In der vorliegenden Arbeit wird der toskanische Dialekt sprachwissenschaftlich betrachtet und seine Geschichte sowie die literarische und sprachliche Entwicklung analysiert. Dabei wird besonders auf die Vorbildfunktion des Toskanischen für eine italienische Einheitssprache eingegangen.
Ein kurzer Auszug:
Das Italienische ist heute die Muttersprache von etwa 55 Mio. Menschen in Italien, der Schweiz, Korsika, Istrien und Monaco. Es lässt sich innerhalb Italiens geographisch und sprachlich in drei Gruppen unterteilen: die norditalienischen Dialekte der Regionen Piemont, Lombardei, Emilia, Romagna, Ligurien und Venetien, die Dialekte Süditaliens unterhalb Roms und die zentralitalienischen Dialekte, zu denen auch die Varietäten Korsikas und der Toskana gehören. Die Einführung einer standardisierten italienischen Schriftsprache wurde erstmals im 15. und 16. Jahrhundert in der Questione della lingua diskutiert und führte zu heftigen Auseinandersetzungen. Den entscheidenden Ausschlag für eine einheitliche italienische Literatursprache gab unter anderem das 1612 erschienene Wörterbuch der Accademia della Crusca. Doch eine gesprochene nationale Einheitssprache wurde erst im 19.Jahrundert mit Alessandro Manzoni und der Konstituierung eines Einheitsstaates möglich. Warum aber gerade das Florentinische zum Vorbild, oder besser gesagt zur Grundlage dieser Nationalsprache wurde, soll in dieser Arbeit aufgezeigt werden. Die typischsten Kennzeichen des heutigen Italienischen sind Wortstämme und Formen des Vulgär-Latein, wie sie heute vor allem im Toskanischen noch zu finden sind und wie ich in einem späteren Kapitel zeigen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Sprache und Literatur
2. Sprache im Wandel der Zeit
2.1. Politische und witschaftlische Veränderungen
2.2. Sprachliche Entwicklung
2.3. Volgare scritto – Die ältesten Sprachzeugnisse
2.3.1. Sachprosa
2.3.2. Literarische Prosa und Lyrik
3. Sprachwissenschaftlicher Kommentar
3.1. Die alttoskanischen Dialekte
3.1.1. Florentinisch
3.1.1.1. Vokalismus
3.1.1.2. Konsonantismus
3.1.1.3. Morphosyntax
3.1.1.4. Lexik
3.1.2. Senesisch und Aretinisch
3.1.3. Pisanisch und Lucchesisch
3.2. Heutige Sprachsituation
3.3. Toskanisch als Standardsprache
4. Fazit
5. Literatur
Anhang
1. Sprache und Literatur
Das Italienische ist heute die Muttersprache von etwa 55 Mio. Menschen in Italien, der Schweiz, Korsika, Istrien und Monaco. Es lässt sich innerhalb Italiens geographisch und sprachlich in drei Gruppen unterteilen: die norditalienischen Dialekte der Regionen Piemont, Lombardei, Emilia, Romagna, Ligurien und Venetien, die Dialekte Süditaliens unterhalb Roms und die zentralitalienischen Dialekte, zu denen auch die Varietäten Korsikas und der Toskana gehören.
Die Einführung einer standardisierten italienischen Schriftsprache wurde erstmals im 15. und 16. Jahrhundert in der Questione della lingua diskutiert und führte zu heftigen Auseinandersetzungen.[1] Den entscheidenden Ausschlag für eine einheitliche italienische Literatursprache gab unter anderem das 1612 erschienene Wörterbuch der Accademia della Crusca.[2]
Doch eine gesprochene nationale Einheitssprache wurde erst im 19.Jahrundert mit Alessandro Manzoni und der Konstituierung eines Einheitsstaates möglich.[3] Warum aber gerade das Florentinische zum Vorbild, oder besser gesagt zur Grundlage dieser Nationalsprache wurde, soll in dieser Arbeit aufgezeigt werden. Die typischsten Kennzeichen des heutigen Italienischen sind Wortstämme und Formen des Vulgär-Latein, wie sie heute vor allem im Toskanischen noch zu finden sind und wie ich in einem späteren Kapitel[4] zeigen werden.
