Vor dem Hintergrund der als Wahlalternative möglichen Einführung einer Bürgerversicherung beleuchtet die Arbeit, inwiefern durch das didaktische Mittel einer Pro-Contra-Debatte zum Thema der GKV ein Debattenbeitrag für den Unterricht geleistet werden kann. Im Rahmen der didaktischen Begründung werden der LSQ-Ansatz von Bodo Steinmann und die Begründung nach dem Konzept des mündigen Bürgers aus der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaften näher beleuchtet. Es wird gezeigt, inwiefern die Ansätze aus der Politikdidaktik auch im Rahmen der Wirtschaftsdidaktik sinnvoll sind.
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
1. Kompetenzen, Lernziele und Eignung der PCD nach der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaften
1.1 Welche Kompetenzen werden durch die PCD insbesondere gefördert?
1.2 Inwiefern ist die PCD nach dem LSQ-Ansatz von Steinmann geeignet?
2. Inhaltliche und methodische Einbettung sowie Grenzen der PCD
2.1 Abgrenzung der PCD von der Debatte und zu anderen Gesprächsformen im Unterricht
2.2 Welche Grenzen sind der PCD immanent?
2.3 Was spricht für, was gegen die GKV?
3. Inwiefern eignet sich die GKV als Unterrichtsthema für die PCD?
Literaturverzeichnis
Versicherung an Eides Statt
Anhang
Internetdokumente
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Kompetenzen, Lernziele und Eignung der PCD nach der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaften
Die PCD in ihrer Grundausprägung soll der Meinungsbildung und somit der Meinungsfreiheit dienen.[1] Diese Beschreibung stammt aus dem politischen Bereich (siehe Quellen) und beschreibt auch die originäre Ausrichtung der PCD auf den Politikunterricht.[2] Nun geht es darum, diese Methode auch dem Bereich der ökonomischen Bildung zugänglich zu machen. Hierzu erscheint es sinnvoll, eine Eignung nach dem Kompetenzmodell für die ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen zu prüfen. Als Ausgangspunkt werden die Bildungsstandards für das Abitur herangezogen, da für das Unterrichtsbeispiel von einer Oberstufenklasse an einem Berufskolleg mit Wirtschaftsgymnasium zur Vorbereitung auf das Abitur ausgegangen wird.[3] Ebenfalls zum Bereich der Erweiterung für den Ökonomieunterricht zählt die Berücksichtigung des LSQ-Ansatzes von Bodo Steinmann, die sich anbietet, da die PCD auch das Verhaltensrepertoire für Lebenssituationen verändern soll.[4]
1.1 Welche Kompetenzen werden durch die PCD insbesondere gefördert?
Zunächst einmal sei erläutert, welche Kompetenzen sich allgemein mit der PCD fördern lassen, dann folgen die speziellen Kompetenzanforderungen für das Thema der GKV. Ein Bereich, der mit der PCD gefördert werden kann und hier gefördert werden soll, ist dabei der Bereich B3 „Beziehungsgefüge analysieren“. Dieser Bereich ist bereits eine ökonomische Erweiterung der PCD, denn beim Ablauf einer Debatte werden Beziehungsgefüge beschrieben und sie ergeben sich zwischen den Diskussionsteilnehmern. Allerdings werden sie nicht unbedingt auch tiefer analysiert, hierzu bedarf es einer erweiterten Fragestellung, die beispielsweise dem Publikum einer PCD als Beobachtungsaufgabe gestellt werden kann. Dabei sollten m.E. die Beziehungsgefüge zwischen den Teilnehmern der PCD nicht unmittelbar im Fokus stehen, da sie ökonomisch eher von einer nachrangigen Bedeutung sind. Für die GKV bietet sich passenderweise der Bereich B3.4 („SuS interpretieren Entwicklungen bedeutsamer formeller Regeln im Hinblick auf die damit verfolgten ökonomischen Ziele sowie Wirkungen auf die Betroffenen“) an, denn die GKV basiert auf gesetzlich und anderweitig verankerten Regeln, die ökonomische Konsequenzen für die einzelnen Teilnehmer des Wirtschaftssystems haben.