Als die U.S. Regierung in den 60er Jahren begann sich genauer mit der Armutsmessung zu
befassen, wurde das damalige Maß als eine vorübergehende Lösung betrachtet, die der Vorläufer
für die Entwicklung von weiteren und verbesserten Strategien sei. Doch obwohl die
Fundiertheit der Konzeption und der Methodologie dieses Maßes von Anfang an bezweifelt
wurden bildet es heutzutage immer noch die Grundlage der offiziellen U.S.-Armutsmessung.1
Nichtsdestotrotz erfüllte dieses Maß in den 60er Jahren, sehr wohl seinen Zweck. Die von
Mollie Orshansky entwickelten Armutsgrenzen waren bemerkenswert übereinstimmend mit
einem alternativen Ansatz, der als Grenze 50 Prozent des Durchschnittseinkommens verwendete
und entsprachen ebenso der öffentlichen Meinung über ein minimal adäquates Maß an
Gütern und Dienstleistungen für eine typische Familie.2 Jedoch neigen Armutsmessungen
dazu, nur ihre eigene Zeit und deren äußere Umstände widerzuspiegeln (vgl. Citro und
Michael, Measuring Poverty, S. 26). Die offizielle U.S.-Armutsgrenze wurde jedoch seit
1963, abgesehen von minimalen Veränderungen und jährlich jeweils nur um die Inflationsrate
bereinigt, im Großen und Ganzen beibehalten. Gerade deswegen herrscht auch allgemein Einigkeit
über die Tatsache, daß das Armutsmaß geändert werden muß.3
1990 veröffentlichte Patricia Ruggles ihr Buch, Drawing the line, welches den Anstoß zu
mehreren Kongreß-Anhörungen des Joint Economic Committee gab. Auf Anfrage dieses
Kongresses wurde dann im Jahre 1992 von der National Academy of Sciences (NAS) ein
Studien-Ausschuß gebildet, welcher sich mit einer umfassenden Untersuchung der offiziellen
Armutsmessung beschäftigte. Dieser Ausschuß veröffentlichte 1995 seinen Bericht:
Measuring Poverty: A New Approach (Citro und Michael, 1995).4 In den darauffolgenden
Jahren wurden zahlreiche Anstrengungen dahingehend unternommen, die Umsetzbarkeit
dieser Empfehlungen zu prüfen. Deshalb werde auch ich mich hauptsächlich auf die darin
empfohlenen wesentlichen Änderungen und Punkte beschränken.
1 Vgl. Revising the poverty measure, in: Focus Vol. 19, Nr. 2 vom Frühjahr 1998, S. 1
2 Vgl. Poverty: Improving the Measure after Thirty Years, in: Focus Vol. 20, Nr. 2 vom Frühjahr 1999, S. 51
3 Vgl. Poverty: Improving the Measure after Thirty Years, in: Focus Vol. 20, Nr. 2 vom Frühjahr 1999, S. 51
4 Vgl. Short und Iceland, Who is better off than we thought?, S. 1
Inhaltsübersicht
1. Einleitung
2. Grundlegende Kritik an der Offiziellen U.S.-Armutsgrenze
3. Alternative Konzepte und Definitionen
3.1. Definition einer Armutsgrenze
3.1.1. Die Armutsgrenze als absolutes, relatives oder subjektives Maß
3.1.2. Konzeption
3.1.3. Aktualisierung der Armutsgrenze
3.2. Definition der Resourcen
3.2.1. Verschiedene Ansätze im Vergleich
3.2.2. Einkommensmessung
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als die U.S. Regierung in den 60er Jahren begann sich genauer mit der Armutsmessung zu befassen, wurde das damalige Maß als eine vorübergehende Lösung betrachtet, die der Vor-läufer für die Entwicklung von weiteren und verbesserten Strategien sei. Doch obwohl die Fundiertheit der Konzeption und der Methodologie dieses Maßes von Anfang an bezweifelt wurden bildet es heutzutage immer noch die Grundlage der offiziellen U.S.-Armutsmessung.[1]
Nichtsdestotrotz erfüllte dieses Maß in den 60er Jahren, sehr wohl seinen Zweck. Die von Mollie Orshansky entwickelten Armutsgrenzen waren bemerkenswert übereinstimmend mit einem alternativen Ansatz, der als Grenze 50 Prozent des Durchschnittseinkommens verwen-dete und entsprachen ebenso der öffentlichen Meinung über ein minimal adäquates Maß an Gütern und Dienstleistungen für eine typische Familie.[2] Jedoch neigen Armutsmessungen dazu, nur ihre eigene Zeit und deren äußere Umstände widerzuspiegeln (vgl. Citro und Michael, Measuring Poverty, S. 26). Die offizielle U.S.-Armutsgrenze wurde jedoch seit 1963, abgesehen von minimalen Veränderungen und jährlich jeweils nur um die Inflationsrate bereinigt, im Großen und Ganzen beibehalten. Gerade deswegen herrscht auch allgemein Ein-igkeit über die Tatsache, daß das Armutsmaß geändert werden muß.[3]
1990 veröffentlichte Patricia Ruggles ihr Buch, Drawing the line, welches den Anstoß zu mehreren Kongreß-Anhörungen des Joint Economic Committee gab. Auf Anfrage dieses Kongresses wurde dann im Jahre 1992 von der National Academy of Sciences (NAS) ein Studien-Ausschuß gebildet, welcher sich mit einer umfassenden Untersuchung der offiziellen Armutsmessung beschäftigte. Dieser Ausschuß veröffentlichte 1995 seinen Bericht: Measuring Poverty: A New Approach (Citro und Michael, 1995).[4] In den darauffolgenden Jahren wurden zahlreiche Anstrengungen dahingehend unternommen, die Umsetzbarkeit dieser Empfehlungen zu prüfen. Deshalb werde auch ich mich hauptsächlich auf die darin empfohlenen wesentlichen Änderungen und Punkte beschränken.
