Als Angela Merkel am 22.11.2005 zur Bundeskanzlerin gewählt wurde, konnte das Aktionsfeld der Politik noch immer als ein „männliches Geschäft“ bezeichnet werden (Lünenborg 2009: 73, zit. nach Holtz-Bacha 2008: 10). Nach Angaben des deutschen Bundestages vom Juli 2009, konstituierte sich der 16. Deutsche Bundestag aus 196 weiblichen und 415 männlichen Abgeordneten. Der Frauenanteil lag somit bei 32,1 Prozent (vgl. www.bundestag.de, Zugriff am: 04.12.2009). Diese Zahlen zeigen, dass Frauen in der bundesdeutschen Politik noch immer eine Minderheit darstellen. Eine Ursache für die geringe Präsenz von Frauen in politischen Ämtern ist die Tatsache, dass es Frauen jahrhundertelang verwehrt wurde an der Gestaltung des politischen Prozesses teilzunehmen. Vor allem Macht, als eine Art Essenz der Politik, galt als unweibliches Attribut, zu dem Frauen nicht fähig seien. Die Folgen dieser Art des Rollenverständnisses sind bis heute zu spüren. Politik ist von männlichen Vorstellungen geprägt, sodass auch heute noch typisch männliche Verhaltensweisen und Eigenschaften mit politischen Ämtern assoziiert werden (vgl. www.uni-kassel.de, Zugriff am: 04.12.2009).
„Frauen und Männer sind Opfer ihrer Rollen […].“
(Zitat: Schwarzer, Alice, In: Der kleine Unterschied und seine großen Folgen, erschienen 1975, S.180)
Als Angela Merkel am 22.11.2005 zur Bundeskanzlerin gewählt wurde, konnte das Aktionsfeld der Politik noch immer als ein „männliches Geschäft“ bezeichnet werden (Lünenborg 2009: 73, zit. nach Holtz-Bacha 2008: 10). Nach Angaben des deutschen Bundestages vom Juli 2009, konstituierte sich der 16. Deutsche Bundestag aus 196 weiblichen und 415 männlichen Abgeordneten. Der Frauenanteil lag somit bei 32,1 Prozent (vgl. www.bundestag.de, Zugriff am: 04.12.2009). Diese Zahlen zeigen, dass Frauen in der bundesdeutschen Politik noch immer eine Minderheit darstellen. Eine Ursache für die geringe Präsenz von Frauen in politischen Ämtern ist die Tatsache, dass es Frauen jahrhundertelang verwehrt wurde an der Gestaltung des politischen Prozesses teilzunehmen. Vor allem Macht, als eine Art Essenz der Politik, galt als unweibliches Attribut, zu dem Frauen nicht fähig seien. Die Folgen dieser Art des Rollenverständnisses sind bis heute zu spüren. Politik ist von männlichen Vorstellungen geprägt, sodass auch heute noch typisch männliche Verhaltensweisen und Eigenschaften mit politischen Ämtern assoziiert werden (vgl. www.uni-kassel.de, Zugriff am: 04.12.2009).
Betritt eine Frau wie Angela Merkel das politische Parkett und bekleidet zudem eines der höchsten Ämter in der Bundesrepublik, steht sie vor zweierlei Herausforderungen: Zum Einen existieren in ihrem von Männern dominierten politischen Umfeld bestimmte Rollenerwartungen an einen Bundeskanzler, die zumeist als „typisch männlich“ gelten. Auf der anderen Seite erwartet die Öffentlichkeit, allen voran die Medien, dass die Kanzlerin den üblichen „weiblichen“ Stereotypen entspricht (vgl. Scholz 2007: 28ff.). In der Person Angela Merkel spiegelt sich dieser Interrollenkonflikt zwischen den Erwartungen an die Rolle des männlich konnotierten Bundeskanzlers und den Vorstellungen dessen, was in unserer Gesellschaft als typisch weiblich gilt, sehr deutlich wider. Besonders sichtbar wurde dieser Rollenkonflikt in der medialen Debatte um Merkels Abendrobe bei Eröffnung der norwegischen Nationaloper in Oslo am 12. April 2008. Dort trug Angela Merkel ein tief dekolletiertes dunkelblaues Abendkleid, das in den Medien großes Aufsehen erregte. Im Diskurs der medialen Aufregung wurde u.a. die Frage aufgeworfen, wie weiblich eine Kanzlerin denn sein dürfe ohne ihrem Amt als Staatsoberhaupt damit zu schaden (vgl. Lünenborg 2009: 78ff.). Diese Frage zielt unmittelbar auf das Spannungsverhältnis zwischen den Rollenerwartungen an eine weibliche Politikerin ab; der daraus resultierende Interrollenkonflikt ist für die Betrachtung aus soziologischer Perspektive daher besonders interessant.
Soziologisch gesehen stellte Angela Merkels Auftritt in Oslo einen Einschnitt in das bisherige Rollenverständnis der Kanzlerin dar. Die öffentliche Überraschung über das feminine Abendkleid der Bundeskanzlerin rührte vor allem daher, dass Merkel sich der Öffentlichkeit bisher stets in geschlossenen, gedeckten Hosenanzügen präsentiert hatte und auch im Bundestagswahlkampf 2005 ihre Geschlechterrolle fortwährend in den Hintergrund rückte (vgl. Lünenborg 2009: 74f.). Ziel der Kanzlerin ist es nämlich, aufgrund ihrer objektiven Leistung und nicht aufgrund ihres Geschlechtes bewertet zu werden (vgl. Seibel 2008). Das Bestreben der Kanzlerin, von der Öffentlichkeit als „ungeschlechtlich“ wahrgenommen und nur aufgrund ihrer Leistung beurteilt zu werden, ist nur schwer realisierbar. Denn im Bereich der Politik gelten Männlichkeit und folglich männlich konnotiertes Verhalten, als Norm und somit „ungeschlechtlich“. Frauen hingegen „haben […] ein Geschlecht“ (Scholz 2007: 33, zit. nach Harding 1990: 94).
Die Vergeschlechtlichung der Bundeskanzlerin basiert auf der Tatsache, dass bestimmte Verhaltensweisen innerhalb der Gesellschaft als „typisch weiblich“ gelten, die nicht mit der Praxis des politischen Prozesses vereinbar seien. Diese sind z.B. Zurückhaltung und fehlende Aggressivität sowie Konfliktvermeidung. Dem stehe „männliches“, in der Politik als normal und notwendig angesehenes Verhalten, wie Durchsetzungsvermögen und Streitfähigkeit, konträr gegenüber (vgl. Scholz 2007: 33). Dieses Problem wird auch als das Phänomen des „zweigeschlechtlichen Sehens“ bezeichnet, bei dem ein bestimmtes Verhalten je einem Geschlecht zugeordnet wird. Dabei ist anzuführen, dass den Medien eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung bei der gesellschaftlichen Verankerung des typischen männlichen oder weiblichen Rollenverhaltens zukommt. Merkel allerdings vereine sowohl männliche Eigenschaften wie Zielstrebigkeit und Machtwillen, als auch weibliche Attribute wie beispielsweise Zurückhaltung und Fleiß, auf sich (vgl. Scholz 2007: 25ff.).
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- Yvonne Rötter (Autor), 2009, Die Kanzlerin. Ein „echter“ Staatsmann?!, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232331
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