Brasilien gilt als Schwellenland mit einer fragilen Demokratie. Korruption und soziale Missstände bestimmen nach wie vor den politischen Alltag. Trotz all dieser Faktoren ist Brasilien auf dem Weg zum modernen Industriestaat.
Dieser Band beschreibt das Spannungsverhältnis zwischen dem gesamtwirtschaflichen Aufschwung und den schwierigen sozialen Verhältnissen in Brasilien aus politischer Perspektive.
Aus dem Inhalt: Human Developement Index, Entwicklungspolitik, das politische System Brasiliens, von der Militärherrschaft zur Demokratie, Soziale Ungleichheit.
Inhalt
Brasilien – aufstrebende Weltmacht? Von Christoph Blepp
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Literatur und Forschungsstand
Entwicklungspolitik
Methodische Vorgehensweise
Brasilien – Ein Überblick
Ergebnisse
Schlussfolgerungen
Literaturliste
Anhang
Entwicklung des Politischen Systems Brasiliens unter dem Einfluss der Elite von Esther Kemmer
Einführung
Das Phänomen des Coronelismo
Entstehung eines unabhängigen Brasilianischen Staates
Die jungen Jahre der Republik
Die Ära Vargas – Der Estado Novo
Die Ära Vargas – Annäherung an eine demokratische Gesellschaft
Die Militärdiktatur
Der Übergang von der Militärherrschaft zur Demokratie
Fazit
Literaturverzeichnis
Soziale Entwicklung in Brasilien unter Cardoso am Beispiel des HDI (Human Development Index) von Franz Melf
Einleitung
Vorstellung HDI
Vergleich der HDI-Werte von 1995 und 2001
Synthese
Ausblick
Literatur
Entwicklungsprobleme Brasiliens und lateinamerikanischer Staaten. Befunde und Ursachen sozialer Ungleichheiten in Lateinamerika von Dominic Vaas
Einleitung
Messmethoden und Darstellungsmöglichkeiten sozialer Ungleichheit
Definition von Armut
Befunde sozialer Ungleichheit in Lateinamerika Tabelle 1
Wirtschaftspolitische Einflüsse auf die brasilianische Gesellschaft
Schlussbetrachtung:
Literatur
Brasilien – aufstrebende Weltmacht? Von Christoph Blepp
2011
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Die mediale Berichterstattung über Brasilien scheint sich gewandelt zu haben. Wurden in der öffentlichen Wahrnehmung eher Korruptionsfälle, soziale Konflikte und Tourismus thematisiert, liest man heute positive Wirtschaftsmeldungen über das Land um den Zuckerhut. Investoren wird geraten, in brasilianische Firmen zu investieren und Erfolgsnachrichten über wirtschaftliches Wachstum scheinen sich zu überschlagen.[1] Dabei gleichen die Nachrichten und Studien über das ewige Schwellenland, wie es von den Brasilianern so gern genannt wird, mittlerweile fast den Meldungen über das Wachstum Chinas. Das ewige Warten auf Wachstum und Entwicklung scheint vorbei zu sein, Brasilien gilt als der große Aspirant des BRIC.[2]
Gewaltige Rohstoffvorkommen, industrielle Agglomeration, eine stabile Demokratie und das größte landwirtschaftliche Potential der Welt[3] scheinen diese Ambitionen eindrucksvoll zu untermauern. Nationale Unternehmen wie Embraer (Flugzeugbau), Vale (Bergbau) oder Petrobras (Ölförderung) sind auf dem Weltmarkt angekommen und können sowohl steigende Forschungsausgaben als auch steigende Wachstumsraten vorweisen; internationale Großkonzerne wie Volkswagen, General Motors oder Nestlé sind seit Jahrzehnten fest in Brasilien etabliert und erfreuen sich des wachsenden Absatzmarktes.[4] Darüber hinaus verzeichnet das Land seit 1999 um den Zuckerhut ein jährliches Wirtschaftswachstum von durchschnittlich über 5 %.[5]
Auch die Bevölkerung scheint am neuen Erfolg Brasiliens kräftig beteiligt zu werden: Man bemerkt die Zunahme der staatlichen Investitionen in Straßenbau, medizinischer Einrichtungen und sanitärer Anlagen, wenn man heutzutage Brasilien bereist und den Entwicklungsstand des Landes mit vor zehn Jahren vergleicht. Überall findet man Baustellen vor, das Straßennetz ist in einem besseren Zustand, wird stetig erweitert und die Sicherheit der Bürger hat ebenfalls zugenommen. Des Weiteren gibt es nur noch wenige Kinder, die an den Ampeln stark frequentierter Kreuzungen die wartenden Autos abstreifen, um etwas Kleingeld zu erbetteln. Augenscheinlich wurden die Armut reduziert, mehr Kinder eingeschult und mehr Wohlstand erreicht.
Viele Brasilianer verbinden diese Erfolge mit der Regierung des ehemaligen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva (genannt Lula), der 2010 nach zwei Amtszeiten von seiner Parteifreundin Dilma Rousseff beerbt wurde. Viele seiner Anhänger sehen in Lulas Zeit als Präsident die Wurzel des Aufschwungs und des Wohlstands in Brasilien sowie die Grundsteinlegung weg von einem korrupten, ineffizienten politischen System zu einem modernen demokratischen Staat mit effizientem Verwaltungsapparat.[6]
Bei allem Lob über die entstehende Führungsmacht in Lateinamerika lohnt dennoch ein kritischerer Blick auf das Land. Mit einer Fläche von 8.514.215 Quadratkilometern ist Brasilien fast doppelt so groß wie die Fläche der Europäischen Union.[7] Diese geographische Größe lässt erahnen, dass Brasilien von deutlichen Unterschieden zwischen den Regionen des Landes geprägt sein muss. Klimatische und geographische Gegebenheiten, die sich auf die Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur auswirken, sind nicht von der Hand zu weisen. Darüber hinaus wirken sich diese Disparitäten auch auf die Bevölkerung aus, die unter den unterschiedlichsten Bedingungen in den einzelnen Regionen Brasiliens lebt.
Problemstellung
Augenscheinlich ist Brasilien geprägt von regionalen Disparitäten zwischen den fünf Hauptregionen des Landes trotz erheblichen wirtschaftlichen Wachstums und staatlicher Verteilungsprogramme. Aufgrund dessen stellt sich die Frage, ob gleichzeitig zum Wirtschaftswachstum eine Steigerung des Wohlstands einhergeht. Weiterhin ist unklar, inwiefern Bildung, staatliche Förderung und Wohlstand in den verschiedenen Regionen ausgeprägt ist und welche Rolle die Effizienz der Regierungsführung auf nationaler Ebene dabei spielt.
Zielsetzung und Hypothese
Die Fragen, die diese Arbeit anleiten, sind: Wie groß sind die sozialen und wirtschaftlichen Disparitäten zwischen den Regionen Brasiliens? Welchen Einfluss haben Humankapital und Investitionen auf den Wohlstand der Bürger regional und national? Inwiefern beeinflusst Good Governance den Wohlstand auf nationaler Ebene?
Hier soll der Zusammenhang zwischen den regionalen Disparitäten in Wirtschaft, sozialen Faktoren und Bildung und dem Wohlstand der Bürger in Brasilien genauer untersucht werden.
Die Hypothesen, die in dieser Arbeit untersucht werden, sind:
1. Brasilien ist geprägt durch starke regionale Disparitäten in Einkommen, Bildung, Infrastruktur und Armut.
2. Durch Steigerung von Humankapitals und Investitionen wird in Brasilien höherer Wohlstand erreicht.
3. Höherer Wohlstand ist ebenfalls von steigenden Werten in Good Governance abhängig.
Diese Hypothese soll im Folgenden auf ihre Gültigkeit hin untersucht werden. Dazu werden zunächst verwendete Literatur und der Forschungsstand zum Thema Entwicklung vorgestellt, um dann die Methode der Analyse zu erörtern. Weiterhin muss im Zuge einer ganzheitlichen Betrachtung ebenfalls ein Blick auf die Geschichte und das politische System Brasiliens geworfen werden, um dann die Ergebnisse der Analyse vorzustellen und zu diskutieren. Abschließend werden dann die Ergebnisse zusammengefasst und Schlussfolgerungen daraus gezogen.
Literatur und Forschungsstand
Im Vorfeld der Analyse muss die relevante Literatur zum Themenkomplex identifiziert werden und die bereits existierenden Forschungsergebnisse zusammengefasst werden. Dieses Feld ist sehr weitläufig, weshalb hier eine Auswahl der wichtigen Theorien und Strategien beschrieben und diskutiert werden soll.
Da Begriffe wie „Entwicklung“, „Entwicklungstheorie“, „Entwicklungspolitik“ und „Entwicklungstheorie“ unscharf sind, da sie unterschiedlich definiert sind und in der Literatur nicht eindeutig verwendet werden, wird für die vorliegende Arbeit eine Definition vorgenommen.[8] Die Begriffe Entwicklungsländer, Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe werden häufig unterschiedlich ausgelegt und sind Teil stark normativ geführter wissenschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen. Besonders das Argument der Stigmatisierung der Begriffe[9] spielt hierbei eine große Rolle. Dies kommt beispielsweise in der begrifflichen Entwicklungslinie rückständige – unterentwickelte – nicht entwickelte – Entwicklungsländer zum Ausdruck. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich beim Begriff der Entwicklungshilfe, der mittlerweile von vielen Autoren mit Ressourcentransfer oder Entwicklungszusammenarbeit ersetzt wird.[10] Im Folgenden werden die unterschiedlichen Ansätze – unter besonderer Berücksichtigung der in der Arbeit verwendeten Literatur und Forschung – vorgestellt und unterschieden.
