Unsere heutige Gesellschaft ist geprägt durch immer weniger Bewegung und immer seltener werdenden Naturerfahrungen. Die Umwelt wird verstärkt über Medien erlebt und Primärerfahrungen bleiben aus. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass in die Soziale Arbeit immer mehr Tiere eingesetzt werden, dies könnte die Konsequenz aus dem Wandel der Lebenswelt sein. Auch das Medium Pferd erhält verstärkt Zulauf. 38% aller Heimtiere werden zu therapeutischen Zwecken gehalten. (vgl. Mars Heimtier-Studie 2013, S. 63) Dabei ist tiergestützte Intervention keine neue Methode. Der erste therapeutische Einsatz von Tieren geschah im 8. Jahrhundert in Belgien. Allerdings erst wesentlich später Ende der 1960er setzte Boris Levinson als erster Tiere in die Kinderpsychotherapie ein. In vielen Ländern insbesondere in Amerika sind tiergestützte Interventionen gängige Praxis. In Deutschland fehlt es leider noch an öffentlicher, rechtlicher, und institutioneller Unterstützung und Anerkennung. Die Kritik ist, dass es nicht ausreichend wissenschaftliches Fundament gibt und die Effekte schwer nachweisbar sind. Dennoch gewinnt der Einsatz von Tieren in pädagogischen und therapeutischen Arbeitsfeldern in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. Möglicherweise auch gefördert durch die Studie „Kind und Hund. Erhebung zum Zusammenleben in der Familie“ von Rehm 1993, der heraus fand, dass 90% aller Eltern, die Haustiere für ihre Kinder halten, sehen in dem Tier einen ‚Miterzieher‘ in Hinblick auf Sozialverhalten, Verantwortungsgefühl und Naturverständnis.(vgl. Gebhard 2009 S. 130) Oder auch durch die aktuelle Mars Heimtier-Studie bei der herauskam, dass jeder zehnte Deutsche der Ansicht ist, dass Kinder mit Tieren aufwachsen sollten. (Mars Heimtier-Studie 2013, S. 63) All dies hat mein Interesse geweckt um darüber meine Abschlussarbeit zu schreiben. Gerade die Kritik an der Tiergestützten Intervention sehe ich als einen Motor zur Weiterentwicklung und Verbesserung. Diese Arbeit ist so aufgebaut, dass erst die Tiergestützten Interventionen kurz und im speziellen die Pferdegestützte Therapie erläutert wird. Danach betrachte ich die Psychomotorik. Daraus folgend leitet mich die Frage, ob es einen gemeinsamen Nenner der beiden Methoden gibt, der eine Grundlage bilden könnte die beiden Ansätze zu vereinen, um anschließend Grenzen und Möglichkeiten einer Verschmelzung der beiden Methoden zu analysieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Tiergestützte Interventionen
2.1. Formen der Tiergestützten Interventionen
2.2. Wirkweisen der Tiergestützten Intervention
2.3. Formen der Interaktion
2.4. Tiergestützte Intervention als Therapie oder Pädagogik
2.5. Kritische Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit der Tiergestützten Interventionen
3. Das Pferd
3.1. Pferdegestützte Therapie
3.2. Formen der Pferdegestützten Therapie
3.2.1. Hippotherapie
3.2.2. Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd
3.2.3. Hippo-Psychotherapie
3.3. Kritik an funktionsbestimmter Reittherapie (HPR & HPV)
4. Psychomotorik
4.1. Wirkweise der Psychomotorik
4.2. Verstehende Ansatz
4.2.1. Symbolische Echos
4.2.2. Leibbewusstsein
4.2.3. Symbolisierungsfähigkeit
4.2.4. Verstehen
4.2.5. Methoden des Verstehens
4.2.6. Entwicklungstheorien
4.2.6.1. Vorgeburtliche Entwicklung
4.2.6.2. Die Geburt
4.2.6.3. Das erste Lebensjahr
4.2.6.4. Das Kleinkindalter
4.2.6.5. Das Vorschulalter
4.2.6.6. Das Grundschulalter
4.2.6.7. Lebensweltanalyse
4.2.7. Praktische Arbeit und Wirkweise
4.2.8. Kritische Reflexion des Verstehenden Ansatzes
5. Verstehendes Arbeiten in der Pferdegestützten Arbeit
5.1. Beide Ansätze im Vergleich
5.2. Verschmelzung beider Ansätze
5.2.1. Praktische Arbeit und ihre Wirkweisen
5.3. Kritische Betrachtung
6. Fazit
7. Persönliche Schlussbetrachtung
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Unsere heutige Gesellschaft ist geprägt durch immer weniger Bewegung und immer seltener werdenden Naturerfahrungen. Die Umwelt wird verstärkt über Medien erlebt und Primärerfahrungen bleiben aus. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass in die Soziale Arbeit immer mehr Tiere eingesetzt werden, dies könnte die Konsequenz aus dem Wandel der Lebenswelt sein. Auch das Medium Pferd erhält verstärkt Zulauf. 38% aller Heimtiere werden zu therapeutischen Zwecken gehalten. (vgl. Mars Heimtier-Studie 2013, S. 63) Dabei ist tiergestützte Intervention keine neue Methode. Der erste therapeutische Einsatz von Tieren geschah im 8. Jahrhundert in Belgien. Allerdings erst wesentlich später Ende der 1960er setzte Boris Levinson als erster Tiere in die Kinderpsychotherapie ein. Daher kann er als Urvater der Tiergestützten Therapie genannt werden. Durch seine Arbeit wuchs das Interesse an dem Thema und ein neuer Wissenschaftszweig „Human-Animal-Interactions“ („Mensch-Tier-Beziehung“) entstand. (vgl. Vernooij, 2010, S.27) In vielen Ländern insbesondere in Amerika sind tiergestützte Interventionen gängige Praxis. In Deutschland fehlt es leider noch an öffentlicher, rechtlicher, und institutioneller Unterstützung und Anerkennung. Die Kritik ist, dass es nicht ausreichend wissenschaftliches Fundament gibt und die Effekte schwer nachweisbar sind. Dennoch gewinnt der Einsatz von Tieren in pädagogischen und therapeutischen Arbeitsfeldern in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. Möglicherweise auch gefördert durch die Studie „Kind und Hund. Erhebung zum Zusammenleben in der Familie“ von Rehm 1993, der heraus fand, dass 90% aller Eltern, die Haustiere für ihre Kinder halten, sehen in dem Tier einen ‚Miterzieher‘ in Hinblick auf Sozialverhalten, Verantwortungsgefühl und Naturverständnis.