Der Besuch von Großveranstaltungen unterschiedlichster Art stellt für weite Teile der
Bevölkerung eine attraktive Form der Freizeitbeschäftigung dar. Dabei werden die
Besucher immer anspruchsvoller und verlangen nach stets neuen und innovativen
Veranstaltungen. Längst vermag der traditionelle Jahrmarkt oder das klassische
Theaterstück kaum noch jemanden vom Hocker zu reißen. Vor diesem Hintergrund
entsteht, insbesondere in der jüngeren Vergangenheit, eine Vielzahl neuer Veranstaltungsformen
mit verschiedensten Inhalten, Größenordnungen, Zeiträumen oder Zielgruppen.
So wartet heute fast jede Kleinstadt mit eigenen Kulturwochen, Sport-Events
oder Erlebnistagen auf. Größere Städte veranstalten eigene Festspiele oder profitieren
von Großereignissen wie Marathonläufen, Musikparaden oder Fußballspielen der
Bundesliga. So wird die Großveranstaltung, das Event, von Kommunalpolitikern zunehmend
als Mittel der Regionalentwicklung benutzt um die Stadt weiterhin attraktiv zu
halten – sowohl nach innen (für die Residenten) als auch nach außen (für auswärtige
Besucher) (Häußermann/Siebel 1993: 17). Wie groß die Hoffnungen sind, die an die
Ausrichtung von Großveranstaltungen geknüpft sind, zeigt der enorme Akquirierungsund
Entwicklungsaufwand, der in den letzten Jahren von vielen Kommunen im Umfeld
von Großveranstaltungen betrieben wurde (Kruse 1991: 178f.). Die Berliner Bewerbung
zur Ausrichtung der olympischen Spiele 2000 verschlang Millionen. Die Weltausstellung
EXPO 2000 kostete nicht nur die Stadt Hannover sondern auch die Bundeskassen
Milliarden. Olympia 2012 lässt Leipzig und ganz Ostdeutschland auf neue
wirtschaftliche Impulse hoffen. Schon sprechen Kritiker von einer „Festivalisierung der
Stadtpolitik“ (Häußermann/Siebel 1993). Aber auch weniger langfristig angelegte
Großveranstaltungen sollen den Städten zu kontinuierlichem Besucherandrang und
neuen Gästegruppen verhelfen. Die Berliner Loveparade gilt gemeinhin als Musterbeispiel
dafür, wie außergewöhnliche Events das Image einer Stadt positiv verändern
können. Gerade bei solchen kurzzeitigen Veranstaltungen treten aber neben den
kommunalen auch privatwirtschaftliche Veranstalter in Konkurrenz um die spendierfreudigen
Massen der Freizeitkonsumenten. Entsprechend unüberschaubar ist auch
hier die Fülle von Angeboten wie Großkonzerten, Gastronomiefesten oder Themenpartys.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen
2 Literaturüberblick: Großveranstaltungen und ihre regionalen Effekte...
2.1 Großveranstaltungen
2.1.1 Großveranstaltung oder Event - eine Begriffsklärung
2.1.2 Geschichte von Großveranstaltungen
2.1.3 Großveranstaltungen der deutschen Gegenwart
2.2 Regionale Effekte von Großveranstaltungen
2.2.1 Tangible Nutzen für die Region
2.2.2 Intangible Nutzen für die Region
2.2.3 Tangible und intangible Kosten für die Region
2.2.4 Möglichkeiten und Grenzen zur Erfassung der Effekte
3 Der Schlagermove - „Ein Festival der Liebe“
3.1 Entstehung und Entwicklung (1997 bis 2002)
3.2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsjahr
4 Methoden der empirischen Untersuchung
4.1 Besucherbefragung
4.2 Experteninterviews
4.3 Sekundärliteratur- und Internetrecherche
5 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
5.1 Grundlegende Ergebnisse
5.1.1 Gesamtbesucherzahl und Erfassungsgrad
5.1.2 Zufriedenheit der Besucher
5.1.3 Geschlecht und Alter
5.1.4 Herkunft
5.1.5 Anreise
5.1.6 Besuchsgrund der auswärtigen Besucher
5.1.7 Erstbesucher oder Wiederholungsbesucher
5.1.8 Aufenthaltsdauer und Übernachtung der auswärtigen Besucher
5.2 Regionalwirtschaftliche Ergebnisse: Tangible Nutzen
5.2.1 Direkte Effekte
5.2.2 Indirekte Effekte
5.2.3 Induzierte Effekte
5.2.4 Fiskalische Effekte
5.3 Regionalwirtschaftliche Ergebnisse: Intangible Nutzen
5.3.1 Medienresonanz und erhöhte Aufmerksamkeit
5.3.2 Image
5.3.3 Weitere Nutzen
5.4 Regionalwirtschaftliche Ergebnisse: Tangible und intangible Kosten
5.5 Regionalwirtschaftliche Ergebnisse: Übersicht und Vergleich
6 Fazit und Handlungsempfehlungen
7 Literaturverzeichnis
8 Anhang
8.1 Besucherbefragung
8.2 Experteninterview
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kategorien von Events
Abbildung 2: Wirkungsmodell von Großveranstaltungen
Abbildung 3: Besucherentwicklung des Hamburger Schlagermove
Abbildung 4: Route und Veranstaltungsfläche des Schlagermove 2003
Abbildung 5: Fotos vom Schlagermove 2003
Abbildung 6: Geschlecht und Alter der Besucher
Abbildung 7: Herkunft der befragten Schlagermove- Besucher
Abbildung 8: Genutzte Verkehrsmittel der Besucher
