Trotz seiner Herzerkrankung fasste Jens Lüdicke während eines Südafrika-Urlaubes den Entschluss, ein Sabbatjahr einzulegen und auf Reisen zu gehen. Der Plan: auf eigene Faust mit dem Rucksack die Welt erkunden.
Sein Abenteuer startete in Südamerika, wo ihn seine Route durch Brasilien, Argentinien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru und Bolivien führte. Seine Ziele waren sowohl große Metropolen wie Rio de Janeiro und Buenos Aires, aber auch einzigartige Naturschauspiele und Sehenswürdigkeiten wie die Wasserfälle von Iguazú und die Inkastadt Machu Picchu. Der Autor schildert seine persönlichen Eindrücke von Land und Leuten und erzählt, in welch außergewöhnliche Situationen man auf so einer Reise geraten kann.
In diesem Buch erfahren Sie, was Sie bei einer Tour durch Südamerika auf keinen Fall versäumen dürfen, aber auch, worauf Sie getrost verzichten sollten. Dazu liefert der Autor jede Menge praktische Tipps mit den dazugehörigen Internet-Links. So können Sie Ihre Reise mit stets aktuellen Informationen perfekt vorbereiten.
Inhaltsverzeichnis
Die Idee, auf Weltreise zu gehen
Was ist ein Sabbatjahr?
Die Entscheidung
Die Planung
Als Herzkranker auf Weltreise?
Abenteuer Frankfurt – Rio
Es ging nur bis zur Startbahn 18 West
Kurzer Stop in Brasilien
Rio de Janeiro und eine fehlende Attraktion
Die Wasserfälle von Iguazú
Argentinien: Die Hauptstadt und ein Nationalpark im Süden
Buenos Aires
Die Stadtviertel La Boca, San Telmo und Palermo
Der Friedhof Recoleta
Tango in den Milongas
Am Ende der Welt – Ushuaia
Chile: Auf dem Weg zu den Türmen des blauen Himmels
Entlang der Magellanstraße nach Punta Arenas
Puerto Natales: Das Sprungbrett zum Torres del Paine
Der Nationalpark Torres del Paine
Ins argentinische Eis
Perito Moreno Glacier
Die Osterinsel und Chiles Hauptstadt
Rapa Nui
Das Tapati-Festival
Santiago de Chile
Natur und Karneval: Ein letzter Besuch in Argentinien
Kein Rafting in Mendoza
Cachi und der Nationalpark „Los Cardones“
Karneval in Chicoana
Cerro de los Siete Colores
Salta
Endstation Chile: San Pedro de Atacama – oder wer fährt schon Fahrrad in der Wüste?
Über die Anden nach Bolivien
Tour Salar de Uyuni
Uyuni und der verdorbene Magen
The most dangerous (Death) Road: Fahrradfahren in den Anden
La Paz – Da blieb mir doch die Luft weg!
Copacabana und die Isla del Sol
Peru – Das Land der Inkas und Kondore
Die Stadt Cusco
Machu Picchu – Die Inkastadt in den Wolken
Pisaq – Die Inkastadt im Heiligen Tal
Kondore und Vulkane: Der Colca Canyon
Die Stadt Arequipa
Exkurs: Die Peruaner und der Straßenverkehr
Lima – Die Hauptstadt von Peru
Krank in Lima
Streik in der Wüste
Huanchaco und die Prä-Inka-Kultur
Ecuador
Cuenca – die Stadt des Panamahutes
Die grüne Hölle von Macas
Die Therme von Papallacta
Per Anhalter über die Andenstraße nach Quito
Quito
Kolumbien
Popayan
Kaffee in Bogotá und eine Kathedrale aus Salz
Mein Reisefazit zu Südamerika
Links
Bildnachweis
Lesetipps
Die Idee, auf Weltreise zu gehen
„Wie kommst du bloß auf die Idee, eine Weltreise zu machen?“ Das war die häufigste Frage, die mir vor meiner Abreise gestellt wurde und um sie zu beantworten, muss ich etwas weiter ausholen als: „Ich bin heute Morgen aufgewacht und dachte, das sei eine coole Idee!“
Bis 2004 war ich schlichtweg ein Reisemuffel. Ich hatte kein Interesse am Reisen, da ich andere Pläne hatte, zum Beispiel eine Familie zu gründen. Aber in jenem Jahr wanderte mein bester Freund mit seiner damaligen Freundin nach Südafrika aus. Da ich ihn seit dem Kindergarten kannte und er wie ein Bruder für mich ist, wollte ich den Kontakt nicht abreißen lassen. So beschlossen ein Freund und ich, ihn in Johannesburg zu besuchen und fuhren im Anschluss mit einem Mietwagen drei Wochen durch das Land.
