Zentrales Anliegen dieser Diplomarbeit ist die Beleuchtung der Ziele, Instrumente und Ergebnisse der Exzellenzinitiative. Dies geschieht vor einem globalen Hintergrund, welcher die Notwendigkeit von Reformen im deutschen Hochschul- und Forschungssystem belegen soll.
Theoretische Grundlage der Arbeit ist die Humankapitaltheorie,die einführend im zweiten Kapitel erläutert wird. Daran anschließend werden im dritten Kapitel gesellschaftliche Entwicklungen aufgezeigt,die zu einer Veränderung des Anspruchs an das Hochschul- und Forschungssystem und damit einhergehend zu einer Veränderung des Bildungsbegriffs geführt haben. Das vierte Kapitel schildert die bisher in Europa und Deutschland unternommenen Bemühungen auf Hochschulebene, während sich das zentrale fünfte Kapitel der Darstellung und ökonomischen Analyse der Exzellenzinitiative widmet. Es wird beschrieben, welche Entwicklungen diese hervorgerufen haben, welche Schwächen, aber auch Stärken, aufgedeckt wurden; ebenfalls, welche Reaktionen aus inländischen Unternehmenskreisen sowie dem Ausland zu vernehmen waren. Abschließend möchte der Verfasser im sechsten und letzten Kapitel die Arbeitsergebnisse zusammen-fassen und den Versuch unternehmen, unter Beachtung globaler Entwicklungen einen Ausblick in die Zukunft zu geben.
Wie es der Titel verlautbart, ist es Ziel dieser Diplomarbeit, die Exzellenzinitiative aus volkswirtschaftlicher Sicht zu untersuchen. Den Reformbedarf des Hochschulsystems abschließend in all seinen Facetten und Perspektiven zu thematisieren, würde den Umfang dieser Arbeit sprengen; der Verfasser ver- zichtet deshalb bewusst auf juristische bzw. pädagogische Ausführungen. Es soll stattdessen aufgezeigt werden, dass die Exzellenzinitiative kein zusammenhangsloses, allein stehendes Projekt ist, sondern Konsequenz aus mehr als zehn Jahren intensiver deutscher Bemühungen um die Reformierung des deutschen Hochschulsystems. Hochgestecktes Ziel deutscher Spitzen aus Politik, Wirtschaft und Hochschullandschaft ist und bleibt es dabei, das deutsche Hochschulsystem international konkurrenzfähig zu machen, es, wenn nicht zum besten, so doch zu einem weltweit führenden der Welt zu entwickeln.
I. Inhaltsverzeichnis
II. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitende Bemerkungen
2. Humankapitaltheorie
2.1 Entstehung und Entwicklung
2.2 Leitgedanken
2.3 Politik und Humankapitaltheorie
3. Gesellschaftliche Entwicklungen
3.1 Die Wissensgesellschaft
3.1.1 Konzept der Wissensgesellschaft
3.1.2 Kritik der Wissensgesellschaft
3.2 Anforderungen an den Einzelnen und Neuausrichtung des Bildungsverständnisses
3.3 Entwicklungen im Hochschulsystem
3.3.1 Bachelor- und Masterisierung
3.3.2 Studiengebühren
4. Entwicklungen in Europa und Deutschland
4.1 Der Bologna-Prozess
4.2 Der Hochschulpakt 2020
5. Exzellenzinitiative
5.1 Ziele und Beweggründe
5.2 Förderlinien und Ergebnisse
5.2.1 Bemerkungen genereller Art
5.2.2 Graduiertenschulen
5.2.3 Exzellenzcluster
5.2.4 Zukunftskonzepte
5.3 Volkswirtschaftliche Analyse
6. Schlussbemerkungen
III. Anhangsverzeichnis
IV. Literatur- und Quellenverzeichnis
II. Abkürzungsverzeichnis
Grundlage der in der Diplomarbeit verwendeten Abkürzungen ist der Duden.
Im Folgenden werden Abkürzungen aufgeführt, die nicht Bestandteil des Dudens sind:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitende Bemerkungen
Am 18. Juli 2005 vereinbarte die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung mit der „Exzellenzvereinbarung“ die Durchführung eines Hochschulförderungsprogramms, gemeinhin als „Exzellenzinitiative“ bezeichnet. Ziel dieses mit 1,9 Mrd. Euro aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen finanzierten Projektes ist es, „den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und Spitzen im Universitäts- und Wissenschaftsbereich sichtbarer zu machen.“[1]
Bund und Länder unternahmen in der Absicht, das deutsche Hochschul- und Forschungssystem zu verbessern, weitere Schritte: So wurden kurz vor der Exzellenzvereinbarung am 23. Juni 2005 der „Pakt für Forschung und Innovation“ und im Jahre 2007 der „Hochschulpakt 2020“ beschlossen; selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich im vergangenen Jahr 2008 in die Debatte ein und initiierte den „Bildungsgipfel“.
Auf diesem unterzeichneten am 22. Oktober 2008 die Bundeskanzlerin im Namen der Bundesregierung und die Regierungschefs der Länder die sogenannte Qualifizierungsinitiative für Deutschland „Aufstieg durch Bildung“. In ihr wurden mehrere politische Ziele formuliert, beispielsweise sollen in naher Zukunft 40 v. H. eines Jahrgangs ein Studium aufnehmen, außerdem bis 2015 die Bildungsausgaben auf 10 v. H. des Bruttoinlandsproduktes angehoben werden.[2] Zum Vergleich: Im Jahre 2008 lag die Quote derer, die ein Studium aufnahmen, bei 39,3 v. H.[3] und jene der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, auf das Jahr 2006 bezogen, bei schätzungsweise 6,2 v. H.[4]
Es scheint breiter gesellschaftlicher Konsens zu sein, dass das deutsche Bildungs-, im Speziellen das deutsche Hochschulsystem, Reformen und höhere Ausgaben nötig habe. Vermehrt werden Forderungen nach größeren Bildungs-investitionen laut, jedoch darf man annehmen, dass diese nicht nur um der Bildung selbst willen gefordert werden, ihnen vielmehr auch, wenn nicht offenkundig ausgesprochen, so doch unterschwellig ökonomische Überlegungen zu Grunde liegen. Die aktuellen globalen Entwicklungen überschauend, lässt sich mit einiger Gewissheit sagen, dass sich im 21. Jh. die weltwirtschaftlichen Gewichte neu ausrichten werden.
So wird sich ausgehend vom Jahre 2009 die in Deutschland lebende Bevölkerung nach Berechnungen der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung im Jahre 2050 voraussichtlich um fast 15 v. H. auf 71,4 Mio. Einwohner verringert haben. Ähnliches gilt für Europa insgesamt: Die Demographen erwarten im selbigen Zeitraum einen Bevölkerungsrückgang im Umfang von 36 Mio. auf 702 Mio. Einwohner. Die Bevölkerung Asiens wird demgegenüber stark anwachsen: Momentan leben dort 4,12 Mrd. Menschen; für das Jahr 2050 werden 5,46 Mrd. Einwohner prognostiziert, was einem Zuwachs von mehr als einem Drittel entspricht. Nimmt man für das Jahr 2050 eine Weltbevölkerung in Höhe von 9,42 Mrd. an, werden allein in Asien fast 60 v. H. aller Menschen leben. Der Anteil Europas an der Weltbevölkerung wird hingegen von heute 11 auf dann 7,5 v. H. gesunken sein.[5]
Asiens rasante Bevölkerungsentwicklung wird selbstverständlich nicht ohne Weiteres zu einer Verschiebung der weltwirtschaftlichen Gewichte führen. Gerade im 19. und 20. Jh. waren es Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika, die trotz verhältnismäßig geringer Anteile an der Weltbevölkerung, jedoch infolge politischer bzw. militärischer Hegemonie, verbunden mit technologischer Überlegenheit, den Großteil der Erde dominierten. Heute sehen sich dagegen die ehemals unangefochtenen Wirtschaftsnationen, darunter auch Deutschland, ernstzunehmenden asiatischen Konkurrenten gegenüber, genannt seien stellvertretend China und Indien.
Einer Reihe dieser Länder gelingt es, infolge ihres scheinbar unerschöpflichen Arbeitskräftepotentials und nicht zuletzt aufgrund ihrer bedeutenden Rohstoffvorkommen[6] sowie den daraus resultierenden Exportgewinnen, den Prozess der Industrialisierung nachzuholen und zu den etablierten Industriestaaten aufzuschließen. Schon ganze Branchen der Fertigungsindustrie wurden aus europä-ischen Staaten in den asiatischen Wirtschaftsraum verlagert.
