Das grundlegende Thema der folgenden Arbeit ist, inwiefern sich in Godards frühen Filmen spezifische Aspekte moderner und postmoderne Ideen erkennen lassen. Dies soll anhand eine vertieften Auseinandersetzung mit den Film Alphaville. Une etrange aventure de Lemmy Caution von 1965 geschehen. Ein besonderes Augenmerk richtet sich auf die Frage, inwiefern sich in Godards Arbeiten die Krise des modernen Subjektverständnisses zeigt, welche mit dem Schlagwort ' Dezentralisierung des Subjekts' versehen wurde. Im Speziellen soll hierbei Godards Umgang mit der Sprache untersucht werden, welcher in Alphaville. Une etrange aventure de Lemmy eine besondere Bedeutung zukommt. Ferner soll dargestellt werden inwieweit Godard den Film fernab von den klassischen Repräsentationsformen begreift.
Die Ausführungen sollen aus einer weiten kultur- und kunsthistorischen Perspektive heraus erfolgen und die Bezüge zwischen Godards Werk und dem kulturellen Kontext seiner Entstehung herauszuarbeiten.
Folgende Fragen dienen dabei als Ausgangspunkte
1. Was charakterisiert den kultur- und filmhistorischen Kontext in welchem Godard arbeitet?
2. Was macht Godard zu einem typischen Repräsentanten dieser kulturhistorischen Strömungen?
3. Wie sind diese Strömungen in seinem neunten Film Alphaville - Uné étrange aventure de Lemmy Caution von 1965 manifestiert?
Zur Charakterisierung des kulturhistorischen Kontexts soll im zweiten Kapitel dieser Arbeit eine kurze Übersicht über zentrale Aspekte der modernen Ideenwelt und deren zunehmende Infragestellung, in Folge des erkenntnistheoretischen Modernisierungsprozesses, gegeben werden. Im darauf folgenden Kapitel soll die Entwicklung der klassischen Erzählstruktur im Kino vorgestellt werden um darauf aufbauend die so genannte 'Krise der Repräsentation' anhand des italienischen Neorealismus und des Film Noirs zu erläutern. Das vierte Kapitel ist einleitend dem kinogeschichtlichen Kontext Godards als Kritiker der Les Cahiers du Cinema und als Vertreter der Nouvelle Vague gewidmet. Der Schwerpunkt der Arbeit wird daraufhin auf dem Versuch liegen, Jean Luc Godards Arbeitsweise zu charakterisieren. Hierbei werde ich sein filmisches Schaffen mit den modernen Entwicklungen in Verbindung setzen und mit dem klassischen Erzählkino kontrastieren. Die daraus gewonnen Ergebnisse möchte ich im fünften Kapitel anhand einer Analyse und Interpretation des Filmes Alphaville - Une etrange aventure de Lemmy Caution anschaulich machen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Kennen Sie Jean-Luc Godard?
1.2 Begründung des Themas und Vorgehen
2 Das moderne Zeitalter
2.1 Das moderne Selbstverstündnis des Menschen
2.2 Die Krise des modernen Selbstverstündnisses
3 Repräsentation im Film
3.1 Was ist Repräsentation?
3.2 Reprüsentation von Realitüt im klassischen Erzühlkino, dem italienischen Neorealismus und dem Film Noir
4 Jean-Luc Godard und die Krise der Moderne
4.1 Jean-Luc Godard, die jungen Kritiker der Cahiers du cinema und die Nouvelle Vague
4.2 Reprüsentation und Realitüt bei Godard
4.3 Eine Frage der Ethik: Mise-en-scene und Montage
4.4 Subjektivismus
4.5 Subjekt und Objekt bei Godard
4.6 Distanzierung und Partizipation des Zuschauers
4.7 Godard und die Genres/Dokumentation und Fiktion
4.8 Godard und die Kunst- und Kulturgeschichte
4.9 Politik bei Godard
4.10 Die Sprache bei Godard: Die Würter, die zu den Bildern fuhren
4.11 Godard und das Publikum
5 Alphaville
5.1 Godard uber Alphaville
5.2 Alphaville, une etrange aventure de Lemmy Caution
5.3 Alphaville und die klassische Erzühlstruktur
5.4 Alphaville und der Diskurs der Moderne
5.5 Alphaville und die Macht der Sprache
5.6 Alphaville und Pop Art
5.7 Alphaville und die Rationalitüt/Irrationalitüt/Logik
5.8 Alphaville und der Film im Film
5.9 Alphaville und die Kulturgeschichte
5.10 Alphaville um! die Politik
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Ich denke, also ist das Kino!“[1]
Wo soll man beginnen wenn man über Jean-Luc Godard schreiben will? Diese Frage stellt James Monaco zu Beginn seines Essays über den Filmemacher (vgl. Monaco, 1981, S. 98). Nicht ohne Grund ist es wohl Godard, bei welchem er diese Schwierigkeiten offen benennt, nicht Truffaut, Rohmer, Rivette oder Chabrol, welchen als berühmtesten Mitgliedern der „Nouvelle Vague“ ebenfalls jeweils ein Kapitel in The New Wave von 1981 gewidmet ist. Einen Anfang mit Godard zu finden ist schwer, nicht nur wenn man über ihn schreiben möchte. Seine Filme anzuschauen bedeutet sich bemuhen, da sie „sich nicht einem vorgüngigen Verstehen anbiedern, sondern gelesen werden mussen“ (Freybourg, 1996, S. 13). Die Literatur zu ihm ist umfassend. Monaco schrieb bereits 1976, es sei mehr über Godard geschrieben worden, als uber irgendeinen anderen zeitgenössischen Filmemacher (Bergmann ausgeschlossen) (vgl. Monaco, 1981, S. 100). Godards Werk oder Teile seiner Arbeit im buchstöblichsten Sinne „lesbar“ zu machen ist ein kompliziertes Unterfangen. Am Schreibstil, den Formulierungen, der Sprache erkennt man oft, wie sich die Autoren an ihm abarbeiten. Ähnlich soll es mir nun ergehen. Doch der Anfang ist gemacht.