Während dieser Zeit machte ich meine ersten Erfahrungen mit Hostels und Backpackern. Diese Art des freien, unbeschwerten Reisens, der Kommunikation, einfach die Lockerheit der Backpacker, zog mich magisch an. In den folgenden Jahren flog ich immer, wenn mein Budget und meine Urlaubstage es erlaubten, zurück nach Südafrika und bereiste auch einige andere afrikanische Länder wie Mosambik, Zimbabwe, Swasiland, Namibia, Botswana, Sambia, Malawi und Tansania. Zuerst nur mit dem Koffer, dann folgten zwei geführte Overland-Touren, bis ich schließlich meinen ersten Versuch als Backpacker wagte.
Während all dieser Reisen traf ich immer wieder Backpacker, die deutlich länger als ich unterwegs waren. Die einen drei, die anderen sechs oder sogar zwölf Monate. Jedes Mal dachte ich: „Super, das möchte ich auch gerne machen – aber wie nur?“ Schließlich war ich zu diesem Zeitpunkt schon 35 Jahre alt, bei der Stadt Frankfurt als Beamter beschäftigt und hatte nur 30 Tage Urlaub im Jahr! Ein ehemaliger Kollege brachte mich auf die Idee, dass ich doch ein Sabbatjahr beantragen könnte und das war dann auch der Weg zur Erfüllung meines Traums: Ein Jahr um die Welt! Jedoch fingen mit dieser Lösung die Probleme erst richtig an.
Was ist ein Sabbatjahr?
Kurz und knapp: Ein Sabbatjahr – oder auch neudeutsch Sabbatical – ist eine Art Teilzeitarbeit oder Auszeit vom Job. In meinem Fall wählte ich folgende Variante: Ich erhielt für vier Jahre 75 Prozent meines Gehaltes und arbeitete davon drei Jahre Vollzeit. In den ersten drei Jahren sparte ich jeweils 25 Prozent an, die mir dann während meiner Freistellungsphase (Sabbatjahr) ausbezahlt wurden.
Das erste Gespräch mit meinem Abteilungsleiter verlief allerdings nicht besonders gut. Ich hatte das Gefühl, dass er mein Anliegen nicht ernst nahm und auch nicht verstehen konnte, warum ich das Sabbatjahr beantragte. Es erstaunte mich daher nicht sonderlich, dass er meinen ersten Antrag ablehnte. Im hessischen Beamtengesetz ist zwar ein Sabbatjahr vorgesehen, jedoch kann es aus „dienstlichen Gründen“ abgelehnt werden. Ein Jahr später beantragte ich es erneut und es sollte wiederum aus „dienstlichen Gründen“ abgelehnt werden. Mittlerweile hatte ich jedoch etwas mehr Informationen gesammelt und zum Glück den Abteilungsleiter der Personalstelle auf meiner Seite, somit wurde es letztendlich doch noch genehmigt. Leider beschlich mich danach das Gefühl, dass ich mich durch meinen Antrag in der Personalstelle unbeliebt gemacht hatte.
Ich merkte also ein Jahr zu spät, dass ein Staatsdiener immer ersetzbar ist und daher aus „dienstlichen Gründen“ so gut wie kein Antrag abgelehnt werden kann. Außerdem spart sich die Stadt als Dienstherr ja auch das Gehalt, also wenn das mal keine Win-Win-Situation ist!