Bei der Suche nach geeigneter Literatur traf ich auf einige Schwierigkeiten: so umfangreich mir die Auswahl an sprachwissenschaftlichen Betrachtungen der italienischen Mundarten anfänglich erschien, so gering ist letztendlich das Angebot an zusammenfassender und trotzdem aussagekräftiger Literatur.
Während Werke wie die 1949 erschienene Auflage der „Historischen Grammatik der italiensichen Sprache“[5] von Gerhard Rohlfs zwar eine fundierte Grundlage für die Betrachtung der italienischen Dialekte im Allgemeinen bildet, dennoch zu ausführlich für den Rahmen der vorliegenden Arbeit ist, befasst sich Luciano Giannelli in seinem 1976 erschienen Band über die Dialekte der „Toscana“ eingehender mit den süd-, west- und zentraltoskanischen Varietäten. Gianelli geht darauf auch noch mal etwas allgemeiner 1988 in seinem Beitrag „Aree linguitiche VI. Toscana“ im Lexikon der Romanischen Linguistik ein.[6] Das von Anna Laura und Giulio Lepschy herausgegebene Werk über „Die italienische Sprache“[7] schafft einen guten Überblick über die Grammatik des heutigen Italienisch und gibt auch einen kurzen Einblick in die historische Entwicklung der italienischen Varietäten. Die 1992 von Horst Geckeler und Dieter Kattenbusch veröffentlichte „Einführung in die italienische Sprachwissenschaft“ bringt mit knappen Beispielen eine zwar kurze, aber dennoch brauchbare Zusammenfassung, auch in Bezug auf die toskanischen Dialekte.[8] Einen guten Überblick über Texte und Schriftstücke des italienischen Mittelalters liefert Giuseppe Petronio in seiner „Geschichte der italienischen Literatur 1“ aus dem Jahr 1992.[9] Eine ebenfalls kurze, aber dadurch leicht verständliche Darstellung der toskanischen Dialekte und ihrer Entstehung liefert 1994 Eduardo Blasco Ferrer mit dem „Handbuch der italienischen Sprachwissenschaft“.[10] Hier finden sich klare und handfeste Beispiele, die in der 1997 erschienen „Einführung in das Altitalienische“ von Andreas Michel häufig fehlen.[11] Dies zeigt, dass noch immer Bedarf besteht an einer klaren und prägnanten Zusammenfassung der toskanischen Dialekte und ihrer Entwicklungs-geschichte.
Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, die früheste Entwicklung vom Vulgär-Latein zum alttoskanischen Dialekt und der damaligen Schriftsprache anhand der erhaltenen Schriftstücke aufzuzeigen und dadurch die Stellung des Toskanischen zum heutigen Italienisch zu verdeutlichen.
2. Sprache im Wandel der Zeit
2.1. Politische und wirtschaftliche Veränderungen
Die politische Zersplitterung Italiens, die bereits unter langobardischer und byzantinischer Herrschaft bestand, prägt das Bild des Landes auch im 12. und 13. Jahrhundert noch, sowohl in politischer und wirtschaftlicher als auch in sprachlicher Hinsicht.