(vgl. Gebhard 2009 S. 130) Oder auch durch die aktuelle Mars Heimtier-Studie bei der herauskam, dass jeder zehnte Deutsche der Ansicht ist, dass Kinder mit Tieren aufwachsen sollten. (Mars Heimtier-Studie 2013, S. 63) All dies hat mein Interesse geweckt um darüber meine Abschlussarbeit zu schreiben. Gerade die Kritik an der Tiergestützten Intervention sehe ich als einen Motor zur Weiterentwicklung und Verbesserung. Zum Beispiel kritisierte Seewald Schillings kompetenztheoretischen Ansatz, und dem darin verstärkten empirisch-analytischem Denken, was Seewald zu seinem Sinnverstehenden Ansatz[1] in der Psychomotorik führte. Zuerst war die Praxis bei ihm gegeben, aus der sich eine Theorie entwickelte. Auch bei meiner Arbeit war erst die Praxis vorhanden. In meinem einjährigen Psychomotorik Projekt, während des Studiums der Sozialen Arbeit, führte ich mit zwei weiteren Studentinnen die Psychomotorik auf dem Bauernhof durch. Wir kritisierten die reinen Funktionsübungen am und mit dem Pferd in der klassischen Reittherapie, bei der wir zuerst eine Praxisstelle hatten. Diese Kritik führte uns zu unserem eigenen Projekt bei dem wir freie Hand hatten und wir durch unsere Dekanin Unterstützung erhielten. Wir arbeiteten nach dem Verstehenden Ansatz und frei von Funktionsübungen. Diese Arbeit dient nunmehr auch der Findung einer Theorie hinter der Praxis. Eventuell führt meine Kritik an reinen Funktionsübungen in der Pferdegestützten Therapie zu einer Ergänzung und Erweiterung dieser durch den Verstehenden Ansatz. Ich möchte mir jedoch mit dieser Arbeit nicht anmaßen, dass diese Arbeit ein Werk wie das von Seewald ist. Hammer betrachtete den Verstehenden Ansatz nach Seewald und warf die Frage auf, ob der Verstehende Ansatz für andere Arbeitsfelder in der Psychomotorik genutzt werden kann. (vgl. Hammer 2004, S. 185) In meiner Arbeit werde ich diese Frage aufgreifen und der Frage nachgehen: „Ist Pferdegestützte Therapie unter dem Gesichtspunkt des Sinnverstehenden Ansatzes möglich?“
Diese Arbeit ist so aufgebaut, dass erst die Tiergestützten Interventionen kurz und im speziellen die Pferdegestützte Therapie erläutert wird. Danach betrachte ich die Psychomotorik und erläutere den Verstehenden Ansatz nach Seewald. Daraus folgend leitet mich die Frage, ob es einen gemeinsamen Nenner der beiden Methoden gibt, der eine Grundlage bilden könnte die beiden Ansätze zu vereinen, um anschließend Grenzen und Möglichkeiten einer Verschmelzung der beiden Methoden zu analysieren. Am Ende komme ich zu meinem Fazit und einer persönlichen Schlussbetrachtung.
2. Tiergestützte Interventionen
Bei der Tiergestützten Intervention werden Mensch und Tier zusammengeführt und es kommt zu einem Kontakt. Dieser, in der Regel direkte Kontakt, wird je nach dem erwünschten Ziel mehr oder weniger zielgerichtet ausgeführt. Wichtige allgemeine Rahmenbedingungen für diesen Kontakt sind:
- Der Kontakt mit dem Tier ist vom Klienten gewünscht
- ein geschützter Rahmen mit einer angenehmen Atmosphäre ist gegeben
- ein artgerechter Umgang mit dem Tier
- die Sicherheit aller Beteiligten ist vorrangig
- Das Tier ist soweit geschult, dass es mit seiner Aufmerksamkeit bei seinem Besitzer bleibt und in Stresssituationen ihm ausreichend vertraut
- Verantwortungsbewusstes und geschultes Fachpersonal bzw. einen Tierhalter mit Klarheit, Souveränität und Entschlossenheit (vgl. Vernooij 2010 S. 99)
Allgemein geht von Tieren eine positive, fördernde und heilsame Wirkung aus. (vgl. Heydecke 2012, S. 20f.) Der Kontakt mit dem Tier löst Impulse aus, die dem Menschen auf körperlicher, seelischer, geistiger und sozialer Ebene helfen sowie heilende Prozesse in Gang setzen können. Voraussetzung dafür ist, dass der Klient ist zu einer Begegnung mit dem Tier bereit. (vgl. Otterstedt 2003, S.61)
a. Formen der Tiergestützten Intervention
Im anglo-amerikanischen Raum haben die Tiergestützten Interventionen verstärkter Forschung erfahren als im deutschsprachigen Raum. Es gibt zwei offiziell anerkannte Formen. Zum einen die Animal-Assisted-Activities (AAA) und zum anderen die Animal-Assisted-Therapy (AAT). Die Unterscheidung liegt in der Ausrichtung. Die AAA ist eine unterstützende Intervention mit Hilfe des Tieres und die AAT eine Behandlung mit dem Tier als integraler Bestandteil der Therapie. (vgl. Vernooij 2010, S. 33) In Deutschland gibt es leider keine einheitliche Nutzung der Begrifflichkeiten. Vernooij schlägt folgende Begrifflichkeiten für tiergestützte Interventionen vor:
1. Tiergestützte Aktivität
2. Tiergestützte Förderung
3. Tiergestützte Pädagogik
4. Tiergestützte Therapie
Die Zielsetzungen, der zeitliche Rahmen, die Dokumentations- und Kontrollpflicht sowie die Qualifikation der Durchführenden steigen von der Aktivität bis zur Therapie an. (vgl. Vernooij 2010, S. 26 ff)
Zu 1.: Tiergestützte Aktivitäten sprechen Menschen jeden Alters an. Die Zielsetzung ist in erster Linie die Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens und der Lebensqualität. In der Regel führen diese Arbeit Laien oder Ehrenamtliche aus. Dokumentationen finden keine statt. Es handelt sich eher um sporadische Arbeit, wie zum Bespiel bei Tierbesuchsdiensten im Krankenhaus oder im Altenheim.
