In diesem Essay wird Caesars Germanenexkurs (BG 6, 21-28) analysiert und interpretiert. Als Erstes wird kurz auf die Quellengattung, anschließend auf den Autor eingegangen werden. Im Hauptteil wird ein Vorschlag zur Quellendeutung angeboten und zum Schluss ein Fazit gezogen.
Im Folgenden werde ich Caesars Germanenexkurs (BG 6, 21-28) analysieren und interpretieren. Als Erstes soll kurz auf die Quellengattung, anschließend auf den Autor eingegangen werden. Im Hauptteil wird ein Vorschlag zur Quellendeutung angeboten und zum Schluss ein Fazit gezogen.
In der Forschung wird angenommen, dass der ursprüngliche Titel Caesars bellum Gallicum ursprünglich commentarii rerum gestarum belli Gallici geheißen haben muss. Der commentarius ist als Literaturgattung nicht belegt; bei diesem handelt es sich um litterae – also Dienstberichte – eines Magistrats, kraft dieser er seine Handlungen vor dem Senat rechtfertigen soll. Der commentarius hatte u.a. auch die Funktion, das Rohmaterial für spätere Geschichtsschreiber zu liefern (Cic. Brut. 262). Es ist jedoch offensichtlich, dass das bellum Gallicum ein ausgereiftes Werk ist, welches keinen Raum mehr lässt für rhetorische Gestaltung. Folglich ist zu konstatieren: Caesar schreibt im commentarius -Stil, um in der Darstellung seiner Taten Objektivität vorzutäuschen, schafft dabei aber ein in sich geschlossenes, literarisches Geschichtswerk.
Aber auch in der Bestimmung des Publikums für seinen commentarius hat uns der Autor in Unklarheit gelassen. Glücklicherweise ist es für diese Arbeit nicht von ausschlaggebender Bedeutung zu klären, ob die primäre Zielgruppe die Senatoren waren, die über seine Maßnahmen als Prokonsul zu urteilen hatten (Gelzer), oder die Ritter aus den Munizipien, die er mit seiner Darstellung belehren, begeistern und letztendlich für sich gewinnen wollte (Mensching). Denn in erster Linie ist die Darstellung der Germanen an lesekundige Römer als Ingroup gerichtet, die die Andersartigkeit der Germanen anhand von „natürlichen“ Merkmalen als Outgroup markieren soll. Die Grundlage für diesen Diskurs bilden die Darstellungen der Kimbern und Teutonen im Besonderen aber auch die der Barbaren im Allgemeinen. Hierbei gilt der Grundsatz: je größer die Distanz von Rom, um so fremder und wilder der Barbar. Die Germanendarstellung erfüllt auch die Kriterien antiker Literatur: Sie soll erfreuen, lehren und bewegen (docere, delectare, movere; Cic. De Orat. 2, 118; XXX). Ferner ist davon auszugehen, dass der Autor auch für die Nachwelt geschrieben hat, um ihm den Platz in der Geschichte zukommen zu lassen, den Caesar für sich beanspruchte: Schließlich entstammte er, wie Velleius Paterculus hervorhebt, der nobilissima Iuliorum [...] familia [… ] ab Anchise ac Venere deducens genus (2, 41).
Hier auf die Person Caesars hinreichend einzugehen ist unmöglich. Um es auf den Punkt zu bringen, lasse ich den namenlosen Hauptprotagonisten aus Brechts Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar sprechen: „Er hatte das Imperium gegründet. Er hatte die Gesetze kodifiziert, das Münzwesen reformiert, sogar den Kalender den wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Seine Feldzüge in Gallien, welche die römischen Feldzeichen bis ins ferne Britannien trugen, hatten dem Handel und der Zivilisation einen neuen Kontinent eröffnet. Sein Standbild stand unter denen der Götter, nach ihm nannten sich Städte und ein Jahresmonat, und die Monarchen fügten seinen erlauchten Namen zu den ihrigen zu. Die römische Geschichte hatte ihren Alexander bekommen. Es war schon klar, daß er das unerreichbare Vorbild aller Diktatoren werden würde. Und kleineren Geschlechtern blieb nur, seine Taten zu beschreiben.“ Das als vaticinium ex eventu. Hier soll es aber um den Caesar der 50er Jahre gehen. Er hat den Lebensabschnitt, als er noch hoch verschuldet und seine Karriere auch nach unten hin offen war, zwar hinter sich, und er ist durch seine Tätigkeit als Prokonsul zu einem der reichsten Männer der römischen Welt aufgestiegen, aber der Kampf gegen die optimates und v.a. gegen Pompeius stand noch aus. Caesar war erst im Begriff, die materiellen Grundlagen dafür zu schaffen, und ein Mittel zum Zweck war seine literarische Tätigkeit.