Der Begriff „Entwicklung“
Der Begriff der Entwicklung birgt einen großen Teil der Entwicklungsproblematik selbst, da er weder vorgegeben noch allgemeingültig definierbar noch wertneutral ist. Stattdessen ist er abhängig von Zeit und Raum und insbesondere von individuellen und kollektiven Wertvorstellungen.[11] Die gewünschte Richtung eines gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Wandels auf Basis von theoretischen Annahmen zur Unterentwicklung eines Landes, einer sozialen Gruppe oder einer Region stellt ein normatives Konzept dar. Die Fülle der unterschiedlichen Deutungsmuster macht es kaum möglich, die verschiedenen Konnotationen auf einen Nenner zu bringen.[12]
Wurde der Entwicklungsbegriff in den 1950er Jahren noch sehr eindimensional mit wirtschaftlichem Wachstum gleichgesetzt, hat er mittlerweile einen Bedeutungswandel erfahren und offiziell in der „UN Declaration on the Right to Development“ 1986 folgendermaßen beschrieben wurde:
„A comprehensive economic, social, cultural and political process, which aims at the constant improvement of the wellbeing of the entire population and of all individuals on the basis of their active, free and meaningful participation in developmemt and in the fair distribution of benefits resulting therefrom.“[13]
Im ersten Human Development Report von 1990 wurde der Entwicklungsbegriff dann weiter spezifiziert:
„Human Development is the process of enlarging people’s choices. [...] The most critical ones are to lead a long and healthy life, to be educated and to enjoy a decent standard of living. Additional choices include political freedom, guaranteed human rights and selfrespect.“[14]
Im Zuge eines wachsenden Umweltbewusstseins wurde der von im Brundtland-Bericht[15] geprägte Begriff der Nachhaltigkeit ebenfalls Teil des Entwicklungsbegriffs:
„Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs. [...] This the goals of economic and social development must be defined in terms of sustainability in all countries – developed or developing, market-oriented or centrally planned.“[16]
Somit hat sich der Entwicklungsbegriff von der Gleichsetzung zu wirtschaftlichem Wachstum zu einem Konzept entwickelt, das wirtschaftliche, kulturelle, soziale und politische Prozesse berücksichtigt und einschließt, mit dem Ziel, die Lebensbedingungen aller Völker nachhaltig zu verbessern. Weiterhin kann Entwicklung zwischen drei Dimensionen unterschieden werden:
1. Den Zielen von Entwicklung,
2. dem Prozess, der zu diesen Zielen führen soll und
3. den Ergebnissen von Entwicklungsprozessen.[17]
Entwicklungspolitik
Als Entwicklungspolitik bezeichnet man die Summe aller Maßnahmen und Mittel, die von der internationalen Gemeinschaft und allen Industrie- und Entwicklungsländern eingesetzt und/oder ergriffen werden, um die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung der Entwicklungsländer zu fördern.[18]
Da Entwicklungspolitik vor dem Kontext zahlreicher weiterer Politikfelder, wie z.B. Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Migrations- und Umweltpolitik oder auch Sicherheitspolitik gesehen werden muss,[19] ist die Entwicklungspolitik ein genuin interdependentes Politikfeld.[20] Entwicklungszusammenarbeit ist die Ausführung der Entwicklungspolitik.[21]
Entwicklungstheorien
Entwicklungstheorien sind das Spiegelbild zur praktischen Entwicklungspolitik mit einer erklärenden und einer handlungsorientierten Dimension:[22]
„Theorien, welche den Entwicklungsprozess der aus der Dekolonisation hervorgegangen Staaten der Dritten Welt in seinen Voraussetzungen, darunter den Ursachen der Unterentwicklung, und in seinen Merkmalen zu erklären versuchen sowie in starker Praxisorientierung in Form von Entwicklungsmodellen und Entwicklungsstrategien auf Veränderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit abzielen.“[23]
Die entwicklungstheoretische Debatte wurde jahrzehntelang von zwei großen Theorien dominiert: in den 1950er und 1960er Jahren von den Modernisierungstheorien und im weiteren Verlauf der 1960er und den 1970er Jahren von den Dependenztheorien. Danach von der Strukturanpassung in den 1980er und 1990er sowie Entitlement und Armutsreduzierung in den 1990er Jahren bis hin zur Diskussion über Big Push Theorien und Good Governance nach der Jahrtausendwende.
Wachstums- und Modernisierungstheorien
Die Modernisierungstheorien gehen von einem Prozess aus, der durch endogene Faktoren in Gang gesetzt wird und zur Angleichung der Entwicklungsländer an die Industrieländer führt.[24] In den 1950er Jahren bestimmten zwei Faktoren die damals neue Disziplin der Entwicklungstheorie: der Kalte Krieg und die Entkolonialisierung. Diese beiden Situationen erforderten einen theoretischen Ansatz, der nicht nur Erklärungen für Ent- und Unterentwicklungsprozesse lieferte, sondern zudem konkrete Strategien zur Erhöhung der ökonomischen Leistungsfähigkeit einzelner Staaten benannte. Die ersten Ansätze der Nachkriegszeit waren somit Wachstumstheorien, die als Teil eines technokratischen Entwicklungsdenkens zu verstehen sind, „welches nicht allein auf die Marktkräfte, sondern auch auf gezielte (wirtschafts-)politische Interventionen setzt. Dieses Denken basierte auf den Ideen von John Maynard Keynes (1883-1946), dessen Arbeiten in den dreißiger Jahren die von Adam Smith (1723-1790) begründete und bis dato vorherrschende klassische Nationalökonomie erschüttert hatten. [...] Der ökonomische Liberalismus wurde für die negativen Folgen einer Politik kritisiert, die zu einer Verschärfung der Arbeitslosigkeit, zur Ressourcenverschwendung und zu einer steigenden Monopolisierung unter den Unternehmen geführt hatte. [...] Der Einfluss seiner [Keynes] Ideen wirkte sich nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern auch weltpolitisch positiv auf die Ambitionen der USA aus, die in der Nachkriegszeit und später auch in der Phase der Dekolonialisierung ihren (wirtschafts-)politischen Einfluss durch gezielte politische Planung weltweit ausbauen wollten.“[25] Somit wurde in den neuen Planungsstäben und entwicklungspolitischen Organisationen der Wechsel vom Marktliberalismus zu technokratischen Wachstumstheorien geprägt:
Insbesondere das Harrod-Domar-Modell über Ersparnisse und Investitionen war in den 1940er und 1950er Jahren einflussreich und prägte die Modernisierungstheorien maßgeblich. Entwickelt von dem englischen Ökonomen Roy Harrod und dem amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Evsey D. Domar, ging dieses Modell davon aus, dass jede Nationalökonomie einen bestimmten Anteil des nationalen Einkommens sparen muss, um die fundamentalen fiskalpolitischen Strukturmaßnahmen – wie z. B. Erhaltung des Straßennetzes – gewährleisten zu können. Um gleichzeitig wirtschaftliches Wachstum zu gewährleisten, sind jedoch gleichzeitig neue Investitionen notwendig. Die dem Harrod-Domar-Modell zugrunde liegenden Fragen lauteten: In welcher Höhe muss das Einkommen wachsen, um ökonomisches Wachstum nicht zu verlangsamen? Ihre Ergebnisse basieren auf folgenden Grundannahmen:
- Es gibt einen perfekten Wettbewerb.
- Es gibt Vollbeschäftigung.
- Es gibt keine staatliche Regulierung.
- Es handelt sich um eine geschlossene Gesellschaft.
- Es wird nur ein Produkt erzeugt.[26]
Durch die vereinfachten Annahmen des Modells war es möglich, mathematische Gleichungen[27] über ökonomische Entwicklung aufzustellen. Harrod und Domar verfolgten das Ziel, die Bedingungen für einen Ausgleich zwischen der Sparquote und den Investition in einer Volkswirtschaft zu eruieren und kamen zu dem Schluss, dass die Wachstumsrate des Einkommens gleich dem Quotienten aus der Sparquote und der Profitrate sei. Somit kommt es im Harrod-Domar-Modell zu einem Wachsen des nationalen Einkommens, wenn die Bereitschaft zum Sparen größer ist als die Profitrate. Entwicklung kann also demnach auf Investitionsentscheidungen zugunsten von Kapitalakkumulation in Entwicklungsländern reduziert werden.[28] Das Problem ist jedoch, dass das Harrod-Domar-Modell zum einen von vereinfachten Annahmen ausgeht und zum anderen, das alle Variablen im gleichen Verhältnis steigen oder fallen, was äußerst unwahrscheinlich ist. So würden Unternehmen, die eine erhöhte Nachfrage erwarteten, im gleichen Maße Investitionen tätigen. Überstiege die Nachfrage dann aber diese Investitionen, würden die Unternehmen nochmals investieren, was zu einer Wachstumsexplosion führen würde. Das Gleiche gilt im Umkehrschluss dann auch für einen erwarteten Rückgang der Nachfrage. Dieses Problem wird das Knife-Edge-Problem genannt und erst mit dem Neoklassischen Wachstumsmodell von Solow gelöst.[29]
Um den ökonomischen Fokus der Wachstumstheorien zu überwinden, wurden sie in den 1960er und 1970er Jahren um nicht-ökonomische Elemente erweitert. Dabei spielen besonders Theorien über sozialen und institutionellen Wandel eine große Rolle, da die Wachstumstheorien so in einen neuen Theorienstrang überführt werden konnten – den Modernisierungstheorien. Im Gegensatz zu den strukturalistischen Entwicklungstheorien sind die Modernisierungstheorien nicht klar abgrenzbar.[30] Dennoch lassen sich einige Charakteristika der Modernisierungstheorien benennen, die im weiteren Verlauf diskutiert werden.
Entwicklung wird im modernisierungstheoretischen Ansatz mit Modernisierung gleichgesetzt. Modernisierung ist dabei eine Reihe von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationsprozessen, wie zum Beispiel technologischem Wandel oder auch Veränderung des Wertesystems. Im Vergleich zu den Wachstumstheorien wird dem sozialen Wandel eine große Rolle zugeschrieben. So sind Werke wie die protestantische Ethik Max Webers oder Emile Durkheims „Über die Teilung der sozialen Arbeit“ fester Bestandteil des modernisierungstheoretischen Denkens, da sie die Einteilung in traditionelle und moderne Gesellschaften vornehmen. So würde sich aus wachsender Interdependenz zwischen traditionellen gesellschaftlichen Segmenten eine komplexere, spezialisierte Arbeitsteilung und letztendlich eine Gesellschaft modernen Typus entwickeln, die sich durch Spezialisierung und Institutionalisierung auszeichne. Der Dualismus (traditionell vs. modern) impliziert eine klare Hierarchie innerhalb der Modernisierungstheorien.[31]
Das Rostowsche Wachstumsmodell ist Ausdruck dieser Denkweise. Nach Rostow kann die Transformation einer unterentwickelten in eine entwickelte Gesellschaft mit fünf Stadien umschrieben werden:
1. Die traditionelle Gesellschaft
2. Die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum
3. Nachhaltiges Wachstum
4. Die Entwicklung hin zur Stabilität
5. Das Zeitalter des Massenkonsums.[32]
Es werden die Bedingungen der Transformation einer traditionellen in eine moderne Gesellschaft beschrieben, indem sich ein Land wirtschaftlich und gesellschaftlich von einem Agrarstaat in einen Industriestaat verwandelt. Folgt man Rostows Argumentation, muss jede Gesellschaft diese fünf Stadien durchlaufen. Großer Kritikpunkt des Modells ist jedoch genau dieser Anspruch. Das Rostowsche Wachstumsmodell blendet die einzigartigen und unterschiedlichen politischen, historischen und kulturellen Einflussfaktoren komplett aus.[33]
Ein weiteres Beispiel für modernisierungstheoretische Modelle ist das Lewis-Modell. Das Lewis-Modell sollte aufzeigen, wie die Not in der Dritten Welt durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen und somit größeres wirtschaftliches Wachstum zu lindern wäre.