Zu 2.: Tiergestützte Förderung ist für junge Kinder, Kinder mit Beeinträchtigungen und für Menschen in der Rehabilitation geeignet. Allgemeine Entwicklungsfortschritte, wie die Förderung der eigenen Ressourcen, sind hierbei die Zielsetzungen. Der Durchführende[2] ist eine Person mit unterschiedlichen Qualifikationen. Die Tiere sollten in dem Aufgabenbereich bereits trainiert sein. Eine Dokumentation ist ratsam, denn es handelt sich um ein mehrmals durchgeführtes Angebot.
Zu 3.: Tiergestützte Pädagogik ist ausgelegt für Kinder und Jugendliche mit Auffälligkeiten im emotionalen und sozialen Bereich. Es wird ein Lernfortschritt im sozio-emotionalen Bereich angestrebt. In dieser Angebotsform werden Ziele formuliert. Daher ist auch eine Dokumentation wichtig. Das Angebot sollte regelmäßig über einen längeren Zeitraum stattfinden. Die eingesetzten Tiere sind speziell ausgebildet. Der Durchführende ist eine Fachkraft aus dem (sonder-) pädagogischen Bereich.
Zu 4.: Tiergestützte Therapie ist geeignet für Menschen mit psycho-physischer Störung und oder mit Erkrankungen die therapeutische Behandlung benötigen. Zielsetzung ist in der Regel eine Stärkung der Lebensgestaltungskompetenz. Es finden regelmäßige Sitzungen über einen längeren Zeitraum statt. Die Zielformulierung macht eine Dokumentation unabdingbar, um den Fortschritt zu protokollieren sowie für den Austausch mit anderen involvierten Institutionen oder Ärzten. Die durchführenden Personen sind ausgebildete Therapeuten und die eingesetzten Tiere sind entsprechend trainiert. (vgl. Vernooij 2010 S. 46f.)
b. Wirkweisen der Tiergestützten Intervention
Tiere haben unterschiedliche Wirkweisen und Rollen auf den Klienten. In erster Instanz kann es als Übergangsobjekt und als Motivator fungieren.
Übergangsobjekt: Wichtiger Faktor in der Tiergestützten Intervention ist die Brückenfunktion des Tieres zwischen Klient und Ausführenden. Kupper-Heilmann nennt diesen Faktor die „Eisbrecher - Funktion“. (vgl. Kupper-Heilmann 1999, S.11) Gerade bei der Arbeit mit Kindern kommt dieser Faktor zum Tragen, denn Kinder werden durch den Erwachsenen in die Einrichtung geschickt und tun sich aufgrund dessen schwer mit der Kontaktaufnahme zum Ausführenden. Hinzu kommt oft eine Scheu gegenüber dem Fremden. Beides wird durch die bloße Anwesenheit eines Tieres aufgelockert. Sei es über die Ausstrahlung eines schlafenden Hundes im Raum oder ein schnaubendes Pferd, beides kann beruhigend wirken. Tiere eignen sich schnell als Gesprächseinstieg, was ein Gefühl von Gleichgesinnten vermittelt, aufgrund gleicher Interessen[3]. (vgl. Vernooij 2010, S.148f) Oder das Kind nimmt direkt Kontakt zum Tier auf. Der Wunsch nach Kontakt zum Tier ist natürlich. Seit Beginn der Menschheit wird der Mensch vom Tier begleitet. Die Rolle des Tieres hat sich über die Jahrhunderte vom Nutztier hin zum Haustier verändert. Geblieben ist zweifelsohne der Beziehungsaspekt zwischen Mensch und Tier. Kulturantrophologen aller Völker der Erde sehen, dass Menschen Tiere zum Zwecke von Freude und als Beziehungspartner halten.[4] (vgl. Gebhard 2009, S. 130) Die menschliche Sehnsucht nach Wärme, Zärtlichkeit und Nähe unterstützt den Prozess der Kontaktaufnahme. Konrad Lorenz sieht im Wunsch nach der Bindung zu einem Tier den Wunsch der Bindung zur Natur (vgl. Gebhard 2009, S. 130) Erst mal kann die Kontaktaufnahme vom Kind zum Anbietenden überwiegend indirekt bleiben. Es entsteht eine Annährung durch gemeinsames Spiel oder Pflegen des Tieres. Der Anbietende dient als Mittler zwischen Kind und Tier, da dieser mehr Erfahrungen im Umgang mit dem Tier hat, sucht das Kind in ihm Hilfestellung im Umgang mit dem Tier. Die weitere Entwicklung geht dann zu einem direkten Kontakt mit dem Anbietenden über. Das ist nicht gleichbedeutend damit, dass das Tier im Verlauf „entfernt“ werden muss. Vielmehr erhält es, im Verlauf der Stunden über einen längeren Zeitraum unterschiedliche Rollen. (vgl. Vernooij 2010, S. 148)
Motivationsobjekt: Das Tier wirkt in der Mehrzahl aller Fälle als Motivationsobjekt auf den Klienten, da es einen hohen Aufforderungscharakter hat. Das kann den Einstieg in die Intervention erleichtern und die Motivation dran zu bleiben stärken. Tiere können dadurch auch gezielt für das Erlernen bestimmter Verhaltensweisen oder der Aktivierung von individuellen Ressourcen des Klienten eingesetzt werden. (vgl. Vernooij 2010, S. 148) Zum Beispiel bei der Delfintherapie von D. David Nathanson wird das Tier als positiver „Verstärker“ eingesetzt. Das bedeutet, hat das Kind etwas positiv gelöst, kommt es zu einem Tierkontakt. (vgl. Trompisch 2005, S.22).
