Das Gedicht Goethes „Der Gesang der Geister über den Wassern“ war für den Gegenstand meiner Hausarbeit insofern attraktiv, als dass es vielerlei Betrachtungsweisen unter der Berücksichtigung unterschiedlichster Aspekte zulässt:
· Schreibt Goethe hier eine „religiöse Abhandlung“ seiner Ansichten?
· Inwiefern sind in diesem Gedicht romantische Züge zu finden, in einem Gedicht des „Begründers“ der Klassik?
· Wie ist dieses Gedicht entstanden? Welche Einflüsse haben darauf gewirkt?
Zumindest diese drei Fragen werde ich behandeln und auch in meiner Interpretation berücksichtigen. Aufgrund nur „spärlich gesäter“ Sekundärliteratur werde ich nur wenige andere Autorenmeinungen berücksichtigen und mit ihnen in Diskurs gehen können. In meiner Interpretation werde ich erst einen allgemeinen Ansatz formulieren um mich anschließend auf einzelne Aspekte wie Seele, Wasser, Beziehung zu Frau von Stein, Schicksal zu konzentrieren. Rückgriffe, Überschneidungen und Begründungen mit der Formanalyse sind unverzichtbar, notwendig und meiner Ansicht nach durchaus sinnvoll.
Im anschließenden Resümee werde ich meinen Gesamteindruck formulieren und für mich ein Fazit aus dieser Arbeit ziehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Das Gedicht „Der Gesang der Geister über den Wassern“
2. Einleitung
3. Johann Wolfgang von Goethe - eine biografische Notiz
4. Analyse des Gedichts
4.1. Die Epoche der Romantik
4.2. Einordnung des Gedichts in seinen Entstehungskontext
4.3. Formanalyse und Interpretation
4.3.1. Funktion und Bedeutung des Vergleichs auch unter religiösem Aspekt
5. Resümee
6. Anhang: Goethes wichtigste Werke
7. Literaturverzeichnis
1. Das Gedicht
Gesang der Geister über den Wassern1 Johann Wolfgang von Goethe (1779)
1 Des Menschen Seele Im flachen Bette
Gleicht dem Wasser: Schleicht er das Wiesental hin,
Vom Himmel kommt es, 25Und in dem glatten See
Zum Himmel steigt es, Weiden ihr Antlitz
5 Und wieder nieder Alle Gestirne.
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd. Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Strömt von der hohen, 30Wind mischt vom Grund aus
Steilen Felswand schäumende Wogen.
10Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich Seele des Menschen,
In Wolkenwellen Wie gleichst du dem Wasser!
Zum glatten Fels, Schicksal des Menschen,
Und leicht empfangen 35Wie gleichst du dem Wind!
15Wallt er verschleiernd, Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen, Schäumt er 20unmutig
Stufenweise Zum Abgrund
2. Einleitung
Das Gedicht Goethes „Der Gesang der Geister über den Wassern“ war für den Gegenstand meiner Hausarbeit insofern attraktiv, als dass es vielerlei Betrachtungsweisen unter der Berücksichtigung unterschiedlichster Aspekte zulässt:
- Schreibt Goethe hier eine „religiöse Abhandlung“ seiner Ansichten?
- Inwiefern sind in diesem Gedicht romantische Züge zu finden, in einem Gedicht des „Begründers“ der Klassik?
- Wie ist dieses Gedicht entstanden? Welche Einflüsse haben darauf gewirkt?
Zumindest diese drei Fragen werde ich behandeln und auch in meiner Interpretation berücksichtigen. Aufgrund nur „spärlich gesäter“ Sekundärliteratur werde ich nur wenige andere Autorenmeinungen berücksichtigen und mit ihnen in Diskurs gehen können. In meiner Interpretation werde ich erst einen allgemeinen Ansatz formulieren um mich anschließend auf einzelne Aspekte wie Seele, Wasser, Beziehung zu Frau von Stein, Schicksal zu konzentrieren. Rückgriffe, Überschneidungen und Begründungen mit der Formanalyse sind unverzichtbar, notwendig und meiner Ansicht nach durchaus sinnvoll. Im anschließenden Resümee werde ich meinen Gesamteindruck formulieren und für mich ein Fazit aus dieser Arbeit ziehen.2
3. Johann Wolfgang von Goethe - eine biografische Notiz
28.August 1749 Goethe wird in Frankfurt am Main als erstes von 6 Kindern des kaiserlichen Rates Johann Caspar Goethe und Catharina Elisabeth Textor geboren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4. Analyse des Gedichts
4.1. Die Epoche der Romantik
Selbstverständlich gehörte Goethe durchaus der deutschen Klassik an, dieser Epoche, die sich bewusst wieder nach der klassischen griechisch-römischen Kultur richtete und in der Dichtung die Natur- und Gefühlsschwärmerei des Sturm und Drang überwunden hatte. Der Mensch als in sich ruhend, gut und schön bildete das Ideal der Klassik. Das Zentrum dieser Epoche bildete Weimar, wo Goethe nahezu 50 Jahre seines Lebens verbrachte. Viele sehen in ihm sogar den Begründer dieser Epoche, deren Daten sich an seiner Italienreise (Antritt 1786) und an seinem Tod im Jahr 1832 festmachen lassen.