„In the Lewis model, the underdeveloped economy consists of two sectors: a traditional, overpopulated rural subsistence sector characterized by zero marginal labor productivity – a situation that permits Lewis to classify this as surplus labor in the sense that it can be withdrawn from the traditional agricultural sector without any loss of output – and a high-productivity modern urban industrial sector into which labor from the subsistence sector is gradually transferred. The primary focus of the model is on both the process of labor transfer and the growth of output and employment in the modern sector.“[34]
Mit dem Arbeitskräfteübergang geht ebenfalls ein steigender Lohn einher. Aufgrund der Tatsache, dass die abwandernden Arbeitskräfte die Produktivität des Agrarsektors nicht senken, steigen die Löhne der verbliebenen Arbeitskräfte ebenfalls. Somit sind die wichtigsten Akteure im Lewis-Modell die Unternehmer des modernen Sektors. Nur, wenn sie ihre Profite reinvestieren, kommt es zu weiterem Wachstum.[35]
Das Problem des Lewis-Modells ist jedoch, dass es den institutionellen und ökonomischen Realitäten von Entwicklungsländern nicht gerecht wird. Lewis legt ebenfalls den Fokus auf eine geschlossene Volkswirtschaft, in der es marginal zum Austausch zwischen zwei Wirtschaftssektoren kommt. Zudem werden Faktoren wie Armut und soziale Ungleichverteilung komplett ausgeblendet. Viele Entwicklungskonzepte, die den Ideen des Lewis-Modells folgten, führten zu einer Vernachlässigung des Agrarsektors, übermäßiger Arbeitsmigration und steigender Arbeitslosigkeit in den Städten vieler Entwicklungsländer.[36]
Dependenztheorien
Das Pendant zu den Modernisierungstheorien wird in der Literatur meist mit dem Begriff der Dependenztheorien bezeichnet und ist eine „Theorierichtung innerhalb der Entwicklungstheorie, die v. a. auf die extreme Verursachung der Unterentwicklung abhebt und sich als Gegenparadigma zur Modernisierungstheorie begreift, welche die internen Entwicklungshemmnisse in den Mittelpunkt des Zusammenhangs gestellt hatte.“[37] Der Begriff der Dependenz entstammt der lateinamerikanischen Dependencia-Schule der 1960er Jahre und ist Ergebnis neomarxistischer Überlegungen zur Unterentwicklung. Sie entstand als Reaktion auf die Erschöpfungsanzeichen der importsubstituierenden Industrialisierung[38] und das Ende von politischen Reformversuchen in Lateinamerika. Der am Begriff der Abhängigkeit angelehnte Begriff der Dependenztheorien bezog sich zum Teil auf die Verschlechterung der Handelsbestimmungen, zum Teil auf marxistische Ansätze, die die Unterentwicklung in Lateinamerika nicht den feudalistischen Strukturen, sondern den Besonderheiten eines abhängigen, peripheren Kapitalismus zuschrieben. So wird die Unterentwicklung als Folge einer ineffizienten Integration der Entwicklungsländer in den Weltmarkt beschrieben. Deshalb müsse eine Herauslösung der Entwicklungsländer aus dem Weltmarkt oder eine sozialistische Revolution erfolgen.[39] Ursachen für die Unterentwicklung von Ländern seien nicht innere, sondern äußere Faktoren, insbesondere der Kolonialismus. Durch das kapitalistische System übten die weiter entwickelten Länder Druck auf die weniger entwickelten Länder aus, um diese weiterhin arm zu halten. Besonders die Terms of Trade, die ungleichen Handelsbestimmungen, seien Ausdruck der Machtausübung wirtschaftlich stärkerer Länder.[40] Die Dependenztheorie ist hauptsächlich auf eine Reihe von linken Intellektuellen zurückzuführen, die vor den Militärdiktaturen in Bolivien, Brasilien und Argentinien nach Chile flohen, wo die VN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLA: Economic Commission for Latin America) ihren Sitz hat. So entwickelte der Chilene Osvaldo Sunkel ein Modell des globalen Dualismus. Er vertrat die Auffassung, dass politische Allianzen zwischen Teilen der Mittelklasse, der ländlichen und der städtischen armen Bevölkerung möglich seien und dies letztendlich zu Lösungen von Entwicklungsproblemen führen könne. Als gemeinsame ideologische Basis dieser Gruppen nannte Sunkel den Nationalismus und die damit verbundene Massenbeteiligung am politischen Geschehen.[41]
Eine weitere Denkrichtung der Dependenztheorie ist auf André Gunter Frank zurückzuführen. Sie basiert auf der Überzeugung, dass Unterentwicklung in Afrika, Südost-Asien und Lateinamerika komplementär mit der Entwicklung in industrialisierten Großstadtregionen verbunden sei:
„Economic development and underdevelopment are the opposite faces of the same coin. Both are the necessary result and contemporary manifestation of internal contradictions in the world capitalist system. Economic development and underdevelopment are not just relative and quantitative, in that one represents more economic development that the other; economic development and underdevelopment are relational and qualitative, in that each is structurally different from, yet caused by its relation with, the other. Yet development and underdevelopment are the same in that they are the product of a single, but dialectically contradictory, economic structure and process of capitalism. [...] One and the same historical process of the expansion and development of capitalism throughout the world has simultaneously generated – and continues to generate – both economic development and structural underdevelopment.“[42]
Demzufolge ist Unterentwicklung die Folge der Integration des kapitalistisches Systems und nicht der mangelnden Integration – wie von den Modernisierungstheoretikern behauptet. Frank ist der Auffassung, dass es bereits während der spanischen und portugiesischen Kolonisation Lateinamerikas im 16. Jahrhundert ein kapitalistisches Weltsystem vorgeherrscht habe. Somit habe es keine feudalen, sondern kapitalistische Strukturen gegeben, welche alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen hätten. Besonders die brasilianische Agrarwirtschaft sei bis in die Gegenwart von der kapitalistischen Ausbeutung und Landverarmung betroffen.[43]
Auf diesen Annahmen aufbauend entwickelte Frank sein Satelliten-Metropolen-Modell. Darin lag in der externen Aneignung des Mehrwerts durch die industrialisierten Großstadtregionen die Ursache der ländlichen Unterentwicklung und im Umkehrschluss die Entwicklung in den Metropolen. So sei das Weltsystem in eine Kette von Metropolen, Metropolen/Satelliten und Satelliten aufgeteilt, in der erstere letztere ausbeuteten. An der Spitze steht die jeweilige Weltmacht (Metropole), in Franks Beispiel die USA, die eigentliche Nutznießerin des gesamten Weltsystems ist.[44]
Mit dem Erfolg der weltmarktorientierten Industrialisierungserfolge der südostasiatischen Schwellenländer geriet die Dependenztheorie in die Krise, da die Abkopplung vom Weltmarkt offensichtlich keine Lösung bot sondern Teil des Problems war. Ebenfalls werden endogene Faktoren für Unterentwicklung wie autoritäre Herrschaft, Politik der Importsubstitution, Korruption, mangelnde Infrastruktur und ineffiziente Verwaltung nicht betrachtet. Spätestens im Zuge der Schuldenkrise wurde offenbar, dass Lateinamerika zu lange vom Weltmarkt abgeschirmt hatte und den wirtschaftlichen Anschluss verpasst hatte.[45]
Diese Phase wird oft mit der Krise der Entwicklungstheorien umschrieben, da trotz aller Empfehlungen und Bemühungen der Wachstumstheoretiker keine relative Wohlstandssteigerung der Entwicklungsländer erzielt werden konnte – sieht man von den wenigen Ländern, hauptsächlich in Südostasien, ab, die eine Besserung verzeichnen konnten.[46]
Mitte der 1980er Jahre begann eine Reihe von wissenschaftlichen Beiträgen damit, die Krise der großen Theorien in den Fokus der Forschung zu lenken. Vor allem an der Dependenztheorie wurde Kritik geübt, unter Rückbezug auf die Entstehungszeit der Dependencia-Schule, in der massiv Kritik an den Modernisierungstheorien vorgenommen wurde. Daraus wurde ab 1987 eine generelle Kritik an den älteren Entwicklungstheorien. Es ist auffällig, dass diese Theorienkrise in die Zeit des Endes des Kalten Krieges fällt. Dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Neuordnung des bipolaren Staatensystems kommt der Zusammenbruch der bipolaren Theorienwelt zuvor. Die große Resonanz der Dependenztheorie kann dementsprechend auf die gesellschaftspolitische Diskussion über Kapitalismus und Sozialismus in den 1960er und 1970er Jahren zurückgeführt werden. Beide großen Theorien projizieren ideologisch geprägte Erwartungen auf die Entwicklungsländer und stellen den Anspruch einer Realitätsveränderung.[47]
Mit der Krise der Entwicklungstheorie ging auch die Krise der Entwicklungspolitik einher. Aus der praktischen Anwendung heraus wurde oftmals die entwicklungspolitische Relevanz in der entwicklungstheoretischen Forschung in Frage gestellt. So wurde Akademikern angelastet, weder die sich verändernden Realitäten und die widersprüchlichen Prozesse von Entwicklung, Rückentwicklung und Auseinanderentwicklung der Entwicklungsländer angemessen erklärt zu haben, „noch brauchbare Handlungsorientierungen für eine armutsüberwindende, umweltrettende, chaosvermeidende und friedensbewahrende Entwicklungspolitik zu liefern.“[48]