Hiervon sind auch viele deutsche Arbeitsplätze betroffen, insbesondere in Bereichen, für welche lediglich eine geringe Qualifikation benötigt wird und das hiesige Lohnniveau kaum mit dem der aufstrebenden Staaten Asiens konkurrieren kann. Bedingt sind solche Entwicklungen durch die fortschreitende Globalisierung, die es für deutsche und andere Unternehmen angesichts verhältnismäßig niedriger Transportkosten attraktiv macht, statt in Deutschland bzw. Europa, in Fernost zu produzieren. Dabei ist es in Anbetracht des vonstattengehenden Technologietransfers absehbar, dass die in Branchen der Spitzentechnologie führenden westlichen Industrienationen dort ebenfalls verstärkt in Konkurrenz zu asiatischen Marktteilnehmern treten müssen.
Es ist deshalb für deutsche Unternehmen von außerordentlicher Bedeutung, den vorhandenen Technologievorsprung, beispielsweise in der Umweltbranche, gegenüber asiatischen Konkurrenten aufrechtzuerhalten bzw. auszubauen. Erforderlich dafür sind hohe Innovationsbereitschaft und die Fähigkeit, neue Produkte sowie Forschungsergebnisse gewinnbringend auf dem Markt umzusetzen; des Weiteren gut ausgebildete, innovations- und leistungsfähige Mitarbeiter. Da diese zu einem Großteil aus dem vorhandenen Bildungssystem rekrutiert werden, kommt jenem, im Speziellen dem Hochschulsystem, eine Schlüsselstellung bei der Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jh. zu. Deutschland verfügt bekanntlich nicht über ein solch umfangreiches Arbeitskräftereservoir wie asiatische Länder, auch finden sich hierzulande nur wenige Rohstoffvorkommen; gelänge es jedoch, exzellenten Nachwuchs auszubilden, könnte Deutschland andere wichtige Handelswaren auf dem Weltmarkt anbieten: Maßstab setzende Produkte basierend auf hohem technologischen Wissen und innovativem Spitzenpersonal. Solche Profit generierenden Ressourcen ermöglichten es dann, den Wohlstand des deutschen Gemeinwesens zu halten, unter Umständen sogar zu steigern.
Diese Überlegungen stellen einen der Gründe dar, derentwegen die Bundesrepublik Deutschland mehrere grundlegende Reformen und Projekte, darunter oben umrissene Exzellenzinitiative, im Hochschulsystem angestoßen hat. Trotz angespannter Haushaltslage und den immensen Belastungen der öffentlichen Hand durch die Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise sind sich alle politischen Kräfte in Deutschland einig, dass das Bildungssystem höherer Zuwendungen bedürfe. Es sei gewissermaßen Wohlstandsfrage, über exzellent und umfassend ausgebildeten deutschen Nachwuchs zu verfügen, gerade in Branchen, in denen Deutschland eine globale Führungsposition einnimmt bzw. die begründete Aussicht besteht, eine solche zu erlangen.
Zentrales Anliegen dieser Diplomarbeit ist die Beleuchtung der Ziele, Instrumente und Ergebnisse der Exzellenzinitiative. Dies geschieht vor einem globalen Hintergrund, welcher die Notwendigkeit von Reformen im deutschen Hochschul- und Forschungssystem belegen soll. Theoretische Grundlage der Arbeit ist die Humankapitaltheorie, die einführend im zweiten Kapitel erläutert wird. Daran anschließend werden im dritten Kapitel gesellschaftliche Entwicklungen aufgezeigt, die zu einer Veränderung des Anspruchs an das Hochschul- und Forschungssystem und damit einhergehend zu einer Veränderung des Bildungsbegriffs geführt haben. Das vierte Kapitel schildert die bisher in Europa und Deutschland unternommenen Bemühungen auf Hochschulebene, während sich das zentrale fünfte Kapitel der Darstellung und ökonomischen Analyse der Exzellenzinitiative widmet. Es wird beschrieben, welche Entwicklungen diese hervorgerufen haben, welche Schwächen, aber auch Stärken, aufgedeckt wurden; ebenfalls, welche Reaktionen aus inländischen Unternehmenskreisen sowie dem Ausland zu vernehmen waren. Abschließend möchte der Verfasser im sechsten und letzten Kapitel die Arbeitsergebnisse zusammenfassen und den Versuch unternehmen, unter Beachtung globaler Entwicklungen einen Ausblick in die Zukunft zu geben.
Wie es der Titel verlautbart, ist es Ziel dieser Diplomarbeit, die Exzellenzinitiative aus volkswirtschaftlicher Sicht zu untersuchen. Den Reformbedarf des Hochschulsystems abschließend in all seinen Facetten und Perspektiven zu thematisieren, würde den Umfang dieser Arbeit sprengen; der Verfasser verzichtet deshalb bewusst auf juristische bzw. pädagogische Ausführungen. Es soll stattdessen aufgezeigt werden, dass die Exzellenzinitiative kein zusammenhangsloses, allein stehendes Projekt ist, sondern Konsequenz aus mehr als zehn Jahren intensiver deutscher Bemühungen um die Reformierung des deutschen Hochschulsystems. Hochgestecktes Ziel deutscher Spitzen aus Politik, Wirtschaft und Hochschullandschaft ist und bleibt es dabei, das deutsche Hochschulsystem international konkurrenzfähig zu machen, es, wenn nicht zum besten, so doch zu einem weltweit führenden der Welt zu entwickeln.[7]
2. Humankapitaltheorie
Die Humankapitaltheorie stellt den inhaltlichen Kern einer verhältnismäßig jungen volkswirtschaftlichen Teildisziplin dar, nämlich der Bildungsökonomie. Sie entstand zu Beginn der 1960er Jahre und untersucht den Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau eines Individuums und dessen Einkommensverhältnissen. Basierend auf dieser mikroökonomischen Betrachtung befasst sich der makroökonomische Part dieser Theorie mit der Frage, ob und inwieweit Investitionen in Bildung das Wirtschaftswachstum und damit einhergehend den Wohlstand einer Gesellschaft beeinflussen.
Wenngleich die Humankapitaltheorie ihre genaue wissenschaftliche Entwicklung und Ausformung in den 1960er Jahren erfuhr, so sind bereits bei Adam Smith erste humankapitaltheoretische Ansätze auffindbar: „der Arbeitslohn schwankt je nach der Leichtigkeit und Wohlfeilheit, oder der Schwierigkeit und Kostspieligkeit, das Geschäft zu erlernen. Wenn eine kostspielige Maschine errichtet ist, wird die durch sie gelieferte ungemein umfangreiche Arbeit das für ihre Herstellung bis zu ihrer Abnutzung ausgelegte Kapital wenigstens mit den gewöhnlichen Gewinnen wieder ersetzen müssen. Ein Mensch, der mit viel Arbeit und Zeit zu einem der Geschäfte erzogen wurde, die ungewöhnliche Fertigkeit und Geschicklichkeit einfordern, kann mit einer solchen kostspieligen Maschine verglichen werden. Die erlernte Arbeit wird, wie zu erwarten ist, ihm über dem üblichen Lohn für gemeine Arbeit alle Kosten seiner Erziehung wenigstens mit dem gewöhnlichen Gewinn eines gleich wertvollen Kapitals wieder ersetzen.“[8] Folgt man Smith, ist Kapital derjenige Teil eines Vermögens, mit dem dessen Eigentümer in die Lage versetzt ist, Einkommen zu erzielen; dabei kann es sich um das Kapital eines Einzelnen, einer Unternehmung, aber auch um das einer Volkswirtschaft handeln.[9] Durch obige Übertragung des Kapitalbegriffs auf die Fähigkeiten und Talente von Individuen sowie deren Bildungsniveaus unterstellt er, dass diese Kapitalien zum Einkommen derselben, nämlich der Kapitaleigentümer, einen nicht zu vernachlässigenden Teil beitrügen. Weiterhin vertritt Smith die Ansicht, dass Erträge aus solchem als Humankapital bezeichneten Vermögen nicht nur dem Eigentümer selbst, sondern auch der Gesellschaft insgesamt, welcher der Einzelne angehört, zu Gute kommen.[10]
Noch heute basiert die moderne Humankapitaltheorie auf diesen Überlegungen[11], wenngleich sich das theoretische und empirische Fundament selbiger um ein Vielfaches verbreitert hat.
Im Folgenden zeichnet der Verfasser die Entstehungsgeschichte der Humankapitaltheorie nach (Kapitel 2.1), verdeutlicht zentrale Positionen (Kapitel 2.2) und untersucht, inwiefern diese Eingang in die politische, vornehmlich bildungspolitische Diskussion gefunden haben (Kapitel 2.3). Ziel ist es dabei, dem Leser die Grundzüge und das Wesen einer Theorie näherzubringen, welche außerhalb der ökonomischen Disziplin, beispielsweise auf dem Felde der Pädagogik, als Ausdruck um sich greifender ökonomistischer Tendenzen aufgefasst wird und nach Dafürhalten des Verfassers, allzu leichtfertig heftigen, teils unbegründeten Angriffen ausgesetzt ist.