2. Grundlegende Kritik an der Offiziellen U.S.-Armutsgrenze
An der offiziellen U.S.-Armutsgrenze werden zahlreiche Punkte kritisiert. Zum einen im Hin-blick auf die konzeptionelle Entwicklung der Grenze selbst und zum anderen bei der Einkommensdefinition. Viele dieser Probleme entwickelten sich erst im Laufe der Zeit, einige wurden jedoch schon bei der erstmaligen Einführung bemängelt. Der Grund hierfür waren umfangreiche soziale und wirtschaftliche Veränderungen.[5]
Gestiegene Lebensstandards und Verbrauchsmuster
Die aktuelle U.S.-Armutsgrenze wurde seit deren Entwicklung jährlich jeweils nur um die In-flationsrate bereinigt. Deswegen fehlen jegliche Anpassungen an sich verändernde soziale Normen und Erwartungen, wie gestiegene Lebensstandards oder Verbrauchsmuster (vgl. Short, Garner und Johnson, Experimental Poverty measures 1990 bis 1997, S. 2). Entsprachen die durchschnittlichen Ausgaben einer Familie in den 50er Jahren für Lebensmittel noch 1/3 des Gesamteinkommens, wie dies auch von Mollie Orshansky in der offiziellen Armutsgrenze mittels eines Multiplikators von 3 für den restlichen Bedarf angesetzt wurde, so entsprechen sie heutzutage gerade mal noch 1/7 des Gesamteinkommens (vgl. Poverty: Improving the Measure after Thirty Years, in: Focus Vol. 20, Nr. 2 vom Frühjahr 1999, S. 51).
Sachleistungen
Zu der Zeit als die offizielle U.S.-Armutsgrenze entwickelt wurden, gab es noch sehr wenig öffentliche oder private Zuschüsse in Form von Gütern oder Dienstleistungen für die niedrig-verdienende Bevölkerung. Seitdem haben solche Leistungen jedoch stark zugenommen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Lebensmittelmarken Programm. Im Jahre 1970 wurde es noch nicht einmal in den ganzen Vereinigten Staaten durchgeführt, 1993 jedoch versorgte es bereits 10 Prozent der gesamten U.S. Bevölkerung mit solchen Marken.[6] Weitere Beispiele für Sach-leistungen, die in der aktuellen Armutsmessung nicht miteingerechnet werden, sind Essens-Programme in Schulen, öffentliches Wohnen, Medicaid (Amerikanisches Gesundheitsfür-sorgeprogramm für Bedürftige) und Medicare (Amerikanische Gesundheitsfürsorge; beson-ders für Senioren).