Die Entscheidung
Jeder, der sich mit dem Thema Langzeitreisen auseinandersetzt, muss irgendwann die Entscheidung treffen, ob er seine Pläne auch wirklich in die Tat umsetzen will. Das ist im ersten Moment gar nicht so einfach, aber wer zumindest auf Zeit aus dem Hamsterrad des Arbeitsalltags heraus möchte, trägt die Entscheidung meist schon seit Jahren in sich. Er muss sich nur noch der gesellschaftlichen Zwänge entledigen; Materielles und die Vorstellungen anderer dürfen dabei keine Rolle mehr spielen, sonst klappt das nicht.
Ich habe von der Idee bis zu meiner Entscheidung etwa eineinhalb Monate gebraucht. Im Nachhinein betrachtet hatte ich diese Entscheidung aber schon vor Jahren in Afrika gefällt. Viele meiner Weltreisefreunde, die ich im Laufe der letzten Jahre kennengelernt hatte, haben ihren Job für ihren Traum gekündigt. Sie haben ihr Erspartes verbraten und kamen nach ihrer Reise mit der Sorge nach Hause, keinen neuen Job zu finden. Dieses Problem hatte ich nicht, aber dafür laufende Verbindlichkeiten, da ich später mal ein Eigenheim mein Eigen nennen wollte. So musste ich einen Finanzplan aufstellen, um herauszufinden, wie ich Reise und Haus langfristig finanzieren konnte. Für die Umsetzung hatte ich ja drei Jahre Zeit. Mein Erspartes wurde mit härteren Sparmaßnahmen weiter aufgestockt, um bei der Abreise genug Geld in meinen Taschen zu haben.
Die Planung
Mit der Planung könnte ich ein eigenes Buch füllen, aber zu diesem Thema gibt es bereits genug Literatur; auch das Internet hilft in der Regel bei der Reiseplanung weiter. Viele Reisende sind der Meinung, dass eine Langzeitreise mindestens ein Jahr vorbereitet werden muss. Das trifft vielleicht zu, falls jemand überhaupt keine Reiseerfahrung hat, alle anderen lernen von Reise zu Reise. Die Planung ist meiner Meinung nach kein Hexenwerk. Steht erst mal die Finanzierung, gilt es noch folgende sieben Punkte und Fragen zu berücksichtigen:
1. Reise ich alleine oder mit einem Partner?
2. Richten Sie ihre Reiseroute nach der Wetterlage aus. Im Winter nach China oder zur Monsunzeit nach Südostasien zu reisen wäre unsinnig.
3. Wie überwinde ich die Ozeane? Mit einem Round-The-World-Ticket (RTW) oder mit Einzeltickets?
4. Wie sieht meine Packliste aus und wie groß muss und darf der Rucksack sein?
5. Brauche ich eine Auslandskrankenversicherung?
6. Benötige ich darüber hinaus noch eine Heimatbasis?
7. Wie versorge ich mich unterwegs mit Geld?
Zu 1.: 2004 traf ich in Südafrika den ersten deutschen Langzeitreisenden, der mit der Zeit ein guter Freund wurde. Er reiste alleine und erklärte mir, dass Freiheit und Unabhängigkeit eine Weltreise ausmachen würden. Heute kann ich seine Worte nur unterstreichen, denn alleine ist der Reisende fast nie, aber er ist frei und kann seine Entscheidungen von Minute zu Minute treffen. Zu zweit sollten nur Paare reisen. Kommen sie zusammen zurück, hält die Beziehung bestimmt ein Leben lang.
Meine Reise plante ich für mich alleine. Doch dann fragte mich eine junge Frau über ein Forum, ob sie mit mir reisen dürfe. Sie sei noch nie außerhalb Europas gewesen und würde sich so sicherer fühlen. Ich erklärte ihr – sie hieß Katja –, dass sie spätestens nach zwei Wochen den Dreh raus haben würde und alleine reisen könne. Und so kam es dann auch.
Zu 2.: Nachdem ich mir überlegt hatte, welche Länder ich bereisen wollte, stellte ich meine Route zusammen. Allerdings hatte ich einen Denkfehler gemacht, denn ich plante, Ende Dezember nach Osten zu starten, so wäre ich die meiste Zeit bei schlechtem Wetter gereist. Nach einem Tipp von Weltreise-Info stellte ich die Route so um, dass ich im Westen starten und so immer mit gutem Wetter reisen würde.