Auf tieferen Ebenen wirkt die Tiergestützten Intervention auf mentaler Ebene, auf körperliche, soziale und psychologische Prozesse, durch seelische und körperliche Aktivierung von Heilungskräften, ein (vgl. Gebhard 2009 S. 164). Die Beziehung zu einem Tier spricht nach Beetz tiefe Persönlichkeitsschichten an. Damit kommt es zu einer Integration von intuitiven, emotionalen und reflexiven Prozessen. (vgl. Beetz 2003, S. 77) Dabei ist es nicht allein das Tier, welches Prozesse in Gang setzt, sondern der Dialog und die Begegnung mit ihm. (vgl. Otterstedt 2003, S.61) Levinson sieht das Tier als einen Katalysator für menschliche Beziehungen. Er begründet dieses damit, dass auf Haustiere unbewusste seelische Anteile übertragen werden können, die eigentlich Menschen gelten. Das Tier wird zum Projektionsobjekt. Die Tiere reagieren darauf nicht menschlich. Ihre Rückmeldung ist nicht wertend, somit können spielerisch menschliche Beziehungen wiederholt, aufgearbeitet und transformiert werden, da Kinder mit weniger Angst ihre eigene Authentizität leben und zeigen können. (vgl. Gebhard 2009 S. 165 und Olbrich 2012, S. 30) Die Begegnung zwischen Mensch und Tier ist die, die insbesondere bei Kindern neue Bindungserfahrungen hervorrufen kann. Ein vertrauensvoller Kontakt zu einem Tier kann emotionale Blockaden lösen. Auch hier liegt die Chance, dass positive Beziehungserfahrungen mit dem Tier auf menschliche Beziehungen übertragen werden können. (vgl. Vernooij 2010 S. 56f) Durch die Begegnung und dem Dialog mit dem Tier entwickelt sich eine Beziehung zu ihm. Dadurch wird das ES (Tier) zum DU. Dieser Dialog kann sehr schlicht sein, zum Beispiel einfach durch Imitation. Kinder und Tiere haben verwandte Triebe und Neugierde, z.B. neugieriges Erkunden der Umwelt, Liebesbedürftigkeit und das Leben in einer relativen Abhängigkeit. Daher können Kinder Tiere und umgekehrt einander imitieren, insbesondere Kinder und Hunde. (vgl. Gebhardt 2009, S. 130) Durch die Bestätigung der Imitation wird das Gefühl des ‚Angenommen-sein‘ hervorgerufen. Aus der Situation heraus ergibt sich die Möglichkeit für weitere Kommunikation. Durch diese Öffnung zum Dialog, kommt es zu einem kognitiven Prozess, der bei dem Kind dazu führen kann, dass es sich von seinen negativen „ICH-Vorstellungen“ lösen kann, zum Beispiel von Selbstzweifel und Ängsten. Das Gefühl von Angenommen werden ist dabei entscheidend, da das Kind sich aus dem Gefühl sich selbst mehr zutraut. (vgl. Otterstedt 2003, S. 64f.) Die Kinder können diese Erfahrungen dann adaptieren und auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen. Der anthropomorphe Umgang von jungen Menschen mit dem Tier unterstützt den Prozess des Beziehungsaufbaus, sowie die intuitive Nähe von Kindern zum Tier. (vgl. Gebhard 2009, S. 130f) Rüdiger vermutet sogar, dass Kinder Tieren näher stehen als Erwachsene. (vgl. Rüdiger 1956) Das macht den Einsatz von Tieren für mich im pädagogischen und therapeutischen Setting sehr wertvoll. Kommt es zu einem Dialog zwischen Tier und Mensch, kann das Tier in der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen sehr hilfreich sein. Die Tiere ermöglichen eine ehrliche Selbstwahrnehmung. Der Klient kann sich und sein Verhalten über das Tier besser reflektieren und seine Aufmerksamkeit auf sich selbst lenken.