1.1 Kennen Sie Jean—Luc Godard?
Als Jean-Luc Godard fünfzig Jahre alt war sagte er: ,,[I]ch glaube, ich bin mit meinem Leben fertig, mir bleiben vielleicht noch dreißig Jahre, und jetzt möchte ich von den Zinsen meines Lebens leben.“ (Godard, 1981, S. 15). Offensichtlich hat dies zu keinem Zeitpunkt bedeutet, dass er sich aus dem Arbeitsleben zuriickziehen wollte. Bis heute macht Godard Filme. Der Letzte, Film Socialisme, erschien 2010. Im selben Jahr erhielt Godard einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk (vgl. Vahabzadeh, 2012). Eine wahrhaft ungewühnliche Auszeichnung für Jean-Luc Godard, dessen Filme nie das ganz „große“ Publikum erreicht haben. Bekannt sind sie eher dem kritischen Publikum, den Cineasten, den Intellektuellen, den Filmstudenten und Professoren, als den regularen Kinobesuchern. Nach seinem ersten Spielfilm À bout de souffle von 1959, so betont es Godard immer wieder selbst, habe er keinen kommerziellen Erfolg mehr erfahren.[2] 1981 sagt er uber ein unlüngst abgeschlossenes Projekt für das französische Fernsehen FR3: „Immerhin waren es zweihundert bis zweihundertfünfzigtausend Zuschauer, und soviel habe ich sonst nie gehabt“ (Godard, 1981, S. 182). Über Les Carabiniers resumierte er, dieser sei ein großer Misserfolg gewesen, da ihn sich „in funfzehn Tagen nur achtzehn Leute angeschaut haben“ (Godard, 1981, S. 81). Der Oscar, als die höchste kommerzielle Auszeichnung die es im Filmgeschaft zu vergeben gibt, passt irgendwie nicht zu Godard.[3]
Doch warum hat Godard es nie vermocht das große Publikum für seine Filme zu begeistern? Obwohl in der Absicht gemacht von vielen gesehen zu werden, blieben sie bei den gewohnlichen Kinogüngern unbeliebt.[4] Eine Antwort auf diese Frage liegt in Godards Arbeitsweise, welche ich in dieser Arbeit anhand seines Filmes Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution von 1965 anschaulich machen müchte.
1.2 Begründung des Themas und Vorgehen
Jean-Luc Godards Filme stehen in vielerlei Hinsicht in einem kulturhistorischen Kontext. In ihnen reflektiert er nicht nur uber zum Beispiel die Geschichte des Kinos und Politik, sondern greift auch zahlreiche philosophische und wissenschaftliche Erkenntnisse unseres modernen Zeitalters auf. Godard bemüht sich hierbei um eine kritische Reflektion der modernen Gesellschaft, indem er die modernen Diskurse aufgreift, transformiert und aus ihnen einen neuen subjektiven, filmischen Diskurs entwickelt.
Das grundlegende Thema der folgenden Arbeit ist, inwiefern sich in Godards fruühen Filmen spezifische Aspekte moderner und postmoderner Ideen erkennen lassen. Dies soll anhand einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Film Alphaville, une etrange aventure de Lemmy Caution von 1965 geschehen. Ein besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf die Frage, inwiefern sich in Godards Arbeiten die Krise des modernen Subjektverstündnisses zeigt, welche mit dem Schlagwort ’Dezentralisierung des Subjekts’ versehen wurde. Im Speziellen soll hierbei Godards Ümgang mit der Sprache untersucht werden, welcher in Alphaville, une étrange aventure de Lemmy eine besondere Bedeutung zukommt. Ferner soll dargestellt werden, inwie weit Godard den Film fernab von den klassischen Repräsentationsformen begreift.
Die Ausfährungen sollen aus einer weiten kultur- und kunsthistorischen Perspektive heraus erfolgen. Dies soll die Bezugnahme zwischen Godards Werk und dem kulturellen Kontext seiner Entstehung ermöglichen.
Folgende Fragen dienen dabei als Ausgangspunkte:
1. Was charakterisiert den kultur- und filmhistorischen Kontext in welchem Godard arbeitet?
2. Was macht Godard zu einem typischen Repräsentanten dieser kulturhistorischen Strömungen?
3. Wie manifestieren sich diese Strömungen in seinem neunten Film Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution von 1965?
Zur Charakterisierung des kulturhistorischen Kontexts soll im zweiten Kapitel dieser Arbeit eine kurze Übersicht äber zentrale Aspekte der modernen Ideenwelt und deren zunehmende Infragestellung, infolge des erkenntnistheoretischen Modernisierungsprozesses, gegeben werden. Im darauf folgenden Kapitel soll die Entwicklung der klassischen Erzaählstruktur im Kino vorgestellt werden, um darauf aufbauend die so genannte ’Krise der Repräsentation’ anhand des italienischen Neorealismus und des Film Noirs zu erläutern. Das vierte Kapitel ist Godards Filmkunst gewidmet. Der Schwerpunkt der Arbeit wird hier auf dem Versuch liegen, Jean-Luc Godards Arbeitsweise zu charakterisieren. Hierbei werde ich sein filmisches Schaffen mit den modernen Entwicklungen in Verbindung setzen und mit dem klassischen Erzäahlkino kontrastieren. Die daraus gewonnen Ergebnisse mächte ich im fíinften Kapitel anhand einer Analyse und Interpretation des Filmes Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution anschaulich machen.