[5] Möglich wäre hier die Fragestellung danach, wer in der GKV versichert ist und welche Konsequenzen das hat. Nach Herrn Dr. Jacobs haben nur Selbstständige und gutverdienende, gesunde junge Menschen eine realistische Wahlmöglichkeit bei der Krankenversicherung, was bedeutet, dass es nur für diese Menschen eine freie Wahlmöglichkeit gibt und Systemwettbewerb herrscht.[6] Dies bedeutet in der Konsequenz, dass eine PCD zwischen GKV und PKV nur für einen kleinen Bevölkerungsanteil wirklich sinnvoll ist und somit m.E. wahrscheinlich am Interesse der SuS vorbeigeht. Sinnvoll erscheint es allerdings m.E. die bisherige Regelung auf Basis der existierenden gesetzlichen Regelung näher zu betrachten, hierfür wären folgende Aspekte geeignet: „Finanzielle Ergiebigkeit und Nachhaltigkeit, Arbeitsmarktwirkungen, Verteilungsgerechtigkeit“ und, gewissermaßen als Ausblick: „die Verbesserung der Allokation von Mitteln durch funktionellen Wettbewerb im Krankenversicherungssystem“.[7]
Aufgrund der Tragweite des Sozialversicherungssystems bieten sich außerdem ausgewählte Bereiche aus C „Ordnung und System“ an. Hier ließe sich an den Bereich C2 „Wirtschaftssysteme und Ordnungen analysieren“ anschließen. Dabei sticht besonders der Bereich C2.2 „diskutieren in allgemeiner Form sowie auf Basis der ökonomischen Verhaltenstheorie Zusammenhänge und Widersprüche zwischen individuellen, …, rechtlichen, sozialen … und ökonomischen Faktoren“[8] ins Auge, hierbei wäre es möglich vom Diskutieren zum Debattieren wechseln, was eine leichte Modifikation erforderlich macht. Dies wäre auch im Rahmen einer Vorbereitung und Aufgabenstellung für die PCD an die Debattenteilnehmer sinnvoll. Auch das Publikum könnte daraufhin die PCD verfolgen und dazu aufgefordert werden, sich entsprechende Notizen zu machen. Bei dem Thema der GKV ließe sich die international einmalige Dualität des deutschen Systems mit GKV und PKV benennen, hierzu ließe sich die Empfehlung des deutschen Sachverständigenrates Wirtschaft aus den Jahresgutachten anführen. Demnach sollte ein gemeinsamer Wettbewerbsmarkt für die gesamte Bevölkerung geschaffen werden. Dieser gemeinsame Wettbewerbsmarkt würde dann sowohl aus allokativer als auch aus verteilungspolitischer Sicht eine Verbesserung darstellen. Dieses Ziel wurde aber bislang von keiner Regierung, egal welcher Couleur verfolgt.[9] Somit wäre es durchaus denkbar, ein solches Gutachten des Sachverständigenrats Wirtschaft auszugsweise zur Verfügung zu stellen, und somit aus Systemsicht ein Contraargument zu schaffen. Noch besser wäre es m.E., ein Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft, das diese Meinung vertritt, als Sachverständigen einzuladen und das Mitglied seine Argumente selbst vortragen zu lassen. Denn auf diesem Wege würden die SuS m.E. einen unmittelbaren Eindruck gewinnen, welche Argumente gegen das bestehende System sprechen.
Hierzu zählt außerdem der Bereich C3 „Politik ökonomisch beurteilen und gestalten“, dies ist eine Erweiterung der Standardform der PCD, denn diese bezieht sich nur auf die rationale politische Urteilsbildung.[10] Für die Diskussion der GKV kann hier des Weiteren der Bereich C3.3 („SuS diskutieren Handlungsmöglichkeiten als Wirtschaftsbürger und analysieren deren Wirkung anhand von aktuellen und historischen Beispielen“) als zu vertiefender Bereich angeführt werden.[11] Hierfür ist es sinnvoll, das Thema GKV entsprechend seiner ökonomischen Bedeutung aufzuarbeiten. Ein Element dieser Aufarbeitung könnte die Anpassung an den Wirtschaftsbürger sein, dies entspräche dann eher einer mikroökonomischen Sicht. Aufgrund des Blicks auf Ordnung und System eignet sich m.E. aber wohl eher ein makroökonomischer Blick auf die einzelnen Prinzipien der GKV. Diese makroökonomische Sicht ließe sich aber durchaus mit dem Wirtschaftsbürger verbinden, indem z.B. Wirtschaftsbürger zu Interessengruppen zusammengefasst werden und für die jeweiligen Perspektiven Zuspruch und Widerspruch gesammelt wird.