In den weiteren Ausführungen werden die beiden Begriffe „Bildungsökonomie“ und „Humankapitaltheorie“, auch unter dem Aspekt stilvoller Textgestaltung, synonym verwendet. Inhaltlich ist dies damit zu erklären, dass bildungsökonomische Fragestellungen Anfang der 1960er Jahre den Grundstein für die Entwicklung der Humankapitaltheorie legten und diese wiederum bis heute zentrales Element jedweder bildungsökonomischen Betrachtung ist. Des Weiteren bezieht sich der Verfasser, wissentlich andere Bildungsformen außer Acht lassend, bei seinen Ausführungen auf die Bildungsinvestition „Studium“. Dies liegt nahe, wird doch im Rahmen dieser Arbeit mit der Exzellenzinitiative ein in besonderem Maße die Hochschullandschaft tangierendes Thema erörtert.
2.1 Entstehung und Entwicklung
Am Ende der 1950er Jahre befassten sich mehrere US-amerikanische Ökonomen, darunter Theodore W. Schultz und Robert M. Solow, mit dem Wirtschaftswachstum der USA in der ersten Hälfte des 20. Jh.[12] Sie versuchten dabei, die erzielten Wachstumsraten mittels der beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Sachkapital zu ergründen, stießen jedoch auf beträchtliche Probleme, da sich enorme Differenzen zwischen genannten Wachstumsraten und den Renditeberechnungen für die beiden Faktorgrößen einstellten. Der „unerklärte Rest“[13] bereitete den Ökonomen große Probleme, zumal dieser so hoch war, dass es schwerfiel, ihn als Produkt von Messfehlern bzw. Berechnungsungenauigkeiten zu ignorieren. Schließlich war es Schultz, welcher Anfang der 1960er Jahre einen Messfehler anderer Art darin erkannte, dass man die Qualitätssteigerungen des Produktionsfaktors Arbeit, sprich ein erhöhtes Bildungsniveau der Arbeitskräfte, nicht in die Renditeberechnungen mit einbezog. Dieser Erkenntnis folgend, implementierte er neben den bereits vorhandenen Größen Sachkapital und Arbeit den Faktor „Humankapital“ in die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion und konnte dadurch die Differenz zwischen den Wachstumsraten einerseits und den nun drei Produktionsfaktoren andererseits erheblich verkleinern; hiermit gelang ihm der Nachweis, dass sich der unerklärte Rest zu einem Großteil aus dem Faktor Humankapital zusammensetzte.
Schultz gilt mit seinen Berechnungen als einer der Begründer der Humankapitaltheorie, demonstrierten doch diese, dass das Wachstum des US-amerikanischen Sozialprodukts von 1929 bis 1956 zu 21 bis 40 v. H. auf den Faktor Humankapital zurückzuführen seien.[14] Die Erweiterung der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion um die Größe Humankapital führte zu dem Schluss, dass mittels Investitionen in Bildung das wirtschaftliche Wachstum einer Volkswirtschaft stimuliert werden könne. Bildung wird demnach nicht länger als rein konsumtive, sondern ebenso als investive Tätigkeit betrachtet.[15]
Neben den durch Bildungsinvestitionen entstehenden Erträgen für die Gesellschaft, welche man als „soziale Erträge“ bezeichnet, existieren des Weiteren sogenannte „private Erträge“, welche dem zu Gute kommen, der über die entsprechende Bildung verfügt. Wurde zunächst auf die Berechnung und Erforschung der sozialen Erträge fokussiert, betont man heute stärker die privaten Renditen des Einzelnen, was unter anderem damit zusammenhängt, dass es sich als kompliziert erweist, die Größe des Faktors Humankapital für die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion exakt zu erfassen.[16]
Sich mit den privaten Erträgen des Einzelnen auseinandersetzend, stellte man unter anderem fest, dass Ergebnisse eines zunehmenden Bildungsniveaus höhere Einkommen und eine stärkere Absicherung vor Arbeitslosigkeit seien, darüber hinaus jedoch auch Renditen nicht-monetärer Art, wie zum Beispiel gesellschaftliche Anerkennung oder ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein auftreten würden. Hieran anknüpfend ergäben sich infolge eben genannter privater Renditen soziale Erträge in Form höherer Steuereinnahmen bzw. geringerer Gesundheitsausgaben (s. a. im Anhang: Abbildung 1 „Bildungserträge“, Seite LXXXV).[17]
Abschließend lässt sich somit sagen, dass es der Humankapitaltheorie zufolge für den Einzelnen wie die Gesellschaft lohnenswert ist, in Bildung zu investieren; im Sinne Smiths also die dafür getätigten Ausgaben, ob nun privat oder staatlich finanziert, einen solchen Kapitalertrag hervorbringen, welcher wiederum die hierfür angefallenen Kosten um ein Vielfaches übersteigt (s. a. Kapitel 2, Seite 9).
2.2 Leitgedanken
Da bisher vor allem gesamtgesellschaftliche Überlegungen im Vordergrund standen, möchte sich der Verfasser nun mikroökonomischen Betrachtungen zuwenden und insbesondere den Hauptakteur der Humankapitaltheorie, nämlich den Einzelnen, näher untersuchen. Verdeutlicht wird dabei auch das Bildungsverständnis, welches dieser Theorie zu Grunde liegt.[18]
Das der Humankapitaltheorie zu Grunde liegende Bildungsverständnis betrachtet Bildung als einen instrumentellen auf Erträge und Renditen orientierten Prozess. Es versteht den Einzelnen als Unternehmer seiner eigenen Arbeitskraft, der mittels Investitionen in Bildung seinen Humankapitalbestand vergrößern und somit seine Arbeitsproduktivität anheben möchte. Eine gesteigerte Arbeitsproduktivität ist deshalb von Vorteil, da hierdurch ein höherer Produktionswert innerhalb einer gegebenen Zeiteinheit erzeugt wird und sich dieser in einem höheren Lohnniveau niederschlägt. Die Theorie legt damit nahe, dass derjenige mit der höchsten Qualifikation am besten entlohnt wird.[19]
Eine solche zweckdienliche Auffassung von Bildung steht dem Bildungsbegriff, welcher in den Erziehungswissenschaften propagiert wird, diametral entgegen. Jener betont den Eigenwert von Bildung und erklärt Anstrengungen der Individuen im Bildungsbereich als Folge innerer Motivation bzw. Freude am Wissenserwerb und nicht als Konsequenz ökonomisch rationaler Entscheidungen.
Bedingt durch die humankapitaltheoretische Annahme, Bildung sei eine investive Tätigkeit, kann nicht jede Bildungsaktivität als Investition betrachtet werden. Das Wesen einer Investition besteht gerade darin, dass man gegenwärtig auf bestimmte Ressourcen verzichtet und die Bedürfnisbefriedigung um den Preis eines höheren bzw. besseren Humankapitalbestandes in die Zukunft hinausschiebt. Der Theaterbesuch ist folglich keine Bildungsinvestition, sondern Konsumhandlung, da es sich hierbei um die unmittelbare Befriedigung von Bedürfnissen handelt.
Als Kostenfaktoren einer Bildungsinvestition sind insbesondere die Größen Zeit und Geld zu berücksichtigen. Ein Studium beispielsweise erfordert mehrere Jahre intensiver Bemühungen, während derer es nicht möglich ist, entsprechendes Einkommen zu erzielen; somit sind den direkt anfallenden Ausgaben, wie Studien- und Lebenshaltungskosten, ebenso der entgangene Lohn hinzuzurechnen. Der Einzelne wird demgemäß eine Investitionsentscheidung treffen, die ihm einen so hohen Ertrag verspricht, mit dem zum einen seine getätigten Investitionskosten in angemessener Zeit amortisiert und ihm darüber hinaus genügend Profite zuteilwerden, welche den jetzigen Konsumverzicht rechtfertigen (s. a. im Anhang: Abbildung 2 „Einkommensentwicklung zweier Erwerbsbiographien“, Seite LXXXVI).
Ihm muss jedoch bei jeder Investitionsentscheidung bewusst sein, dass diese Unsicherheiten bergen; beispielsweise könnte die erwartete Rendite des Maschinenbaustudiums, eine gut dotierte Ingenieursstelle bei einem Automobilkonzern, infolge einbrechender Absatzmärkte wegfallen. Dies macht deutlich, dass auch die getroffenen Annahmen einer Humankapitalinvestition nicht vorhersagbaren Ereignissen der Zukunft unterliegen.
Wie andere Theorien beruht auch die Humankapitaltheorie auf Modellannahmen, welche der Realität nahe kommen, sie jedoch nicht vollends abbilden. In ihrer Idealvorstellung geht sie, der Neoklassik folgend[20], von einem vollkommenen Markt aus, der sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass alle Marktteilnehmer vollständig mobil sind und über alle relevanten Marktinformationen verfügen. Auf die Realität trifft dies nur in sehr begrenztem Maße zu; keinem wird es möglich sein, über alle Informationen für eine Investition zu verfügen, geschweige denn sämtliche Alternativen und deren Konsequenzen zu überblicken. Es ist demnach naheliegend, dass eine optimale Entscheidung nicht immer herbeigeführt werden kann. Selbst die Annahme, das Internet ermögliche vollständige Marktinformation, lässt Situationen zu, die eine als optimal erachtete Investitionsentscheidung erschweren bzw. gänzlich verhindern. Insbesondere die Hypothese vollständiger Mobilität findet ihre Relativierung in theoretisch nicht beachteten, aber real auftretenden Misslichkeiten; man denke hier an die mit einem Studium verbundenen, aber für Einzelne zu hohen direkten Kosten oder an familiäre Verpflichtungen, beispielsweise die Pflege eines bedürftigen Verwandten.