Diese Reflektion geschieht erst mal über das Gefühl von ‚Angenommen-sein‘ vom Tier, wie oben beschrieben. Tiere verurteilen und bewerten nicht, das unterstützt das Gefühl noch zusätzlich. Hinzu kommt, dass der Klient eine Rückmeldung vom Tier besser annehmen kann, als die von einem anderen Menschen. Diese Rückmeldung kann zum Beispiel ein Anhalten des Pferdes auf das Kommando des Klienten sein. Eine positive Rückmeldung vom Tier wirkt authentisch auf den Menschen und kann das Selbstkonzept verbessern. (vgl. Vernooij, 2010, S.23f) Spiegelungen des Klienten vom Tier sind eine andere Form der Rückmeldung. Tiere kommunizieren über Körpersprache und sind somit in der Lage nonverbale-analoge Signale des Menschen wahrzunehmen und darauf mit dem eigenen Verhalten zu reagieren. (vgl. Vernooij 2010, S. 23ff) So bald Mensch und Tier sich begegnen findet Kommunikation über den Körper statt. Selbst die kleinsten und noch so unbewusstesten Signale des Klienten nimmt das Tier wahr. (vgl. Truckenbrodt, 2004, S. 20ff) Um diese Prozesse zu optimieren, unterstützen und effektiv einzusetzen, bedarf es einer professionellen Reflexion und Begleitung durch Therapeuten oder Pädagogen. (vgl. Ottersted 2003, S. 61)
Ein positives Selbstbild, Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein wird zum einen über das Gefühl des Angenommen werden gestärkt, zum anderen durch die eigenverantwortliche Auseinandersetzung mit dem Tier. Handlungsimpulse, die vom Kind an das Tier ausgehen, führen zur Interaktion. Dabei erlebt sich das Kind als Akteur seiner Umwelt. Das Kind freut sich über seine Erfolge was zu einem gesteigerten Selbstbild führt. Je mehr Handlungssequenzen desto handlungsmächtiger wird das Kind. Diese erfolgreichen Erlebnisse führen zu einer wachsenden Vertrautheit und es kommt zu einem inneren Halt. Umso mehr inneren Halt das Kind erfährt desto weniger benötigt es diesen von außen. (vgl. Breitenbach 2006, S. 11ff).
Bei der Pflege und Versorgung eines Tieres wird die Kontrolle über sich selbst und über die Umwelt verbessert. Verstärkt wird dieses durch den Umgang mit einem Tier, welches immer wieder Selbstkontrolle und Sensibilisierung für die eigenen Ressourcen verlangt, wie zum Bespiel das Pferd, welches immer wieder die Führungsrolle überprüft und hinterfragt, darauf gehe ich später näher ein. Emotionale Selbststeuerung kann ebenso unmittelbar im Umgang mit dem Tier gefördert werden, aufgrund der Reaktion eines Tieres auf affekthaftes Handeln. (vgl. Vernooij 2010, S. 115) Als Beispiel ist hier eine schreckhafte Reaktion eines Tieres auf lautes Schreien oder auf hektische Bewegungen. Der Klient erfährt eine weitere Kompetenzerfahrung über gelungene Aktivitäten und erlernt Bewältigungsstrategien. Damit wird das Zutrauen in sich selbst und in die eigenen Ressourcen weiter gestärkt. Einhergehend kann dieses Gefühl auch eine Stärkung des eigenen Ichs bedeuten was zu einer weiteren Stärkung des eigenen Selbstwertes führt.
Tiere bedienen den Wunsch nach Zusammensein, Nähe und Geborgenheit, was dadurch ein Gefühl von sozialer Integration entstehen lassen kann. Die Beziehung mit dem Tier kann ein Gefühl von Verbundenheit erzeugen. Die Damit kann das Gefühl der Isolation aufgehoben werden, was eine große soziale Wirkung hat. Kontaktfähigkeit kann gefördert werden. Das Tier kann positive Attribute vermitteln, wie zum Beispiel Sympathie und Offenheit. (vgl. Ottersted 2003, S.66ff) Soziometrische Tests haben ergeben, dass Kinder, die ein Heimtier halten, häufiger als Vertrauenspersonen und Spielkameraden gewählt werden. (vgl. Gebhard 2009, S. 137)
Im Bereich der Kommunikation kommt es nach Olbrich zu einer Feinabstimmung von digitaler und analoger Kommunikation.[5] (vgl. Olbrich 2003, S. 84ff) Das führt wiederrum zu einer verbesserten Psychomotorik, da das Kind lernt besser seine Mimik, Gestik und Sprache einzusetzen. (vgl. Vernooij 2010 S. 111) Darüber kann das Kind zu einer erhöhten Authentizität kommen durch eine verbesserte Abstimmung zwischen inneren Erlebten, Bewusstsein und der Kommunikation nach außen. Dies wiederum kann zu einer besseren Integration in Gruppen führen.
Tiergestützte Interventionen wirken sich auch auf die menschlichen Hormone aus. Positive Auswirkungen wurden, unter anderem, auf den Cortisol- und Oxytocinspiegel nachgewiesen[6]. (vgl. Beetz et al, 2012b, S. 4ff) Durch diese biochemischen Veränderungen im Körper kommt es zu einer Stressreduktion, einem niedrigerem Blutdruck, einer verbesserten Immunabwehr im Allgemeinen, einer Schmerzreduktion, einer verbesserten Empathiefähigkeit sowie einer Angstreduktion. Die damit einhergehenden Veränderungen im Verhalten können verbesserte Laune, Verringerung von depressiven Verstimmungen, ein verbessertes Lernen, geringere Aggression und ein insgesamt freundlicheres Verhalten bei Kindern sein. (vgl. Beetz et al, 2012a, S. 7ff) Nach Beetz können Kinder im Umgang mit Tieren zu einer verbesserten Empathiefähigkeit kommen. Zum einen erklärt sich dieses über die Bindungstheorie und zum anderen über den neurobiologischen Kontext. Ein sicheres Bindungsmuster begünstigt die eigene Regulationsfähigkeit und das Hineinfühlen in andere Menschen. Dabei kann eine Beziehung zu einem Tier den gleichen Einfluss haben, wie die zu einem Menschen. Neurobiologisch lässt sich die verbesserte Empathiefähigkeit über die Spiegelneuronen und Oxytocin erklären, (vgl. Beetz et al 2013, S.62ff, vgl. Bauer 2006, S.8) Im Allgemeinen wird zusätzlich das Gesundheitsverhalten durch motorische Aktivierung sowie Bewegung an der frischen Luft verbessert und die damit verbundene gesundheitsfördernde Wirkung. (vgl. Otterstedt 2003, S.66ff) Dadurch kann es auch zu einer Verbesserung der Motorik und des Körpergefühls kommen.