2 Das moderne Zeitalter
Das Ziel dieses Textabschnittes ist es einen groben Überblick über zentrale erkenntnistheoretische Veränderungen zu geben, die das Zeitalter der Moderne geprägt haben. Die Bezeichnung: „Krise der Moderne“ mochte ich hierbei von Ritvan Sentärk entleihen, welcher diesen nutzt, um den Übergang unserer Gesellschaft von der Epoche der Moderne in die Postmoderne zu beschreiben (vgl. Senturk, 2007, S. 1ff).[5] die folgenden Darstellungen dienen dabei als Basis, um im Hauptteil der Arbeit zu untersuchen, inwiefern Jean-Luc Godard ein Kunstler dieser Krise der Moderne ist, d.h., inwieweit er die theoretischen Erkenntnisse, insbesondere jene zur Sprache in seinen Filmen aufgreift.[6]
2.1 Das moderne Selbstverständnis des Menschen
Wie Senturk schreibt, offenbarte das moderne Zeitalter dem Menschen eine Welt in welcher er glaubte, mit Hilfe des säakulaären Modernisierungsprozess ein vollkommen neues intellektuelles, psychologisches und wissenschaftliches Universum erschaffen zu können (vgl. Senturk, 2007, S. 1ff).[7] Die neue Weltanschauung verhilft dem Menschen zu einem neuen Selbstverständnis (vgl. ebd.). In diesem bildete nicht mehr Gott, wie zuvor im theologisch gepraägten Diskurs, sondern der Mensch selbst den Mittelpunkt allen Strebens (vgl. ebd.). Der stark religios geprägte Diskurs des Mittelalters, in welchem die Menschen an Gott und seine Allmachtigkeit glaubten, hatte sich zunehmend zugunsten eines Vertrauens in die menschliche Vernunft und Logik verschoben (vgl. Branston, 2000, S. 158ff). Der Mensch war nunmehr das Herz und vor allem der Kopf des modernen Zeitalters. Als das mit Vernunft, Logik und Willen ausgestattetes Subjekt (Ich) stand es als animalis rationalis, als vernunftbegabtes Tier in einem reflexiven Verhaltnis zum Objekt (vgl. Senturk, 2007, S. 358ff). Die ihn umgebende Objektwelt, allem was ist und war, musste der Mensch in der Üä berzeugung selbst der Ürsprung der Wahrheit zu sein, ein Dasein zukommen lassen (vgl. ebd.) Die objektive Wahrheit und die Wahrheitsbestimmung wurde somit einzig vom Subjekt beherrscht und diskursiviert (vgl. Senturk, 2007, S. 1). Mithilfe der rationalen Kriterien und den neuen technologisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begann der Mensch die Natur und die Lebensweisen so zu transformieren und zu instrumentalisieren, dass ein vor allem technisch geprägter Fortschritt möglich war (vgl. ebd.). Die modernen Prinzipien „des Fortschritts, der Evolution, der Emanzipation und vor allen Dingen [der] Glauben an eine universelle Vernunft“ (Senturk, 2007, S. 360), waren dabei stets verbunden mit der sehnsuchtigen Hoffnung an ein freies und vernunftregiertes Subjekt.
2.2 Die Krise des modernen Selbstverständnisses
Das wichtigste Werkzeug des modernen Menschen war die Wissenschaft. Mit ihrer Hilfe erforschte er die Natur, die ihn umgebenden Objekte und nutzte die dadurch gewonnenen Erkenntnisse, um sich zunehmend von der Natur zu emanzipieren und einen grundlegend technologisch geprägten Fortschritt voranzutreiben (vgl. Senturk, 2007, S. 1). Die modernen Wissenschaften basierten dabei auf der Logik des Subjektes. Durch das Vordringen der Logik (dem reflexiven Denken uber das Denken) in die Wissenschaft entstanden im Laufe der Zeit vielfältige neue und voneinander abgestufte, diskursive Wissensgebiete (vgl. Senturk, 2007, S. 358ff). Deren Verdichtung hatte zur Folge, dass unzaählige, diskursive Wahrheitsproduktionen die alten Wahrheitsdiskurse relativierten (vgl. ebd.).[8] Die „grand narratives“ (Branston, 2000, S. 159) beziehungsweise die großen Wahrheitsdiskurse, fanden sich in ihrem Kern erschuttert und mit ihnen das Subjekt, welches an sie glaubte. Die Aufläsung des an die modernen Diskurse gebundene Verstaändnis des vernunftbegabten Subjektes als Mittelpunkt des zivilisierten Universums, stellen den Kern der Krise der Moderne dar (vgl. Sentärk, 2007, S. 1ff). Der Mensch musste feststellen, dass er nicht nur die ihn umgebende Welt, sondern auch sich selbst im existentiellen Sinne veraändert hatte (vgl. ebd.). Zwei theoretische Strömungen, welche mit ihren Arbeiten entscheidend zur so genannten ’Dezentralisierung des Subjektes’ im modernen Zeitalter beigetragen haben, sind die Psychoanalyse Sigmund Freuds und neue Theorien zur Sprache, insbesondere die semiotischen Erkenntnisse Ferdinand de Saussures. Freuds Erkenntnisse äber die Tiefenstrukturen der menschlichen Psyche, Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts, schwächten die Wahrnehmung des Menschen als selbstbestimmtes Subjekt.[9] In Freuds Psychoanalyse sieht sich das Subjekt als psychologisches „Ich“ angezweifelt und somit das Prinzip seiner universellen Vernunft und seiner daraus resultierenden Logik fundamental angegriffen (vgl. Senturk, 2007, S. 359ff).[10] In seinen Studien teilt Freud die menschliche Psyche in drei Formen des Bewusstseins auf: das Es (das Unbewusste), das Ich (Vorbewusstes) und das Uber-Ich (vgl. Senturk, 2007, S. 49f). Das Ich repräsentiert in Freuds Studien die „reale Außenwelt des Seelischen“ (Senturk, 2007, S. 50). Das Ich steht unter dem Einfluss des unbewusst wirkenden Es, welches die Triebe repräsentiert und dem Uber-Ich (unserem Gewissen), welches „die zensierende Instanz im Inneren des Individuums“ (Franke, 2004) darstellt. Das Uber-Ich ist demnach die Instanz, welche „die von außen gesetzten Normen und Tabus der Gesellschaft den biologischen Trieben des Menschen entgegensetzt“ (Franke, 2004). Das vom Uber-Ich „außerhalb des Individuums konstituierte Realitatsprinzip wirkt [hierbei] begrenzend auf die individuellen Triebe des Es“ (ebd.). Mit Freuds Erkenntnissen entwickelte sich somit die Wahrnehmung des Menschen von einem sich „seiner selbst absolut bewussten und so handelnden Subjekt“ (Senturk, 2007, S. 360) hinzu einem aus dem Zentrum geruäckten, zwischen dem Territorium des Bewusstseins und dem des Unterbewusstseins schwebenden“(ebd.) Ich. Mit seiner Theorie stellt Freud nicht nur das Subjekt selbst infrage, sondern auch das Prinzip der universellen Ethik, welches auf der Vernunft basiert. Er macht deutlich, dass wir nicht durch und durch rationale Wesen sind, sondern auch von unseren Trieben (Es) und dem Uber-Ich als moralische Instanz gesteuert sind. Freuds Theorie war jedoch nicht die einzige, welche explizit die Infragestellung des freien, selbstbestimmten Subjektes entfesselt. Auch die Theorien zur Funktion unserer Sprache trugen entscheidend dazu bei.[11]
Aufbauend auf dem Prinzip der Vernunft und der Logik hatte Descartes der Moderne den Leitspruch „Cogito ergo sum“,„Ich denke, also bin ich“ gegeben. Seine Philosophie des klaren rationalen Denkens beruhte auf der Mathematik (vgl. Parain, 1969, S. 12). Hiermit fand sich Descartes in einer Reihe mit Wissenschaftlern, wie Kepler, Leonardo da Vinci und Galileo Galilei wieder, welche ebenfalls die Mathematik als Grundlage fur Erkenntnisse erachteten. So hatte bereits Galilei erklärt, „Mathematik sei die Sprache, in der das Universum geschrieben ist“ (Parain, 1969, S. 12) und damit bestimmte Überzeugungen auf denen Descartes Denken basierte vorweggenommen. Der bedeutende Aspekt ist hierbei, dass die friihe moderne Philosophie im Einklang mit der Logik stand (vgl. Parain, 1969, S. 18ff). Alles beruhte auf ihr und auf dem Subjekt, von welchem sie ausging. Die Sprache fand sich in dem kartesischen Denken der Logik des Subjektes unterworfen (vgl. ebd.). Man wollte ihr als Ausdrucks unseres Denkens keine autonome Existenz zuerkennen (vgl. ebd.). So schreibt Meillet:
„Unter dem Einfluß der formalen Logik, die bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts alle Theorien uber die Grammatik beherrscht hat, und auch infolge der Gewohnheit, die Sprachtheorien auf Formen der geschriebenen Sprache zu gründen, hat man lange Zeit gedacht, daß jeder Satz von Natur aus ein Subjekt und ein Prädikat enthült.“ (Antoine Meillet in Parain, 1969, S. 12).
