Kapitel dieser Arbeit gewidmet –, Franz Grillparzer, Heinrich von Kleist und Arthur Schnitzler (Ivančic, 2010:26).
Bevor wir uns aber mit seiner Tätigkeit als Übersetzer beschäftigen, soll zuerst das Thema Magris als übersetzter Schriftsteller und damit auch der Dialog zwischen ihm und seinen Übersetzern thematisiert werden, ein Thema, welchem der Hauptteil der vorliegenden Arbeit gewidmet ist.
3 Der übersetzte Schriftsteller
Magris‘ Meisterwerk Danubio wurde bisher in 23 Sprachen übersetzt (deutsche Übersetzung von Heinz Georg Held). Es folgten Un altro mare (dt. Ein anderes Meer) aus dem Jahr 1991 und Microcosmi (dt. Die Welt en gros und en détail) aus dem Jahr 1997, die in 14 beziehungsweise 15 Sprachen übersetzt wurden. Das erste Werk wurde von Karin Krieger, das zweite von Ragni Maria Gschwend ins Deutsche übersetzt (Magris, 2005:12).
Magris ist nur einer von vielen italienischen Schriftsteller der Gegenwart, die ins Deutsche übersetzt werden; der große Erfolg, den diese im deutschsprachigen Gebiet haben, ließe sich mit den Worten von Manfred Hardt erklären: „Ein weiterer Grund für die relativ hohe Aufmerksamkeit, die die italienische Literaturproduktion von deutscher Seite erfährt, liegt in einer Vorliebe vieler Verleger und Lektoren für Italien und seine Kultur“ (Hardt, 1990:175).
Mit der Übersetzung von Der Habsburgische Mythos in der modernen österreichischen Literatur ins Deutsche sammelt Magris erste Erfahrungen als übersetzter Schriftsteller. Gleich nach Erscheinen des Werkes 1963 war die Kultur Habsburgs wieder in aller Munde und Magris wurde als Schöpfer des habsburgischen Mythos‘ betrachtet. Diesen hatte er in Form einer literarischen Gattung, die aus Essayistik und Literaturkritik bestand und in vielen seiner nächsten Werke zu finden ist, geschaffen (Ivančic, 2010:29).
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- Arbeit zitieren
- Marina Volpe (Autor:in), 2013, Ist der Übersetzer Freund oder Feind des Schriftstellers? Das Beispiel von Claudio Magris, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233218
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