Über Tiere ist auch eine kognitive Anregung und Aktivierung möglich, unter anderem über das Beobachten von Tieren, das Lernen über Tierhaltung und Aktivierung des Gedächtnisses z.B. Lernen von Tiernamen.
Ein weiterer interessanter Aspekt in der Tiergestützten Intervention sind die unbewussten Anteile der Psyche, die über das Tier zu Tage kommen können. Die Grundüberzeugungen der Tiefenpsychologie, sei es nach Freud, Jung oder Adler sind, dass jeder Mensch neben seinem Bewusstsein unbewusste Anteile in seiner Psyche hat. Diese nehmen Einfluss auf das Verhalten des Menschen. Eine Veränderung des Verhaltens ist nur über die Bewusstmachung dieser unbewussten Anteile möglich. Für die Persönlichkeitsentwicklung sind die ersten 5-6 Lebensjahre von entscheidender Bedeutung. (vgl. Vernooij 2010, S. 59) Interventionen, gerade im frühen Kindesalter, die bezogen auf Entwicklungsförderung, Korrektur und Aktivierung sind in hohem Masse wirkungsvoll. Gerade in diesem Altern kann man die unbewussten Anteile durch Bewusstmachung verändern, um stärkere Verinnerlichung dieser Muster zu verhindern. Die unbewussten Anteile sind demnach wichtig mit in die Arbeit einfließen zu lassen. Nach Vernooij ist ein Zugang zum individuellen Unbewussten über Tiere möglich. (vgl. Vernooij 2010, S. 65) Dadurch können psychische Prozesse, Entwicklung und soziales Verhalten angestoßen werden. Vorteil bei den Tieren ist, dass ihre Spiegelung ohne persönliche Verletzungen angenommen wird. Das ermöglicht einen schnelleren Zugang und Korrektur des Verhaltens. (vgl. Vernooij 2010, S. 59ff) Das Tier kann sowohl als Identifikations- als auch als Projektionsobjekt fungieren. Dabei ermöglicht es eine gute Projektionsfläche von inneren Bildern und Gefühlen des Menschen. Bei dem Identifikationsobjekt wird das Tier als Abbild des eigenen Selbst betrachtet. Dem Tier wird dann das gegeben, was dem Klienten selber fehlt. Genauso werden am Umgang mit dem Identifikationsobjekt die eigenen Schwierigkeiten oder Konflikte sichtbar. Sie können am Tier ausgelebt und bewältigt werden. (vgl. Vernooij 2010, S.149) Auch bei der Projektion von unbewussten Mustern und Verhaltensweisen des Klienten auf das Tier können diese außerhalb des Kindes bewältigt werden. Die Studie von Bergler 1986 hat gezeigt, dass Kinder „die auf den Hund gekommen sind“ in dem Tier die Eigenschaften erleben, die sie an ihren Eltern vermissen. Unter diesem Punkt sind auch Tierquälereien von Kindern an Tieren zu betrachten. Sie gelten eher der Umwelt oder den Eltern als dem Tier selber. (vgl. Gebhard 2009, S. 137) Mit einem Beispiel möchte ich das Projektionsobjekt noch einmal verdeutlichen. Im Fall von Hyperaktivität sieht das Kind an einem lebhaften Hund sein eigenes Verhalten. Durch die Konzentration auf den Hund und das Geben von Kommandos an ihn kann das Kind seine eigene Unruhe in dieser Phase zügeln. Er hat die Chance das Erfahrene modellhaft seine eigene Unruhe zu übertragen und daraus für sich eine Lösung zu adaptieren. (vgl. Vernooij 2010, S.149)
Insgesamt kann die Tiergestützte Intervention zu einer Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens führen. Sie kann Entwicklungs- und Lernfortschritte aktivieren sowie eine Erhöhung der Lebensgestaltungskompetenz. (vgl. Vernooij 2010, S. 109) Entscheidend für eine gelungene Intervention ist die Qualität und die passende Form der Interaktion für jedes Individuum. Es bedarf einer hohen Beobachtungsgabe und einem guten Einfühlungsvermögen des Ausführenden, um effektiv zu arbeiten und die nächsten Schritte in der Förderung des Klienten zu sehen und für die folgenden Stunden einzuplanen. (vgl. Vernooij 2010, S. 149)
c. Formen der Interaktionen
Innerhalb der Tiergestützten Intervention gibt es verschiedene Möglichkeiten die Tiere mit einzubinden:
- Die freie Interaktion
- Die gelenkte Interaktion
- Die ritualisierte Interaktion
Freie Interaktion: Der Durchführende ist anwesend, dennoch aber nicht präsent. Die Interaktion zwischen Klienten und Tier soll möglichst frei in einem geschützten Rahmen stattfinden. „Frei“ bedeutet: ohne Einfluss und Anweisung von außen. Diese Begegnungsform lässt sehr gut beobachtendes Arbeiten zu. Zu sehen ist, wie Mensch und Tier aufeinander reagieren. Zum Bespiel kann sich zeigen, ob der Klient Nähe und Zuwendung zu dem Tier sucht oder ob er lieber mit ihm spielen möchte. Dabei können unbewusste Anteile der Psyche des Klienten zum Vorschein kommen[7]. Das Tier kann frei agieren daher kann es das Verhalten und die Innenwelt des Klienten besser spiegeln als in gelenkten Interaktionen. (vgl. Vernooij 2010, S. 146)
Gelenkte Interaktion: Hier sind die Begegnungen geplant. Der Handlungsspielraum für Klient und Tier sind sehr gering. Auch hat der Klient weniger Einflussmöglichkeiten auf das Tier, da das Tier vom Durchführenden gelenkt und geführt wird. Diese Form der Arbeit bedarf viel Feingefühl, um sicherzustellen, dass der Klient sich wohlfühlt, damit keine Ängste auftreten. Von dem Klienten wird viel Vertrauen in den Anleiter abverlangt. (vgl. Vernooij 2010, S. 147) Diese Form kann hilfreich für schüchterne und zurückhaltende Kinder sein, von denen wenig eigene Handlungsimpulse ausgehen.