1.2 Inwiefern ist die PCD nach dem LSQ-Ansatz von Steinmann geeignet?
Insbesondere beim LSQ-Ansatz ist der Grundsatz wichtig, dass ökonomische Bildung Hilfen im Bezug auf die Mündigkeit der Person, im Fall hier: der SuS, gibt. Hierzu soll die basale Fähigkeit für ein durch das Individuum selbst bestimmtes, sowie über die Verantwortung bewussten „Lebens in der Gesellschaft“[12] beigebracht werden.[13] In diesem grundlegenden Bereich unterscheiden sich die Ziele Steinmanns m.E. nicht grundsätzlich von den Zielen der politischen Bildung. Hierfür spricht die Funktion der PCD im Bereich der Meinungs- und Urteilsbildung, denn sich eine eigene Meinung zu bilden und diese zu vertreten ist m.E. ein wichtiger Schritt in Richtung Mündigkeit. Lediglich die Art der Mündigkeit ist aus meinem Blickwinkel anders, es geht um eine eher abstrakte Form von Meinungsbildung, die sich bei Gloe und Kuhn darin manifestiert, dass einige Schüler ihre Meinung im Lauf der Debatte geändert haben. Anders als im ökonomischen Bereich lässt sich das im politischen Bereich eher weniger an konkreten Einzelfallentscheidungen festmachen.[14] Der Bezug auf einzelne, ökonomisch bedeutsame, Situationen ergibt sich allerdings durch den LSQ-Ansatz, somit ist es sinnvoll das eher abstrakte Thema „GKV“ zu konkretisieren, um neben den Auswirkungen auf die Gesellschaft auch das einzelne Individuum im Fokus zu haben.[15] Laut Massing handelt es sich um eine Methode für den rationalen politischen Unterricht, aufgrund des starken formalen Korsetts. M.E. fraglich ist allerdings, ob die Rationalität bei den von Massing angeführten Themenbereichen, die emotional oder mit Vorurteilen besetzt sind, auch immer möglich ist.[16]
Zwar nicht mit Bezug auf den LSQ-Ansatz, aber doch allgemein wird auch das Thema Lebenssituationen von Gloe und Kuhn als ein Vorteil der PCD angeführt. So sollen SuS durch die Übungen im Rahmen der PCD lernen, eine konstruktive und sachlich orientierte Argumentation aufzubauen, was in aktuellen Lebenssituationen von Nutzen sein kann.[17] Dies erfährt eine Erweiterung durch den LSQ-Ansatz. So ist es nach Steinmann erforderlich, neben ökonomischen Entscheidungen, wozu die Wahl der GKV oder der PKV zählt, auch die von diesen Entscheidungen initiierten Folgen zu berücksichtigen. Diese Folgen im Sinne einer Sicht auf das System sollen hierbei Gegenstand der PCD sein. Hierbei erfolgt eine Zusammenfassung zu „ökonomisch geprägten Entwicklungen“[18], die zusätzlich zu den Lebenssituationen zu betrachten sind.[19] Hierzu ließe sich m.E. bei der GKV beispielsweise die Folge der Lebenssituation „genetische Vorbelastung einer Krebserkrankung“ im Bezug auf die ökonomischen Folgen „Arbeitsausfall, verbunden mit dem Erhalt von Krankengeld“ aber auch „Informationsasymmetrien bei der Versicherungswahl“ verbunden mit dem „Wettbewerbsprinzip“ untersuchen.[20] Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die PCD als ursprüngliche Methode für den Politikunterricht für den LSQ-Ansatz nach Steinmann und somit für den ökonomischen Bereich durch eine Erweiterung der Fragestellung angepasst werden sollte.