Des Weiteren dürfte es schwerfallen, in Erwägung gezogenen Bildungsentscheidungen eine exakte Kosten- und Ertragsrechnung zu Grunde zu legen. Vielmehr ist anzunehmen, dass Individuen entsprechend ihren Interessen und Neigungen entscheiden; irrelevant wird die spätere Einkommensperspektive deshalb nicht, jedoch nimmt sie dabei nach Meinung des Verfassers keine solch zentrale Position ein, wie dies die Humankapitaltheorie postuliert.
Trotz obiger und anderer Kritik[21] wurde der humankapitaltheoretische Kerngedanke, höhere Bildung aggregiere im Allgemeinen höheres Einkommen, theoretisch wie empirisch nie widerlegt. Man betrachte etwa die gewöhnlichen Verdienstmöglichkeiten eines Hauptschul- und die eines Hochschulabsolventen bzw. mache sich bewusst, dass ein abgeschlossenes Studium nachweislich guten Schutz vor Arbeitslosigkeit bietet.[22]
2.3 Politik und Humankapitaltheorie
Die Erkenntnis, ein höheres Bildungsniveau der Erwerbsbevölkerung könne deren Produktivität und dem Wachstum der Volkswirtschaft förderlich sein, wurde euphorisch von bildungspolitisch tätigen Kreisen aufgenommen, erblickten sie darin doch eine Chance, ihrem Fachgebiet stärkeres Gewicht im politischen Alltag der Bundesrepublik zu verschaffen. Tatsächlich wurden während der 1960er und 1970er Jahre stärkere öffentliche Bildungsausgaben getätigt; heute gemeinhin als „Bildungsexpansion“[23] bezeichnet. Pädagogik und Humankapitaltheorie gingen gewissermaßen Hand in Hand.
Nachdem sich jedoch Anfang der 1980er Jahre verstärkt Haushaltslücken in den Landes- und Bundesetats auftaten und die in den Bildungsinvestitionen gebündelte Hoffnung, neuerliches Wirtschaftswachstum zu generieren, nicht erfüllt wurde, trennten sich die Wege beider Disziplinen. Das klassische Forschungsfeld der Bildungsökonomie, Einflüsse von Humankapitalinvestitionen auf das Wachstum einer Volkswirtschaft zu analysieren (s. a. Kapitel 2.1, Seiten 10-11), wurde von mikroökonomischen Betrachtungen und insbesondere Effizienzuntersuchungen am bestehenden Bildungssystem abgelöst. Eine Erklärung für diese inhaltliche Verschiebung ist darin zu sehen, dass angesichts enger haushaltspolitischer Spielräume und obiger nicht erfüllter Wachstumserwartungen die Bildungsausgaben stagnierten bzw. gekürzt wurden.
Einer der Grundpfeiler der ökonomischen Theorie ist die Hypothese von der Knappheit aller Güter, weshalb der Mensch, auch als „homo oeconomicus“ bezeichnet, gehalten sei, Ressourcen so effektiv und effizient wie möglich einzusetzen. Dem Geiste dieser Denkschule verpflichtet, versuchte die Humankapitaltheorie, eben solche Effizienz- und Effektivitätsprüfungen am Bildungssystem durchzuführen, insbesondere die Verwendung der Ressourcen Zeit und Geld einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Derartige Bestrebungen wurden seitens der Erziehungswissenschaften vehement abgelehnt, erblickte man doch darin die Absicht, mittels scheinbar fundierter Erkenntnisse Ausgabenkürzungen im Bildungsbereich rechtfertigen zu können.
Die verschiedenen Auffassungen von Bildung traten bei diesen interdisziplinären Spannungen deutlich zum Vorschein: Eine ökonomische Sichtweise, die Bildung als zweckdienlichen, die Investitionskosten und Erträge abwägenden Prozess betrachtet, prallte auf das von der Pädagogik propagierte Ideal des allseits gebildeten Menschen, das jedwede Bildungsanstrengung, gleich welcher Art und welchen Umfangs, vorbehaltlos legitimiert.
Während der Bildungsexpansion wurde dieser Konflikt nur deshalb überdeckt, weil es die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Humankapitaltheorie waren, die der Bildungspolitik wachsende Haushalte und gesteigerte Aufmerksamkeit be-scherten. Erst, als bildungsökonomische Untersuchungen nach der Sinnhaftigkeit bestimmter Ausgaben fragten, brach das fragile Bündnis entzwei; seitdem verstehen sich Ökonomie und Erziehungswissenschaften beiderseitig als Widerpart des jeweils anderen. Auch wenn gegenwärtig aus bildungspolitischen Kreisen Forderungen nach höheren Bildungsinvestitionen vernehmbar sind, also ein Be-griff der Wirtschaftswissenschaften verwandt wird, ist keineswegs ein neuerliches Bündnis zwischen Ökonomie und Pädagogik erkennbar. Der Terminus „Investi- tion“ wird vielmehr herausgelöst von weiteren humankapitaltheoretischen Überlegungen benutzt und stattdessen dafür instrumentalisiert, höhere Bildungsausgaben im Sinne des klassischen, von den Erziehungswissenschaften präferierten, Bildungsbegriffs zu rechtfertigen.[24] Keineswegs soll es seitens der Pädagogik zu einer Annäherung an humankapitaltheoretische Denkmuster kommen; eher Gegenteiliges ist Fall, so wurde der Begriff „Humankapital“ im Jahre 2004 mit folgender Begründung zum „Unwort des Jahres“ gekürt: „Der Gebrauch dieses Wortes aus der Wirtschaftsfachsprache breitet sich zunehmend auch in nichtfachlichen Bereichen aus und fördert damit die primär ökonomische Bewertung aller denkbaren Lebensbezüge, wovon auch die aktuelle Politik immer mehr beeinflusst wird. Humankapital degradiert nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern Menschen überhaupt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen. Bereits 1998 hat die Jury Humankapital als Umschreibung für die Aufzucht von Kindern gerügt. Aktueller Anlass ist die Aufnahme des Begriffs in eine offizielle Erklärung der EU, die damit die ‚Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie das Wissen, das in Personen verkörpert ist’, definiert (August 2004).“[25]
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Einordnung der Wahlentscheidung ist es, dass vier der sechs Juroren Vertreter sozial- bzw. geisteswissenschaftlicher Disziplinen waren, so der Philologie, Literaturwissenschaft und Germanistik. Den wirtschaftswissenschaftlichen Fachterminus Humankapital als „Unwort“ zu bezeichnen, zeugt nach Ansicht des Verfassers davon, dass die Jury schlicht den Ansatz der Humankapitaltheorie nicht erfasste. Ziel dieser Theorie war und ist es nicht, Arbeitskräfte einzig auf ökonomisch interessante Größen zu reduzieren, vielmehr betrachtet sie die Arbeitskraft und das geistige Potential eines Menschen als etwas Wertvolles und Wert schöpfendes. Im Sinne Smiths sind diese beiden Faktoren erhaltens- und fördernswerte Vermögensteile (s. a. Kapitel 2, Seite 9), die dazu bestimmt sind, Einkommen zu erzielen; nur jene sind im Stande, die Lebensgrundlage eines Menschen zu sichern. Folglich ist es durchaus vertretbar, den Begriff zu verwenden, der gemeinhin für die Bezeichnung eines wertvollen Produktionsmittels gebraucht wird: Kapital.
Abschließend möchte der Verfasser in Anbetracht vielschichtiger Kritik anmerken, dass die Humankapitaltheorie nie den Anspruch erhoben hat, ein genaues Bild der Wirklichkeit nachzuzeichnen. Sie geht bei ihren Untersuchungen von Modellannahmen aus, welche der Realität mitunter näher, teils auch ferner sind. Bewusst werden dabei, ganz im Sinne der Popper’schen Scheinwerfertheorie, viele Aspekte der Wirklichkeit außer Acht gelassen und auf einige wenige Gesichtspunkte mit dem Ziel fokussiert, Erkenntnisse über bestimmte Prozesse und Sachverhalte der Lebenswirklichkeit zu gewinnen. Dass diese sich nicht immer problemlos auf die Realität übertragen lassen beziehungsweise nicht jeden Sachverhalt derselben erklären, ergibt sich aus skizzierter, auf vereinfachenden Hypothesen beruhender Modellwelt.