Ritualisierte Interaktion: Diese kann sowohl in die freie als auch in die gelenkte Interaktion mit eingebunden werden. Es geht um Konstanz und ein immer wiederkehrendes Ereignis in dieser Form. Das kann gerade bei schüchternen Klienten Sicherheit schenken. Rituale können zum Beispiel das Anlegen eines bestimmten Halsbandes beim Hund sein, bevor die Stunde losgeht oder das Füttern am Ende einer jeden Stunde. Neben dem Gefühl von Sicherheit vermitteln solche Rituale ein Gefühl von Kompetenz. Der Klient weiß genau was passiert und wird immer sicherer in den Abläufen und im Durchführen dieser Arbeiten. Durch das immer sichere Ausführen entsteht Freude am Tun und das Gefühl von Selbständigkeit. (vgl. Vernooij 2010, S. 147f)
d. Tiergestützte Intervention als Therapie oder Pädagogik
Eine Differenzierung zwischen Therapie und Pädagogik setzt voraus, es gäbe eine klare Trennung zwischen beiden. Aber bereits an dem Punkt stößt man auf allgemeine Definitionsschwierigkeiten: Ist Soziale Arbeit Therapie oder Pädagogik? Dies ist eine Grundsatzdiskussion. In der Sozialen Arbeit werden diese Begriffe häufig verwischt zum Beispiel durch Bezeichnungen wie „therapeutische Wohngruppe“. (vgl. Schneider, Heidenreich 2011, S.1661) Es scheint als seien die Grenzen zwischen Therapie und Pädagogik nicht immer eindeutig. (Hölscher-Regener 2010, S.126)
Pädagoge ist aus dem Griechischen und bedeutet Kinder- bzw. Knabenführer. Es setzt sich aus den Worten Pais = Knabe und agogos = der Begleiter, der Führer zusammen. (vgl. Michl, 2009, S.17) Das Leitziel der Pädagogik ist nach Vernooij, einen jungen Menschen zu befähigen seine Ressourcen im sozialen Kontext selbständig und selbsttätig zu nutzen und sein Leben nach eigenen Interessen und Bedürfnissen zu gestalten. (vgl. Vernooij 2010, S, 75ff)
Die Therapie ist ebenso aus dem Griechischen. Therapeìa bedeutet „das Dienen“. (vgl. www.duden.de/rechtschreibung/Therapie) Es bezeichnet in der Medizin, Zahnmedizin und Psychotherapie die Maßnahmen zur Behandlung von Krankheiten, Leiden und Verletzungen. Ziel des Therapeuten ist die Ermöglichung oder Beschleunigung einer Heilung, die Beseitigung oder Linderung der Symptome und die Wiederherstellung der körperlichen oder psychischen Funktion. Somit kann man Therapie als eine Kranken- bzw. Heilbehandlung bezeichnen. (vgl. www.duden.de/rechschreibung/Therapie)
Interventionen, egal welcher Form (pädagogischer, psychologischer oder therapeutischer Art) haben im Allgemeinen zum Ziel Entwicklungsprozesse zu unterstützen, zu fördern und anzuregen. Aktivierung von verzögerten und das Korrigieren von fehlgelaufenen Entwicklungsprozessen. (vgl. Vernooij 2010, S.71) Mögliche Interventionsbereiche dabei sind die Sprache, die Kognition, die Motorik, das Körpergefühl, Emotionalität, Soziabilität und die Wahrnehmung. (vgl. Vernooij 2010, S. 73)
Demnach gibt es bei der Therapie und Pädagogik Gemeinsamkeiten in der Ausrichtung. Betrachtet man die Professionstheorie der Sozialen Arbeit stößt man auf Differenzen: Das sozialpädagogische Ziel ist eine soziale Integration des Klienten. Aus therapeutischer Sicht geht es um eine personale Integration. (vgl. Schneider, Heidenreich 2011, S.1661) Im Fokus der Therapie ist der psychische Leidenszustand mit Störung und Krankheitswert. Die soziale Arbeit ist gekennzeichnet durch Problemanalyse der Lebenswelt und Intervention und nicht durch Behandlung. Sie gibt Hilfestellung und Hilfe zur Selbsthilfe. (vgl. Schneider, Heidenreich 2011, S.1661) Die Schnittmenge von beiden sind allerdings ihre Wirkungsmechanismen. Diese sind nach Klaus Grawe motivationale Klärung, Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung und Problembewältigung. Dies ermöglicht die Verwendung des Begriffs Therapie in der Sozialen Arbeit. (vgl. Schneider, Heidenreich 2011, S.1665)
Bevor ich hier den Begriff Therapie verwende, möchte ich noch kritisch anmerken, dass die Soziale Arbeit vom Image in der Gesamtgesellschaft niedriger angelegt ist als bei Ärzten. Da der Begriff der Therapie der Medizin nahe liegt, läuft die Soziale Arbeit „Gefahr“ mit der Nutzung des Begriffs Therapie eine Aufwertung zu erfahren. (vgl. Galluske 2009, S. 122f) Und auf der Seite der Klienten eine andere Erwartungshaltung in Bezug auf Heilung zu wecken. Eine naive Verwendung des Begriffs der Therapie im Bereich der Pädagogik kann zu folgeschweren Denk- und Handlungsproblemen führen. Daher bedarf es meiner Meinung nach einem achtsamen Umgang mit dem Begriff und einer kritischen Selbstreflexion warum man den Begriff verwendet. Im folgendem Abschnitt werde ich nun auf das Pferd zu sprechen kommen und im speziellen das Pferd in der Tiergestützten Intervention.