2. Inhaltliche und methodische Einbettung sowie Grenzen der PCD
Im ersten Teil dieses Abschnitts geht es um die Abgrenzung zu verwandten Begriffen, zu dem insbesondere die Diskussion zählt. Diese Begriffe sollten nicht durcheinandergebracht werden, denn die PCD ist eine stark formalisierte, spezielle Methode des Unterrichts, die eben nicht das Gleiche wie z.B. eine Talkshow im Fernsehen ist.[21]
2.1 Abgrenzung der PCD von der Debatte und zu anderen Gesprächsformen im Unterricht
Bevor es um die Eignung der PCD geht, soll auf den Begriff der Debatte in Abgrenzung zur PCD näher eingegangen werden. Desweiteren hat es eine besondere Bedeutung, die Begriffe Debatte und Diskussion voneinander abzugrenzen. Die Debatte stammt aus dem angelsächsischen Raum, wo sie eine lange Tradition besitzt. Gerade im Bereich der politischen Kommunikation ist eine kontrovers geführte Debatte ein wichtiger Bestandteil der Meinungsbildung und somit der Meinungsfreiheit. In England gibt es einen Ort, wo dies ganz besonders zum Ausdruck kommt, dieser Ort ist „Speaker’s Corner“ im Londoner Hydepark. An dieser Stelle dürfen alle Frauen und Männer ihre politische Meinung verbreiten, dies hat lediglich eine, von den anwesenden Bobbies überwachte, Grenze: Beleidigungen der Queen sind nicht erlaubt. Aus den Aktivitäten an diesem Ort lässt sich der Kern einer jeden Debatte ableiten: Es wird ein Problem, eine Kritik oder eine Forderung durch einen Redner vorgestellt; hierzu gibt es Rede und Gegenrede, was sich an das anwesende Publikum adressiert.[22] Das spezielle Arrangement sowie ihre Verlaufsform hat die Debatte dabei zum großen Teil aus dem Fernsehen übernommen.[23] Interessant ist, dass es auch in Essen einen „Speaker’s Corner 2.0“ gibt. Diesen habe ich auf dem Weg zum Einkaufszentrum „Limbecker Platz“ vor dem Unperfekthaus entdeckt. Allerdings habe ich ihn noch nicht im Einsatz gesehen, das wäre sicherlich ein guter Einstieg zur Debattenkultur in Deutschland. Desweiteren gibt es den Wettbewerb „Jugend debattiert“, der eigene Regeln für eine Debatte hat. Diese Regeln befinden sich im Anhang und werden bei der Themenstellung berücksichtigt.[24]
Um nun zu vermeiden, dass es bei diesem Wettbewerb um den Sieg ein Chaos gibt, gibt es spezielle Phasen und Regeln für die Debatte, diese lauten: 1. Einstieg, 2.Einführung, 3. Anträge, 4. Zwischenfragen, 5. Redezeit, 6.Punktbewertung.[25] Dieser Verlauf ist auch für die PCD typisch. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zwischen Debatte und PCD, denn bei einer normalen Debatte sind die Inhalte eher zweitrangig. Bei der PCD spielen die Inhalte aufgrund der vorgegeben Struktur mit Pro- und Contraargumenten, sowie dem möglichen Einsatz von Sachverständigen, eine wichtige Rolle spielen. Es ist also nicht so leicht möglich, wie bei der normalen Debatte, ohne ein besonderes Fachwissen Schwächen bei seinem Opponenten zu erkennen.[26]
Das Training für Debatten ist in den USA und Großbritannien Bestandteil des Unterrichts, wozu es Debattierclubs gibt. Debattieren unterscheidet sich dabei vom Diskutieren vor allem dadurch, dass es beim Debattieren nicht um die Erzielung eines Konsenses geht, es geht vielmehr darum zu gewinnen, was gerade in einem Zweiparteiensystem wichtig ist.[27] Allgemein gesagt geht es bei der Diskussion eher um Auseinandersetzung, was bedeutet, dass die SuS mit dem Thema schon vertraut sein müssen. Dies unterscheidet die Debatte und die Diskussion vom normalen Unterrichtsgespräch, wo eine Vertrautheit mit dem Thema nicht unbedingt notwendig ist.[28] Das Unterrichtsgespräch soll Fragen beantworten, Sachverhalte problematisieren und das reflexive Nachdenken über ein Thema erreichen, generell soll zunächst eine Vertrautheit zu einem Gegenstand hergestellt werden.[29] Ziel der Auseinandersetzung bei Diskussionen ist es, Gemeinsamkeiten zu finden, die Diskussion wird i.d.R. offen geführt und ist zeitlich nicht beschränkt.[30] Eine Diskussion ist anders als eine Debatte nicht an Entscheidungsfragen gebunden, was die Offenheit der Diskussion betont. Gemeinsam haben beide Formen aber das themenzentrierte Gespräch. Jedoch lassen sich die Sachverhalte bei einer Diskussion von vielen verschiedenen Seiten betrachten, wohingegen die Debatte ihr zentrales Thema, auch Gegenstand genannt, stets zu einer spezifischen Alternative hinführt.[31] Die Debatte ist klar geregelt, zeitlich begrenzt und lässt sich in etwa als „formal und methodisch zugespitzte Diskussion“ oder als Variante des Streitgesprächs („inszeniertes Streitgespräch“)[32] bezeichnen.[33] Anders als bei der Diskussion geht es hier nicht darum Gemeinsamkeiten zu finden, sondern Mehrheiten zu Alternativvorschlägen und/oder Positionen zu überreden und im Idealfall auch zu überzeugen. Dieser Hintergrund macht die Debatte und die PCD zu einer für den politischen Unterricht geeigneten Methode.[34]