Zu 3.: Mit der Planung der Route stellte sich auch die Frage nach den richtigen Flugtickets. Einzeltickets haben einen großen Vorteil: Man ist mit ihnen flexibler, aber dafür kann es auch teurer sein als ein Round-The-World-Ticket. Also entschied ich mich für die zweite Variante. Unterwegs kaufte ich mir ab und zu noch ein Einzelticket dazu, falls es nötig war.
Zu 4.: Jetzt kommt die schlimmste aller Fragen: Wie groß darf der Rucksack sein? Ich nehme es vorweg, ich startete mit einem 35 + 5 Liter Rucksack plus einem Daypack. Mit dieser Größe kommt nicht jeder zurecht, aber vor Jahren merkte ich, dass ein 65 + 10 Liter Rucksack in einem völlig überfüllten Minitaxi in Südafrika keine gute Idee ist. Mit der Zeit lernte ich auch, was auf einer Reise wirklich wichtig ist, so dass ich zum Gepäck-Minimalisten wurde. Mein Rat: Nimm so wenig wie möglich mit, aber dennoch alles, was für dich wichtig ist!
Zu 5.: Bei der Wahl der Auslandskrankenversicherung ist neben dem Preis entscheidend, dass ein medizinisch sinnvoller Rücktransport angeboten wird.
Zu 6.: Die Heimatbasis sind vertrauenswürdige Menschen, die mit einer Vollmacht ausgestattet werden, mit der sie einen im Fall der Fälle vertreten, Gelder überweisen oder im schlimmsten Fall Entscheidungen für einen treffen können. Bei mir waren es meine Eltern.
Zu 7.: Das Geld kommt weltweit aus dem Automaten wie zu Hause der Strom aus der Steckdose. Beim Strom achten wir auf den Preis und so ist es auch bei der Wahl der Kreditkarte. Es gibt Banken, die Kreditkarten ausgeben, mit denen man weltweit keine Gebühren an Automaten zahlen muss. Als Backup-Karten sollten aber noch eine EC-Karte und eine Kreditkarte einer anderen Bank dabei sein, falls ein Automat die Hauptreisekreditkarte nicht akzeptiert. Mit diesen drei Karten gibt es weltweit immer Bares.
Jetzt könnt ihr euch noch über solche Sachen wie Kamera (DSLR oder Kompakt), Netbook und andere Gimmicks Gedanken machen. Hier zählt wieder mein Tipp: Haltet das Gepäck so klein und leicht wie möglich! Ich hatte ein MacBook Air und eine Kompakt-Digicam dabei.
Als Herzkranker auf Weltreise?
Die meisten Menschen machen sich um ihre Gesundheit kaum Gedanken und die erst, wenn es (fast) zu spät ist. Bei mir ist das anders: Im zarten Alter von einem Tag stellten die Ärzte bei mir eine Herzerkrankung fest. Den Schock für meine Eltern kann ich nur erahnen, aber an der Tatsache konnte leider niemand mehr etwas ändern.
Es ist nun auch nicht unbedingt typisch, dass ein behinderter Mensch wie ich auf eine Weltreise geht – aber warum denn eigentlich nicht? Ich habe in meinem Leben schon Menschen gesehen, denen es schlimmer geht als mir.
Ich möchte zu Beginn des Buches gerne erklären, wie meine Erkrankung aussieht: Im November 1971 wurde ein Loch in der Herzscheidewand (Septumdefekt), eine Verengung des Muskels unterhalb der Klappe (Muskelverdickung der rechten Herzkammer) und eine Verengung der Klappe der Lungenschlagader (Pulmonalstenose valvulär) erkannt. Die nennt der Kardiologe dann Fallot’sche Tetralogie. Durch die Verengung der Klappe der Lungenschlagader wird der Blutstrom behindert und das frische Blut nicht vollständig in den Kreislauf gepumpt, so dass die Belastung für das Herz höher wird.