Speziell im 18. Jahrhundert begannen neue Theorien diese Auffassung von der Sprache zunehmend infrage zustellen und somit Schritt fur Schritt den Idealismus Descartes abzulösen. Besonders die deutschen Denker wie Leibnitz (bereits im 17. Jahrhundert) Hegel, Herder und Kant, begannen die kartesische Ansicht von Sprache zu verwerfen und vertraten stattdessen die sogenannte Ausdruckstheorie (vgl. Parain, 1969, S. 151ff). In dieser stellte die Sprache „nicht mehr lediglich intellektuelle Vorgünge [...], sondern das Ganze unseres Gemutslebens und unseres tatigen Leben“ (Parain, 1969, S. 152) dar. Aus dieser Perspektive ist die Sprache vor allen Dingen Ausdruck unsere Denkens und Fuhlens und reprüsentiert unsere Begehrungen (vgl. Parain, 1969, S. 153). Mit der Erkenntnis der Ausdrucksnatur der Sprache begann die Philosophie ihre Überlegenheit gegenuber der Darstellungstheorie der mathematischen Wissenschaften zu manifestieren (vgl. ebd.): „Der Stoff der Mathematik ist tot, der des philosophischen Erkennens ist das Leben selbst“ (Parain, 1969, S. 161).
Eine weitere große Wende in den modernen Sprachtheorien brachten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die semiotischen Erkenntnisse, speziell jene Ferdinand de Saussures (1857-1913). Seine Theorien sollten die zukunftigen Entwicklungen in der Semiotik fundieren und den Grundbaustein fuür das strukturalistische und spüatere poststrukturalistische Denken legen (vgl. Sturrock, 1982, S. 6ff). Saussures Theorie basiert auf der Unterscheidung von parole, dem Sprechen und der langue, der Sprache, welche er als Zeichensystem betrachtet (vgl. Wollen, 1972, S. 116ff). In seinem Werk: Cours de linguistique generale beschreibt er die langue beruhe auf dem Signifikant (dem Bezeichnenden/dem Wort) und dem Signifikat (dem Bezeichneten, dem Begriff, dem inneren Abbild, der mentalen Repräsentation) (vgl. ebd.). Die Besonderheit in Saussures Theorie liegt in der Darlegung, dass unsere Sprache mit deren Hilfe wir Erkenntnisse erlangen, auf einem arbiträren System beruht und dieses wiederum auf Konventionen (vgl. ebd.).[12] Auch stellte Saussure heraus, dass das arbiträre Zeichen fär sich allein keine Form von Realitat offenbart, sondern lediglich gemeinsam mit anderen Zeichen in der Lage ist Bedeutung zu generieren (vgl. ebd.). Saussure unterstreicht uberdies die Bedeutung der Sprache fur das Denken:
„Das Denken fur sich allein genommen ist wie eine Nebelwolke, in der nichts notwendigerweise begrenzt ist. Es gibt keine von vornherein feststehenden Vorstellungen. Und nichts ist bestimmt, ehe die Sprache in Erscheinung tritt.“ (de Saussure, 1967, S. 133ff).
Festzuhalten sei an dieser Stelle, dass nach Saussures linguistischen Theorien unser Denken nur durch Sprache repräsentiert werden kann.[13] Dies bildet einen neuen Ansatz fur die Relativierung des Prinzips der Logik, welches das Leitmodell der Moderne war. Descartes „Ich denke, also bin ich“ ist von diesem theoretischen Hintergrund ausgehend nur die halbe Wahrheit. Vielmehr kännte es heißen: Ich spreche, also kann ich denken.[14] Nicht die Logik bestimmt und unterwirft also die Sprache, sondern es verhaält sich genau andersherum. Mit Saussure wird die Sprache daher aus ihrer der Logik unterworfenen Position befreit und es wird gleichzeitig festgestellt, dass sie auf einem willkurlichen Zeichensystem fußt. In diesem Zusammenhang lassen sich folgenden Fragen stellen: Wenn also die Basis unseres Wissens und unsere Wissenschaft die Sprache ist, welche auf einem arbiträren System beruht, wie kännen wir mit Gewissheit von Erkenntnis und Wahrheit sprechen? Wie kann die Wissenschaft uns Erkenntnisse zufuähren, wenn sie doch auf einem Diskurs beruht in welchem die Natur wie wir sie verstehen lediglich ein Konstruktion unserer Sprache ist, in der beispielsweise alle physikalischen Regeln in arbiträaren Zeichen manifestiert sind?
Wäaren wir dessen gewiß, daß die Sprache die Wirklichkeit der Welt, in der wir leben, getreu ausdruckt - wie Descartes es mindestens für die mathematische Sprache selbst annahm -, so wäre die Begrändung unserer Erkenntnis offenbar keine Frage.“ (Parain, 1969, S. 15)
All diese Fragen führen in erster Linie zur Verunsicherung des modernen Subjektes. Das Subjekt musste erkennen, dass es mehr und mehr aus dem Mittelpunkt rückt, von dem aus es glaubte die Welt beherrschen zu können. Die erkenntnistheoretische Dezentralisierung des Subjektes hatte zur Folge, dass das Subjekt in den modernen Theorien nicht langer als das zivilisierte, vernunftgetriebene, freie Subjekt, welches es zu glauben scheint, angesehen wird. Stattdessen fundieren die neuen Erkenntnisse auf der Ansicht, dass das menschliche Denken und somit die menschliche Logik in einem aühnlichen Abhüangigkeitsverhaültnis zur Sprache steht, wie das menschliche Handeln in Abhangigkeit zum Unterbewussten.