Seit der Abkehr von den großen Theorien wurde von der Idee, eine neue Großtheorie zu formulieren, abgesehen.[49] Jedoch wurde mit Beginn der 1980er Jahre das Konzept der Strukturanpassung im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in Afrika nahezu flächendeckend eingeführt.[50] Dabei versteht sich Strukturanpassung als ordnungspolitisches Programm zur wirtschaftlichen Stabilisierung, marktwirtschaftlichen Deregulierung und Privatisierung sowie zur weiteren Liberalisierung des Außenhandels eines Entwicklungslandes. Ziel ist die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Kreditwürdigkeit auf Grundlage eines ausgeglichenen Haushaltes, um so ein besseres Investitionsklima für ausländische Investoren zu schaffen.[51] Die Strukturanpassungsprogramme werden von der Weltbank und dem IWF konzipiert und gemeinsam mit den betroffenen Regierungen durchgeführt.[52]
Die unterschiedlichen Realitäten und mannigfachen Einflussfaktoren im Gebiet der Entwicklung der „Dritten Welt“ sind so weitläufig, dass nicht von einer Theorie mit universalem Geltungsanspruch erfasst werden kann.[53] Des Weiteren liegt den großen Theorien eine metatheoretische funktionalistische Vorstellung zugrunde, die versucht, soziale und historische Prozesse zielgerichtet zu beschreiben und vorherzusagen. Durch die daraus erwachsene ideologische Funktion im gesellschaftlichen Kontext wird ein überzogener Anspruch auf Realitätsveränderung an die Großtheorien gestellt, der nicht erfüllbar ist.[54] Diese entwicklungstheoretische Krise führte im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Scheitern vorangegangener Erklärungsmuster zu neuen Ansätzen in der Entwicklungstheorie.[55] Des Weiteren sind viele Erkenntnisse aus der Modernisierungstheorie und der Dependenztheorie nicht mehr wegzudenken. „Seitdem macht sich kein Entwicklungstheoretiker mehr ideologisch verdächtig, wenn er die Entwicklungsprobleme auf externe und interne Faktoren zurückführt und dann deren komplexen Wirkungszusammenhang analysiert.“[56]
Neuere Schwerpunkte der Entwicklungstheorie
Die neuere Entwicklungstheorie ist vor allem geprägt von drei Ansätzen:
Dem Neoliberalismus, dem Postmodernismus und dem neuen Realismus. Der Neoliberalismus unterliegt der Annahme, dass Marktkräfte zur Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstands beitragen und zielt deshalb darauf ab, wachstumshemmende Faktoren wie Marktbeschränkungen zu beseitigen. Demnach bestreitet er die der Entwicklungsökonomie zugrundeliegende Annahme des Bedarfs eines speziellen ökonomischen Lösungsansatzes für Entwicklungsländer. Entsprechend lautet die Hauptthese des Neoliberalismus, dass sich Wachstum einstelle, wenn die Marktkräfte nicht von der Politik behindert würden. Somit ist er ebenso ideologisch geprägt wie Modernisierungs- und Dependenztheorie, verfügt ebenfalls über eine teleologische Geschichtsauffassung und versäumt es, die Besonderheiten der Länder zu berücksichtigen.[57] Eine ökonomische Theorie zur Ressourcenallokation ohne Bezug zu weiteren entwicklungstheoretischen Dimensionen, wie z. B. zur sozialen Gerechtigkeit, bietet deshalb für Entwicklungsprobleme keine dauerhaften Lösungsansätze.[58]
Der Postmodernismus ergibt sich aus einer Vielzahl von Ansätzen, die zwar keine Kohärenz in sich zusammen bergen, jedoch gemeinsame Merkmale aufweisen. Dazu zählt beispielsweise die Kritik an der weltweiten Vereinheitlichung des westlichen Lebensmodells und dem dadurch erzeugten Identitätsverlust von Entwicklungsgesellschaften.[59] Es wird gefordert das Konzept der „Entwicklung“ völlig aufzugeben, da diese mit negativen Wahrnehmungen und Erfahrungen wie Umweltzerstörung, Ausgrenzung, Verarmung und Diversitätsverlust in Verbindung gebracht wird. Anstatt eines universalistischen Modernisierungsdiskurses soll die Lebensrealität auf lokaler Ebene in den Blickpunkt gerückt werden. Dies wird mit dem Begriff der Post Development Era umschrieben. Dies stellt jedoch einen einseitigen, radikalen Ansatz dar, der erstens Modernisierung ablehnt und zweitens – aufgrund der Fokussierung der Differenz – keine theoretischen Verallgemeinerungen mehr zulässt.[60]
Der sogenannte neue Realismus ergibt sich aus einer großen Anzahl von kleineren Konzepten und Modellen und ist inhaltlich als theoretischer Ansatz noch nicht gefestigt. Diese Theorien mittlerer Reichweite haben jedoch viele Gemeinsamkeiten: Handlungs-, akteurs- und prozessorientierte Denkansätze und damit die Anbindung zur entwicklungspolitischen Praxis sind in den Vordergrund gerückt. Praktische Erfahrungen und Denkansätze der NROs und der staatlichen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit haben dazu genauso beigetragen wie die Wissenschaft.[61] Der neue Realismus legt somit einen starken Fokus auf empirische Fallstudien und das Aufgreifen von praxisrelevanten Erkenntnissen. Aufgrund dessen können die realen Handlungen einer Vielzahl von Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen in verschiedenen Regionen im Zeitverlauf zur Entstehung umfassender Lösungsansätze der Problembereiche von Entwicklung beitragen.[62]
Entwicklungsstrategien
Die jüngere Diskussion ist nach Meinung einiger Entwicklungstheoretiker quasi paradigmenlos und ohne theoretische Gesamtperspektive. „Es werden nicht nur wie bisher kleindimensionierte Objekte (Länder, Politische Systeme, Politikfelder) untersucht, sondern die entwicklungstheoretischen Ergebnisse auch bewusst diesen zugerechnet; es wird weniger verallgemeinert. Forschungsstrategisch werden einerseits Vergleiche nach Ländergruppen bzw. nach dem area approach angestellt, die nicht mehr von der grundsätzlichen Ähnlichkeit, sondern von der Verschiedenheit von Ländern und Ländergruppen ausgehen. Mit der Frage, warum gelingt in einigen Ländern nachholende Entwicklung, in anderen nicht, wurden der An- bzw. Abwesenheit begünstigender bzw. hemmender Faktoren mehr Aufmerksamkeit geschenkt.“[63]
Die Komplexität der Unterentwicklung vieler Länder könne durch monokausale Zusammenhänge nicht beschrieben werden und eine Erklärung dürfe sich nicht an einer ideologisch besetzten Unterscheidung zwischen endogenen oder exogenen Faktoren oder an Gewandeinteilungen wissenschaftlicher Disziplinen orientieren.[64]
Weiterhin wurden Faktoren wie Kultur und Sozialkapital aufgewertet, und im entwicklungspolitischen Diskurs stärker betrachtet. Auch räumliche Potentialfaktoren der Entwicklung und Mikro-Diskussionen, die lokale Lebensrealitäten betrachten,[65] rücken stärker in das Blickfeld der Forschung. Dabei geht es um regionale Potentiale wirtschaftlicher, soziokultureller oder ökologischer Natur. Diese endogenen Potentiale (regionales Entwicklungspotential) werden im Allgemeinen als Entwicklungsmöglichkeiten in einem zeitlich und räumlich abgegrenzten Wirkungsbereich definiert.[66] Eine Anleitung zur Aktivierung von Entwicklungspotentialen ist wie folgt definiert:
1. Die Identifizierung von Engpässen der endogenen Entwicklung ist Voraussetzung für eine verstärkte Nutzung von bisher nicht erkannten oder ausgelasteten Potentialfaktoren.
2. Durch die Ermittlung von Standortvorteilen gegenüber anderen Regionen werden regionsspezifische Fähigkeiten und Begabungen erkannt und ermittelt und durch weitere Spezialisierung gefördert.
3. Eine kleinräumige Vernetzung der Potentiale innerhalb einer Region muss überprüft und erreicht werden, um so eine von den Bewohnern gesteuerte intraregionale Integration von Produkten zu erreichen.[67]
Endogene Entwicklungsstrategien gründen nicht auf einem geschlossenen Theorienkonstrukt, sondern fußen auf Mit- und Selbstbestimmung der Bevölkerung als integralem Prozess.[68]
Weitere Konzepte, die im Einklang mit systemischem Denken, also der Anerkennung systemischer Identität der sozialen Systeme der Entwicklungsgesellschaften entwickelt wurden sind zum Beispiel das Empowerment. Menschen in Entwicklungsgesellschaften sollen zur Selbstorganisation angeregt und zur Aktivierung ihrer eigenen Ressourcen und Sozialsysteme befähigt werden. Mittlerweile wird die Rolle der Frau im Entwicklungsprozess unter dem Empowerment-Ansatz[69] hervorgehoben.[70] Auch die verstärkte Betonung der Rolle der Zivilgesellschaft für innerstaatliche Entwicklungsprozesse, der Stabilisierungsfunktion von Demokratie und Entfeudalisierung von Agrarverfassungen sind mehr in den Fokus entwicklungstheoretischer Betrachtungen gerückt.[71]
Im Folgenden sollen diejenigen strategischen Konzepte vorgestellt werden, die in der aktuellen entwicklungstheoretischen Diskussion eine große Rolle spielen.