Abbildung 9: Getätigte Ausgaben der auswärtigen Besucher
Abbildung 10: Modell zur Berechnung eines Einkommensmultiplikators
Abbildung 11: Indikatoren für das Hamburg- Image der Einheimischen
Abbildung 12: Indikatoren für das Hamburg- Image der Auswärtigen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Berechnung der Übernachtungsgäste und Übernachtungen
Tabelle 2: Ausgaben unterschiedlicher Besuchergruppen
Tabelle 3: Berechnung der Gesamtausgaben aller Auswärtigen
Tabelle 4: Berechnung der Gesamtausgaben der Auswärtigen, bereinigt um Fernanreise
Tabelle 5: Wertschöpfungsquoten nach Branchen in Hamburg
Tabelle 6: Wertschöpfung der ersten Umsatzstufe, errechnet anhand einer Wertschöpfungsrechnung
Tabelle 7: Wertschöpfung der zweiten Umsatzstufe, errechnet anhand einer Wertschöpfungsrechnung
Tabelle 8: Beschäftigungseffekte aus der Wertschöpfung, errechnet anhand einer Wertschöpfungsrechnung
Tabelle 9: Wertschöpfung über alle Umsatzstufen, errechnet anhand eines regionalen Multiplikators
Tabelle 10: Beschäftigungseffekte aus der Wertschöpfung, errechnet anhand eines regionalen Multiplikators
Tabelle 11: Berechnung der fiskalischen Effekte, bundesweit
Tabelle 12: Personalkosten des Polizeieinsatzes
1 Einleitung
Der Besuch von Großveranstaltungen unterschiedlichster Art stellt für weite Teile der Bevölkerung eine attraktive Form der Freizeitbeschäftigung dar. Dabei werden die Besucher immer anspruchsvoller und verlangen nach stets neuen und innovativen Veranstaltungen. Längst vermag der traditionelle Jahrmarkt oder das klassische Theaterstück kaum noch jemanden vom Hocker zu reißen. Vor diesem Hintergrund entsteht, insbesondere in der jüngeren Vergangenheit, eine Vielzahl neuer Veranstal- tungsformen mit verschiedensten Inhalten, Größenordnungen, Zeiträumen oder Ziel- gruppen. So wartet heute fast jede Kleinstadt mit eigenen Kulturwochen, Sport- Events oder Erlebnistagen auf. Größere Städte veranstalten eigene Festspiele oder profitieren von Großereignissen wie Marathonläufen, Musikparaden oder Fußballspielen der Bundesliga. So wird die Großveranstaltung, das Event, von Kommunalpolitikern zu- nehmend als Mittel der Regionalentwicklung benutzt um die Stadt weiterhin attraktiv zu halten - sowohl nach innen (für die Residenten) als auch nach außen (für auswärtige Besucher) (Häußermann/Siebel 1993: 17). Wie groß die Hoffnungen sind, die an die Ausrichtung von Großveranstaltungen geknüpft sind, zeigt der enorme Akquirierungs- und Entwicklungsaufwand, der in den letzten Jahren von vielen Kommunen im Umfeld von Großveranstaltungen betrieben wurde (Kruse 1991: 178f.). Die Berliner Bewer- bung zur Ausrichtung der olympischen Spiele 2000 verschlang Millionen. Die Weltaus- stellung EXPO 2000 kostete nicht nur die Stadt Hannover sondern auch die Bundes- kassen Milliarden. Olympia 2012 lässt Leipzig und ganz Ostdeutschland auf neue wirtschaftliche Impulse hoffen. Schon sprechen Kritiker von einer „Festivalisierung der Stadtpolitik“ (Häußermann/Siebel 1993). Aber auch weniger langfristig angelegte Großveranstaltungen sollen den Städten zu kontinuierlichem Besucherandrang und neuen Gästegruppen verhelfen. Die Berliner Loveparade gilt gemeinhin als Musterbei- spiel dafür, wie außergewöhnliche Events das Image einer Stadt positiv verändern können. Gerade bei solchen kurzzeitigen Veranstaltungen treten aber neben den kommunalen auch privatwirtschaftliche Veranstalter in Konkurrenz um die spendier- freudigen Massen der Freizeitkonsumenten. Entsprechend unüberschaubar ist auch hier die Fülle von Angeboten wie Großkonzerten, Gastronomiefesten oder Themenpar- tys.
1.1 Problemstellung
Im Wettbewerb der Standorte wird es für Kommunen und Regionen zunehmend wichtiger, sich sowohl gegenüber Einheimischen als auch Besuchern als attraktive Lokalität oder Destination zu präsentieren. Zu diesem Zweck setzen sich unterschied- lichste Großveranstaltungen bzw. Events verstärkt durch und werden vielerorts als unverzichtbares, weil zukunftsträchtiges Element des modernen Stadtmarketings propagiert. Auf der anderen Seite sind Veranstaltungen, egal wie groß oder klein, häufig auch mit Kosten für die gastgebende Kommune verbunden. Dies gilt umso mehr, wenn man auch verdeckte Kosten hinzurechnet, die beispielsweise durch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen oder Verkehrsumleitungen entstehen können. In diesem Fall muss die kommunale Verwaltung abwägen, ob die Höhe ihrer so ausgelös- ten Kosten in einem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen der Großveranstaltung steht.