2.2 Welche Grenzen sind der PCD immanent?
Das Thema einer Debatte sollte klar und ausdrücklich formuliert sein. Je deutlicher das Thema wird, desto eher wird klar, dass es sich um eine Debatte handeln muss und nicht etwa um eine Diskussion. Dabei sollte für die Unterrichtsplanung berücksichtigt werden, dass eine Debatte oft erst möglich ist, wenn vorher ausreichend diskutiert wurde.[35] Die Grenze der Debatte und somit der PCD stellen damit die im ersten Kapitel aufgestellten Kompetenzanforderungen dar. Hieraus ergeben sich nicht nur die Fragestellung für die Debatte, sondern auch die vorbereitenden Themen für die Unterrichtsreihe. Möglich wäre als Einleitung für die Debatte eine EVA-Übung (Arbeitsblatt hierzu im Anhang), dabei werden die wesentlichen Ebenen von Verteidigung und Angriff vorgestellt.[36]
Die Unterrichtsmethode der PCD lässt sich in die handlungsorientierten Makromethoden für die politische Bildung einordnen.[37] Wie bereits beschrieben lässt sie sich für die ökonomische Bildung modifizieren. Bleiben die strengen Regeln der PCD bestehen, so ist sie m.E. trotz Modifikation als PCD zu bezeichnen. Wie schon erwähnt spielt die PCD eine gewisse Rolle in den Medien, so gibt es zu Bundestagswahlen seit 2002 Fernsehduelle, die die Kanzlerkandidaten der beiden großen Volksparteien unter sich ausmachen. Eine typische Grenze dieser Art von Duellen und auch der PCD ist die zu starke Vereinfachung von Sachverhalten, was sicherlich schwer zu messen ist.[38] Eine Möglichkeit, solche Situationen zu üben, stellt die Ratsrede, als besondere Form der bereits aus der Antike bekannten Deklamation, dar. Hierbei übernehmen zwei Redner jeweils per Los Pro und Contra. Nähere Informationen zu dieser Übung befinden sich im Anhang.[39]
Des Weiteren gibt es juristische Elemente bei der PCD, hierzu gehören die „Plädoyers“, die von „Anwälten“ gehalten werden. Bei der PCD übernimmt im Sinne eines „anwaltschaftlichen Journalismus“ einer die Rolle des advocatus diaboli (des Teufels Anwalt) und der weitere die Rolle des advocatus dei (Gottes Anwalt). Auch bei der PCD gibt es so etwas wie „Beweise“, hierzu gelten vielfach Statistiken, als „Autoritätsbeweise“ Studien aus dem wissenschaftlichen Umfeld von Sachverständigen oder Wissenschaftlern, sowie empirische Daten.[40] Die Grenze hierzu zeigt Walter Krämer in seinem Buch „So lügt man mit Statistik“ treffend auf. So ist es ein beliebter Kniff Zahlen präzise auszudrücken, um ihnen Gewicht und Seriosität zu vermitteln, so werden aus 100 EUR schnell mal 98,45 EUR. Das klingt deutlich wahrscheinlicher als die 100 EUR, da bei Alltagsrechnungen i.d.R. ungerade Beträge herauskommen. Gleiches gilt für Ortsangaben, Altersangaben, etc..[41] Bei der Argumentation lässt sich ein weiterer Kniff von Walter Krämer gut berücksichtigen und zeigt eine weitere Grenze der PCD auf. So ist es möglich mit Prozentangaben Meinungen zu schüren, so kann eine Beitragserhöhung der GKV von z.B. 15 auf 20 Prozent des Arbeitslohns durchaus mit einer Beitragsanpassung von 25 Prozent begründet werden. Der betroffene Arbeitnehmer könnte aber durchaus behaupten, es handele sich um einen Aufschlag von 33,33 Prozent, je nachdem ob die 20 oder die 15 als Basiswert angesehen werden.[42]