Der Germanenexkurs setzt im Werk an der Stelle ein, als Caesar zum zweiten Mal den Rhein überschreitet. Ein Jahr zuvor (54) erlitt sein Heer die bis dahin schwerste Niederlage: 15 Kohorten sind vernichtend geschlagen worden, und verbündete Eliten verschiedener keltischer Stämme fielen von Caesar ab oder wurden wie Cavarinus von seinem Gefolge entmachtet. Die zu erwartende Antwort hieß: hart und konsequent durchgreifen, Exempel statuieren. Um die rechtsrheinischen Stämme - allen voran die Sueben – davon abzuhalten, Ambiorix zu unterstützen, führte der Prokonsul einige expeditiones durch. Diese – da extraterritorial und somit ohne Mandat geführt - aber v.a. der baldige Rückzug aus dem rechtsrheinischen Gebiet mussten rechtfertigt werden. Die Argumentation kann vorweggenommen werden: Es lohnte einfach nicht, in Germanien zu bleiben, da die germanischen Stämme zu primitiv waren, und es dort nichts zu holen gab.
Es soll nun die Darstellung der Germanen interpretiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Autor darum ging, in Abgrenzung zu dem Fremden und also Unzivilisierten gleichzeitig den römischen Kulturstatus selbstzuversichern. Der Exkurs ist in drei Teile zu gliedern: Als Erstes werden die Germanen und ihre Lebensweise dargestellt (21-23). Darauf folgt ein kurzer Vergleich mit den Kelten und die Darstellung der natürlichen Lebensbedingungen der Germanen (24f.). Zum Schluss gibt es noch einen Exkurs im Exkurs, in dem die germanische Tierwelt dargestellt wird. Diese Dreiteilung wird sich im Aufbau der Interpretation widerspiegeln. An letzter Stelle dieser Arbeit erfolgt eine Zusammenfassung.
Die Germanen
Die Parataxe eröffnet das neue Kapitel prägnant und entfaltet durch die Klarheit der Aussage eine durchschlagende Wirkung. Die Germanen sind hinsichtlich ihrer Lebensweise um Vieles anders als die Kelten (multum ab hac consuetudine differunt). Da consuetudo im lateinischen positiv konnotiert ist – im weiten Sinne kann es auch Geselligkeit oder gar zärtlicher, vertrauter Umgang bei Eheleuten bedeuten -, ist die Abwesenheit davon natürlich das Gegenteil, so dass der Leser schon mal auf das Folgende gut eingestimmt ist. Die Germanen sind ein ungläubiges Volk. (Dass Caesar generalisierend über die rechtsrheinischen Gruppen spricht, dürfte den römischen Leser nicht gestört haben, da irgendwelche Völker am anderen Ende der Welt es nicht unbedingt wert waren, den Zeit- und Denkaufwand für ein Differenzieren aufzuwenden. Wenn im Weiteren von den Germanen die Rede ist, dann geschieht es, um die Perspektive eines römischen Rezipienten zu verdeutlichen.) Die Germanen sind also ungläubig, weil sie nur an das glauben, was sie sehen, nämlich Sonne, Feuer und Mond. Natürlich waren Sol, Vulcanus und Luna auch Götter im römischen Kult. Vulcanus half beim Schmieden römischer Schwerter, und einmal im Jahr gab es zu seiner Ehren die Volcanalia. Luna hatte gleich zwei Tempel in Rom, und zwar auf dem Aventin und dem Palatin. Die Germanen glauben an „dieselben“ Götter nur, weil sie sie sehen können, und weil sie eine Erwartungshaltung ihnen gegenüber haben (opibus iuvantur). Religiöse Bräuche pflegen sie nicht nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit do ut des. Dass es aber von Barbarentum zeugt, die religio zu vernachlässigen (neque sacrificiis student), muss ein ehemaliger pontifex maximus nicht weiter ausführen.
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- Bernd Kühn (Autor), 2013, Caesars Germanenexkurs (BG 6, 21-28), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229766