Darüber hinaus gibt es nicht selten weitere Interessengruppen, die solche Veranstal- tungen aus mannigfaltigen Gründen verhindern oder einschränken wollen. Sowohl bei Befürwortern als auch bei Kritikern der Ausrichtung von Großveranstaltungen basiert die aus diesem Konflikt resultierende Diskussion nicht nur auf ökonomischen und ökologischen Argumenten. Häufig wird sie auch auf emotionaler Ebene geführt. Mit verantwortlich für die emotionale Argumentation ist dabei der Umstand, dass es schwierig ist, die unterstellten Effekte solcher Veranstaltungen zuverlässig zu quantifi- zieren und somit die beschriebene Diskussion auf eine sachliche Basis zu stellen. Nicht zuletzt sind die Akteure eines Stadtmarketing aber auch ohne gegebene Konflikt- situation auf gesicherte Daten über die Auswirkungen veranstalteter Events angewie- sen um somit den Grad der Erreichung aufgestellter Marketingziele beurteilen zu können.
1.2 Zielsetzung
Mit der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, Großveranstaltun- gen mit Event- Charakter aus ökonomischer Sicht zu beleuchten und ihre Auswirkun- gen auf den regionalen Wirtschaftsmarkt möglichst weitgreifend und dennoch konkret zu beziffern. Insbesondere soll ein Beitrag dazu geleistet werden, die ökonomischen Auswirkungen des in Hamburg stattfindenden Schlagermove darzustellen und somit eine Lücke in der einschlägigen Literatur zu schließen: Während zu den regionalöko- nomischen Effekten von Großveranstaltungen aus dem Bereich Sport, Wirtschaft, Bildung und Hochkultur inzwischen eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten vorliegt, zeigt sich hierzu im Bereich der leichten Unterhaltung, insbesondere zeitgenössischer Jugendkultur, eine unzureichende wissenschaftliche Untersuchungsdichte. Hier setzt die vorliegende Arbeit an und will Ergebnisse liefern, die sich auch auf andere Veran- staltungen aus diesem Bereich übertragen lassen. Im Mittelpunkt stehen die Fragen, wie viel die Besucher solcher Veranstaltungen ausgeben und welche Teile dieses Umsatzes in der Region verbleiben. Ferner wird untersucht, wie sich solch eine Um- satzerhöhung indirekt auch auf weitere Wirtschafts- und Personengruppen auswirken kann.
1.3 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen
Einleitend soll im folgenden Kapitel 2 das Untersuchungsfeld „Großveranstaltungen“ grundlegend beleuchtet werden. Im Rahmen einer Begriffsklärung wird auch auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede gegenüber der heute populären Bezeichnung „Events“ hingewiesen. Es erfolgt zunächst ein Blick in die Entwicklungsgeschichte solcher Veranstaltungen von der Antike bis zur Gegenwart, sodann wird den soziologischen Hintergründen heutiger Groß- Events, auch anhand eines Beispiels, besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Anschließend werden die verschiedenen Auswirkungen analysiert, die Großveranstal- tungen auf eine Region und ihre sozioökonomischen Teilbereiche haben können. Schwerpunktmäßig wird hier die Frage beantwortet, welche Rolle solche Events für die Entwicklung einer Stadt, für die Lebensqualität ihrer Bewohner und für die Wirtschaft - besonders den Tourismus - spielen. Formal unterscheidet die Arbeit dazu nach dem ökonomisch quantitativen Nutzen und dem eher qualitativen Nutzen, gefolgt von der Betrachtung sozioökonomischer Kosten von Großveranstaltungen. Das Kapitel schließt mit einer Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der Erfassung und Quantifizie- rung all dieser Effekte.
Im dritten Kapitel werden die Voraussetzungen für die durchgeführte empirische Untersuchung beschrieben, indem die Veranstaltung Schlagermove vorgestellt und auf ihre Besonderheiten im Untersuchungsjahr 2003 hingewiesen wird.
Kapitel 4 befasst sich mit dem Untersuchungsplan, der zur empirischen Untersuchung im Rahmen des Schlagermove 2003 aufgestellt wurde. Nach einigen Bemerkungen zur Entscheidung für den Schlagermove als Untersuchungsgegenstand wird der entwickel- te Methoden- Mix und dessen spezifische Ausgestaltung detailliert dargestellt.
Die Ergebnisse und Erkenntnisse der empirischen Untersuchung werden im fünften Kapitel ausführlich präsentiert. Nach grundlegenden Aussagen über die Besucher- struktur des Schlagermove nimmt deren Ausgabeverhalten eine zentrale Rolle ein und führt zur Berechnung des zusätzlich generierten Nachfrageimpulses. Hieraus leiten sich weitere Nutzeneffekte der Veranstaltung für die Region Hamburg ab, namentlich die Wertschöpfung, die zusätzliche Beschäftigung sowie regionale Steuereinnahmen. Da die quantitative Abschätzung dieser Effekte modellbedingt mit Unsicherheiten behaftet ist, wird darüber zuerst ein optimistisches, anschließend ein eher restriktives Szenario gezeichnet.