Im Zuge der Millennium Development Goals (MDG)[72] und anderen Großthemen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit[73] wurde über die Wirksamkeit von Entwicklungsstrategien und die „einzig wahre“ Linie zur Erreichung der MDG ausgiebig diskutiert.[74] Spätestens seit der letzten MDG-Konferenz 2010 ist eine Debatte über die Wirksamkeit zweier Entwicklungsstrategin entbrannt: Dem Big – Push – Modell und dem Good Governance-Modell.[75]
Big Push vs. Good Governance
Die Debatte um den Big Push ergibt sich aus dem United Nations Millennium Project (UNMP) Aktionsplan für die Armutsbekämpfung aus dem Jahr 2000: „Raise the economy’s capital stock [...] to the point where the donward spiral ends and self-sustaining economic growth takes over. This requires a ,Big Push‘ of basic infrastructure between now and 2015 in key infrastructure [...], human capital [...] and public administration.“[76]
Das Konzept des Big Push bezeichnet einen massiven Mitteltransfer an Entwicklungsländer, um so einen Entwicklungssprung auszulösen. Durch gezielte Förderung und Investitionen in einen bestimmten Raum sollen sich die Entwicklungsimpulse auf die Peripherie auswirken. So sollen durch mehr bereitgestellte Mittel die Nachfrage steigen, neue Arbeitsplätze entstehen und dadurch die Ansiedlung von Folgeindustrie (industrielle Agglomeration) erzielt werden. Zur Steigerung der Effektivität der Maßnahmen ist die Koordination[77] derselben von zentraler Bedeutung.[78] Kritiker jedoch verweisen auf die zusammenhängenden Problemen, die zu Unterentwicklung führen und bezweifeln die Wirksamkeit eines Big Push.[79] Des Weiteren zeigen Daten aus Studien über die Bereitstellung von Mitteln an Entwicklungsländer, dass eine Erhöhung der Mittel ineffektiv sei.[80]
Im Gegensatz zum UNMP, die ihre Bewertungskriterien auf die Zeitperiode von 1980-2001 bezieht, stützt die Weltbank ihre Analyse von Entwicklung auf einen Trendbruch in einer Kerngruppe von Ländern, der sich Mitte der 1990er Jahre nach Abschluss einer langen Strukturanpassungsperiode vollzog. So habe diese Ländergruppe nachhaltiges Wachstum als Ergebnis von Good Governance erzielen können.[81] „Während die Entwicklungs- und Armutsbekämpfungspolitik der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds noch ganz vom neoliberalen ,Washington Consensus‘[82] bestimmt war, begann ein Umdenken, das dann im Verlauf der 1990er Jahre zur Neuorientierung der Entwicklungspolitik mit dem Ziel der Verbesserung politischer und administrativer Strukturen und Handlungskapazitäten führen sollte. [...] Der so formulierte ,Post Washington Consensus‘ [...] der internationalen Entwicklungspolitik beinhaltet Politikempfehlung, die den aktuellen Good Governance-Konzepten von Weltbank und Internationalem Währungsfonds sowie der meistern Geberländer zugrunde liegt.“[83] Good Governance ist dabei weitestgehend als gute Regierungsführung zu verstehen und kann an der Erfüllung bestimmter Kriterien gemessen werden. Die Bedingungen von Good Governance sind oftmals an die entwicklungspolitischen Instrumente vieler Industriestaaten gekoppelt, z. B. werden gewisse entwicklungsfördernde Leistungen nur erbracht, wenn das Empfängerland Kriterien der Good Governance aufweist. Dabei können je nach Land oder auch Organisation spezifische Akzentuierungen des Begriffsverständnisses festgestellt werden.[84]
Die Polarisierung der beiden Entwicklungsstrategien ist dabei nicht so absolut, dass die eine Seite nur mehr Entwicklungshilfe, bzw. nur Good Governance fordert.[85] Die Big Push Vertreter plädieren selbstverständlich auch für verbesserte Regierungsführung wie die Good Governance Vertreter akzeptieren, dass erfolgreiche Eigenanstrengungen von Empfänger-Staaten mit mehr finanziellen Mitteln zu fördern sind, beispielsweise im Infrastruktursektor. Eine Aussage über die höhere Wirksamkeit einer der beiden Strategien kann jedoch nicht getroffen werden. Zwar gibt es eine große Anzahl an Untersuchungen im entwicklungsstrategischen Sektor, jedoch lässt sich beim gegenwärtigen Stand der Forschung Weitergehendes nicht mit Sicherheit feststellen.[86]
Während sich im Bereich der Entwicklungsökonomie und Entwicklungspolitik der empirische Fokus besonders auf Sub-Sahara-Afrika und dem übrigen BRIC liegt, fällt die Forschung zu Brasilien (bis auf die lateinamerikanische Dependencia-Forschung der 1970er Jahre) vergleichsweise geringer aus. Obwohl Autoren wie Ronald Schneider[87] oder Joseph Smith[88] mehrere Werke über politische und historische Einflussfaktoren auf die brasilianische Entwicklung verfasst haben, waren Studien über das Lateinamerikanische Land nicht gerade populär.
Der wirtschaftliche Aufschwung und die Zunahme des politischen Gewichtes Brasiliens in den letzten zwanzig Jahren lenkten jedoch die Aufmerksamkeit einiger Forscher auf das Land. Arbeiten von Marcelo Neri,[89] Leonardo Martinez-Diaz,[90] Manfred Mols,[91] Riordan Roett,[92] Andreas Boeckh,[93] Gerd Kohlhepp,[94] Hartmut Sangmeister[95] oder Andreas Busch[96] schenkten dem größten Land Lateinamerikas mehr Aufmerksamkeit. Das Ende der Militärdiktaturen in Lateinamerika und die Theorienkrise führten zu mehreren Erklärungsmodellen und Untersuchungen innerhalb der Lateinamerikaforschung, z.B. bezüglich der Dependencia-Kritik. Besonders seit dem wirtschaftlichen Aufschwung Chiles und vor allem Brasiliens seit Mitte der 1990er Jahre wurde der Neoliberalismus von vielen als das wahre Paradigma zur Erklärung von Entwicklungsstrukturen angesehen.[97] In den vergangenen Jahren wurde sich jedoch verstärkt auf endogene Entwicklungsstrategien besonnen, in denen soziale und integrative Faktoren in der regionalen Entwicklung sowie die Überwindung von sozialer Ungerechtigkeit wieder im Vordergrund stehen.[98] In dieser Arbeit stehen ebenfalls die regionale Entwicklung und deren Einflussfaktoren im Vordergrund.
Methodische Vorgehensweise
Im Folgenden sollen die methodischen Grundlagen gelegt werden, um zu untersuchen, inwieweit in den verschiedenen Regionen Brasiliens Humankapital (HK) und Investitionen (I) Einfluss auf den Wohlstand (W) haben. Humankapital und Investitionen fungieren als erklärende (unabhängige) Variablen und Wohlstand als zu erklärende (abhängige) Variable. Bevor auf die Ausprägungen der Variablen eingegangen wird, soll der vermutete Zusammenhang dargestellt werden.
Wregional = f (HK;I)regional
Daraufhin soll für die nationale Ebene untersucht werden, welcher Zusammenhang zwischen Good Governance (GG), und Wohlstandsentwicklung (W) besteht, wobei HK und I als erklärende Variablen beibehalten werden. Dieser Zusammenhang kann auf regionaler Ebene nicht untersucht werden, da für die einzelnen Regionen hierfür keine Daten vorliegen und Good Governance am besten auf nationaler Ebene gemessen werden sollte, da Regierungsführung innerhalb der Regionen stark mit der Regierungsführung auf nationaler Ebene verzahnt ist und beeinflusst wird und deshalb die Gefahr einer Verzerrung der Daten besteht.
Wnational = f (GG;I;HK)national
Die Datengrundlage für diese Untersuchung bilden die selbst erstellten Datensätze aus den vorgestellten statistischen Erhebungsinstituten. Ein wesentliches Ziel der Arbeit ist es, regionale Unterschiede innerhalb Brasiliens herauszuarbeiten. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse diskutiert, um danach die Hypothese zu falsifizieren bzw. zu verifizieren. Dabei beziehen sich alle Aussagen immer nur auf das vorliegende Datenmaterial.
Weiterhin werden nicht alle Variablen, die beobachtete kausale Effekte möglicherweise verzerren könnten, mit einbezogen. Nur durch die zielorientierte Untersuchung der von der Fragestellung und Hypothese abgeleiteten Konzepte kann eine klare Abgrenzung und Feststellung der Ergebnisse stattfinden.[99]
Verwendete Konzepte
Die Konzepte, die in dieser Arbeit verwendet werden, sind Humankapital, Investitionen, Wohlstand und Good Governance. Innerhalb dieser Konzepte kann eine Messung und schließlich eine Unterscheidung der einzelnen Regionen Brasiliens vorgenommen werden, um dann Schlussfolgerungen auf die Beziehung zwischen Humankapital, Investitionen, Wohlstand und Good Governance zu ziehen. Es soll untersucht werden, inwieweit Wohlstand mit Bildung bzw. Good Governance im Zusammenhang stehen.
Zunächst werden diese Konzepte definiert und ihnen Attribute zugewiesen, um sie klar voneinander zu unterscheiden und einzugrenzen. So wird verhindert, dass jedes verwendete Konzept gegebenenfalls keine eindeutige Bedeutung hat.[100]
Humankapital
Als Humankapital werden die auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Fertigkeiten eines Individuums bzw. Der Ausdruck für das allgemeine Qualifikationsniveau der Erwerbstätigen einer Volkswirtschaft bezeichnet.[101] Die Fähigkeit, sich Bildung anzueignen ist somit Grundvoraussetzung für Humankapital, da in den meisten Ländern keine staatlichen Ausbildungssysteme bestehen und Unternehmen ihre Fähigkeitsprofile mit ihren Angestellten selbst ausbilden müssen.
Investitionen
Als Investitionen sind Mittel zu verstehen, die zur Unterstützung und Beschleunigung des regionalen, sektoralen oder technologischen Strukturwandels eingesetzt werden. Diese können sowohl von staatlicher Seite als auch von privater (unternehmerischer) Seite getätigt werden.[102]
Wohlstand
Um den Wohlstand von Gesellschaften zu messen, müssen mehr Indikatoren erfasst werden als nur das BIP. Inhaltlich sollten Wohlstandsindikatoren alles einbeziehen, was den Wohlstand einer Gesellschaft ausmacht. Da allerdings jede Kultur (und jedes Individuum) Wohlstand unterschiedlich wahrnimmt und definiert, kann eine Verallgemeinerung nicht vorgenommen werden. Es ist jedoch unbestritten, dass das Wohlbefinden der Menschen von ihren materiellen und immateriellen Lebensumständen abhängen. Deshalb sollte ein Wohlstandsmaßstab vor allem eine wirtschaftliche Dimension und eine gesellschaftliche Dimension erhalten.[103] Zwar lassen sich über das BIP Aussagen zum materiellen Wohlstand treffen, jedoch können Verteilung der Einkommen und die Inflationsrate einer Währung nicht erfasst werden.[104] Sogenannte Mehrkomponentenindizes[105] wie der Human Development Index (HDI) fassen mehrere Einzelindikatoren oder Teilindizes in einen Gesamtindex zusammen. Als Wohlstandsindikatoren berücksichtigt der HDI die Lebensdauer, den Bildungsstand und den materiellen Lebensstandard.[106]
Dieser Logik folgend, wird in dieser Arbeit geprüft, ob der regionale Wohlstand mit regionalen Investitionen und regionalem Humankapital im Zusammenhang steht und ob der nationale Wohlstand von nationalen Investitionen, nationalem Humankapital und Good Governance abhängig ist. Dabei wird Wohlstand als materieller Zustand beschrieben, um den Zusammenhang gesellschaftlicher, extern materieller und (auf nationaler Ebene) politischer Faktoren zu prüfen.