Steuern
Die offizielle U.S.-Armutsgrenze zählt Steuern als Einkommen, obwohl diese eigentlich nicht für den Verbrauch zu Verfügung stehen. Dies stimmt auch nicht mit dem ursprünglichen Konzept von Mollie Orshansky überein, das auf Nettoeinkommen basierte.[7] In den 60er Jahren waren positive Steuern jedoch noch keine ausschlaggebende Faktoren für den Wohl-stand von Familien mit niedrigem Einkommen, da sie fast gänzlich von der Versteuerung ausgeschlossen waren. Die einzige Steuer, die die meisten „Armen“ zahlen mußten war die Sozialversicherungssteuer, und die entsprach gerade einmal 3,625 Prozent des Einkommens.[8] Deswegen war die Verwendung von Bruttoeinkommen zum Vergleich mit den Armutsgren-zen auch wenig problematisch. Seitdem gab es jedoch durchaus Zeiten in denen die Steuerlast für Niedrig-Verdienende relativ hoch war.[9]
Ausgaben in Verbindung mit einem Arbeitsplatz
Die aktuelle U.S.-Armutsmessung berücksichtigt bei Familien mit berufstätigen Elternteilen nicht die Ausgaben, die notwendig sind, eine Arbeitsstelle beizubehalten und somit auch Ein-kommen zu verdienen. Hierunter fallen die Fahrtkosten zur Arbeitsstelle und die Kosten für Kinderbetreuung während der Arbeitszeit.[10] Daß diese Ausgaben in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung zugenommen haben, läßt sich zum großen Teil auf wesentliche Veränder-ungen im Arbeitsleben zurückführen, wie z.B. der starke Anstieg der alleinerziehenden El-ternteile, davon meistens Frauen. So hat sich die Anzahl der berufstätigen Frauen mit einem Kind unter 6 Jahren in der Zeit von 1955 bis 1993 mehr als verdreifacht. In demselben Zeit-raum hat sich die Arbeitsbeteiligung von Frauen, deren jüngstes Kind 6 Jahre oder älter ist, fast verdoppelt. Dementsprechend gibt es heutzutage wesentlich mehr Familien, die Verein-barungen über Kinderbetreuung treffen müssen, welche sehr teuer sein können.[11]
Kosten für Medizinische Versorgung
Das offizielle Armutsmaß berücksichtigt nicht die Tatsache, daß der Bedarf nach medizini-scher Versorgung und dementsprechend auch die Höhe der damit verbundenen Kosten je nach Familie variiert. Solche Merkmale wie Alter und Gesundheitsstatus der Familienmitglieder haben einen sehr großen Einfluß auf diese Art der Ausgaben. Ebensowenig wird einkalkuliert, inwieweit diese Kosten für die Familien durch Krankenversicherungen, einschließlich Medicare, Medicaid und der vom Arbeitgeber gestellten Krankenversicherung, abgedeckt und somit in ihrem tatsächlichen Umfang reduziert werden.[12]
Equivalence Scale
Als Equivalence Scale wird die Umrechnungsformel bezeichnet, mit deren Hilfe man die Ar-mutsgrenze der Basisfamilie (Zwei Erwachsene, zwei Kinder) auf Familien anderer Art und Größe umlegt. Da die ursprünglichen Armutsgrenzen nur auf einem bestimmten Nahrungs-mittelbudget basieren, wurde diese Umrechnungsformel ebenfalls dementsprechend entwi-ckelt. Es wurde also nach Charakteristiken unterschieden, die den Lebensmittelverbrauch im einzelnen beeinflussen. Da die Armutsgrenzen jedoch dadurch erstellt wurden, daß dieses Nahrungsmittelbudget durch einen Multiplikator von drei für die sonstigen Bedürfnisse erhöht wurde, ist die aktuelle Equivalence Scale völlig unzulänglich und fehlerhaft. Es kann nämlich nicht sein, daß ein niedrigerer Bedarf an Lebensmitteln sich im gleichen Umfang prozentual auf den Bedarf für sonstige Güter und Dienstleistungen überträgt.[13] Des weiteren werden ebenso manche Umrechnungen auf gewisse Familienzusammensetzungen kritisiert. Personen, die in Wohngemeinschaften leben und durchaus gewisse Dinge miteinander teilen, werden dennoch als unabhängige wirtschaftliche Einheiten gezählt, trotz unter Umständen beträcht-licher Einsparungsvorteile.[14]
[...]
[1] Vgl. Revising the poverty measure, in: Focus Vol. 19, Nr. 2 vom Frühjahr 1998, S. 1
[2] Vgl. Poverty: Improving the Measure after Thirty Years, in: Focus Vol. 20, Nr. 2 vom Frühjahr 1999, S. 51
[3] Vgl. Poverty: Improving the Measure after Thirty Years, in: Focus Vol. 20, Nr. 2 vom Frühjahr 1999, S. 51
[4] Vgl. Short und Iceland, Who is better off than we thought?, S. 1
[5] Vgl. Citro und Michael, Measuring Poverty, S. 26 f.
[6] Vgl. Citro und Michael, Measuring Poverty, S. 30
[7] Vgl. Citro und Michael, Measuring Poverty, S. 97
[8] Vgl. Poverty: Improving the Measure after Thirty Years, in: Focus Vol. 20, Nr. 2 vom Frühjahr 1999, S. 51 und Definitional issues in establishing a new poverty measure, in: Focus Vol. 19, Nr. 2 vom Frühjahr 1998, S. 7
[9] Vgl. Citro und Michael, Measuring Poverty, S. 29
[10] Vgl. Short, Garner und Johnson, Experimental Poverty Measures 1990 bis 1997, S. 2
[11] Vgl. Citro und Michael, Measuring Poverty, S. 27 f.
[12] Vgl. Citro und Michael, Measuring Poverty, S. 29
[13] Vgl. Ruggles, Drawing the line, S. 64 f.
[14] Vgl. Citro und Michael, Measuring Poverty, S. 27 f.
- Arbeit zitieren
- Ines Michi (Autor:in), 2002, Die U.S.-Armutsgrenze - Kontroversen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23319
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