Auch die Neuordnung durch Friedrich II. als bürokratisch organisierter Staat[12] ohne feudale und kommunale Autonomien schafft keine Besserung um eine Einigung des Landes. Die Entstehung des Kirchenstaates sowie die arabischen und normannischen Invasionen im Süden haben das Land soweit aufgespalten, so dass es Anfang des 13. Jahrhunderts aus folgenden Machtterritorien besteht: dem Königreich Sizilien im Süden, das ganz Unteritalien bis Garigliano umfasst; dem Königreich Italien im Norden, deren Stadtrepubliken immer stärker nach Unabhängigkeit streben; dem Kirchenstaat im Zentrum, sowie den Seerepubliken Genua und Venedig an der Küste.[13] So unterschiedlich die einzelnen Territorien in ihrer politischen Ordnung auftreten, so verschieden sind die jeweils gesprochenen Sprachen in diesen Gebieten.
Auch in der Toskana gibt es zu diesem Zeitpunkt keine politische Einheit und die feudalen Familien übernehmen die Macht, nachdem das karolingische Reich zerfällt. In Florenz herrschen die papsttreuen Guelfen, während Siena von den kaisertreuen Ghibellinen regiert wird. Die „Schwarzen“ Guelfen und die „Weißen“ Ghibellinen bekämpfen sich gegenseitig und die Städte werden zu eigenständigen Machtzentren innerhalb der Toskana. Die Küstengegend geht in dieser Zeit größtenteils an Pisa, das bereits seit dem 9.Jahrhundert die mächtigste und wichtigste Stadt der Region ist.[14]
Dem Grafen von Canossa gelingt es im 10.Jahrhundert die Grafschaft Tuszien aufzubauen[15], die jedoch nach dem Tod der Markgräfin Mathilde 1115 n. Chr. zusammenbricht. Daraufhin gründen Florenz und Siena Stadtstaaten, so genannte comuni, nach pisanischem Vorbild wodurch auch die Dialekte der beiden Städte an Bedeutung gewinnen.[16]
1163 unterstützt Pisa die Normannen bei der Eroberung Siziliens und durch den wachsenden politischen und wirtschaftlichen Einfluss Pisas kommt es immer wieder zu Konflikten mit Florenz, Lucca und Siena.
In Florenz tritt 1282 eine demokratische Verfassung in Kraft, und mit der „Ordnung der Gerechtigkeit“ von 1293 wird dem Patriziat jede politische Tätigkeit untersagt. Daraus resultierende Parteikämpfe enden mit dem Sieg der „Schwarzen“ und der Verbannung der „Weißen“.[17]
Florenz unterwirft 1409 Pisa und ein Machtwechsel findet statt, da die Familie Albizzi im Krieg gegen Mailand ihre Macht an die Medici verliert.[18] Mit dem zunehmenden Einfluss der Stadt innerhalb und außerhalb der Toskana wird auch der florentinische Dialekt für Politik und Handel immer wichtiger. Doch erst in der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts wird die politische Einheit der Region in Form des Großherzogtums Toskana unter florentinischer Herrschaft hergestellt.
Eine Einigung des gesamten Landes erfolgte jedoch erst mit dem Risorgimento 1861.[19]
2.2. Sprachliche Entwicklung
Für die anfängliche Verbreitung des volgare in der Literatur, aber auch im Sprachgebrauch war hauptsächlich Pisa, aufgrund seiner wirtschaftlichen
und politischen Vormachtstellung, verantwortlich.[20]
Letztendlich jedoch war es das Florentinische, das dem heutigen Italienisch als Grundlage diente. Auslöser dafür waren Schriftsteller wie Dante, Cavalcanti, Frescobaldi und Cino da Pistoia, die den dolce stil nuovo, oder auch stilnovismo genannt, im florentinischen Dialekt verbreiteten.[21]
Noch heute ist das Toskanische dem Latein näher, als jeder andere italienische Dialekt, obwohl oder gerade weil sich die Dialekte Italiens alle aus dem jeweiligen Latein wie es die Kelten, Veneter, Etrusker, Umbrer, Osker etc. sprachen, entwickelten.[22] Gerade im Toskanischen, Venetischen und Sardischen gab es nur eine geringe sprachliche Entwicklung, denn die Dialekte konnten nicht an die Substratsprache der von den Römern besiegten Völker assimiliert werden, da diese zu weit vom Lateinischen abwichen.[23] Wann genau sich die italienischen Dialekte herausgebildet haben ist unklar. Sicher aber ist, dass die Belege für die Volkssprache Italiens deutlich später datiert werden, als die Frankreichs. Den ersten, heute noch erhaltenen, schriftliche Nachweis einer gesprochenen französischen Sprache bilden die Straßburger Eide von 842 n. Chr.[24]
Anzunehmen ist auch, dass die italienischen Dialekte in der gesprochenen Sprache schon lange präsent waren, bis sie auch in den Niederschriften verwendet wurden, um diese auch den, des Lateins nicht oder nur mäßig mächtigen, Personen zugänglich zu machen.