Freud und Saussure sind nur zwei Wegbereiter aus der Kette von Denkern, Wissenschaftlern und Theoretikern die es schlussendlich vermochten die modernen Theoreme des menschlichen Selbstverstandnisses radikal infrage zu stellen. Ihre Theorien lieferten neue Perspektiven uber die Fundamente der Wissenschaft und der ontologischen Frage danach ’was ist’, welche spüter von anderen Theoretikern weiterentwickelt und weitergefuhrt werden. Dazu zühlen insbesondere die Theorien von Claude Levi-Strauss, Jacques Derrida, Jacques Lacan, Michel Foucault und Roland Barthes (vgl. Sturrock, 1982, S. 5ff). Unter dem Begriff Strukturalismus trat, in den 60er- Jahren in Frankreich, eine neue intellektuelle Bewegung an die bis dato vorherrschende intellektuelle Bewegung des Existenzialismus, deren Hauptvertreter Jean-Paul Sartre war, zunehmend abzulüsen (vgl. Sturrock, 1982, S. 1ff). Beide Strömungen waren grundsüatzlich verschieden. Waührend Jean Paul Sartre das menschliche Individuum zur Freiheit verdammt sieht [und] der Mensch im existenzialistischen Denken immer und ausschließlich durch sein Handeln definiert wird,[...] verliert das Subjekt im anti-humanistischen Denken des Strukturalismus seine schoüpferische Rolle und muss der Struktur weichen.“ (Franke, 2004).
Waührend Sigmund Freud in seiner Therapie versuchte mit Hilfe der Interpretation von Traüumen in das Unterbewusstsein der Menschen vorzudringen und Unbewusstes ins Bewusstsein hervorzuholen, bemuühen sich die Strukturalisten um die Suche nach den verborgenen Tiefstrukturen und Konstanten, die universellen Charakter haben und unsere Kultur durchdringen“ Franke (2004).[15] Die Methoden der
Psychoanalyse und des Strukturalismus beruhen auf der Dekodierung von Texten (durch Sprache artikulierte, geschriebene oder in der Therapie gesprochene Texte) und versuchen hiermit die tieferen Schichten des menschlichen und kulturellen Bewusstseins zu durchleuchten (vgl. Franke, 2004). Jedoch unterscheidet sich die Psychoanalyse Freuds in ihrer Zielvorstellung stark von jener der Strukturalisten (vgl. ebd.). Während Freud versuchte unter dem Motto „Wo Es war soll Ich werden“ (Franke, 2004) das Ich zu stärken, sieht der Strukturalismus den Menschen lediglich als „passiven Träger der universellen Strukturen“ (ebd.). Gemäß den strukturalisti- schen Theorien repraäsentiert die Sprache, beziehungsweise das von uns angewandte Zeichensystem unsere Realität und strukturalisiert unser Leben. Sie ist die Grundlage des Denkens und die Basis auf dem wir unsere Idee von Wahrheit und Wirklichkeit begrunden. Die Repräsentation von Realitat kann lediglich mit Hilfe von Sprache erfolgen. Fur die Strukturalisten ist die symbolische Ordnung der Zeichen das System in welchem wir nie mehr sein können als „Ereignisse“ (vgl. Sturrock, 1982, S. 13ff). Dies heißt die Sprache strukturiert uns und nicht wir strukturieren die Sprache. So macht beispielsweise Michel Foucault in seiner Diskurstheorie deutlich, dass unsere Sprache im Rahmen eines Diskurses geformt wird und alles was mit Hilfe der Sprache kommuniziert in Diskursen strukturiert ist (vgl. Hall, 1997, S. 44ff). Außerhalb des jeweiligen Diskurses, argumentiert Foucault, kann keine Bedeutung entstehen (vgl. ebd.). In ihm produzieren wir Erkenntnis und Wissen (vgl. ebd.).[16] Aufgrund der Vielzahl der Diskurse und der subjektiven Repräsentation von Sprache kann es unmäglich einen einzigen objektiven Diskurs geben. Eine objektive Realität existiert dem zu Folge nicht, beziehungsweise ist es uns unmäglich diese, sollte sie existieren, wahrzunehmen. Sie kann somit auch nicht repraäsentiert werden. Alles was wir erleben, erfährt erst Bedeutung in einem spezifischen Diskurs und die objektive Wirklichkeit ist daher stets nur die Wirklichkeit ihres Diskurses (vgl. Bran- ston, 2000, S. 158ff).[17] Die Konsequenz dieser Perspektive ist ferner, dass man in den (post-)strukturalistischen Theorien nicht langer von einer klar identifizierbaren Persönlichkeit sprechen kann. Die Vorstellung einer in sich kohärente Persönlichkeit mit einer identifizierbaren Identitat ist gemäß den strukturalistischen Theorien nicht mehr haltbar. Wie Bernt Gustavsson öberspitzt darstellt, könnte man vielmehr sagen: Ich war ein Bündel semantischer Zeichen gestern und heute bin ich ein anderes (vgl. Gustavsson, 1994, S. 155).
In diesem Sinne steht der Strukturalismus und der spaötere Poststrukturalismus för eine Denkensart, welche dem modernen Individualismus und dem Humanismus entgegengesetzt ist. Im Gegensatz zum Humanismus, der die große ubergeordnete intellektuelle Überzeugung der Moderne darstellt und in welchem alle Theorien auf der Vorstellung vom handelnden Subjekt und dessen Logik beruhten, reduziert der Strukturalismus die menschliche Handlungsmacht auf die Interpretation der Kultur (vgl. Sturrock, 1982, S. 13).
All diese theoretischen Entwicklungen möndeten fur das menschliche Subjekt schließlich in einer Krise seines Bewusstseins: Wer bin ich? Bin ich wie Freud sagt nicht mehr „Herr im eigenen Haus“ (Freud in Franke, 2004)? Bin ich lediglich ein Bundel semiotischer Zeichen? Was ist Realitöt?