Es folgt eine Analyse des qualitativen Nutzens des Schlagermove, welche vornehmlich die Medienresonanz und den gestiegenen Imagewert Hamburgs berücksichtigt. Schließlich wird eine grobe Einschätzung darüber abgegeben, wo und in wie weit die Veranstaltung auch negative Auswirkungen, also Kosten, auslöst. Das Kapitel schließt mit einem Resümee über den gesamten regionalökonomischen Wert des Schlagermo- ve 2003.
Zuletzt dient Kapitel 6 einer Zusammenfassung der Erkenntnisse aus dieser Arbeit sowie einer kritischen Schlussbetrachtung. Probleme und Widersprüche aus der Bearbeitung des Themas werden aufgezeigt, weiterführende Forschungsempfehlungen angeregt und konkrete Handlungsempfehlungen für die Akteure von Großveranstaltun- gen werden abgeleitet.
2 Literaturüberblick: Großveranstaltungen und ihre regionalen Effekte
2.1 Großveranstaltungen
Der Begriff „Großveranstaltung“, als zentraler Untersuchungsgegenstand der vorlie- genden Arbeit, löst vor dem geistigen Auge eine Fülle verschiedener Assoziationen aus. Man denkt an tobende Menschenmassen im Fußballstadion, an ohrenbetäuben- den Lärm bei einem Rockkonzert, an das feuchtfröhliche Schunkeln während einer rheinländischen Karnevalsveranstaltung. Vielleicht erinnert man sich aber auch an die Fernsehbilder vom zurückliegenden Kirchentag oder der jährlichen Loveparade in Berlin1. Waren aber nicht auch die traditionellen Montags- Demonstrationen in der DDR eine Art der Großveranstaltung? Oder die letzte Sonderausstellung im Kunstmuseum, die Hundezüchterschau in der örtlichen Stadthalle? Diese weit gestreuten Beispiele machen deutlich, dass zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes „Großveran- staltungen“ eine grundlegende Begriffsklärung vonnöten ist.
2.1.1 Großveranstaltung oder Event - eine Begriffsklärung
Unter dem Terminus „Veranstaltung“ versteht der Duden (1981) Erscheinungen, die Verantwortliche und Organisatoren stattfinden und durchführen lassen. Als Beispiele werden „ein Turnier, Rennen, Fest, Konzert, Auktion, Tagung, eine Demonstration, Umfrage“ (S. 2729) genannt. Dabei können Veranstaltungen beispielsweise „kulturelle, künstlerische, sportliche, karnevalistische“ (S. 2729) Inhalte haben. Doch anhand welcher Merkmale wird eine beliebige Veranstaltung zur Großveranstaltung? Genügt allein die Anwesenheit vieler Menschen oder eine weite räumliche Ausdehnung, um von einer Großveranstaltung sprechen zu können?
Zur Definition von Großveranstaltungen betrachtet Schneider (1993: 115ff.) drei allge- meine Kriterien. Zunächst sind alle Großveranstaltungen zeitlich begrenzt, das heißt, sie zeichnen sich durch einen eindeutigen, häufig durch Eröffnungs- und Schlussereig- nisse pointierten Beginn und ein ebensolches Ende aus. Hierin unterscheiden sich Großveranstaltungen also von Großattraktionen wie landschaftlichen Sehenswürdigkei- ten oder kulturellen Dauereinrichtungen. Durch ihre begrenzte Zeitdauer lassen sich Großveranstaltungen einer von drei Ereigniskategorien zuordnen: „Kurze, singuläre Ereignisse“ dauern demnach ein bis vier Tage, so zum Beispiel Musikfestivals, Wirt- schaftsmessen und Straßenparaden wie die Loveparade oder der nachfolgend unter- suchte Schlagermove. „Mehrwöchige Ereignisketten“, als zweite Kategorie, finden entsprechend über einen längeren Zeitraum statt und bezeichnen Veranstaltungen wie olympische Spiele, große Volksfeste oder Kulturwochen. Als „Veranstaltungen von mehrmonatiger Dauer“ bezeichnet Schneider schließlich Ereignisse wie Weltausstellungen, Gartenschauen oder die Kasseler Documenta.