Einzig den Namen der Humankapitaltheorie betrachtend, wird deutlich, dass es sich hierbei um eine „Theorie“ handelt; solche zeichnet sich dadurch aus, über bestimmte Grenzen zu verfügen, falsifizierbar zu sein und eben nicht jeden Sachverhalt der Realität erklären zu können. Wäre sie dazu im Stande, würde es sich nicht um eine Theorie, sondern um ein Naturgesetz handeln, was jedweder hinterfragenden Diskussion das Fundament nähme.
Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass auch die OECD, welche jährlich Berichte über die Bildungssysteme einer Vielzahl von Staaten herausgibt, die Humankapitaltheorie als gewichtigen Pfeiler ihrer bildungspolitischen Untersuchungen versteht.[26] Dies feit die Humankapitaltheorie keineswegs vor kritischer Betrachtung, jedoch weist deren Anerkennung durch eine international geachtete Institution darauf hin, dass sie fähig zu sein scheint, wichtige Erkenntnisse zur bildungsökonomischen wie bildungspolitischen Diskussion beizutragen.
Weiterführende Literatur zu diesem Thema:
Edding, Friedrich: Ökonomie des Bildungswesens. Lehren und Lernen als Haushalt und als Investition. In: Arnold Bergsträsser (Hrsg.): Freiburger Studien zu Politik und Soziologie. Freiburg im Breisgau, 1963, S. 7-105.
3. Gesellschaftliche Entwicklungen
Das in den einleitenden Bemerkungen skizzierte Engagement, den deutschen Hochschulsektor zu stärken, ist nicht, wie man vermuten könnte, Resultat einer tagespolitischen Laune, sondern Reaktion auf die sich wandelnden gesellschaftlichen Gegebenheiten. Ziel des dritten Kapitels soll es deshalb sein, diese gesellschaftlichen Entwicklungen und damit die Beweggründe der unternommenen Anstrengungen überblicksweise darzulegen.
Die Struktur des heutigen Arbeitsmarktes untersuchend, ist erkennbar, dass dieser den Arbeitnehmern höhere Anforderungen abverlangt und sich ungleich komplexer darstellt, als dies in vorherigen Perioden der Fall war. Insbesondere der die Beschäftigungswelt verändernde Computer ermöglicht die Entwicklung von Maschinen und Robotern, welche dazu im Stande sind, komplizierte Produktionsprozesse vollautomatisch zu bewältigen. Dies hat zur Folge, dass Arbeitskräfte, die einzig Aufgaben ausführender und sich mechanisch wiederholender Art ausüben, durch solche präzisen und darüber hinaus schneller arbeitenden Maschinen ersetzt werden können, man denke beispielsweise an den im Automobilbau beschäftigten Facharbeiter.[27] Ferner gelingt es heutzutage mittels Computer– und Informationstechnik, enorme Datenmengen aufzubereiten und aus diesen neue Erkenntnisse zu gewinnen. Wissen stellt somit einen gewichtiger werdenden Faktor für das Wachstum einer Volkswirtschaft dar, wandelt sich die rohstoffbasierte Industriegesellschaft doch zusehends in eine wissensbasierte Dienstleistungsgesellschaft.[28]
Konsequenz dieser Entwicklung ist ein verändertes Nachfrageverhalten der Arbeitgeber; diese verlangen zunehmend nach Arbeitnehmern, welche mit hohen kognitiven und geistigen Fähigkeiten ausgestattet und Innovationen gegenüber aufgeschlossen sind. Sinnbildlich ist weniger derjenige begehrt, der in der Lage ist, ein Fahrzeug zu montieren, sondern jener, welcher den für die Montage eines Fahrzeugs benötigten Roboter entwickeln, programmieren und darüber hinaus dessen Arbeit kontrollieren kann. Neben den entsprechenden Kenntnissen für Automobil und Montage ist somit auch, was eine umfassende Bildung erforderlich macht, hoher informationstechnologischer Sachverstand vonnöten.[29] Bildung dient hier also überwiegend der Erfüllung erforderlicher Standards des Arbeitsmarktes, und weniger der Befriedigung des Wissensdurstes frei jeglicher ökonomischer Überlegung, wie dies doch der klassische Bildungsbegriff nahezulegen versucht. Auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt insgesamt zeichnet sich ab, was obiges, mit Verlaub schlichte Beispiel zeigen soll: In Anbetracht komplexer werdender Arbeitsmarktstrukturen ist vermehrt eine vielschichtige und breit gefächerte Bildung erforderlich. Des Weiteren ergibt sich aus der Internationalisierung der Wirtschaftsverflechtungen die Notwendigkeit, mehrere Sprachen, zumindest aber das Englische zu beherrschen. Genannte komplexer werdende Arbeitswelt macht darüber hinaus das Lösen von Problemen in Projektgruppen und Teams notwendig, was vom Einzelnen neben fachlichem Wissen in erhöhtem Maße soziale Kompetenz verlangt.[30]
All diese Entwicklungen künden von einer zunehmenden „Akademisierung der Arbeitswelt“[31] und soll in den folgenden Unterabschnitten weitergehend betrachtet werden; insbesondere das Konzept der Wissensgesellschaft (Kapitel 3.1) und die Neuausrichtung des Bildungsbegriffs sowie die damit verbundenen Anforderungen an den Einzelnen (Kapitel 3.2) stehen dabei im Mittelpunkt der Untersuchung. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen helfen, den derzeitig zu beobachtenden Wandel an deutschen und europäischen Hochschulen nachzuvollziehen (Kapitel 3.3).
3.1 Die Wissensgesellschaft
Der Begriff „Wissensgesellschaft“ wurde erstmals von dem Soziologen Robert E. Lane in einem 1966 veröffentlichten Aufsatz mit dem Titel „The Decline of Politics and Ideology in a knowledgeable society“ geprägt.[32] Daniel Bell, seines Zeichens ebenfalls Soziologe, beschrieb jene 1973 folgendermaßen: „Die nachindustrielle Gesellschaft ist in zweifacher Hinsicht eine Wissensgesellschaft: einmal, weil Neuerungen mehr und mehr von Forschung und Entwicklung getragen werden (oder unmittelbarer gesagt, weil sich auf Grund der zentralen Stellung des theoretischen Wissens eine neue Beziehung zwischen Wissenschaft und Technologie herausgebildet hat); und zum anderen, weil die Gesellschaft – wie aus dem aufgewandten höheren Prozentsatz des Bruttosozialproduktes und dem steigenden Anteil der auf diesem Sektor Beschäftigten ersichtlich – immer mehr Gewicht auf das Gebiet des Wissens legt.“[33] Solchen Denkansätzen zum Trotz etablierte sich in den 1970er und 1980er Jahren zusehends der Terminus „Informationsgesellschaft“, was in der rasanten Verbreitung moderner Informationstechnologien und der damit einhergehenden hohen Disponibilität von Informationen begründet war.[34] Kübler zufolge erkenne man in jenen Entwicklungen außerdem gesellschaftliche Transformationen zweierlei Art:
1. Die sich durch die Erfindung des Computers ergebenden Möglichkeiten der „Informatisierung“, das heißt der Durchdringung aller Lebensbereiche mit Informationstechnologien, griffen verstärkt auf gewerbliche Industriearbeit wie auf das Privatleben zu. Es käme hierdurch zu einer „Industrialisierung“ der geistigen Fähigkeiten des Menschen. Hierzu formuliert Hinke: „Die neuen Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt sind durch eine Abnahme der motorisch-manuellen Fertigkeiten wie der Materialverarbeitung und rückläufige produktionsorientierte, routinisierte Tätigkeiten gekennzeichnet. Hingegen nehmen kognitive und abstrahierende Arbeitsinhalte wie Kontrolle, Koordination und Steuerung, Verantwortung, geistige Arbeit oder Lernarbeit zu.“[35]
2. Genannte fortschreitende Informatisierung bewirke die Überwindung hergebrachter industrieller Strukturen, begünstige die Entstehung globaler Arbeitsteilung sowie die Auflösung standardisierter Produktions- und Arbeitsstrukturen zugunsten dezentraler, flexibler, jedoch auch ungewisserer und riskanterer Produktions- sowie Arbeitsweisen.[36]
Des Weiteren weist Kübler darauf hin, dass in der heutigen Zeit nicht mehr, wie im 18., 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jh., Industriezweige wie jene des Maschinenwesens, der Elektrik oder Chemie dominierend seien, sondern vielmehr Dienstleistungssektoren wie Handel und Verwaltung sowie Forschung und Entwicklung entscheidenden Anteil an der ökonomischen Wertschöpfung hätten; es demzufolge zu einer Ablösung der klassischen Industriegesellschaft durch die moderne Dienstleistungsgesellschaft[37] komme, was sich insbesondere in der Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Rohstoff- und Energieverbrauch verdeutliche.[38]
Seit Beginn der 1990er Jahre wird Wissensgesellschaft als Bezeichnung für die vonstattengehenden gesellschaftlichen Wandlungsprozesse, ausgelöst durch die Einführung diverser Informations- bzw. Kommunikationstechniken, präferiert. Wissensgesellschaft verdeutliche einen ganzheitlichen Ansatz, der auf den Menschen fokussiere und eben nicht, wie die Informationsgesellschaft, nur auf die technologischen Errungenschaften der Informations- und Kommunikationstechniken abstelle.[39] Hiermit verbunden ist eine Begriffsunterscheidung zwischen „Information“ und „Wissen“, welche Information als etwas „Objektivierbares“, quasi „menschentleertes“ darstellt, Wissen hingegen als Ergebnis dessen, was der Mensch aus diesen Informationen an Erkenntnissen gewinne[40]. Die Wissensgesellschaft wird in dieser Logik denn auch als Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft verstanden.[41]
Zunehmend machen ebenfalls politische Kreise[42] von dem Ausdruck Wissensgesellschaft Gebrauch, zeugt dieser doch von Modernität, Zukunftsfähigkeit und Progressivität. Er stellt zudem nach Gregersen ein „äußerst attraktives Konstrukt der Bildungspolitik“ dar, mit welchem „politischen Steuerungsprozessen ein Defizit hinsichtlich notwendiger Reformen attestiert“ werden kann und sei ebenfalls kompatibel mit Begriffen wie „Lernen“ und „Bildung“, da Wissensgesellschaft, wie oben angemerkt, den Menschen in den Mittelpunkt rücke, und somit eher geeignet sei, höhere Bildungsausgaben zu rechtfertigen.[43]
Für ein besseres Verständnis dessen, was das Konzept der Wissensgesellschaft ausmacht, wird dieses im Folgenden näher vorgestellt (Kapitel 3.1.1), ebenso die an ihm geübte Kritik (Kapitel 3.1.2).