Warum erwähne ich nun aber die Romantik? Zu ihr hatte Goethe eine differenzierte Meinung. Zum Einen gehörte er durchaus zu denen, die über eine klassische, also objektive und gegenständliche Anschauung der Welt verfügten. Diese Ansicht gegen die Romantik gipfelte in Goethes Ausspruch „Klassisch ist das Gesunde, romantisch das Kranke.“3 Zum Anderen lässt sich aber gerade in seinen Frühwerken wie „Die Leiden des jungen Werthers“ erkennen, dass ihm die weltanschaulichen und kunstphilosophischen Quellen der Romantik um 1800 durchaus wichtig waren. Jörg Knobloch zitiert hierzu folgenden Ausspruch Goethes: „Was ich nicht lebte und was mir nicht auf den Nägeln brannte und zu schaffen machte, habe ich auch nicht gedichtet und ausgesprochen.“4 An diesem Zitat wird deutlich, dass Goethe ganz im Sinne der Romantik seine Lyrik als Ausdrucksinstrument seiner Gefühle und seines persönlichen Erlebens wahrnimmt und sich dieses Instruments in seiner so genannten Gefühls- und Naturlyrik zu bedienen weiß.
Den Versuch einer Versöhnung zwischen Klassik und Romantik stellte Goethe in seinem Faust II an.5 Auch in seinen Kontakten zu den Brüdern Grimm und zu nicht- deutschen Schriftstellern wie Carlyle, Bryon und Manzoni, deren Kontakt durch innigste Anteilnahme, durch Engagement und großes Interesse gekennzeichnet war6, ist seine „Neigung“ zur Romantik durchaus erkennbar.
1779 entstand „Der Gesang der Geister über den Wassern“, der durchaus romantische Züge trägt. Hierzu gehören vor allem die äußerst genaue und sprachgewandte Beschreibung der Natur: Der Staubbach von Lauterbrunnen und der Verlauf seines Wassers wird von Goethe „in Worten gemalt“, die die Fantasie des Lesers zu einem sehr genauen Bild des Wasserfalls anregen. Ein weiteres romantisches Element birgt sich im Mystisch-Rätselhaften, das sich hier auf das Gleichnis von Seele und Wasser, Schicksal des Menschen und Wind bezieht. Hierauf werde ich in Interpretation und Formanalyse noch genauer eingehen.
Allerdings kann man in diesem Gedicht auch einige klassische Aspekte sehen, wie z.B. das Gleichgewicht zwischen Abstraktem (Seele) und Konkretem (die Natur, das Wasser) und zwischen Gefühl und Rationalität. Man sieht auch eine große Liebe zur Natur und eine Bewunderung ihrer Kräfte. Betrachtet man nun beide Seiten, romantische und klassische Züge, so stellt dieses Gedicht für mich einen „Grenzwert“ dar, der beide Tendenzen beinhaltet.7
4.2. Einordnung des Gedichts in seinen Entstehungskontext
Der „Gesang der Geister über den Wassern“ wurde von Goethe 1779 während seiner zweiten Reise in die Schweiz (09.-14.10.1779) verfasst. Vom 09. bis 11. Oktober hielten sich die Reisenden in der Gegend von Lauterbrunnen auf, am Staubbach, dessen Wasserfall eine Höhe von 300 Metern hinunterstürzt.
Während dieser Reise - Goethe wurde kürzlich zum Geheimrat ernannt - begleitete er den Fürsten Carl August von Sachsen-Weimar, um diesen zu lehren, sein Land verantwortlich zu führen. Das Erleben einer großartigen Landschaft sollte diesem Zweck im Sinne von Erlebnispädagogik dienen.8 Der Natur und ihrer Wirkung wurde dem zu Folge große Bedeutung zugeschrieben, und man war für solche Eindrücke besonders empfänglich. Wichtig als vorausgehende Entstehungsbedingung des Gedichts muss erwähnt werden, dass Goethe während der Reise über den Thuner See vor der Ankunft am Staubbach den zwölften Gesang der Odyssee in Bodmers Übertragung las, der von Skylla und Charybdis, von Klippengefahr, zerstiebendem Wasser und menschlichem Schicksal handelt. So eingestimmt, scheinen ihm beim Anblick des Staubbaches für seine Gefühlslage „Wasser und Berge eine geeignete Sprache bereitgestellt zu haben“9, um seine um das Menschenschicksal kreisenden Gedanken auszudrücken. Zudem muss der Anblick des in die Tiefe stürzenden Wassers um so beeindruckender gewesen sein, als Goethe diesen Ort als Oase in der Reise durch die „Wüste“ der wenig erschlossenen Bergwelt empfand.