Als zweites Identifikationsmerkmal zeichnen sich Großveranstaltungen durch ihre Seltenheit und Außergewöhnlichkeit aus. Diese äußern sich einerseits darin, dass sich eine betrachtete Veranstaltung nur nach einem zeitlichen Mindestabstand wiederholt oder auch nur einmalig durchgeführt wird. Dabei folgt die Periodizität der Veranstaltung nicht nur dem erforderlichen Planungszeitraum, sondern dient auch strategischen Gründen. Ein zu häufiges Stattfinden würde die gespannte Erwartung der Großveran- staltung mindern und möglicherweise zu Sättigungserscheinungen bei den Besuchern führen. Andererseits tragen spezifische Konsum- und Bereitstellungsbedingungen, die mit ihrem Dienstleistungs- , Markt- und Projektcharakter zusammenhängen, zu dem außergewöhnlichen Charakter eines solchen Ereignisses bei. So ist die Großveranstal- tung eine Dienstleistung, die zeitgleich mit ihrer Erbringung auch schon von den anwesenden Besuchern konsumiert wird. Hieraus ergibt sich, dass ungeplante Abläufe kaum noch korrigiert werden können und somit das Verhalten der Besucher selbst maßgeblich zum Verlauf und Ambiente der Veranstaltung beiträgt. Das kennzeichnet diese Veranstaltungsform wiederum als eine Art Markt, wo der Teilnehmer mit vielen gleichgesinnten Menschen zusammentreffen kann. Hier kann er sich austauschen und vergleichen, er nimmt sich als Teil einer exklusiven Gemeinschaft wahr und erfährt so eine besondere Erlebnisqualität, die auf dem Gefühl des Dabei- Gewesen- Seins beruht. Als drittes Merkmal von Großveranstaltungen nennt Schneider schließlich deren Größe in Form von Besuchermengen, Flächenbedarf, Kapitaleinsatz oder psychologischer Bedeutsamkeit. Allerdings ist es kaum realistisch, sich auf absolute Grenzwerte festzu- legen, um eine Großveranstaltung als solche zu definieren. Je nach Veranstaltungs- form variieren die Zahlen stark, wofür Faktoren wie die Thematik, der Eintrittspreis, die Dauer, der Ort oder das Wetter verantwortlich gemacht werden können. Daher plädie- ren Stenke/Willms (2002: 17) für die Verwendung von Verhältniszahlen wie Teilnehmer je Zeiteinheit oder Teilnehmer je Einwohner um die Größe einer Veranstaltung zu kennzeichnen. Aus diesem Grund werden auch in dieser Quelle keine absoluten Zahlen genannt; die Autoren stellen jedoch fest, dass Veranstaltungen mit mehr als 100.000 Besuchern ohne Zweifel als Großveranstaltungen bezeichnet werden können. Bei mehr als 500.000 Besuchern spricht man mitunter auch von einer Mega- Veranstaltung.
Diese Ausführungen verdeutlichen, dass sich eine allgemeingültige Definition des Begriffs Großveranstaltung kaum gegeben lässt. Zwar kann eine Veranstaltung, die alle genannten Kriterien zu einem hohen Grad erfüllt, sicherlich als Großveranstaltung bezeichnet werden. Der Umkehrschluss gilt indes nicht: Das Fehlen einzelner Merkma- le schließt die Bezeichnung Großveranstaltung nicht automatisch aus. Als Beispiel sei hier kurz ein Fußball- Länderspiel betrachtet. Per se dauert ein solches Spiel kaum zwei Stunden und würde somit die geforderte Mindestdauer von einem Tag unterschreiten. Häufig liegt dabei auch die Besuchermenge deutlich unterhalb der als charakteristisch genannten Mindestzahl von 100.000 Besuchern. Nichtsdestoweniger kann ein interna- tionales Fußballspiel zweifelsfrei als Großveranstaltung bezeichnet werden. Dafür sprechen insbesondere der hohe Ausprägungsgrad anderer Merkmale sowie direkt damit einhergehende Nebenerscheinungen im Umfeld des Spieles2.
Nachdem die Schwierigkeiten einer exakten Definition von als Großveranstaltung bezeichneten Ereignissen verdeutlicht wurden, soll im Folgenden untersucht werden, ob der neuere Begriff „Event“, der mitunter auch synonym verwandt wird, eine spezifischere Eingrenzung solcher Veranstaltungsformen erlaubt.
Das englische Wort Event, wörtlich mit Ereignis, Vorfall, Begebenheit zu übersetzen, wird im anglikanischen Sprachgebrauch für Situationen verwandt, die zwar als normal gelten, bei konkretem Eintreten aber dennoch als Überraschung empfunden werden, so zum Beispiel Geburt, Tod oder Katastrophen (Gebhardt 2000: 18f.). Zur plakativen Beschreibung von außergewöhnlichen Veranstaltungen wird im englischsprachigen Raum daher von Special- , Hallmark- , Mega- , Medium- oder Mini- Events gesprochen (Bowdin et al . 2001: 16f. / Freyer 1996: 221ff.). Im deutschsprachigen Raum sind derartige Zusätze weniger verbreitet. Hier wird unter dem Begriff Event eine Fülle verschiedener Ereignisse aus allen gesellschaftlichen Bereichen subsumiert. Eine mögliche Einordnung geht aus Abbildung 1 hervor, in der nach Größe und Anlass von Events unterschieden wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kategorien von Events (in Freyer 1996, S. 213).