All jene Fragen wirkten sich auch auf die Könste aus und man versuchte Ihnen auf vielfaöltige Art und Weise zu begegnen. Wie sich dies im Kino zeigte, wird Gegenstand des folgenden Kapitels sein. Der Fokus liegt dabei auf der Veränderung der filmischen Repräsentation welche, wie spater dargelegt werden soll, von der Nouvelle Vague und im speziellen Jean-Luc Godard vollkommen revolutioniert wird.
3 Repräsentation im Film
3.1 Was ist Repräsentation?
Wie Susan Sontag schreibt, ist die frühste Theorie der Künste auf die griechischen Philosophen Aristoteles und Platon zuriickzuführen, welche argumentierten, dass Kunst Mimesis oder Repräsentation sei und somit Imitation der Realitüt (vgl. Sontag, 2009, S. 3ff). Die Basis der Reprüsentation bildet hierbei die Sprache (langue = Zeichensystem). Es ist daher naheliegend, dass die Theorie der Reprüsentation, als die „griechische Metaphysik der Sprache“ (Senturk, 2007, S. 68) grundlegend mit der Sprachwissenschaft (Semiotik) und der Sprachphilosophie verbunden ist. Nach dem Semiologen Charles Sanders Peirce lasst sich Reprüsentation folgendermaßen definieren:
Ein Zeichen oder Reprüasentamen ist etwas, was fuür eine Person eine Sache in gewisser Hinsicht und Eigenschaft reprüsentiert. Es wirkt auf jemanden so, daß es (Zeichen) im Geiste (Verstand) dieser Person ein entsprechendes (neues) Zeichen oder vielleicht ein weiter entwickeltes Zeichen erzeugt. Dieses Zeichen, was das erstere erzeugt, nenne ich Inter- pretant des ersten (urspmnglichen) Zeichens. Das Zeichen steht fur etwas und zwar sein Objekt. Es steht nicht in vielerlei Hinsicht fur dieses Objekt, sondern es bezieht sich auf bestimmte Vorstellungen (in reference to as sort of idea) die ich gelegentlich als Basis (ground) des Repräsentamen bezeichnet habe... .“(Peirce in Sentürk, 2007, S. 96).
Das Zeichen ist somit verschieden von dem was es reprüsentiert. Zwischen dem Realen und der Repräsentation existiert ein Abstand (vgl. Sentürk, 2007, S. 97f). Dieser Abstand wird grundsützlich subjektiv reflektiert (Sentürk spricht hier von Stil) (vgl. ebd.). Diese subjektive Interpretation bemuht sich in der Repräsentation darum, dass „was sie darzustellen scheint, zu ersetzen [und] zwar zu Gunsten eines Dritten, des Interpretants (eines Diskurses, einer Ideologie, oder einer Religion usw.), indem sie die Realitaüt zu ihrem Alibi macht, statt diesen unentbehrlichen Abstand zum Thema der Darstellung zu machen, bzw. die Natur des Wirklichen zu problematisieren“ (Senturk, 2007, S. 98). Dies beschreibt grundsätzlich was im klassischen Erzählkino geschieht. Die repräsentative Reflektion wird hier vollkommen maskiert, „indem man sich die Realitüt zum Alibi macht und sie zugunsten eines Diskurses konvertiert“ (Senturk, 2007, S. 104). Eben hierin liegt fur die franzüsische Nouvelle Vague, vor allem für Jean-Luc Godard das große Problem der Reprüsentation. Die Regisseure der Nouvelle Vague wollen diesen Abstand nicht laünger leugnen, sondern machen ihn selbst zum Thema.
Doch bereits vor der Neuen Welle, welche Ende der 50er- und Anfang der 60er- Jahre ihre ersten Filme ins Kino bringt, wird die klassische Erzählstruktur von Künstlern hinterfragt und transformiert. Um dies anschaulich zu machen, mächte ich im Folgenden einen kurzen Einblick in die Repräsentationsmethoden des klassischen narrativen Kinos geben, sowie in zwei pragende Stilrichtungen der 40er- und 50er-Jahre, den Film Noir und den italienischen Neorealismus. Beide Stilrichtungen zeigen auf unterschiedlichster Art wie die klassische Erzäahlstruktur hinterfragt und transformiert wurde. Sie sollen veranschaulichen, dass und in welcher Weise die Filmemacher nach neuen Formen der Repräsentation von „Realität“ suchten. Hierbei machten sie jedoch noch nicht den Abstand zwischen Realität und Repräsentation zum Thema und problematisieren damit die Natur der „Realität“ selbst, sondern versuchen lediglich die Erzaählung fuär eine in ihren Augen realistischere“ Abbildung des Lebens zu nutzen.