3.1.1 Konzept der Wissensgesellschaft
Das Konzept der Wissensgesellschaft basiert auf der Annahme, dass Wissen in der heutigen Zeit neben Kapital und Arbeit ebenfalls als Produktionsfaktor aufzufassen sei. Dies drücke sich in der qualitativ und quantitativ hochwertigen Ausbildung der Arbeitnehmer und insbesondere in Produkten mit einem hohen Grad an eingebautem Wissen und Expertise, etwa bei Solarkollektoren, aus.[44] Wissen sei gewissermaßen Rohstoff, Prozess und Produkt ökonomischer Wertschöpfung.[45] Zum Begriff selbst, was dieses eigentlich ist, existieren verschiedene Auffassungen und Unterscheidungen[46], wobei der Verfasser in den weiteren Ausführungen, zumal es sich um eine ökonomische Arbeit handelt, vom sogenannten Fachwissen ausgeht, welches zur Ausübung eines Berufes bzw. zum Gewinn neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse benötigt wird.
Gregersen zufolge sei Wissen ein wichtiger Wachstums- und Entwicklungsmotor[47], andere sprechen sogar vom „innovativsten und agilsten Sektor moderner Volkswirtschaften“[48] ; so setze sich der Preis eines Mikrochips zu 70 v. H. aus Wissen, hier der Forschung, Entwicklung und Kontrolle, und einzig zu 12 v. H. aus Arbeit zusammen.[49] Wie oben von Kübler beschrieben, beschränkt sich diese Informations- und Wissensbasierung nicht nur auf den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (s. a. Kapitel 3.1, Seite 20), sondern durchdringt in immer stärkerem Maße auch andere Branchen, stellvertretend seien Pharmazie, Umwelt-, Nano- und Ingenieurstechnologien genannt. Der Bereich des Privaten zeichnet sich ebenfalls durch eine zunehmende „Technisierung und Verwissenschaftlichung“[50] aus, man denke an den Personal Computer, das Navigationssystem des Kraftfahrzeugs oder das Mobiltelefon und dessen mannigfaltige Bedienfunktionen.
Der Grund, Wissen als einen Produktionsfaktor zu betrachten, liegt in der vermehrten Wissensbasierung des technologischen Fortschritts, welcher wiederum maßgeblich an der Wohlstandsmehrung einer Volkswirtschaft beteiligt ist. Verfüge man über mehr Wissen, sei es eher wahrscheinlich, eine technologische Weiter- bzw. Neuentwicklung zu realisieren, vermittelst derer Wettbewerbsvorteile für den Einzelnen und damit letztendlich Wohlstand für die Gesellschaft aggregiert werden können.[51] Zahlen, welche die These zunehmender Wissensbasierung stützen, legte die Weltbank 1999 in ihrem jährlichen Weltentwicklungsbericht vor, in dem sie den Anteil mittel- und hochtechnologischer Güter am Welthandel für das 1976 auf 33 v. H., für das Jahr 1996 bereits auf 54 v. H. bezifferte (s. a. im Anhang: Abbildung 4 „Technologieintensität der am Weltmarkt gehandelten Produkte“, Seite XCI).
Zu erkennen sind solch beachtliche Tendenzen ebenfalls in der sich stärker ausweitenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der deutschen Wirtschaft; jene steigerte ihre Ausgaben diesbezüglich im Zeitraum von 1997 bis 2007 ausgehend von 29 Mrd. um circa 50 v. H. auf 43 Mrd. Euro (s. a. im Anhang: Tabelle 5 „Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Laufe der Jahre“, Seite XCII). Generell ist feststellbar, überblickt man die vergangenen Jahrhunderte, heutzutage die höchsten finanziellen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung getätigt werden.[52]
Eine gesteigerte Forschungs- und Entwicklungstätigkeit bedarf qualitativ gut ausgebildeter Fachkräfte und dies in immer höherer Zahl. Eine solche kann nach Ansicht vieler Länder, auch Deutschlands, infolge des sich allgemein erhöhenden Qualifikationsniveaus nicht mehr durch den Standard des ausgebildeten Facharbeiters bereitgestellt werden, vielmehr bedürfe es einer stärkeren Einbindung des Tertiärbereichs.[53] Das Absolvieren eines Studiums, dies zeigten die Ausführungen des zweiten Kapitels, akkumuliere höheres Humankapital, in dessen Konsequenz höhere Produktivität, folglich höheres Einkommen erlangt und somit eher die Finanzierbarkeit des deutschen Staatshaushaltes ermöglicht werden könne. In diesem Kontext wird es verständlicher, weshalb es erklärtes Ziel der Bundesregierung und der Regierungschefs der Länder ist, den Anteil der Studierenden an einem Jahrgang in naher Zukunft auf 40 v. H. (s. a. Kapitel 1, Seite 5), langfristig vermutlich weiter anzuheben. Sich darüber hinaus bewusst, dass zukünftig eine geringere Zahl von Erwerbstätigen einem größeren Teil von Nicht-Erwerbstätigen gegenüber steht, den größten Part dürften dabei die Pensionäre und Erwerbslosen ausmachen, ist man ebenfalls bemüht, sogenannte „bildungsferne“ Schichten in das Bildungssystem zu integrieren. Diesem Ansinnen liegt die Befürchtung zugrunde, dass „in einem Wirtschaftssystem, in dem Wissen zur wichtigsten Quelle des Wertzuwachses wird und eine erhöhte Produktion unter geringerem Einsatz von Arbeit möglich sein wird“[54], die strukturelle Arbeitslosigkeit insgesamt anstiege und davon insbesondere gering Qualifizierte betroffen sein würden. Der Verfasser möchte hieran anfügen, dass ebenfalls im Bereich der höher Qualifizierten die Gefahr absolut wie relativ steigender Arbeitslosigkeit besteht. Sollte der Hochschulabsolvent zum Standard auf dem Arbeitsmarkt avancieren, wird aufgrund des größeren Angebots für die Arbeitgeber nicht mehr der erfolgreiche, sondern der exzellente Abschluss eines Hochschulstudiums verhältnismäßig guten Schutz vor Arbeitslosigkeit bieten (s. a. Kapitel 2, Seite 14).