Schon in meiner Kindheit war dadurch alles etwas anders als bei meinen Freunden. Es hieß immer „Nur keine Belastung!“ oder „Nur nicht anstrengen!“. Vom Schulsport wurde ich befreit, sollte nicht höher als 800 Meter über den Meeresspiegel klettern und am besten gar nichts mehr machen.
Mit neun Jahren wurde ich dann am offenen Herzen operiert, denn mit einer Korrektur am Herzen kann ein Jugendlicher oder Erwachsener ein weitgehend normales Leben in den ersten drei bis vier Jahrzehnten führen.
Das Loch konnte bei der Operation geschlossen werden, die Verengung der Klappe der Lungenschlagader aber blieb bestehen. Daher muss das Herz auch heute noch etwas mehr arbeiten als gewöhnlich. Leider hatte ich nach meiner OP auch noch Pech und bekam eine schlimme Entzündung von Herzinnenhaut und Herzmuskel (Endocarditis lenta). Das war direkt nach der Operation sehr kritisch und wiederholte sich im Laufe meines Lebens noch mehrfach.
Aber ich lernte mit dieser Beeinträchtigung zu leben – es blieb mir ja auch nichts anderes übrig. Meine Freunde und meine Familie unterstützten mich damals, das war enorm wichtig für mich. Ich lernte Schwimmen, Fahrradfahren, spielte Handball im Verein und erlebte mit meiner mir zur Verfügung stehenden Kondition ein sehr normales Kinderleben.
Mein persönliches Fazit: Es ist besser, ein Leben zu haben und es zu genießen, als nur aus dem Fenster zu gucken und davon zu träumen!
Abenteuer Frankfurt – Rio
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Meine Reiseziele in Südamerika. Quelle: OpenStreetMap und Mitwirkende, CC BY-SA
Es ging nur bis zur Startbahn 18 West
Wieso sollte mein Abflug hier einen Eintrag wert sein? Nachdem ich eingecheckt und mich von meiner Familie verabschiedet hatte, freute ich mich schon auf meinen Notausgangsplatz mit viel Beinfreiheit in der Maschine nach Madrid, die um 7:40 Uhr starten sollte. Aber kurz vor Erreichen der Startbahn 18 West des Frankfurter Flughafens sprach der „Capitano“ zu uns: „Wir haben ein technisches Problem mit einem der Bordcomputer. Wir tauschen den hier jetzt aus.“
Ok, besser er merkte es vor dem Start als später in der Luft. Nach circa einer Stunde meldete sich „el Capitano“ wieder und informierte uns, dass es noch eine weitere Stunde dauern würde und … mal sehen. Lange Rede, kurzer Sinn, nach drei Stunden ging es im Bus zurück zum Terminal. Dort wusste erst einmal keiner, was Sache ist, aber es gab ein paar Nüsschen gratis zum Knabbern. So gegen 13 Uhr verteilten sie dann Essensgutscheine, die bei einer bekannten Fastfood-Kette eingelöst werden konnten. Um 14 Uhr strichen sie den Flug endgültig und alle Passagiere wurden umgebucht. Ich möchte hier kurz anmerken, dass ich bei meinem Weiterflug nach Rio auch auf einem komfortablen Notausgangsplatz gesessen hätte!
Katja, meine Begleitung für den ersten Abschnitt meiner Reise, und ich waren die Vorletzten, die umgebucht wurden. Die nette Dame der Fluglinie Iberia buchte uns auf einen Lufthansa-Flug nach Paris um, von dort aus sollte es dann nach Rio weitergehen. Anschließend erklärte sie uns, dass wir unsere Bordkarte für die südamerikanische Fluglinie TAM in Paris am Check-In-Schalter abholen müssten, da dort ein anderes System im Einsatz sei.
In Paris war der Mitarbeiter jedoch ein wenig verdutzt, als wir eine Bordkarte von ihm haben wollten und das Boarding hatte schon begonnen. Er meinte, dass es keine Bestätigung von Iberia gäbe und das Problem nun über die Iberia-Zentrale in Lyon zu klären sei. Nach 30 Minuten war es dann soweit, wir erhielten unsere Bordkarten und erreichten das Gate circa 10 Minuten vor dem Abflug. Das Positivste nach dem ganzen Stress war, dass beide Flieger tipptopp waren, der Service stimmte und wir sicher in Rio ankamen. Natürlich hatte das noch ein Nachspiel: Iberia bekam einen Beschwerde-Brief von uns, da sie uns nach dem EU-Recht eine Entschädigung für die Unannehmlichkeiten zahlen mussten.