3.2 Repräsentation von Realität im klassischen Erzählkino, dem italienischen Neorealismus und dem Film Noir
Das Konzept der Repräsentation im Zusammenhang mit dem Film signalisiert, dass alle filmischen Bilder Konstruktionen, das heiße Re-Präsentationen einer scheinbar realen Welt sind und nicht nur Präsentationen (vgl. Branston, 2000, S. 156). Besonders im Kino hat sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Tradition der Mimesis etabliert. In Vergleich mit anderen Kunsten wandelte sich mit dem Film die innerästhetische Relation von Subjekt und Objekt und mit dieser der Bezug der Kunst zur Realität (vgl. Freybourg, 1996, S. 23). Die urspriinglich subjektive Realitaätswahrnehmung des Kuänstlers wie wir sie aus der Malerei oder Literatur kennen, veraändert sich beim Film radikal hinzu einer objektiven Wahrnehmung der Realität durch die Technik (vgl. ebd.). Die Euphorie fur das neue Medium, welches es dem Kuänstler ermäoglichte die Darstellungsleistung der Technik zu uberantworten, uberging dabei vorerst die Frage inwieweit man Realität tatsächlich darstellen könne (vgl. ebd.). Das theatralische, szenisch-gestische, performative Kino des „Zeigens“ der friihen Jahre des Kinos um die Jahrhundertwende entwickelte sich in den Folgejahren zu einem Kino des Erzählens (vgl. Elsasser, 2000, S. 37). Das herausragende Merkmal dieses Erzaählens im Film war die transparent-illusionistische Erzählstruktur (vgl. ebd.) Diese wird besonders in den Filmen David Wark Griffiths, von 1907 an, augenscheinlich (vgl. Gunning, 1997, S. 68). In ihnen spiegelt sich die Wandlung des filmischen Diskurses zu einer engen Gebundenheit der filmischen Signifikanten (Lautbild/Wort) an das Erzählen einer Geschichte und die Schaffung eines in sich selbst geschlossen Universums (vgl. ebd.). Das klassisch- realistische Erzählkino, welches mit Griffith Einzug hielt, verfolgte dabei in erster Linie das Ziel die Realitat widerzuspiegeln, sie zu kommentieren und dies durch das Befolgen des Koharenzprinzips zu erreichen (vgl. Sentärk, 2007, S. 149). Mithilfe einer einfachen, koharenten Erzählstruktur versuchte man die Identifikation des Zuschauers mit dem Helden/ der Heldin zu gewährleisten (vgl. ebd.). Um die Illusion vom Film als (Traum-)Wirklichkeit aufrecht halten zu kännen, bemuhte man sich, die känstlerische Seite des Filmes unsichtbar zu machen. Zu diesem Zwecke arbeitet die Filmtechnik mithilfe von bestimmten Einstellungsgroßen, Kameraperspektiven, Auf-, Ab- und Uberblenden, cross-cutting etc. (vgl. Beller, 1999, S. 6ff). Man versuchte harte Schnitte zu vermeiden und leitete flussig in andere Räume, Orte oder sogar in andere Zeiten uber (vgl. ebd.). Es wird augenscheinlich, dass die klassische Erzählstruktur sich bemuht uns die Realität als ein „Ideal der Naturlichkeit“ (Frey- bourg, 1996, S. 24) darzustellen. Der klassisch- narrative Film soll den Zuschauern „als Traumwirklichkeit, besser aber noch als Wirklichkeit verkauflich“ (ebd.) gemacht werden. Vor allem wird die klassische Erzahlstruktur im amerikanischen Kino verwendet, daher spricht man heute auch oft vom klassischen Hollywoodkino. Jenes Hollywoodkino hat sich speziell nach dem zweiten Weltkrieg weltweit durchgesetzt. Der Marshall Plan von 1951 ermäglichte, dass die amerikanische (Kino-)Kultur in Europa ungezugelt Einzug halten konnte (vgl. Babula, 2012, S. 2). Zu dieser Zeit errang das amerikanische Kino eine Monopolstellung, welche es bis heute aufgrund seiner maächtigen Produktionsfirmen und Vertreiber zu halten vermag.
Von Anbeginn der Filmgeschichte gab es jedoch Filmemacher, welche die klassische Erzäahlstruktur nicht angenommen haben. Die russischen Konstruktivisten seien hier als besonders hervorstechendes Beispiel genannt. Sie nutzten den Film in ihrer Schaffensperiode von 1921-1935 als progressives, politisches Mittel um die Revolution zu unterstützen (vgl. Freybourg, 1996, S. 21f). Besonders Sergej Eisenstein und Dziga Vertov erforschten das neue Medium hinsichtlich seiner sprach- ästhetischen Mäglichkeiten und erarbeiteten filmhistorisch bedeutsame Montagetechniken (vgl. ebd.). Andere Stilrichtungen, welche die Filmkunst fernab von dem klassischen Erzahlkinos begriffen, sind beispielsweise der Surrealismus und der Expressionismus und allgemein der Avantgardefilm.
[...]
[1] Godard in „Kritiker. Ausgewählte Kritiken und Aufsätze über Film (1950-1970) 1971, München, in SentUrk, 2007, S.247.
[2] „Es war mein einziger Spielfilm, der wirklich Erfolg gehabt hat, der Geld eingespielt hat, mit dem der Produzent Geld verdient hat, und zwar nicht wenig, das Zehn- bis Zwanzigfache“ (Godard, 1981, S. 25).
[3] Er selbst konstatiert 2010 in einem Interview, dass ihm der Oscar nichts bedeute und fragt sich welchen seiner Filme die Mitarbeiter der Academy of Motion Pictures wohl gesehen haben könnten. „Kennen die meine Filme überhaupt?“ (Godard in Jungen, 2012, S. 15). Dies ist eine berechtigte Frage angesichts der Tatsache, dass Godard sich nicht ziert, seine Abneigung gegenüber dem kommerziellen zeitgenössischen Hollywoodkino zum Ausdruck zu bringen. Schon seine frühen Filme zeugen von der seriösen Kritik gegenüber dem Produktionssystem Hollywoods. Seine Kritik ist dabei weniger spöttisch, als dass sie sein tiefes Bedauern über das ewig gleiche „Kopierwerk“ des Hollywoodkinos formuliert. Man mache sich „mit viel Glanz, mit Millionen von Dollar in den Vereinigten Staaten daran, die furchterliche Monotonie zu maskieren“ (Godard, 1981, S. 55).
[4] Agenes Giullemot, Cutterin vieler Godard Filme, versicherte einmal in einem Interview, dass Godard immer davon ausgegangen sei Filme für das große Publikum zu machen (vgl. Sentürk, 2007, S. 239). Godard selbst sagt: „Ich mache Filme damit sie gesehen werde, oder mit Leuten, die es brauchen, dass sie fur sich welche machen“ (Godard, 1981, S. 81).
[5] Der Begriff der Postmoderne ist umstritten. Ich möchte ihn hier anwenden da er in der von mit angewandten Literatur genutzt wird. Bereits in den 60er-Jahren nutzten Autoren wie Susan Sontag, Miche Foucualt, Roland Barthes und Jacques Derrida den Begriff der Postmoderne. Von der Epoche der Postmoderne ist besonders intensiv seit den 80er-Jahren die Rede. Ein wichtiger Vertreter des spöteren postmodernen Konzeptes ist zum Beispiel Jean Francois Lyotard, der die Postmoderne in dem Aufsatz „Was ist postmodern?“ erklört. Verfugbar unter: http://encyclopedieworldart.files.wordpress.com.
[6] Eine meiner Quellen stellt hier Brice Parain dar, welcher eine große Inspiration fur Godard ist (vgl. Monaco, 1981, S. 105). Brice Parain spielt sich selbst in Godards „Vivre Sa Vie“ (1962), in welchem er mit Nana die Bedeutung der Sprache diskutiert.
[7] Historisch betrachtet beginnt die Ära der Moderne bereits am Ende der lateinischen Mittelalters, entfaltet sich jedoch vollstöndig im 18.Jh, besonders im Zuge der Aufklarung bis Mitte/ Ende des 20. Jahrhunderts (vgl. Kilbourn, 2010, S. 3).