Die zu beobachtenden Entwicklungen, zusammengefasst unter dem Terminus Wissensgesellschaft, führen nicht nur dazu, dass „unser Alltag die Verwissenschaftlichung und Technisierung unseres Alltags“[55] ist, sondern auch zu einem neuen Verständnis der Wissenschaft selbst. Da man Wissen als Produktionsfaktor auffasst, mit dem es Unternehmen möglich ist, profitable Produkte zu erzeugen, wird die Wissenschaft, welche das erforderliche Wissen produziert, den Marktgesetzen überantwortet.[56] Sie richtet sich zunehmend am Erfolg gegenüber dem Kunden aus, sodass gewonnenes Wissen nicht mehr unter dem Aspekt der Wahr- bzw. Unwahrheit, sondern vielmehr anhand dessen Markterfolg und Anwendbarkeit bewertet wird. Srubar merkt außerdem an, dass in früheren Zeiten vor allem intrinsische Motive Anlass zur Forschung gaben und erst später vonseiten der Wirtschaft Bedarf an den Forschungsergebnissen angemeldet wurde, heute jedoch weitgehend „Bestellungen“ eben jener Triebfeder für Forschung und Entwicklung seien und damit einhergehend die Autonomie der Wissenschaft verloren ginge (s. a. im Anhang: Tabelle 5 „Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Laufe der Jahre“, Seite XCII), sie gewissermaßen Mittel zum Zweck sei. Infolge des Konkurrenzdrucks, welcher zusehends durch die sich ankündigende globale Marktwirtschaft verstärkt wird, fordern Unternehmer schnelle Innovationen und Produktneuerungen. Dies stellt die Wissenschaft vor die Aufgabe, Wissen beschleunigt zu produzieren als auch verfügbar zu machen; in der Wissensgesellschaft ist demnach das schnelle, marktgängige Wissen gefragt. Primär geht es nicht um Wissen als solches, sondern vielmehr um die aus Wissensvorsprung resultierenden Wettbewerbsvorteile.[57] Hinke weist darauf hin, dass es momentan einen Wissensvorsprung der etablierten Industrienationen gegenüber den aufschließenden Schwellenländern vor allem in Branchen der wissens- und forschungsintensiven Hochtechnologien gäbe; stellvertretend weist er dafür auf die Brennstoffzell-, Nano-, und Biotechnologien hin.[58] Der Verfasser pflichtet Hinke bei, dass insbesondere deutscherseits solche Potentiale vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden demographischen Wandlungsprozesse und den kaum vorhandenen natürlichen Ressourcen, genutzt werden und dabei die im Weltmaßstab vorhandenen quantitativen Defizite hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfaktoren Arbeit und Boden durch Qualitätsverbesserungen im Bereich des technischen Wissens bzw. Fortschritts ausgeglichen werden sollten. Im Speziellen sind damit die Akkumulation eines höheren Humankapitalstocks und ein verstärktes Engagement bei der Erforschung neuer Technologien gemeint, wofür in Anbetracht des dicht gestrickten europäischen Hochschulnetzes und der in größerer Zahl vorhandenen Forschungsinstitute, genannt seien mit der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft zwei deutsche Vertreter, solide Grundlagen existieren. Genanntes Engagement scheint gerade unter Beachtung des Ricardo’schen Theorems der komparativen Kostenvorteile[59] attraktiv, verfügt doch kein aufstrebendes Schwellenland Asiens über eine solch mit Europa vergleichbare Hochschul- und Forschungslandschaft, weswegen insofern durchaus angenommen werden kann, dass es für diese Staaten sinnvoller erscheint, statt selbst mit Mehraufwand Technologien zu erforschen, in europäischen Staaten eben jene einzukaufen.[60] Sinnbildlich und langfristig betrachtet könnte sich Europa hierdurch als „Forschungs- und Ingenieursbüro“ der Weltwirtschaft etablieren.
Obig skizzierte Entwicklungen überschauend, sei der Terminus Wissensgesellschaft de Haan und Poltermann zufolge angemessen, berechtige doch nicht nur die Bedeutung des (Fach-)Wissens für Wirtschaft und Wohlfahrt, sondern auch die sich angleichende Relation zwischen Erwerbstätigen und Bildungsprozesse durchlaufenden Personen, von einer solchen zu sprechen.[61]
Das Konzept der Wissensgesellschaft wird teils als „Dritte Welle“ verstanden, die auf Agrar- und Industriegesellschaft folge[62] ; ruft man sich das Eingangszitat Daniel Bells ins Gedächtnis (s. a. Kapitel 3.1, Seite 19), fällt auf, dass dessen 1973 gemachte Überlegungen ein der Lebenswirklichkeit nahe kommendes Bild zeichnen: Es handle sich um eine nachindustrielle, zumal Wissensgesellschaft, da Neuerungen mehr und mehr von Forschung und Entwicklung getragen würden, sich eine neue Beziehung zwischen Wissenschaft und Technologie herausbilde und die Ausgaben für den Forschungsbereich kontinuierlich stiegen.
3.1.2 Kritik der Wissensgesellschaft
Die Kritik zum Konzept der Wissensgesellschaft bezieht sich weniger auf die nicht in Zweifel zu ziehenden strukturellen Wandlungsprozesse, denn mehr auf den Terminus selbst.[63] Tänzler merkt dazu an, dass sich der Fortschritt einer jeden Gesellschaft aus deren Wissensvorrat gespeist habe; insoweit sei jede Gesellschaft auch eine Wissensgesellschaft[64], benötigte man doch zu früherer Zeit ebenfalls Wissen, um beispielsweise eine funktions- und leistungsfähige Dampfmaschine zu konstruieren oder die Zusammensetzung der Bestandteile unserer Atemluft zu ergründen. Wissen, sei es noch so umfangreich und vielschichtig vorhanden, könne demnach nicht einschlägiges Merkmal für die Bestimmung einer „Wissensgesellschaft“ sein; ebenso reiche der Verweis, dass nicht das Wissen selbst, sondern der Wissensvorsprung entscheidend sei, nicht hin, den Begriff Wissensgesellschaft zu etablieren: „Wissenschaftliche Forschung und eine gut und in Teilen akademisch ausgebildete Arbeitsbevölkerung waren und sind seit jeher für Industriegesellschaften wichtige Faktoren, die einen ökonomischen Konkurrenzvorteil begründen. Was ist also das qualitativ Neue, das mit der Rede von der ‚Wissensgesellschaft’ zum Ausdruck gebracht werden soll?“[65]
Des Weiteren wird der geradezu inflationäre und beliebige Gebrauch des Begriffes Wissensgesellschaft kritisiert, verkomme er doch dadurch zum Phrasenhaften und würde infolge seiner unreflektierten und wahllosen Verwendung sinnentleert. Ähnliches sei mit dem Terminus „Informationsgesellschaft“ passiert, welchen man teilweise synonym für oder gleichberechtigt mit Wissensgesellschaft benutze[66], was Kübler zufolge zeige: „Die Informations- und Wissensgesellschaft, möglichst mit dem Attribut ‚moderne’ ist jedenfalls stets passend. Denn so bedenkenswert diese Position auf den ersten Blick anmuten mag, da die Begriffe, erst recht die Indikatoren für die eine wie für die andere gesellschaftliche Formation längst noch nicht hinreichend eruiert, eindeutig, klar mess- und identifizierbar sowie übereinstimmend akzeptiert sind, erweist sich das eine Etikett so beliebig, vage oder willkürlich einsetzbar wie das andere.“[67] Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung gibt darüber hinaus bezüglich des Begriffes Informationsgesellschaft Folgendes zu bedenken: „wäre die Technik der dominierende Aspekt, dann hätten sich auch Dampfmaschinen- und Elektrizität- bzw. Eisenbahn- und Automobilgesellschaft als prägende Begriffe für bestimmte Epochen durchsetzen müssen.“[68]
Der Verfasser möchte zudem darauf hinweisen, dass, wenn es denn, wie von Vertretern der Wissensgesellschaft propagiert, einen qualitativen Unterschied zwischen dieser und der Informationsgesellschaft gibt, worin dieser außer der unterschiedlichen Zentrierung, entweder auf Mensch oder Technik, zu sehen und wann die zeithistorische Grenze zwischen beiden zu ziehen ist.
Betrachtet man den Menschen selbst, nach der Konzeption der Wissensgesellschaft im Mittelpunkt stehend, wisse dieser nicht mehr als früher, er habe nur mehr Wissensoptionen.[69] Selbst wenn er absolut mehr wisse, sei dies relativ aufgrund der sich stärker ausdifferenzierenden und spezialisierenden Gesellschaft nicht der Fall.[70] Universalgelehrte, wie diese in früheren Zeiten auf der Welt wandelten, man denke an Aristoteles, Galileo Galilei oder Alexander von Humboldt, gibt es in dieser Form heute nicht mehr.
Darüber hinaus wird von Srubar angemerkt, dass das zentrale wissensgesellschaftliche Konzept des lebenslangen Lernens nicht zum kontinuierlichen Ausbau des Wissensvorrats der Individuen führe, sondern schnelles Lernen und Vergessen von nach Marktlage wichtigem Wissen gefragt sei. In diesem Sinne komme es zu einem permanenten Aneignen und Wegwerfen temporär zu gebrauchender Wissenswerkzeuge, was zu „de-skilling“ führe und Srubar den Begriff „Unwissensgesellschaft“ verwenden lässt.[71] Kübler kommt darüber hinaus zum dem Schluss, dass der Begriff Wissensgesellschaft noch eine Leerformel bzw. utopische Vision und wissenschaftlich nicht zu bestätigen sei.[72]
Der Verfasser möchte es mit weiterer Kritik bewenden lassen, da es sich hierbei seiner Ansicht nach eher um einen akademischen Streit, die korrekte Nomenklatur betreffend, handelt und jener nicht die in der Lebenswirklichkeit vonstattengehenden Entwicklungen in Frage stellt. In keiner Weise soll der Disput deshalb abgewertet werden, doch dürften weitere Ausführungen diesbezüglich dem Ziel der Arbeit nicht förderlich sein. Da auch der Verfasser den Begriff „Wissensgesellschaft“ infolge vorgebrachter Kritik für nicht günstig erachtet, wird er im Folgenden den Begriff „wissensbasierte Dienstleistungsgesellschaft“ verwenden (s. a. Kapitel 3, Seite 18). Dies begründet er damit, dass die gesteigerte Bedeutung des Wissens zwar nicht den Terminus „Wissensgesellschaft“ rechtfertigt, jedoch das Attribut „wissensbasiert“ durchaus die Problematik des Wissens bzw. Nicht-Wissens berücksichtigt, welche immer weitere Bevölkerungskreise erfasst. „Dienstleistungsgesellschaft“ weist einerseits auf den gestiegenen Anteil des Dienstleistungssektors an der ökonomischen Wertschöpfung hin (s. a. im Anhang: Quelltext 3 „Gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Dienstleistungswirtschaft im Jahre 2008“, Seite LXXXVII) und verleiht dem Wissen in dieser Wortkombination einen gewollt ökonomisch motivierten Akzent.