Gerade durch seinen inflationären Gebrauch seit Mitte der 90er- Jahre (Scherhag 1998: 97) ist es daher schwierig, den oftmals willkürlich benutzen Event- Begriff wissenschaft- lich abzugrenzen. Ansätze einer Definition finden sich dennoch in einer Reihe wissen- schaftlicher Werke aus den Disziplinen Soziologie, Betriebs- , Sport- oder Tourismus- wissenschaft3. So kennzeichnet Gebhardt (2000) Events wegen ihrer professionellen Vorbereitung als „ planm äß ig erzeugte Ereignisse“ (S. 19ff., Hervorheb. im Original), welche aus kommerziellen oder weltanschaulichen Motiven veranstaltet werden. Sie gelten als nicht alltägliche, einzigartige Ereignisse, welche die Besucher mit freudiger Spannung erwarten, wobei allerdings sehr oft auch eine gesteigerte Reizintensität gefordert wird. Freyer (1996: 212ff.) ergänzt als weiteres Charakteristikum die Künst- lichkeit, die vielen Events anhaftet, indem sie, maßgeblich aus Gründen der touristi- schen Verwertbarkeit, aufwendig inszeniert werden. Dabei verliert die historische Entstehungsgeschichte des Ereignisses mitunter an Bedeutung; sein Bezug zur gast- gebenden Region wird vernachlässigt oder absichtlich verschleiert. Andererseits wird es durch diese Künstlichkeit für die Eventveranstalter erst möglich, die Dramaturgie des Teilnehmererlebnisses vorab zu planen. Wichtig ist Gebhardt (2000) darum, dass die Besucher oftmals aktive Mitgestalter des Events werden und das persönliche Erleben der Veranstaltung - zumindest scheinbar - durch ihre Eigendynamik beeinflus- sen können. Anhand einer vielfältigen Sinnesansprache, ermöglicht durch das Zu- sammenwirken von Musik, Tanz, Licht oder Geruch, kann ein Event für den Teilnehmer zum „Gesamtkunstwerk()“ (S. 20) werden. Dabei ist es trotzdem monothematisch auf einen Themenbereich konzentriert und fördert unter den Teilnehmern oft ein Gefühl der exklusiven Zusammengehörigkeit.
Anhand der aufgeführten Kriterien wird deutlich, dass Events und Großveranstaltungen sehr ähnlich sind. Wenn überhaupt, ist nur eine fließende Abgrenzung möglich. Beson- ders deutlich wird dies an einer verbreiteten Definition, bei der die beiden Veranstal- tungsbezeichnungen synonym verwendet werden: „Großveranstaltungen oder sog. „Events“ sind geplante, zeitlich begrenzte Ereignisse, die sich mit ihrem jeweiligen Austragungsinhalt an eine spezifische Zielgruppe richten“ (Rahmann 1998: 65).
Dabei ist die Größe eines Events zwar relevant für seine Zuordnung zu einzelnen Event- Typen. Wiederum sagt die Größe aber nichts darüber aus, ob eine vorliegende Veranstaltung als Event bezeichnet werden kann oder nicht. So werden unter Marke- tingexperten auch exklusive Firmenveranstaltungen mit wenigen erlesenen Kunden als Event bezeichnet (Nickel 1998: 5). Auch muss ein Event, im Gegensatz zur Großver- anstaltung, nicht unbedingt von nur vorübergehender Dauer sein. Einige Autoren (z.B. Freyer 1996: 218, Opaschowski 1997: 34) betrachten Musicalaufführungen in dauer- haft stationären Veranstaltungsorten ebenfalls als Event und kommen folglich zu einer noch universelleren Beschreibung des Begriffs: „Jedes gesellschaftliche Ereignis, über das man spricht, bevor es überhaupt stattgefunden hat, gilt heute als Event“ (Opa- schowski 2002: 248). Daraus ergibt sich, dass bei dem Versuch einer Abgrenzung der Begriff Event tendenziell noch weiter gefasst werden muss als der der Großveranstal- tung. Mit anderen Worten: Nahezu jede Großveranstaltung ist dem aktuellen Sprach- gebrauch zufolge auch ein Event, wohingegen nicht jedes Event auch eine Großveran- staltung darstellt.
Für den Zweck dieser Arbeit, insbesondere für ihren Titel, erscheint daher der Ausdruck Großveranstaltung geeigneter, um den Untersuchungsgegenstand einzugrenzen. Im dritten Kapitel wird allerdings deutlich werden, dass die empirisch untersuchte Veranstaltung, der Hamburger Schlagermove, sowohl den Kriterien einer Großveranstaltung als auch denen eines Events genügt, so dass die beiden Bezeichnungen in diesem Kontext synonym verwandt werden können.
Dennoch drängt sich in Anbetracht der begrifflichen Ungenauigkeit die Frage auf, ob und wie weit es sich bei beiden Veranstaltungsformen überhaupt um ein wirkliches Novum handelt oder ob hier womöglich einem alten Kind nur ein neuer Name gegeben wurde. Zur Klärung dieser Frage lenkt der nächste Abschnitt den Blick auf die Vergangenheit von Großveranstaltungen.