Kurzer Stop in Brasilien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Meine Tour durch Brasilien. Quelle: OpenStreetMap und Mitwirkende, CC BY-SA
Rio de Janeiro und eine fehlende Attraktion
Wir waren also in Rio de Janeiro und womit fange ich jetzt zu erzählen an? Vielleicht mit meiner Nase, denn hier angekommen sprang mein vierter Sinn an und es roch ungewohnt gut. Genau beschreiben kann ich es nicht, aber hier dennoch ein kleiner Versuch: An fast jedem Straßenrand wurden frische Ananas verkauft und es roch, als wenn jemand Duftwasser versprüht hätte. Natürlich duftete es auch nach Grill, Fisch und vielen anderen Sachen – einfach unbeschreiblich!
Unsere erste Nacht verbrachten wir bei David, einem Couchsurfer mit Leib und Seele; er machte es einem wirklich leicht, sich wohl zu fühlen. Seine Wohnung befand sich in einem Viertel namens Santa Teresa. Vor seiner Haustür sollte eigentlich eine kleine Attraktion auf uns warten: die historische Straßenbahn „Bonde“. Jedoch geschah im August 2011 ein schwerer Unfall mit fünf Toten, seitdem ist der Betrieb der „Bonde“ zeitweise eingestellt worden. Schade, denn nun heizten dort stattdessen kleine Busse den Berg hinauf, denen jeglicher Charme fehlte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
So ungefähr sieht die „Bonde“ aus, die leider nicht fuhr.
Nachdem wir drei Tage lang die Strände Flamengo, Copacabana und Ipanema erkundet hatten, hatte sich Praia do Flamengo als mein persönlicher Favorit herauskristallisiert. Copacabana und Ipanema sind völlig überlaufen, der Sand ist allerdings an allen dreien schön weiß. An der Copacabana und Ipanema präsentieren sich die Schönen und Reichen. Das ist zwar recht nett anzuschauen, aber ich ziehe dann doch den einfacheren Strand vor.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Rio gibt es an jedem Strand weißen Sand.
Nach der Stranderkundung gab es abends für uns den ersten Caipirinha in Lapa – einem benachbarten Stadtteil von St. Teresa. Der Drink hatte es wirklich in sich und war sehr lecker.
Was ich jedem ans Herz lege, ist ein Besuch der Favelas, den Armenvierteln von Rio. Nur vor Ort kann der Reisende einen Eindruck davon bekommen, wie schwer das Leben dort sein mag. David zeigte uns die Favela „Santa Marta“, die für Besucher geöffnet und soweit sicher war. Dort können Touristen übrigens auch ohne weiteres Fotos machen. Mein viertes Sinnesorgan wurde auch in der Favela wieder gereizt, die stinkenden Abwässer laufen dort einfach durch kleine offene Betonkanäle. Die Eindrücke waren intensiv und auf jeden Fall den (kostenfreien) Besuch wert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Favela „Santa Marta“ verschafft dem Reisenden einen Eindruck vom harten Leben in Rios Armenvierteln.
Eine der größten Sehenswürdigkeiten in Rio ist die Christus-Statue Monumento Cristo Redentor auf dem Hausberg Rios, dem Corcovado – zu Deutsch „Der Bucklige“. David meinte, wir sollten gleich in der Früh dorthin gehen, um schon vor dem Andrang der Touristen-Massen oben zu sein. Als wir die Karten um 9:15 Uhr kauften, bekamen wir eine Fahrt für 13:40 Uhr – so viel dazu. Das Ganze ist eher eine Tortur, aber eben doch ein Muss. Leider war das Wetter schlecht, so dass uns „der Bucklige“ nicht unbedingt seine fotogene Seite zeigte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Christus-Statue thront hoch über Rio de Janeiro.