Ein weiterer Aspekt, ebenfalls aus dem juristischen Bereich, ist die Berufung auf Zeugen, bei der PCD i.d.R. in Form von Sachverständigen. Diese werden hinsichtlich ihrer Widerspruchsfreiheit und Glaubwürdigkeit bewertet.[43] Hier hatte ich schon die Mitglieder des Sachverständigenrats Wirtschaft angeführt, die für die Contra-Seite in Frage kämen. Die Begründung für die Contra-Seite liegt darin, dass sie sich gegen das bestehende System wenden und mehr Wettbewerb fordern. Hierzu sollte aber eine nähere Ausdifferenzierung des Wettbewerbsprinzips im Vorfeld erfolgen, da damit ja nicht unbedingt eine totale Neuerfindung der GKV gemeint sein muss.[44] Diese Sachverständigen hätten m.E. beispielsweise aus ihrer politischen Funktion heraus eine enorme Glaubwürdigkeit, wahrscheinlich wären sie außerdem gut trainiert durch die politische Debatte und würden sich nicht in Widersprüche verstricken. Fraglich ist allerdings, ob sie nicht dennoch irren können, die Wahrscheinlichkeit ist durchaus gegeben, auch wenn sie subjektiv niedrig eingeschätzt wird.
Für die Pro-Seite ließe sich durchaus ein Vertreter einer engagierten Krankenkasse, beispielsweise der AOK, einladen. Der Bundesverband der AOK betreibt sogar ein eigenes wissenschaftliches Institut, dessen Leiter, Prof. Jacobs, sich ebenfalls für einen verstärkten Wettbewerb am Versicherungsmarkt ausspricht, er könnte aufgrund seiner Position damit durchaus etwas anderes meinen als der Sachverständigenrat.[45] Zum Abschluss bleibt noch die Bundesärztekammer, sie ist für eine klare Beibehaltung des bisherigen Systems mit einer Trennung in GKV und PKV, fordert aber auch mehr ökonomischen Wettbewerb, auch hier wäre evtl. eine zusätzliche Perspektive zu erwarten, wenn man einen Vertreter dieser Organisation einladen würde.[46] Bei der Befragung dieser Sachverständigen gibt es einen weiteren Bereich der durchaus einen gewissen Spielraum zulässt. Die „Anwälte“ haben hier die Möglichkeiten mit einer geschickten Fragetechnik ihre jeweilige Position zu unterstützen, z.B. durch Suggestivfragen. Vor Gericht wird die Art der Fragetechnik von einem Richter überwacht, bei der PCD gibt es diese Rolle nicht, sie ist demnach anfälliger für Fragetechniken, sofern nicht z.B. ein Moderator eingeschaltet wird, der erweiterte Möglichkeiten der Einflussnahme hat.[47]
Nach Massing gibt es außerdem das politische Urteil, dieses wird von politischer Effizienz und Legitimation geleitet, zusätzlich hat es dem Diskurs der Öffentlichkeit standzuhalten. Es ist allerdings fraglich, inwiefern SuS diese charakteristischen Urteilseigenschaften hervorbringen können.[48] Weitere Grenzen ergeben sich z.B. aus dem Bereich der Rollenspiele und müssen für die bzw. den jeweiligen SuS individuell ermittelt werden (Eigenschaften wie Improvisationstalent und Körperbeherrschung spielen hier eine wichtige Rolle).[49]
2.3 Was spricht für, was gegen die GKV?
Es gibt eine Vielzahl von Argumenten, die sich für und gegen die GKV finden lassen, hier seien exemplarisch einige politisch und ökonomisch oft genannten Argumente herausgenommen, berücksichtigt wurden dabei die wesentlichen Funktionen der GKV, hierzu gehören: das Solidarprinzip, das Äquivalenzprinzip, aus dem ökonomischen Bereich: das Wettbewerbsprinzip, Informationsasymmetrien sowie der Versorgungsauftrag der GKV. Wichtig ist es dabei immer zu sehen, dass oftmals die Einschätzung von für und wider an der Gruppe liegt, von der gerade ausgegangen wird, daher ist die vorgenommene Zuordnung sicherlich nicht die einzig mögliche, vielmehr wird die Zuordnung unter der typischen Nennung seitens der Politik, auch historisch, durchgeführt.[50] Der Einfluss der Politik hat somit gewissermaßen einen Einfluss auf die Nennung.