2.1.2 Geschichte von Großveranstaltungen
Schon aus den Anfängen der modernen Menschheitsgeschichte wird von enormen Menschenmassen berichtet, die sich bei großen Veranstaltungen trafen. Bereits zu den Olympischen Spielen des Altertums reisten geschätzte 40.000 Zuschauer und Athleten in Olympia an (Freyer/Groß 2002: 73). In den römischen Zirkusarenen versammelten sich bis zu 250.000 Zuschauer (Schneider 1993: 3) und die Gladiatorenkämpfe im römischen Reich galten als blutige Höhepunkte einer monatelangen Festreihe, bei der im Kolosseum in Rom bis zu 4.000 Gladiatorenpaare gegeneinander antraten (Veyne 1992: 605). Auch bei den mittelalterlichen Schauprozessen erfreute man sich gerne und in großen Gruppen am Leid anderer Menschen. Beispielsweise galten Hexenhin- richtungen vielerorts als gruselige Sensation und dienten nicht selten Zehntausenden Menschen als willkommene Abwechslung im Arbeitsalltag (Behringer 2000: 275). Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts fanden die deutschen Hexenprozesse ihr endgülti- ges Ende und es dominierten wieder bemerkenswerte Veranstaltungen der friedlichen Art. So gelten die ausschweifenden Feste im Zeitalter des Absolutismus bis heute als Inbegriff von Übermaß und Verschwendungssucht. Insbesondere während des Barock und des Rokoko scheint das höfische Leben eher von Festen als vom Alltag geprägt gewesen zu sein (Alewyn 1989: 14). Ausgehend vom französischen König Ludwig XIV. verbreitete sich dieses neuartige Selbstverständnis bald in ganz Europa, und so wird auch aus Deutschland von mehrwöchigen Großfeiern, beispielsweise anlässlich eines Geburtstages von Herzog Karl Eugen aus Stuttgart, berichtet (ebd.: 12). Mit dem endgültigen Übergang vom Absolutismus zur deutschen föderalen Demokratiebewe- gung wird gemeinhin das Hambacher Fest von 1832 verbunden. Dieses war zwar vor allem als eine politische Kundgebung und weniger als ein Fest im heutigen Sinne geplant. Wenn jedoch Zeitzeugen von einer äußerst ausgelassenen Stimmung unter den 30.000 Demonstranten sprechen (Misch 1952: 89), beschreiben sie Kriterien, die einen Vergleich dieser Veranstaltung mit heutigen Events zulassen. Noch mehr gilt dies für die Olympischen Spiele der Neuzeit, welche 1896 erstmals in Athen veranstal- tet wurden. Aufgrund stetig wachsender Teilnehmer- und Besucherzahlen, des welt- weiten Medieninteresses und langjähriger Planung gilt dieser sportgeschichtliche Meilenstein bis heute als Urform eines Mega- Events (Freyer/Groß 2002: 73f.). Im sogenannten Dritten Reich wurde schließlich die emotionale und manipulative Bedeu- tung von Großveranstaltungen sichtbar. Viele nationalsozialistischen Massenversamm- lungen - beispielsweise der Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP - wurden minutiös geplant und dramaturgisch bewusst auf das beabsichtigte Ziel hin entwickelt. Die Macht der Masse sollte genutzt werden, um alle Deutschen emotional zu einen und auf den Führer Hitler einzuschwören (Gebhardt 2000: 23). Da in der Anfangszeit des Dritten Reiches elektronische Medien noch kaum verbreitet waren, fiel der Veranstal- tung vor Ort eine besondere Bedeutung zu. Im Rahmen der sogenannten Thingbewe- gung ließ der Reichspropagandaminister Goebbels deshalb deutschlandweit etliche Versammlungsstätten neu erbauen; unter anderem die heute als Waldbühne bekannte Openair- Arena in Berlin. Zusammen mit angrenzenden Aufmarschgeländen dienten solche Thingstätten der gezielten Ansprache und Gleichschaltung von bis zu 120.000 Teilnehmern starken Menschenmassen (Wolff 1985: 179f., 185). Erst mit der Einfüh- rung des Volksempfängers fiel schließlich dem Rundfunk die zentrale Rolle als Propa- gandainstrument der Nationalsozialisten zu.
Diese knappe Betrachtung macht deutlich, dass historische Feiern, Feste und Kundge- bungen zu viel mit heutigen Großveranstaltungen und Events gemeinsam haben, als dass man von etwas völlig Neuem sprechen könnte. Es gibt eben schon seit Jahrtau- senden diverse Ereignisse, die neben großen Menschenmengen auch geprägt sind von vorübergehender Dauer, professioneller Planung oder einer emotionalen Anspra- che der Teilnehmer. Inwiefern sich postmoderne Großveranstaltungen und Events dennoch von festlichen Anlässen früherer Gesellschaften unterscheiden, soll nachfol- gend zunächst theoretisch, sodann anhand eines Beispiels untersucht werden.
2.1.3 Großveranstaltungen der deutschen Gegenwart
„Was die Markt- und Rummelplätze in früheren Jahrhunderten waren, sind heute die Massenveranstaltungen und Top- Ereignisse im Sport- , Kultur- und Unterhaltungsbe- reich geworden“ (Opaschowski 1997: 7). Mit diesem Vergleich spannt ein Freizeitfor- scher den Bogen von den geschichtlichen Ursprüngen der Großveranstaltungen zu ihren heutigen Erscheinungsformen und deutet damit zugleich an, dass moderne Events mittlerweile in allen gesellschaftspolitischen Umfeldern stattfinden können. Die überaus große Anziehungskraft von Events erklären Gebhardt et al. (2000: 11f.) mit der zunehmenden Individualisierung und Erlebnisorientierung innerhalb der modernen Gesellschaft. Als Musterbeispiel dieser soziologischen Entwicklung gilt dabei die „Szene“, eine neuartige Sozialform mit sehr unverbindlichen, teilweise äußerst tempo- rären Beziehungen unter ihren Mitgliedern. Für die „Szene“ spielt die Großveranstal- tung eine bedeutende Rolle, indem sie für ihre multioptionalen Mitglieder mitunter den kleinsten gemeinsamen Nenner der Kontaktaufnahme darstellt. Ferner sind solche Veranstaltungen für die Szenemitglieder eine seltene Möglichkeit, ihr eigenes kulturel- les Selbstbild zu formen und gleichzeitig der medialen Öffentlichkeit ihre Existenz zu demonstrieren (Diederichsen 1999: 331). Insofern scheint die Annahme berechtigt zu sein, dass sich große Events in Zukunft zu einer „typischen außeralltäglichen Verge- meinschaftungsform“ (Gebhardt et al. 2000: 12) entwickeln werden. Wenngleich diese Voraussetzungen der extremen Vergesellschaftungsform „Szene“ noch nicht gesamt- gesellschaftlich gelten dürften, so wachsen heutige Festlichkeiten im Gegensatz zu früheren Epochen dennoch wesentlich schneller, sowohl in Anzahl als auch in Größe und Reizintensität.
