Jeder Studienanfänger, der sich für das Studienfach der Philosophie entscheidet und diese Wahl seiner Familie, Freunden und Bekannten mitteilt, darf sich wahrscheinlich mit derselben Frage herumschlagen: „Philosophie – was macht man denn damit?“
Essay II
„Philosophie - was macht man denn damit?““
Jeder Studienanfänger, der sich für das Studienfach der Philosophie entscheidet und diese Wahl seiner Familie, Freunden und Bekannten mitteilt, darf sich wahrscheinlich mit derselben Frage herumschlagen: „Philosophie – was macht man denn damit?“
Um diese Frage gut beantworten zu können, sollte man sich selbst zuerst einige Fragen zur Philosophie stellen.
„Was ist Philosophie?“
„Wozu brauchen wir sie heute noch?“
„Wie ist der Stellenwert der Philosophie in der Gesellschaft zu beurteilen?“
Dies sind nur einige Möglichkeiten, um sich selbst klar zu werden, was man denn da überhaupt studieren möchte. Anhand dieser Fragen und anhand der Texte „Überwindung der Metaphysik“ von Rudolf Carnap sowie „Wozu noch Philosophie“ von Theodor W. Adorno soll hier eine Möglichkeit gezeigt werden, was man mit der Philosophie anfangen kann oder sollte.
Carnap und Adorno:
Zu Beginn soll hier das Philosophieverständnis von Carnap und Adorno erläutert werden.
Widmen wir uns also zuerst Carnap.
Carnap will, wie der Titel seines hier zu Rate gezogenen Werkes bereits impliziert, die Metaphysik überwinden. Dieses Unterfangen geschieht bei ihm durch die sprachliche Analyse von Sätzen und deren Bestimmung als entweder sinnvolle oder andererseits sinnlose Sätze. Es gibt für ihn drei Formen von sinnvollen Sätzen: Tautologien, Kontradiktionen und Erfahrungssätze. Wenn man nun einen Satz erstellt, welcher zu keiner der genannten Arten gehört, ist er daraus folgend schon sinnlos.[1] Sinnlose Sätze sind einerseits solche, die syntaxwidrig zusammengesetzt sind, also eine Aneinanderreihung von Worten, die zwar jedes eine Bedeutung haben, jedoch in dieser Zusammensetzung nicht zu einem aussagekräftigen Satz führen. Die andere Möglichkeit einen sinnlosen Satz zu finden ist, wenn im besagten Satz ein Wort vorkommt, von dem man nur irrtümlicherweise annimmt, dass es überhaupt eine Bedeutung hat. Jene Sätze bezeichnet er als Scheinsätze.[2] Die Metaphysik beschäftige sich allerdings nur mit solchen Sätzen, daher ist das ganze Unterfangen derselben sinnlos. Carnap sagt dies so: “[…] sie will eine Erkenntnis finden und darstellen, die der empirischen Wissenschaft nicht zugänglich ist.“[3] Um einen sinnvollen Satz zu bilden, kommt es auf dessen Verifizierbarkeit und die Tatsache, dass er nur etwas über eine empirische Tatsache besagen kann, an.[4] Sein Philosophieverständnis stellt also viele der vorhergehenden Philosophieströmungen als sinnlos dar und gesteht ihnen nur den Wunsch zu, dass sie das Lebensgefühl der Zeit ausdrücken wollten.[5] Dies könne jedoch durch Musik viel erfolgreicher umgesetzt werden, woraus er schließt, dass Metaphysiker talentlose Musiker sind.[6]
Adorno hingegen wirft ein gänzlich anderes Verständnis der Philosophie auf. Er sieht die immanente Kritik an vorherrschenden Einstellungen als essentiell für die Philosophie an.[7] In seinem Aufsatz „Wozu noch Philosophie?“ entwickelt er gegen Ende einen kategorischen Imperativ der Philosophie, welcher besagt, dass man immer am Geist der Zeit bleiben muss und an diese gerichtete Kritik üben muss.[8] Er kritisiert selbst den Angriff Carnaps gegen Heideggers Theorien, sieht jedoch bei beiden in der Metaphysik den gemeinsamen Feind.[9] Eine seiner Meinung nach richtige Philosophie beziehungsweise eine mündige Menschheit, kann nur dadurch gebildet werden, dass das Ganze in seiner Unwahrheit erkannt wird und darauf aufbauend Kritik geübt wird.[10]
Hier sieht man also zwei Schulen der Gegenwartsphilosophie, denen man auch noch andere, wie z.B. die von Heidegger hinzufügen könnte, welche durch Fundamentalontologie die Frage, was denn das Sein ist, beantworten möchte. Doch was ist von diesen ganzen Schulen nun noch übrig geblieben? Sind solche Gedanken überhaupt noch nötig in der heutigen Gesellschaft oder waren diese Philosophen einfach nur Spinner?
Welche Rolle spielt Philosophie heute?