[...]
[1] Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung: Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Artikel 91 b des Grundgesetzes (Forschungsförderung) über die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen. Exzellenzvereinbarung (ExV) vom 18. Juli 2005. URL: http://www.wissenschaftsrat.de/texte/BLK-ExIni.pdf, Stand: 21.09.2009, 18:37 Uhr, S.1; die Exzellenzvereinbarung kann wie sämtliche anderen Internet-Quellen auf der beiliegenden CD-ROM eingesehen werden.
[2] Bundesregierung / Regierungschefs der Länder (2008), S. 6, 12.
[3] Bundesministerium für Bildung und Forschung: OECD-Veröffentlichung “Bildung auf einen Blick”. Wesentliche Aussagen in der Ausgabe 2009. URL: http://www.bmbf.de/p ub/bildung_auf_einen_blick_09_wesentliche_aussagen.pdf, Stand: 06.11.2009, 17:24 Uhr, S. 4.
[4] Statistisches Bundesamt Deutschland: Pressemitteilung Nr. 458 vom 02.12.2008. Öffentliche Bildungsausgaben im Jahr 2008 bei 92,6 Milliarden Euro. URL: http://www.dest atis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2008/12/PD08__458__ 218,templateId=renderPrint.psml, Stand: 06.11.2009, 17:30 Uhr.
[5] Vgl. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (Hrsg.): DSW-Datenreport 2009. Soziale und demographische Daten zur Weltbevölkerung. URL: http://www.weltbevoelkerung.de/pdf/ dsw_datenreport_09.pdf, Stand: 23.09.2009, 17:13 Uhr, S. 6-13.
[6] Vgl. Haase (Hrsg.): Bergbau, Energie und Industrie Asiens. URL: http://www.erdkunde-wissen.de/erdkunde/kontinent/asien/wirtschaft.htm, Stand: 24.09.2009, 18:43 Uhr.
[7] Vgl. Kleiner (2009), S. 10.
[8] Smith (2009), S.155.
[9] Vgl. ebenda, S. 336.
[10] Vgl. ebenda, S. 340.
[11] Weiterführende Überlegungen Smiths und anderer Klassiker werden überblicksweise beschrieben bei: Maier (1994), S. 1-8, 48-51.
[12] Diese und die folgenden Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf: Bodenhöfer / Riedel (1998), S. 11-13.
[13] Ebenda, S. 12.
[14] Vgl. ebenda, S. 11-13; andere Werte diesbezüglich weist aus: Maier (1994), S. 52-53.
[15] Vgl. Grin (2005), S. 66.
[16] Weiterführend dazu: Maier (1994), S. 51-90.
[17] Vgl. Pechar (2006), S. 37-38.
[18] Folgende Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf: Pechar (2006), S. 29-32.
[19] Vgl. Grin (2005), S. 72.
[20] Vgl. Grin (2005), S. 72.
[21] Weiterführend dazu: Psacharopoulos (1981), S. 9-15.
[22] Wiarda: Gute Nachrichten. Noch immer schützt ein Studium am besten vor Arbeitslosigkeit, in: Die Zeit 18/2009, erschienen am 23.04.2009, S. 33.
[23] Vgl. Grin (2005), S. 67-69; diese und die folgenden Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf: Pechar (2006), S. 13-15.
[24] Vgl. Pechar, S.33.
[25] Sprachkritische Aktion „Unwort des Jahres“ (Hrsg.): Unwort des Jahres 2004. Humankapital. URL: http://www.unwortdesjahres.org/, Stand: 24.10.2009, 20:01 Uhr.
[26] Vgl. Grin (2005), S. 64, 69-71; vgl. Dewe / Weber (2007), S. 114-117.
[27] Vgl. Kübler (2005), S. 162-165.
[28] Vgl. Hippe (2001), S. 16-19; vgl. Tänzler / Knoblauch / Soeffner (2006), S. 8.
[29] Vgl. Hinke (2007), S. 90.
[30] Vgl. ebenda, S. 90.
[31] Maier (1994), S. 221.
[32] Vgl. Hippe (2001), S. 17.
[33] Bell (1975), S. 219.
[34] Vgl. Gregersen (2003), S. 8.
[35] Hinke (2007), S. 90.
[36] Vgl. Kübler (2005), S. 18-22.
[37] S. a. im Anhang: Quelltext 3 „Gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Dienstleistungswirtschaft im Jahre 2008“, Seite LXXXVII.
[38] Vgl. Hippe (2001), S. 16.
[39] Vgl. ebenda, S. 19-23.
[40] Vgl. Gregersen (2003), S. 8-10.
[41] Vgl. Kübler (2005), S. 90-92; weitergehende Ausführungen zu „Information“ und „Wissen“ finden sich bei: Hinke (2007), S. 51-52.
[42] Vgl. Böhme (2001), S. 27; der Begriff wurde erstmals vom damaligen Bundesminister für Bildung und Forschung Jürgen Rüttgers zur Stärkung des eigenen Ressorts verwendet.
[43] Vgl. Gregersen (2003), S. 5, 8, 32.
[44] Vgl. Willke (2004), S. 27.
[45] Vgl. Hinke (2007), S. 84.
[46] Einen guten Überblick vermittelt: Kübler (2005), S. 118-145; er unterscheidet „Erkenntniswissen“, „professionelles, fachliches Wissen“, „kulturelles Wissen“, „Alltagswissen“ und „“natürlich-intuitives Wissen“.
[47] Diese und die folgenden Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf: Gregersen (2003), S. 23-31.
[48] Kübler (2005), S. 97.
[49] Vgl. De Haan / Poltermann (2002), S. 3-4.
[50] Tänzler / Knoblauch / Soeffner (2006), S. 9.
[51] Vgl. Hinke (2007), S. 142.
[52] Vgl. Gregersen (2003), S. 26.
[53] Vgl. Pechar (2006), S. 22.
[54] Stehr (1994), S. 524.
[55] Kogge (2001), S. 14.
[56] Diese und die folgenden Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf: Srubar (2006), S. 139-154.
[57] Vgl. Gregersen (2003), S. 23.
[58] Vgl. Hinke (2007), S. 139-140.
[59] Vgl. Ricardo (1994), S. 109-127.
[60] Vgl. Srubar (2006), S. 140: „Daher sei das strukturelle Charakteristikum der Wissensgesellschaft nicht mehr das spannungsreiche Verhältnis zwischen dem Eigentum an Produktionsmitteln und der Arbeitskraft[…], sondern die Opposition zwischen Wissen und Nichtwissen, die dazu führt, dass Wissen als eigenständige Produktionskomponente[…] gekauft werden muss, so wie der Industrielle früher die Arbeitskraft kaufen musste.“
[61] Vgl. de Haan / Poltermann (2002), S. 4.
[62] Vgl. Gregersen (2003), S. 20.
[63] Vgl. Srubar (2006), S. 141.
[64] Vgl. Tänzler / Knoblauch / Soeffner, S. 7-8.
[65] Tetens: Dämme gegen die Daten- und Wissensflut. Vortrag vom 11.11.1999 im Rahmen der Berliner Hochschuldebatte 1 „Die Wissensgesellschaft und die Zukunft der Universität“ der Heinrich-Böll-Stiftung. URL: http://www.hochschuldebatten.de/behode .htm?/doktet.htm, Stand: 13.11.2009, 18:00 Uhr.
[66] Vgl. Kübler (2005), S. 90.
[67] Ebenda (2005), S. 17.
[68] Zitiert nach Kübler (2005), S. 66.
[69] Vgl. Wiegerling (1998), S. 226.
[70] Vgl. Gregersen (2003), S. 29.
[71] Vgl. Srubar (2006), S. 139, 152.
[72] Vgl. Kübler (2005), S. 194.
- Citation du texte
- Marcus Bertz (Auteur), 2010, Die Exzellenzinitiative. Das hochschulpolitische Konzept der Exzellenz aus volkswirtschaftlicher Sicht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232557
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