[...]
[1] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2010 S. 145.
[2] Vgl. Massing (1998, S. 443) zit. nach Engartner, T. Didaktik S. 140.
[3] Vgl. Retzmann, T. et al. Bildungsstandards S. 34 bis 37.
[4] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 195.
[5] Vgl. Retzmann, T. et al. Bildungsstandards S. 36.
[6] Vgl. Jacobs, K. Einheitliches Krankenversicherungssystem S. 652.
[7] Vgl. Wasem, J.; Walendzik, A. Reformvorschläge S. 659.
[8] Vgl. Retzmann, T. et al. Bildungsstandards S. 37.
[9] Vgl. Jacobs, K. Einheitliches Krankenversicherungssystem S. 651.
[10] Vgl. Massing (1998, S. 443) zit. nach Engartner, T. Didaktik S. 140.
[11] Vgl. Retzmann, T. et al. Bildungsstandards S. 37.
[12] Vgl. Steinmann, B. LSQ-Ansatz S. 2.
[13] Vgl. Steinmann, B. LSQ-Ansatz S. 2.
[14] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2010 S. 153.
[15] Vgl. Steinmann, B. LSQ-Ansatz S. 8.
[16] Vgl. Massing, P. Pro-Contra-Debatte S. 407.
[17] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 195.
[18] Vgl. Steinmann, B. LSQ-Ansatz S. 6.
[19] Vgl. Steinmann, B. LSQ-Ansatz S. 6.
[20] Vgl. Breyer, F. Wege zur Bürgerversicherung S. 656; Rosenbrock, R. GKV am Scheidewege S. 355 und 356.
[21] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2010 S. 150.
[22] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2010 S. 145.
[23] Vgl. Engartner, T. Didaktik S. 140.
[24] Vgl. Kemmann, A. Debatte S. 67.
[25] Vgl. Singer 2001 zit. nach Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2010 S. 146.
[26] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2010 S. 146.
[27] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2010 S. 146.
[28] Vgl. Massing (1998, S.443) zit. nach Engartner, T. Didaktik S. 140.
[29] Vgl. Massing, P. Pro-Contra-Debatte S. 403.
[30] Vgl. Massing (1998, S.443) zit. nach Engartner, T. Didaktik S. 140.
[31] Vgl. Kemmann, A. Debatte S. 56.
[32] Vgl. Massing (1998, S.443) zit. nach Engartner, T. Didaktik S. 141.
[33] Vgl. Massing, P. Pro-Contra-Debatte S. 404.
[34] Vgl. Massing (1998, S.443) zit. nach Engartner, T. Didaktik S. 141.
[35] Vgl. Kemmann, A. Debatte S. 57.
[36] Vgl. Bartsch, T.-C. et al. Trainingsbuch Rhetorik S. 119.
[37] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 190.
[38] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 191.
[39] Vgl. Bartsch, T.-C. et al. Trainingsbuch Rhetorik S. 126 bis 127.
[40] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 191.
[41] Vgl. Krämer, W.; Statistik S. 15 bis 17.
[42] Vgl. Krämer, W.; Statistik S. 28.
[43] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 192.
[44] Vgl. Jacobs, K. Einheitliches Krankenversicherungssystem S. 651.
[45] Vgl. AOK; Interview Jacobs.
[46] Vgl. Bundesärztekammer VVR S. 2.
[47] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 192.
[48] Vgl. Massing (2003) zit. nach Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 192.
[49] Vgl. Gloe, M.; Kuhn, H.-W. PCD Politikunterricht 2007 S. 192 bis 193.
[50] Vgl. Breyer, F. Wege zur Bürgerversicherung S. 656; Rosenbrock, R. GKV am Scheidewege S. 355 und 356.
- Arbeit zitieren
- Stefan Schäfer (Autor:in), 2013, Die Pro-Contra-Debatte: Exemplarische Anwendung der Methodik und fachdidaktische Reflexion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231435
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