Viele Menschen rümpfen heutzutage fast schon die Nase, wenn man ihnen davon erzählt, dass man sich gerade wieder ein neues Werk von Kant oder Nietzsche gekauft hat. Es wird als sinnlos dahingestellt, sich mit den Gedanken von Leuten zu beschäftigen die seit Jahrhunderten tot sind. Wenn man daraufhin erwidert, dass man auch Sokrates und Platon lese, wird man des Öfteren auch für einen verkappten Historiker gehalten oder einfach nur für einen Wunderling. Es scheint so, als sei in der heutigen Gesellschaft kein Platz mehr für Gedankenspaziergänge und das Philosophieren. Doch andererseits wenden sich viele Menschen manchmal dubiosen esoterischen Lehren zu, um einen Sinn in ihrem Leben zu finden. Doch ist nicht genau die Frage nach dem Sinn des Lebens oder des Seins eine von Grund auf philosophische Frage? Andererseits gibt es auch immer wieder aufkeimende Diskussionen über Abtreibung, Sterbehilfe, Gentechnik, Tierrechte, usw. Doch gerade in diesen Bereichen ist Philosophie in dem Maße von Bedeutung, dass sie Begriffe definiert, oder Argumente untermauert und widerlegt. Martin Seel, seines Zeichens Professor für Philosophie in Frankfurt, schrieb in der „Zeit“ über die Philosophie: „Sie widmet sich Grundbegriffen und den darin enthaltenen Grundverständnissen, die das menschliche Tun und Lassen unausweichlich leiten. Dies sind solche, ohne die es in der Erhaltung und Entwicklung menschlicher Kulturen und Gesellschaften einschließlich ihrer Künste und Wissenschaften nicht – oder jedenfalls nicht gut – geht.“[11] Er führt hier als Begriffe, die durch die Philosophie näher bestimmt sind oder werden müssen Worte wie Recht und Unrecht, Gleichheit und Ungleichheit, Freiheit, Zeit und einige andere an.[12] Diskussionen über Themen wie die Todesstrafe sind ohne eine klare Definition einiger dieser Begriffe nicht zu führen. Doch ist alles, was die Philosophie heute ist, nur ein Wörterbuch, in dem man nachschlagen kann, wenn man, sei es in politischen Diskussionen oder sei es am Stammtisch, diskutieren möchte? Auf die Frage, was philosophische Argumente bewirken können, antwortet Martha Nussbaum, Dozentin für Philosophie in Chicago, dass es ganz davon abhängt, welche Nationen hier betrachtet werden. In den USA spielen laut ihrer Aussage philosophische Gedanken in Diskussionen um die Bioethik und bei ordnungspolitischen Angelegenheiten eine Rolle, wobei sie in der Gesetzgebung keine spielen.[13] Auch bei der Deutung szientifischer Forschungsergebnisse ist sie hilfreich, um überhaupt verstehen und einschätzen zu können was sie für Auswirkungen auf die Menschen haben könnten.
Man sieht also, dass bei vielen die Gesellschaft betreffenden Fragen philosophische Argumente beachtet werden und einen hohen Stellenwert einnehmen. Doch nicht nur in solchen Fragen kann sie helfen, auch eine bessere Strukturierung des Alltags kann durch sie geschehen, ebenso kann sie eventuell auch in Lebenskrisen, sei es bei einer Midlife Crisis, schwerer Krankheit oder anderem helfen, indem sie die Sinn-Frage des Lebens erläutert und somit diesen schweren Zeiten eventuell wieder etwas Gutes abgewinnt.
Auch die von Adorno angesprochene Kritik an vorherrschenden Strömungen und Meinungen ist ein essentielles Element der heutigen Philosophie und des heutigen Denkens. Ohne solch eine Kritik würde der Fortschritt stagnieren. Durch blinde Akzeptanz aller vorherrschenden Meinungen wird die eigene Meinungsbildung gehemmt und genau dort sieht Adorno eine Gefahr: „Praxis, welche die Herstellung einer vernünftigen und mündigen Menschheit bezweckt, verharrt im Bann des Unheils ohne eine das Ganze in seiner Unwahrheit denkende Theorie.“[14] Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Philosophie heutzutage eine Rolle spielt, die zwar größer sein könnte, jedoch auch nicht wegzudenken ist aus gesellschaftlichen Debatten. Als normaler Bürger kann man eventuell mit den Texten Kants oder Heideggers nicht unbedingt etwas anfangen, doch sollte man bedenken, dass solche Werke eventuell Grundpfeiler für diverse, auf den Bestsellerlisten vertretener Lebens-Ratgeber sind, an die sich heute viele Menschen klammern, nur auf eine Weise vereinfacht, dass man nicht mehr von philosophischen Werken sprechen kann. Doch schlagen gerade solche Ratgeber mit Begriffen wie „Sinn“, „Glück“ und „Sein“ nur so um sich ohne sie in irgendeiner Weise zu bestimmen.
[...]
[1] Carnap, Rudolf, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, Erkenntnis, 2 (1931) p.219 S. 236
[2] s.o. S. 220
[3] Carnap, Rudolf, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, Erkenntnis, 2 (1931) p.219 S. 236
[4] s.o. S. 236
[5] s.o. S. 239
[6] s.o. S. 240
[7] Adorno Theodor W. , Wozu noch Philosophie?, In: Theodor W. Adorno: Eingriffe: Neun kritische Modelle. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1963. (edition suhrkamp 10) S.21
[8] s.o. S. 28
[9] s.o. S. 15f
[10] s.o. S. 24
[11] ZEIT N°4 vom 20. Januar 2011, Artikel: Die Wahrheit der Philosophie, Martin Seel, Zeitverlag Gerd
Bucerius Verlag GmbH & Co.KG Hamburg
[12] s.o.
[13] ZEIT N°4 vom 20. Januar 2011, Interview: Sokrates ist unser Vorbild, Thomas Assheuer mit Martha Nussbaum, Zeitverlag Gerd Bucerius Verlag GmbH & Co.KG Hamburg
[14] Adorno Theodor W. , Wozu noch Philosophie? S. 24
- Citation du texte
- Robin Materne (Auteur), 2011, Philosophie. Was macht man denn damit?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231636
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