Good Governance
Wie bereits beschrieben, sind die Kriterien für Good Governance je nach Land oder Organisation unterschiedlich.[107] Der Praxisbezug des Konzeptes zeigt sich in der großen Anzahl von empirisch erhobenen Indikatoren.[108] Angelehnt an den Worldwide Governance Index (WGI) der Weltbank[109] werden im weiteren Verlauf Korruption, Leistungsfähigkeit der Regierung, Rechtsstaatlichkeit, Verantwortlichkeit der Regierenden, politische Stabilität und Qualität der Ordnungspolitik näher betrachtet. Dabei werden die Strukturen der Regierungsführung untersucht, nicht der jeweilige Policy-Output, da z.B. Staatliche Programme oftmals durch NGOs, zivile Think Tanks, Unternehmen, Lobbys und/oder anderen Interessenverbänden geprägt, initiiert oder gar auf den Weg gebracht werden.[110]
Die Attribute, die den Terminus Humankapital in dieser Arbeit definieren, sind Alphabetisierungsgrad und Intensität der Schulbildung. Diese Attribute müssen wiederum in Indikatoren operationalisiert werden, mit denen eine Messung der Attribute vorgenommen werden kann.
Folgende Indikatoren werden für die Attribute des Konzeptes Humankapital verwendet:
- Alphabetisierungsgrad – gemessen mit dem prozentualen Analphabeten-Anteil der Bevölkerung: Der Anteil der Bevölkerung, der nicht lesen und schreiben kann, stellt einen effektiven Indikator für die Bildung dar, da die Alphabetisierung die Grundvoraussetzung für und Aneignung von weiterführender Bildung ist. Ohne diese Grundvoraussetzung wird die Ausbildung von Fachqualifikationen in den Unternehmen massiv behindert.
- Intensität der Schulbildung gemessen am Anteil der Bevölkerung, der über 14 Jahre Schulbildung erhalten hat: Anhand der Jahre, die sich ein Mensch in der Schule befindet, können Rückschlüsse auf die Bildung gezogen werden. Je länger eine Person die Schule besucht, umso mehr Bildung kann sie akkumulieren.
Das Konzept Investitionen wird durch folgende Attribute definiert: Infrastruktur und Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Unternehmen. Die Infrastruktur wird mit den Indikatoren Straßennetz in Kilometern und Zahlungen der Entwicklungsbank für öffentliche Güter operationalisiert.
- Infrastruktur – gemessen mit dem Ausbau des Straßennetzes in Kilometern. Anhand des Ausbaus von Straßen lässt sich der Anteil der staatlichen Investitionen in Infrastruktur messen. Zwar beinhaltet die Bereitstellung von, bzw. Investition in Infrastruktur weitere Faktoren, wie z.B. Frischwasserzugang, medizinische Versorgung, Elektrizität, Internet- und Telefonanschlüsse, etc., jedoch lässt die Investition in das Straßennetz Rückschlüsse auf staatliche Investitionen in andere infrastrukturelle Sektoren zu. Dieser Indikator wird in der regionalen Betrachtungsweise auf die jeweilige Region bezogen und in der nationalen Betrachtungsweise dementsprechend auf nationaler Ebene.
- Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Unternehmen – gemessen durch Zahlungen der Entwicklungsbank. Da die brasilianische Entwicklungsbank die zentrale Institution für die Vergabe von Krediten für private und staatliche Investitionsprojekte ist, lässt sich anhand der verschiedenen Zahlungen das Investitionsverhalten auf regionaler und nationaler Ebene messen.
Die Attribute, die den Terminus Wohlstand definieren, sind Einkommen, Inflation, Ungleichverteilung, Armutsanteil und Arbeitslosigkeit. Diese werden in folgende Indikatoren operationalisiert:
- Einkommen – gemessen am nominalen pro-Kopf-Einkommen (PKE): Das Pro Kopf Einkommen bildet den durchschnittlichen Geldbetrag, den ein Bürger zur Verfügung hat, ab. Zwar wird die Verteilung nicht abgebildet, jedoch ist ein Trend im regionalen Vergleich besser zu erkennen.
- Inflation – gemessen mit der jährlichen Inflationsrate in Prozent: Um eine Verzerrung des Wertes des PKE zu verhindern, wird die Inflationsrate mit berücksichtigt.
- Einkommensverteilung – gemessen mit dem Gini Koeffizient: Der Gini-Koeffizient als statistisches Maß für Ungleichverteilungen ist als Indikator für Wohlstand besonders geeignet, da die Einkommensverteilung in Regionen Chancengleichheit und Fairness in der Verteilung des Einkommens anzeigt.
- Armutsanteil – gemessen mit dem prozentualen Anteil der Bevölkerung, die in absoluter Armut[111] lebt: Um das Validitätsproblem des pro-Kopf-Einkommens abzufedern, wird der Anteil der Bevölkerung in absoluter Armut als Indikator für Wohlstand benutzt. Je größer dieser Anteil, desto geringer der Wohlstand in der Bevölkerung.
- Arbeitslosigkeit – gemessen mit der regionalen, prozentualen Arbeitslosenrate: Der Anteil der Bevölkerung, der arbeitslos ist, ist von der Chance, Einkommen zu akkumulieren, ausgeschlossen. Deshalb ist der Arbeitslosenanteil ein wichtiger Indikator um Wohlstand nachzuweisen.
Die Attribute, die den Terminus Good Governance definieren, sind Rechtsstaatlichkeit, Leitungsfähigkeit der Regierung, Korruption, Verantwortlichkeit, politische Stabilität und Qualität der Ordnungspolitik. Diese werden in rule of law, government effectiveness, control of corruption, accountability, political stability und regulatory quality operationalisiert:
- Rechtsstaatlichkeit – gemessen mit dem rule of law indicator des WGI. Erfasst wird dabei in welchem Ausmaß Institutionen, Unternehmen und Privatpersonen Vertrauen in das Rechtssystem haben, speziell in Vertragssicherheit, Eigentumsrechte, die Polizei, die Gerichte und die Abwendung sowie der Schutz vor Kriminalität und Gewalt.
- Leistungsfähigkeit der Regierung – gemessen mit dem government effectiveness indicator des WGI. Hier wird die Qualität der öffentlichen Verwaltung, die Abhängigkeit der Verwaltung von politischem Druck, die Qualität der Politikführung und die Glaubwürdigkeit der Regierung erfasst.
- Korruption – gemessen mit dem control of corruption indicator des WGI. Dieser erfasst das Ausmaß, in dem politische Macht zum privaten Vorteil genutzt wird und berücksichtigt dabei einzelne Korruptionsfälle und die Einflussnahme von Interessengruppen auf politische Vertreter.
- Verantwortlichkeit – gemessen mit dem accountability indicator des WGI. Damit werden die Verantwortlichkeit der Regierenden, Partizipation der Regierten in Wahlen und Wahrung der grundlegenden Menschenrechte erfasst.
- Politische Stabilität – gemessen mit dem political stability indicator des WGI. Dieser Indikator erfasst die politische Stabilität und die Abwesenheit von Gewalt im politischen Prozess.
- Qualität der Ordnungspolitik – gemessen mit dem regulatory quality indicator des WGI. So wird die Qualität der staatlichen Ordnungspolitik, im Besonderen bei der Gestaltung einer „gesunden“ und „marktfreundlichen“ Wirtschafts- und Finanzpolitik, erfasst.[112]
Verwendete Datensätze und betrachtete Zeiträume
Aufgrund der Zielsetzung in dieser Arbeit, müssen Daten verwendet werden, die einen Einblick in die regionalen Unterschiede Brasiliens erlauben. Deshalb können makroökonomische Daten aus den Statistiken der Weltbank, des IWF oder des UNDP nur partiell genutzt werden. Stattdessen werden im weiteren Verlauf auf die umfassenden Daten brasilianischer Datenerhebungen und Datenerhebungsinstitute zurückgegriffen, die im Folgenden näher erläutert werden.
Instituto Brasileiro de Geografica e Estatística (IBGE)
Das brasilianische Institut für Geographie und Statistik (IBGE) ist zuständig für statistische, geographische, kartographische, geodätische und umwelttechnische Information in Brasilien. Das IBGE führt alle zehn Jahre eine Volkszählung durch, wobei die Fragebögen Themenbereiche von Alter, Haushaltseinkommen, über Bildung bis Hygiene-Level abfragen. Des Weiteren bildet das Institut weitere Informationen über nationale Erhebungen ab, die jährlich, vierteljährlich oder monatlich durchgeführt werden und enthalten Daten über Bruttoinvestitionen, Entwicklung des Bruttoinland Produktes oder Konsumverhalten. Themenbereiche wie Demographie, Agrarwirtschaft, Industrieproduktion, Einkommen und Lohnentwicklung oder Human Development, erscheinen jedoch meist unregelmäßig im Abstand von mehreren Jahren. Das IBGE besteht aus 27 Einheiten – für jeden Bundesstaat und den Bundesdistrikt[113] eine – und 533 Einrichtungen, die für das Sammeln von Daten zuständig sind. Hauptsitz des Instituts, das der Bundesregierung unterstellt ist, ist in Rio de Janeiro.[114]
Instituto de Pesquisa Econômica Aplicada (IPEA)
Das Institut für Forschung der angewandten Wirtschaftswissenschaften (I-PEA) ist eine staatsfinanzierte Organisation, die auf makroökonomische, regionale und themenbezogene Studien spezialisiert ist. Aufgabe ist es, Policy[115] zu verbessern und zu der Planung der brasilianischen Entwicklung beizutragen. Die Arbeit des Instituts ist fokussiert auf sieben Themenbereiche:
1. Souveräne internationale Einbindung,
2. makroökonomischer Ansatz für Vollbeschäftigung,
3. Stärkung der staatlichen Institutionen und der Demokratie,
4. Erweiterung und regionale Kontrolle der Produktions- und Technologiestruktur,
5. wirtschaftliche, soziale und urbane Infrastruktur,
6. soziale Sicherung, Rechtssicherung und Chancengleichheit,
7. ökologische Nachhaltigkeit.