e. Kritische Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit der Tiergestützten Interventionen
Betrachtet man die Literatur der Tiergestützten Therapien fällt auf, dass eine kritische Reflexion in der Regel ausbleibt. Häufig findet man überwiegend positive Wirkweisen und wundersame Erfahrungsberichte. Es scheint als würde eine Theoriegrundlage fehlen. (vgl. Knapp 2012, S. 26) Sucht man nach Evidenz basierten Studien findet man diese häufig im Bereich der Diplomarbeiten von Hochschulen. Die Methode ist eher eine erfahrungsbasierte Therapieform (vgl. Opgen-Rhein 2011, S.14) deren Effektivitätsnachweis auf Beobachtungen beruht. Beobachtungen sind immer subjektiv und daher nicht wissenschaftlich messbar. Nach Rose entzieht sich die Methode einer wissenschaftlichen Messmethode und nimmt „naturalisierende, esoterische und mystische“ Züge an. (vgl. Rose 2011, S. 1673) Dagegen stehen eine kleine Fallzahl von methodisch einwandfreier Wirksamkeitsstudien (vgl. Opgen-Rhein 2011, S.14) Zurzeit gibt es 100 publizierte Studien von denen 70 als Aussagekräftig gelten aufgrund eingehaltener wissenschaftlicher Standards. (vgl. Mars Heimtier-Studie 2013, S. 49) Unter anderem die Forschungsstudie der Universität Rostock „Gesund durch Hund“, die aufgezeigt hat, dass durch den Kontakt mit dem Hund die Stresshormone beim Menschen gesenkt werden und ein prosoziales Verhalten gefördert wird. Das Besondere an dem Ergebnis dieser Studie ist, dass dieses auch geschieht, wenn zwischenmenschliche Beziehungsstörungen vorliegen. Das macht die therapeutische und pädagogische Arbeit mit Tieren zu einem unschätzbaren Wert für Menschen mit Störungen im Sozialverhalten. Eine weitere empirische Studie der Universität Rostock fand heraus, dass positive Effekte im Sozialverhalten[8] im Zusammenhang mit einem erhöhten Oxytocin Spiegel stehen, der durch den Kontakt mit Tieren hervorgerufen wird. (vgl. Beetz et al 2012a, S. 1ff) Antje Meyer fand 1998 in ihrer Diplomarbeit über Therapeutisches Reiten heraus, dass in vielen Einrichtungen in denen Therapeutisches Reiten angeboten wird keine ausgebildete Fachkraft vorhanden ist. Dadurch kommt es zu Missständen bezüglich Wirksamkeit, Evaluation und Reflexion. Die Einstellung bei einem Drittel der Einrichtungen war, dass das Therapeutische Reiten eine Freizeitbeschäftigung sei. Dieses sind Gründe, warum leider noch viel zu oft Therapeutisches Reiten nicht ernstgenommen wird. (vgl. Meyer 1998) Ein weiterer Grund dafür ist auch, dass es noch an entsprechenden Studiengängen an Hochschulen und Universitäten fehlt um wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden. (vgl. Mars Heimtier-Studie 2013, S. 51) Es bedarf meiner Meinung nach viel mehr Professionalisierung in diesem Bereich. Insbesondere meine ich Qualitätsstandards und Schutz vor Anbietern ohne Qualifikationen. Abhilfe der oben genannten Problematik kann durch eine gute Planung und eine bessere Transparenz durch Verschriftlichung des Verlaufes erfolgen. (vgl. Gäng 2010, S. 36ff) Ebenso sehe ich noch einen sehr hohen Forschungsbedarf um die Wirksamkeit der Tiergestützten Interventionen im Allgemeinen und der Pferdegestützten Therapie im Speziellen zu belegen, um bestimmte Kritik ausschalten zu können. Das Ziel sollte meiner Meinung nach sein mehr Fördermöglichkeiten zu erhalten, um die Therapie den Kindern zu kommen zu lassen, die davon profitieren können.
[...]
[1] Nachfolgend wird der in der Praxis geläufigere Begriff „Verstehende Ansatz“ verwendet
[2] In der gesamten Arbeit wird die männliche Form verwendet um einen angenehmeren Lesefluss zu gewährleisten. Gemeint ist aber immer die weibliche wie auch die männliche Form.
[3] „Die vom Kind wahrgenommenen Dinge müssen in seinem Umfeld ihm persönlich bedeutsam sein, sein Interesse und seine Neugier wecken, bevor es sich handelnd in die jeweilige Umweltsituation einbringt.“ (vgl. Kiphardt 2001, S. 255)
[4] Nur der Vollständigkeit halber sei hier gesagt, dass das Tier als Nutztier heute ebenso noch vorhanden ist.
[5] Definition: Unter analoger Kommunikation ist gemeint, dass wir Worte und Zeichen nutzen um einen Sachverhalt zu vermitteln. Analoge Kommunikation meint dass der Mensch auch über die Körpersprache, Stimmlage, Augen und Berührung kommuniziert. (vgl. Olbrich 2003, S. 84f)
[6] Die hier genannten Hormone sind, aufgrund des Umfanges der Arbeit, nur grob vereinfacht dargestellt. Detaillierte Auswirkungen auf alle Biochemischen Prozesse im Körper sind nachzulesen bei Beetz et al, 2012b.
[7] Auf die unbewussten Anteile werde ich später eingehen.
[8] detailliert beschrieben unter Abschnitt 2.2
- Arbeit zitieren
- Nina Glöckner (Autor:in), 2013, Pferdegestützte Therapie. Eine ganzheitliche und psychomotorische Betrachtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232389
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