Am 14. Oktober schickte er die Strophen in einem Brief an Charlotte von Stein, mit der ihn eine innige Freundschaft verband. Hier hatte er allerdings die Ode (zunächst Sammel- bezeichnung für alle sangbaren Verse, im Besonderen aber Begriff für vierzeilige feste Strophenform)10 mit „Gesang der lieblichen Geister in der Wüste“ betitelt. Da laut Reed die Wüsten im 18 Jh. zu den „immer wieder bemühten Phänomenen des <<furchtbar>> oder <<schreckhaft>> Erhabenen gehörten und das Schweizer Hochgebirge seiner Meinung nach durchaus als Wüste gelten konnte, war diese Überschrift durchaus angebracht. Diese änderte sich aber über die Jahre hin und wurde schließlich 1789 ohne die dialogische Einteilung zwischen zwei Geistern erstmals gedruckt und in alle späteren Gedichtsammlungen übernommen.
Betrachtet man den Entstehungskontext des „Gesang der Geister über den Wassern“ unter dem Gesichtspunkt der Einordnung neben seine anderen Werke, so entstanden in der Zeit vor 1779 unter anderem sein Drama „Stella“, die Gedichte „Wandrers Nachtlied“ und „An den Mond“ (alle 1776). Nach dem „Gesang“ folgte 1779 sein Drama „Iphigenie auf Tauris“ in Prosaform und das Gedicht „Ein gleiches- Über allen Gipfeln ist Ruh“ (1780).
4.3. Formanalyse und Interpretation
Anmerkung: Mein erster Gedanke war es, Formanalyse und Interpretation zu trennen. Dies ist aber, möchte man Wiederholungen und Verwirrung beim Leser vermeiden, nicht möglich. Es lässt sich nicht vermeiden, an manchen Stellen bereits interpretatorische Aspekte in der Formanalyse und umgekehrt formanalytische Aspekte in der Interpretation zu verwenden, um Klarheit und Überzeugung hervorzurufen. Hier nun meine „Synthese“ aus Formanalyse und Interpretation:
Das Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“ besteht aus 6 Strophen mit variierender Verszahl: die 1 Strophe besteht aus 7, die 2. aus 10, die 3. aus 5 Versen, die 4. Strophe ebenfalls aus 5 Versen, die 5. aus 4 und die letzte Strophe besteht auch aus 4 Versen.
Laut Eggerer und Rötzer ist das Gedicht nicht nach Strophen, sondern nach Sinneinheiten gegliedert, die mehrere Strophen umfassen können. Eine derartige Sinn- bzw. Inhaltsstruktur kann man wie folgt aufstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 entnommen aus: Eggerer, Wilhelm und Rötzer, Hans Gerd: Gesang der Geister über den Wassern; in: Manz großer Analysenband (s. LV Nr.2)
2 Schwarz, Jürgen: Goethe kennen lernen (s. LV Nr.9)
3 Wilpert, Gero von: Goethe-Lexikon S.905 Stichwort „Romantik“ (s. LV Nr.9)
4 Knobloch, Jörg: Literatur kennen lernen (s. LV Nr.6)
5 Jeßling, Benedikt (Hrsg): Metzler-Goethe-Lexikon S.420 Stichwort „Romantik“ (s. LV Nr.5)
6 Jeßling, Benedikt (Hrsg): Metzler-Goethe-Lexikon S.420 Stichwort „Romantik“ (s. LV Nr.5)
7 vor allem entnommen aus: Terence James Reed: Gesang der Geister über den Wassern, in: Goethe-Handbuch, Bd.1 (s. LV Nr.7)
8 Schwarz, Jürgen: Goethe kennen lernen (s. LV Nr.8)
9 Terence James Reed: Gesang der Geister über den Wassern, in: Goethe-Handbuch, Bd.1 (s. LV Nr.7)
10 Bury, Ernst: Gedichte verstehen und interpretieren (s. LV Nr.1)
- Citation du texte
- Verena Decker (Auteur), 2003, Goethe - Analyse seines Gedichts "Gesang der Geister über den Wassern", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23061
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