IPEA-Studien wie der Economic Sensor beinhalten beispielsweise die Erwartungen des Produktionssektors während der Development Quality Index die Nachhaltigkeit brasilianischer Entwicklung misst. Dazu hat das Institut 90 Kooperationsverträge mit Entwicklungsbüros und Statistikämtern abgeschlossen und unterhält projektorientierte Think Tanks an 27 Universitäten.[116]
Instituto Nacional de Estudos e Pesquisas Educacionais Anísio Teixeira (INEP)
Das nationale Institut für Studien und Umfragen zu Bildung, Erziehung und Ausbildung (INEP) ist eine staatliche Organisation des brasilianischen Bildungsministeriums. Ziel dieser Organisation ist es, durch die Erhebung von Daten im Bildungssektor, die Entwicklung der Bildungseinrichtungen, der Lehrkräfte-Ausbildung und der Qualität der Bildung in Brasilien zu dokumentieren. Dabei werden Daten über folgende Themenbereiche erhoben: Grundschulbildung (jährlich), weiterführende Schulbildung (jährlich), Verfügbarkeit von Studienplätzen und deren Auslastung (unregelmäßig), Auslastung und Verfügbarkeit von Universitäten (unregelmäßig), Verfügbarkeit von höherer Bildung im Allgemeinen (jährlich), Absolventen mit mittlerem Bildungsabschluss (jährlich), Zugangsmöglichkeit zu weiterführender Schulbildung (unregelmäßig) und Stichproben zur Grundschulbildung und mittleren Schulbildung (alle zwei Jahre erhoben).[117]
[...]
[1] Vgl. dazu The Economist, Catching up in a hurry, Heft vom 21.5.2011.
[2] Brasilien, Russland, Indien und China sind auch BRIC bekannt, vgl. dazu Martinez-Diaz, L., BRIC, 2009, S. 1.
[3] Vgl. dazu Kohlhepp, G., Führungsmacht, 2003, S. 1 ff.
[4] Vgl. dazu Busch, A., Wirtschaftsmacht, 2009, S. 1 ff.
[5] s. IBGE , in URL: www.ibge.gov.br/estatisticas, Stand: 05.07.2011.
[6] Vgl. dazu Kohlhepp, G., Führungsmacht, 2003, S. 48.
[7] s. IBGE, in URL: www.ibge.gov.br, Stand: 05.07.2011.
[8] Vgl. dazu Kevenhörster, P., Entwicklungspolitik, 2009, S. 13.
[9] Vgl. dazu ebd., S. 13.
[10] Vgl. dazu Andersen, U., Entwicklungspolitik/-hilfe, 2008, S.94.
[11] Vgl. dazu Nohlen, D., Entwicklung, 2010, S. 206.
[12] Vgl. dazu Kevenhörster, P., Entwicklungspolitik, 2009, S. 12.
[13] s. UN, in URL: http://www.un.org/documents/ga/res/41/a41r128.htm, Stand: 25.06.2011
[14] s. UNDP, in URL: http://hdr.undp.org/en/media/hdr_1990_en_front.pdf, Stand: 25.06.2011.
[15] Der Brundtland-Bericht wurde 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung verfasst. Er wurde nach dem Namen der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland bekannt, welche in besagter Kommission den Vorsitz hatte. Vgl. dazu Nohlen, D., Nachhaltigkeit, 2010, S. 635.
[16] s. World Commission on Environment and Development, in URL: http://upload.wikimedia.org/wikisource/en/d/d7/Our-common-future.pdf, Stand: 25.06.2011.
[17] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 6.
[18] Vgl. dazu Nohlen, D., Entwicklungspolitik, 2010, S. 210.
[19] Zum Interessengeflecht der Entwicklungspolitik vor dem Hintergrund der weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und NGO-Einfluss vgl. dazu Nuscheler, F., Entwicklungspolitik, 2007, S. 672 ff.
[20] Vgl. dazu Kevenhörster, P., Entwicklungspolitik, 2009, S. 13 ff.
[21] Der Begriff Entwicklungshilfe wird in der Literatur immer häufiger durch den Begriff der
„Entwicklungszusammenarbeit“ ersetzt, da „ [Entwicklungshilfe] einen paternalistischen und somit hierarchischen Unterton hat und die heute angestrebte Partnerschaftlichkeit mit den Entwicklungsländern nicht klar genug zum Ausdruckt bringt […]. [Entwicklungszusammenarbeit] bezeichnet das operative Geschäft, die praktische Durchführung von entwicklungspolitischen Programmen und Projekten in Planung, Durchführung und Evaluation.“ Ihne, H., Einführung, 2006, S. 4. International wird der Begriff „Official Development Assistance (ODA) benutzt, im Folgenden wird der Begriff „Entwicklungszusammenarbeit“ verwendet. s. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in URL: http://www.bmz.de/de/ministerium/zahlen_fakten/ Leitfaden_Was_ist_ODA.pdf, Stand: 26.06.2011.
[22] Vgl. dazu Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 2.
[23] Nohlen, D., Entwicklungstheorien, 2010, S. 210.
[24] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 9.
[25] Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 15
[26] Vgl. dazu Todaro, M., Development, 2009, S. 112 ff.
[27] Vgl. dazu Hess, P., Theories, 1997, S. 79 ff.
[28] Vgl. dazu Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 17.
[29] Solow erklärte Wachstum als Folge aus dem Einsatz von Arbeit, Kapital und Technologie in einer Volkswirtschaft durch die Flexibilität und die Austauschbarkeit der Faktoren wurde das Knife-Edge-Problem gelöst. Vgl. dazu Todaro, M., Development, 2009, S. 147 ff. und Hess, P., Theories, 1997, S. 80.
[30] Vgl. dazu Nohlen, D., Entwicklungstheorien, 2010, S. 210 ff.
[31] Vgl. dazu Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 22.
[32] Vgl. dazu Todaro, M., Development, 2009, S. 111.
[33] Vgl. dazu Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 30 ff.
[34] Todaro, M., Development, 2009, S. 115.
[35] Vgl. dazu Hess, P., Theories, 1997, S. 79 ff.
[36] Vgl. dazu Todaro, M., Development, 2009, S. 118 ff.
[37] Boeckh, A., Dependencia, 2010, S. 158.
[38] „Importsubstitution war die von den bereits in den Weltmarkt eingebundenen späteren Entwicklungsländern (hauptsächlich in Lateinamerika) gewählte Industrialisierungsstrategie, mit der die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre zu überwinden versucht wurde. Sie brachte zunächst Wachstumserfolge, war jedoch an Protektionismus, die bestehende Nachfrage und hohen Investitionsgüterimportbedarf gebunden und konnte sich nicht zur Massennachfrage bzw. zu kompetitiver Wettbewerbsfähigkeit der Industriegüter weiterentwickeln. Das Scheitern der importsubstituierenden Industrialisierung war damit gewissermaßen vorprogrammiert und offenbarte sich spätestens mit der Verschuldungskrise der 1980er Jahre.“ Nohlen, D., Importsubstitution, 2010, S. 385.
[39] Vgl. dazu Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 38 ff.
[40] Vgl. dazu Nohlen, D., Entwicklungstheorien, 2010, S. 210.
[41] Vgl. dazu Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 59.
[42] Frank, A., Capitalism, 1967, S. 9.
[43] Vgl. dazu Frank, A., Capitalism, 1967, S. 221.
[44] Vgl. dazu Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 65 ff.
[45] Vgl. dazu Boeckh, A., Dependencia, 2010, S. 158.
[46] Vgl. dazu Nohlen, D., Entwicklungstheorien, 2010, S. 210.
[47] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 9.
[48] Nuscheler, F., Entwicklungstheorien, 2001, S. 390.
[49] Vgl. dazu Többe Gonçalves, B., Entwicklungstheorie, 2005, S. 3.
[50] Informationen zur politischen Bildung, Heft 264, s. in URL: http://www.bpb.de/die_bpb/
03691384148770781477279956787089,0,0,Strukturanpassung_und_Verschuldung.html, Stand: 14.07.2011.
[51] Vgl. dazu Nuscheler, F., Entwicklungspolitik, 2006, S. 632.
[52] Zum Ansatz der Strukturanpassung vgl. dazu Dollar, D., Structural Adjustment, 2000, S.
894 ff.
[53] Vgl. dazu Nuscheler, F., Entwicklungstheorien, 2001, S. 391.
[54] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 14.
[55] Andere Wissenschaftler vertreten jedoch auch die Meinung, Großtheorien seien notwendig, um beobachtete Phänomene einzuordnen und deutbar zu machen. Nur die strukturelle Stabilität eines Rahmenkonzeptes erlaube dies. Diese Rahmenkonzepte müssten mit empirischen Befunden und Teiltheorien gefüllt werden. Vgl. dazu Thiel, R., Neubewertung, S. 3 ff.
[56] Nohlen, D., Entwicklungstheorie, 2010, S. 211.
[57] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 19 ff.
[58] Vgl. dazu Nohlen, D., Entwicklungstheorie, 2010, S. 213.
[59] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 19.
[60] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 17.
[61] Vgl. dazu Thiel, R., Neubewertung, 2001, S. 30 ff.
[62] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 69 ff.
[63] Nohlen, D., Entwicklungstheorie, 2010, S. 212.
[64] Nuscheler, F., Entwicklungspolitik, 2006, S. 223.
[65] Dazu zählen die ländliche Entwicklung, der städtische informelle Sektor, Frauen, Kultur und NGOs. Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 35 ff.
[66] Vgl. dazu Hahne, U., Regionalentwicklung, 1985, S. 52.