Das Highlight des Jahres sollte allerdings noch kommen: die Silvesterparty an der Copacabana. Zuerst fuhren wir alle drei zu einem Freund von David, der an der Lagune von Rio in einem Penthouse wohnte. Auf seinem Balkon feierten wir bis circa 23 Uhr und liefen anschließend in nur 10 Minuten an die Copacabana. Leider regnete es schon auf dem Weg dorthin und es wurde immer schlimmer – ins Wasser fiel die Party dennoch nicht. Wir kämpften uns bis knapp in die Mitte der Copacabana vor und bestaunten um Mitternacht ein Wahnsinns-Feuerwerk, das ganze 20 Minuten dauerte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das verregnete, aber wunderbare Feuerwerk an der Copacabana
Nach dem Feuerwerk war auf der Copacabana kein Durchkommen mehr möglich, selbst in den Seitenstraßen tobte das Chaos. Die Menschenmassen zogen sich durch die komplette Stadt. Hunderte von Busfahrern versuchten, durch die Menge zu fahren, um ihre Fahrgäste nach Hause zu bringen. Der Versuch, einen Sitzplatz im Bus zu bekommen, glich einem Selbstmordkommando, und so liefen wir zu Fuß weiter, bis wir ein Taxi fanden.
Trotz aller Unkenrufe, dass Rio gefährlich sei, fühlte ich mich in dieser Metropole sicher. Mir schien der schlechte Ruf der Stadt im Nachhinein eher als ein Klischee der Europäer. Rio ist immer wieder einen Besuch wert!
Die Wasserfälle von Iguazú
Wasserfälle beeindrucken mich immer wieder durch die Lautstärke und Kraft der Wassermassen, die dort herunterstürzen! Die Viktoriafalls in Zimbabwe fand ich auf einer früheren Reise schon eindrucksvoll. Die Wasserfälle von Iguazú verzauberten mich jedoch noch mehr, obwohl sie um einiges leiser als ihre Kollegen in Afrika waren. Die Iguazú-Wasserfälle liegen übrigens genau an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Iguazú-Waserfälle in ihrer ganzen Pracht
Ich hatte schon damit gerechnet, dass Iguazú ein Magnet für Touristen sein würde, aber dass dort so viel Trubel herrschen würde, hätte ich nicht gedacht. Es waren tausende Besucher, die morgens vor dem Eingang auf der brasilianischen Seite auf Einlass warteten. Zum Glück verliefen sich die Massen mit der Zeit etwas, aber es standen immer jede Menge Menschen um einen herum.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beeindruckend, wie die Wassermassen hinunterstürzen.
Der Weg vom Eingang führte entlang des Flusses bis zum großen Wasserfall. Dort wurde ich mit einem tollen Ausblick für den anstrengenden Touristenandrang belohnt. (Aber nur, weil ich noch nicht wusste, was ich 24 Stunden später wusste.) Es war toll, durch die Gischt des Wasserfalls zu laufen und sich von ihr abkühlen zu lassen, denn im Schatten waren es bestimmt 36° Grad. Auf der brasilianischen Seite konnte ich die Fälle von vielen unterschiedlichen Winkeln betrachten und so wurde es nicht langweilig.
Am nächsten Tag begab ich mich auf die argentinische Seite der Iguazú-Wasserfälle. Dort stellte Argentinien Brasilien völlig in den Schatten: Gab es in Brasilien nur einen einzigen, etwa vier Kilometer langen Weg, gab es auf argentinischer Seite viele Wege durch kleine Wälder. Es ist zwar wie auf der brasilianischen Seite ein National Park (Nationalpark Iguazú) mit bester Sicht auf die Wasserfälle, aber viel idyllischer angelegt. Der „Garganta del Diablo“ – so nennt man das Wasserfallsystem – ist der Wahnsinn! Es gibt hunderte wunderschöne Aussichtspunkte auf den vielen Wegen. Also wer diese Wasserfälle besuchen möchte, dem lege ich die argentinische Seite ans Herz – sie ist die bessere Wahl.
[...]
- Citar trabajo
- Jens Lüdicke (Autor), 2013, Backpacker unterwegs: Mein Reise-Sabbatical. Südamerika, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232297
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