[...]
[1] Blasco Ferrer, Eduardo. Handbuch der italienischen Sprachwissenschaft. Berlin: E.Schmidt 1994, S.142.
[2] Vocabolario degli Accademici della Crusca. Venedig 1612.
[3] Geckeler, Horst/ Kattenbusch, Dieter. Einführung in die italienische Sprachwissenschaft. Tübingen: Niemeyer 1992, S.155.
[4] Vgl. Kapitel 3.1. auf Seite 13.
[5] Rohlfs, Gerhard. Historische Grammatik der italienischen Sprache. Bern: Francke 1949.
[6] Gianelli, Luciano. Areelinguistiche VI.Toscana. In: Lexikon der Romanistischen Linguistik. Bd. IV. Tübingen: Niemeyer 1988, S.594-606.
[7] Lepschy, Anna L./ Lepschy, Giulio: Die italienische Sprache. Tübingen: Francke 1986
[8] Geckeler, Horst/ Kattenbusch, Dieter. Einführung in die italienische Sprachwissenschaft. Tübingen: Niemeyer 1992.
[9] Petronios, Giuseppe: Geschichte der italienischen Literatur, Bd.1; Tübingen, Basel: Francke 1992
[10] Blasco Ferrer, Eduardo. Handbuch der italienischen Sprachwissenschaft. Berlin: E.Schmidt 1994.
[11] Michel, Andreas. Einführung in das Altitalienische. Tübingen: Narr 1997.
[12] Der grosse Ploetz. Begr. v. Dr. Carl Ploetz. 32., neubearbeitete Auflage. Freiburg in Breisgau: Herder 1998, S.534.
[13] Petronios, Giuseppe: Geschichte der italienischen Literatur, Bd.1; Tübingen, Basel: Francke 1992, S.8-9.
[14] Michel, Andreas. Einführung in das Altitalienische. Tübingen: Narr 1997, S.242.
[15] Die Grenzen des früheren Tuszien stimmen aber nur teilweise mit der heutigen Toskana überein.
[16] Michel, Andreas. Einführung in das Altitalienische. Tübingen: Narr 1997, S.242ff.
[17] Michel, Andreas. Einführung in das Altitalienische. Tübingen: Narr 1997, S.243f.
[18] Der grosse Ploetz. Begr. v. Dr. Carl Ploetz. 32., neubearbeitete Auflage. Freiburg in Breisgau: Herder 1998, S.534ff.
[19] Der grosse Ploetz. Begr. v. Dr. Carl Ploetz. 32., neubearbeitete Auflage. Freiburg in Breisgau: Herder 1998, S.1012ff.
[20] Michel, Andreas. Einführung in das Altitalienische. Tübingen: Narr 1997, S.244.
[21] Ebd.
[22] Lepschy, Anna L./ Lepschy, Giulio: Die italienische Sprache. Tübingen: Francke 1986, S.15.
[23] Ebd., S.15f
[24] Ebd., S.17.
- Arbeit zitieren
- M.A. Raika Woköck (Autor:in), 2002, Varietätenlinguistik des Altitalienischen: Toskanisch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23136
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