[67] Vgl. dazu Schätzl, L., Wirtschaftsgeographie, 1996, S. 150 ff.
[68] Vgl. dazu Hahne, U., Regionalentwicklung, 1985, S. 53 ff.
[69] Der Empowerment-Ansatz stammt ursprünglich aus dem Bereich der Sozialpädagogik und umfasst Strategien und Maßnahmen, Menschen dabei zu helfen, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen. Im Mittelpunkt stehen benachteiligte Bevölkerungsgruppen und die Stärkung ihrer Potentiale. Erstmals wurde das Empowerment-Konzept 1985 in Form des Manifests „Development, Crisis and Alternative Visions“ vorgestellt. Vgl. dazu Sen, G., Alternative Visions, 1985, S. 16 ff.
[70] Vgl. dazu Nohlen, D., Entwicklungstheorien, 2010, S. 212.
[71] Dies ist auch unter der Bezeichnung des „neuen strategischen Konsens“ bekannt. Vgl. dazu Betz, J., Beiträge, 2003, S. 275 ff.
[72] Die MDG – Millenium Development Goals wurden 2000 von der Weltbank, dem IWF, verschiedenen NGOs und der OECD definiert. Sie wurden in acht Haupt- und 18 Teilziele untergliedert, die anhand von 45 Indikatoren überprüft werden sollen. Die meisten dieser Ziele sind mit zeitlichen Vorgaben bis 2015 versehen. Die acht Hauptziele sind Beseitigung der extremen Armut und des Hungers, Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung, Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter, Senkung der Kindersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheit von Müttern, Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Infektionskrankheiten, Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft. s. UNMP, in URL: http://www.endpoverty2015.org/, Stand: 27.06.2011.
[73] Zu Poverty Reduction Strategy Papers, Budgethilfe, Frieden und Sicherheit und erweiterter Entschuldungsinitiative vgl. dazu Asche, H., Armutsfalle, 2006, S. 1 ff.
[74] Vgl. dazu Asche, H., Armutsfalle, 2006, S. 1.
[75] Zu weiteren Entwicklungsstrategien wie Participatory Development, Sustainable Development, Human Development und systemischer Wettbewerbsfähigkeit vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 46 ff.
[76] s. UNMP, in URL: http://www.unmillenniumproject.org/reports/fullreport.htm, Stand: 27.06.2011.
[77] Dazu wurde 2005 die sog. Pariser Erklärung verabschiedet, die neuere Entwicklungen und Erkenntnisse in der Entwicklungszusammenarbeit festlegte und aus den Eckpunkten Ownership (Partnerländer haben die Federführung und auch die Verantwortung bei jedem Entwicklungsprozess), Alignment (partnereigene Einrichtungen werden genützt), Harmonisierung (Unterschiedliche Einrichtungen und Organisationen koordinieren sich), Ergebnisorientierung (zwölf Fortschrittsindikatoren und Zielvorgaben für 2010 mit dem Fokus auf dem Ergebnis von Entwicklungszusammenarbeit) und gegenseitiger Rechenschaftspflicht (Geber- und Nehmerländer informieren sich über ihre Ergebnisse und führen gegenseitige Bewertungen durch) besteht, s. OECD, in URL: http://www.oecd.org/ dataoecd/37/39/35023537.pdf, Stand: 14.07.2011.
[78] Vgl. dazu Todaro, M., Development, 2009, S. 167 ff.
[79] Vgl. dazu Asche, H., Armutsfalle, S. 5.
[80] Vgl. dazu Collier, P., Milliarde, 2008, S. 133.
[81] s. Worldbank, in URL: http://www-wds.worldbank.org/external/default/WDSContentServer/ IW3P/IB/2008/04/14/000158349_20080414093531/Rendered/PDF/wps4519.pdf, Stand:
27.06.2011.
[82] s. Center for International Development at Harvard University, in URL: http://www.cid.harvard.edu/cidtrade/issues/washington.html, Stand: 28.06.2011.
[83] Czada, R., Good Governance, 2009, S. 204.
[84] „Während die BRD und die USA [Good Governance] eher auf die Gewährleistung einer unabhängigen und fest institutionalisierten Rechtsprechung abheben, setzt Schweden primär auf die Effizienzsteigerung der Öffentlichen Verwaltung; die britische Entwicklungspolitik verbindet mit [Good Governance] dagegen in erster Linie die Rechenschaftspflicht der Regierung gegenüber anderen staatlichen Institutionen und der Gesellschaft.“ Grotz, F., Good Governance, 2010, S. 340.
[85] Dies ist zurückzuführen auf die Sachs-Easterly Diskussion, in diese beiden Ansätze kontrovers behandelt wurden, vgl. dazu Sharma, S., Extreme Poverty, 2007, S. 245 ff.
[86] Vgl. dazu Asche, H., Armutsfalle, 2006, S. 50.
[87] Vgl. dazu Schneider, R., Powerhouse, 1996; Schneider, R., Order, 1991.
[88] Vgl. dazu Smith, J., History, 2002.
[89] Vgl. dazu Neri, M., Distribution, 2009.
[90] Vgl. dazu Martinez-Diaz, L., BRIC, 2009.
[91] Vgl. dazu Mols, M., Lateinamerika, 2007.
[92] Vgl. dazu Roett, R., Century‘s End, 1997.
[93] Vgl. dazu Boeckh, A., Gigant, 2003.
[94] Vgl. dazu Kohlhepp, G., Führungsmacht, 2007.
[95] Vgl. dazu Sangmeister, H., Weltwirtschaft, 2007.
[96] Vgl. dazu Busch, A., Wirtschaftsmacht, 2009.
[97] Vgl. dazu Mürle, H., Scheitern, 1997, S. 27.
[98] Vgl. dazu Coy, M., Regionalentwicklung, 2003, S. 215 ff.; Neri, M., Distribution, 2009, S. 222.
[99] „Alle Theorien bauen auf bestimmten fundamentalen ontologischen Annahmen auf, von denen sie nicht losgelöst werden können. [...] Aus der Notwendigkeit theoretischer Konsistenz folgt, dass rivalisierende Theorien häufig nicht in einem einzigen empirischen Modell gegeneinander getestet werden können. Wenn diese Theorien auf fundamental unterschiedlichen Annahmen aufbauen, würde ein solcher Test keinerlei valide Schätzung kausaler Effekte erlauben und daher nicht dazu beitragen, den relativen Erfolg der rivalisierenden Theorien zu beurteilen. Wenn beispielsweise eine Theorie das Abstimmungsverhalten von Parlamentariern als rationales, eigeninteressiertes Handeln unter unterschiedlichen strukturellen Anreizen erklärt, sollte in ein Modell nicht gleichzeitig eine unabhängige Variable wie kulturelle Normen integriert werden, der ein anderes Handlungskalkül (regelkonformes Verhalten) zugrunde liegt. Ein solches Modell ließe sich zwar empirisch schätzen, seine Ergebnisse könnten aber nicht in sich konsistent interpretiert werden.“ Sieberer, U., Auswahl, 2007, S. 256 ff.
[100] „Die Konzeptspezifikation bezeichnet den Schritt bei der Durchführung eines Forschungsprojektes, in dem der Forscher die Attribute derjenigen Konzepte definiert und expliziert, die er in seiner Forschung verwendet.“ Wonka, A., Um was geht es?, 2007, S. 65.
[101] Vgl. dazu Thibaut, B., Humankapital, 2010, S. 378.
[102] Vgl. dazu Schubert, K., Investitionspolitik, 2010, S. 444.
[103] Vgl. dazu Wahl, S., Wohlstandsquartett, 2010, S. 13.
[104] Vgl. dazu Butzmann, E., Wohlstand, 2010, S. 10 ff.
[105] Zu weiteren Mehrkomponentenindizes vgl. dazu Butzmann, E., Wohlstand, 2010, S. 22 ff.
[106] s. UNDP, in URL: http://hdr.undp.org/en/media/HDR_20072008_EN_Technical_notes.pdf, Stand: 27.06.2010.
[107] Vgl. dazu Grotz, F., Good Governance, 2010, S. 340 ff.
[108] Vgl. dazu Czada, R., Good Governance, 2009, S. 205.
[109] s. Worldwide Governance Indicators, in URL: http://info.worldbank.org/governance/wgi/index.asp, Stand: 28.06.2011.
[110] Zur Übersicht über internationale Indexkonstruktionen und Kriterien für Good Governance vgl. dazu Czada, R., Good Governance, 2009, S. 205 ff.
[111] Hier wird die Definition der absoluten Armut verwendet, die die Nichtbefriedigung der Grundbedürfnisse als absolute Armut festlegen. Die Grundbedürfnisse sind Hungerstillung, Gesundheitserhaltung und Unterkunft. Vgl. dazu Ravaillon,M., Dollar, 2009, S. 165 ff.
[112] s. WGI, in URL: http://info.worldbank.org/governance/wgi/resources.htm, Stand: 28.06.2011.
[113] Die Brasilianischen Staaten und der Bundesdistrikt sind wie folgt in Regionen eingeteilt:
s. IBGE, in URL: http://www.ibge.gov.br/home/, Stand: 14.06.2011.
[114] s. IBGE, in URL: http://www.ibge.gov.br/home/, Stand: 14.06.2011.
[115] „Policy, politikwiss. Anglizismus, bezeichnet die inhaltliche bzw. materielle Dimension der Politik. Der Fachterminus bildet zusammen mit der formalen und prozessualen Dimension die Trias der Politikbegriffe. [Policy] wird im deutschsprachigen Raum üblicherweise in sog. Bindestrich-Politiken angewandt (Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschaftspolitik etc.) bzw. unter der Generalisierung Staatstätigkeit subsumiert.“ Schubert, S., Policy, 2010, S. 742.
[116] s . I P E A , i n U R L : http://www .ipea.gov .br/portal/index.php? option=com_content&view=article&id=1226&Itemid=68, Stand: 18.06.2011.
[117] s. INEP, in URL: http://portal.inep.gov.br/conheca-o-inep, Stand: 18.06.2011.
- Citar trabajo
- Christoph Blepp (Autor), Esther Kemmer (Autor), Dominic Vaas (Autor), Franz Melf (Autor), 2013, Brasilien im Wandel. Politik zwischen sozialem Chaos und Wirtschaftsaufschwung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232933
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