[8] Mit diskursive Wahrheitsproduktionen meine ich hier Wahrheiten die innerhalb eines Diskurse entstehen. Der Diskurs bedingt und beeinflusst durch Sprache bildet den Rahmen, zum Beispiel die Wahrheit des heterosexuellen Diskurses, in welchem Homosexualitat als unnatürlich dargestellt wurde (oder zum Teil immer noch wird) und dies als „die Wahrheit“ galt.
[9] Dies war nicht das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass der Mensch von der Wissenschaft „entthront“ wurde. Unter Kopernikus hatte der Mensch erfahren müssen, dass er beziehungsweise die Erde auf der lebt nicht der unbewegliche feststehende Mittelpunkt des Universums sei und mit den Erkenntnissen Darwins fand er sich auf eine Stufe gesetzt mit dem Tier (vgl. Franke, 2004).
[10] Uber das Verhaltnis des Ich und des Es, in: Sigmund Freud, Das Ich und das Es, 1923, Internationaler Psychoanalytischer Verlag Leipzig-Wien-Zürich, online verfügbar unter: http: //archive.org/details/Freud_1923_Das_Ich_und_das_Es_k [Stand: 20.03.2013]
[11] Theorien zur Sprache gibt es seit der Antike. Nachzulesen ist dies in Brice Parains: Untersuchungen über Natur und Funktion der Sprache.
[12] Weiterentwickelt wurde Saussure Theorie von Charles Sanders Peirce welcher die das Zeichensystem wie folgt präzisiert: Ikon, Index, Symbol. Er geht davon aus, dass das Symbol wie Saussure auf Willkürlichkeit beruht. Das Ikon (Portrait eines Mannes) beruht auf Ähnlichkeit mit dem Objekt was es bezeichnet. Der Index (z.B. eine Uhr die die Zeit anzeigt) bezeichnet eine existentielle Verbindung zwischen sich selbst und dem Objekt (vgl. Wollen, 1972, S. 121ff).
[13] Wissenschaftliche Untersuchungen haben herausgestellt, dass Denken prinzipiell ohne Sprache müglich ist. Allerdings komplizierte Denkprozesse ohne Sprache unmüglich sind (vgl. Dürner, 1976, S. 1-29).
[14] Oder wie es Jacques Lacan formuliert: „Ich denke, wo ich nicht bin, also bin ich, wo ich nicht denke.“ (Lacan in Franke, 2004).
[15] Claude Lévi-Strauss beispielsweise widmet sich der Erforschung von Naturvölkern und stellt heraus, dass sich einzelne Mythen auf universale Denkstrukturen zuröckföhren lassen. Roland Barthes widmet sich ebenfalls den modernen Mythen des alltöglichen Lebens in Frankreich und entdeckt in ihnen die „grundlegenden Strukturen der französischen Alltagskultur“ (Franke, 2004). För Roland Barthes finden wir dabei neben der ersten Ebene, auf welcher die Sprache angesiedelt ist (Signifikant + Signifikat, nach Saussure) eine zweite Ordnung dieses Systems, welche er als den Mythos bezeichnet (vgl. Hartmann et al., 2008). Diese zweite Ordnung baut also auf der ersten auf und wird in Kombination mit einem weiteren Signifikanten zu einem neuen Zeichen: der Metasprache (vgl. ebd.). Beide Sprachlevel benotigen den Gebrauch von durch Konventionen vermittelten Codes (vgl. ebd.). Auf erster Ebene finden wir die kontextfreie und situationsunabhangige Grundbedeutung eines sprachlichen Ausdrucks und auf der zweiten eine in Kontext gestellte, si- tuationsabhangig Metasprache, welche sich in einem größeren gesellschaftlichen und kulturellen Rahmen bewegt (vgl. ebd.). Der Diskursbegriff fasst nun also diese beiden Sprachsysteme, jenes von Saussure und jenes von Barthes und versucht mit Ihnen, mit Hilfe der Repräsentation ein Verstandnis von Realitat zu entwerfen (vgl. ebd.)
[16] Foucaults Diskurs Begriff fasst Repräsentation nicht mehr lediglich in dem semiotischen Ansatz wie Saussure und Barthes sondern, als Möglichkeit Wissen zu erlangen (vgl. Hall, 1997, S. 44). Ein Diskurs ist nach Foucault: ,, [A] group of statements which provide a language for talking about, - a way of representing the knowledge about - a particular topic at a particular historical moment [...]Discourse is about the production of knowlegde through language. But [...]since all social practices entail meaning,and meanings shape and influence what we do- our conduct-all pratices have a discoursive aspect.“ (Hall, 1997, S. 44). Diskurs ist somit ein System von Repräsentationen welches versucht mit Hilfe von Sprache und durch Sprache, ein Verständnis von Wirklichkeit in einer jeweiligen historischen Epoche/Zeit hervorzubringen und zu ordnen. Außerhalb des Diskurses entsteht nach Foucault keine Bedeutung, da die Dinge an und fur sich keine Bedeutung haben, sondern diese erst über unsere Repräsentation produziert wird. Was allerdings nicht heißt, dass es keine materielle Existenz gibt. Diskurse bestehen zwar aus Zeichen sind jedoch mehr als nur die Bezeichnung von Dingen. Sie produzieren selbst im immateriellen Sinne Gegenstande unseres Wissens, indem sie über sie sprechen (vgl. Hall, 1997, S. 44ff). Diese Produktion von Realitatszusammenhangen ist dabei in historische und kulturelle Abhangigkeit gestellt (vgl. Keller in Hartmann et al., 2008).
[17] Um einmal zwei Beispiele für die Auflösung/Transformierung von Diskursen zu geben, mochte ich hier den Diskurs des vernunftbegabten Subjektes, zu Beginn des 20. Jahrhunderts nennen, in welchem es Frauen nicht gestattet war zu wählen. Sie wurden nicht als rationale Wesen anerkannt. Der vorherrschende Diskurs war daher einer „des Mannes“. Ein anderes Beispiel ist der Diskurs des „weißen Mannes“/ein rassistischer Diskurs, in Amerika der mit der Realitat der dunkelhüutigen Bevölkerung in Amerika nichts zu tun hatte. Die modernen Bewegungen, wie eben die US Civil Rights Bewegung in den 50ern oder die feministischen Bewegungen der 60er-Jahre, oder auf die Klassenfrage insistierten auf eine Abschaffung dieser Diskurse in denen sie zu Objekten gemacht worden waren (vgl. Branston, 2000, S. 157).
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