In dieser „akzelerierenden Eventisierung der Festlandschaft“ (Gebhardt 2000: 24) kann demnach das tatsächlich Neuartige heutiger Großveranstaltungen gesehen werden. Diese Vervielfachung ist zugleich der Grund, warum es hier nicht zweckmäßig er- scheint, eine Einzelaufstellung möglichst vieler Veranstaltungen der Gegenwart zu liefern. Dazu ist der Markt schlichtweg zu groß und zu unübersichtlich geworden: Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland allein weit über 10.000 Volksfeste unter- schiedlicher Art (Opaschowski 2000: 8f.). Zum Zweck einer systematischen Kategori- sierung einzelner Großveranstaltungen und Events sei daher auf die in Abschnitt 2.1.1 vorgestellten Kriterien verwiesen. An dieser Stelle soll stattdessen etwas genauer betrachtet werden, welche Entwicklungen sich auf dem Weg von historischen Veran- staltungsformen zu einer Eventkultur von heute konkret beobachten lassen. Hier sind zu nennen (nach Gebhardt 2000: 24f.):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zur Veranschaulichung dieser Tendenzen drängt sich förmlich das Beispiel der allgemein bekannten Loveparade in Berlin auf. Dieses Event kann als zentrale Veranstaltung der gesamten deutschen Techno- Szene angesehen werden (Werner 2001: 32), das es erlaubt, alle beschriebenen Kriterien und deren Steigerung im Verlauf ihrer nunmehr 14- jährigen Entwicklung zu beobachten.
So gründet die Loveparade nicht etwa auf einem historischen Ursprung, sondern ist im Jahr 1989 zufällig aus einer Geburtstagsfeier des Berliner Deejays „Dr. Motte“ entstan- den (http://www.techno.de (a)). Unter diesem Künstlernamen gehörte Matthias Roeingh der damals aufkommenden Technoszene an, die von Kritikern gemeinhin als völlig unpolitisch, spaßorientiert und konsumfreudig eingeschätzt wird (Mayer 2002: 2). So zeigt diese häufig auch als Generation X bezeichnete Jugendkultur starke Tenden- zen der Deinstitutionalisierung. Auch die paradeartige Veranstaltungsform verdeut- licht, dass die Loveparade von Anfang an ein sehr unverbindliches Event darstellte. Ohne Absperrmaßnahmen oder Eintrittskontrollen ist es den Teilnehmern bis heute möglich, den riesigen Veranstaltungsbereich jederzeit aufzusuchen und wieder zu verlassen.
Als eindeutiges Zeichen der Profanisierung könnte zunächst gewertet werden, dass dramaturgische Akzente bei der Parade sehr sparsam verwandt werden. Anstelle von Ritualen und festen Programmpunkten nimmt der Außenstehende bei der Loveparade nur einen scheinbar endlosen Klangteppich monotoner Technorythmen war. Der einzelne Besucher ist dabei nahezu ausschließlich mit sich selbst und dem ekstati- schen Tanzen beschäftigt, dem im Laufe des gesamten Veranstaltungstages lediglich die Verlesung einer etwa drei Sätze umfassenden Ansprache, der sogenannten Ab- schlusskundgebung, durch Dr. Motte gegenüber steht (Meyer 2001: 55). Ferner ist die Loveparade seit dem Jahr 2001 nicht mehr als politische Demonstration angemeldet (http://www.loveparade.de) und hat somit auch rein rechtlich eine weitere Profanisie- rung erfahren.
Einhergehend mit rasant steigenden Besucherzahlen kann auch eine Entstrukturierung der Veranstaltung festgestellt werden. Waren es zu Beginn ausschließlich Anhänger der Berliner Technoszenen, die die Loveparade besuchten, so kommen heute Menschen jedes Alters und aus allen sozialen Schichten und Klassen zu dem Event (Werner 2001: 32). Die Fernsehbilder zeigen immer wieder in die Jahre gekommene Technoanhänger, die einträchtig neben Schülern und jungen Familien mit Kindern tanzen, während die Großeltern in unmittelbarer Reichweite dem Treiben der Massen zusehen. Anfängliche Klagen aus der Technoszene, dass somit Nicht- Mitglieder die Stimmung zerstören würden, sind schnell verebbt oder solche Kritiker haben der Loveparade freiwillig den Rücken gekehrt (Feige 2000: 208).
Wesentlich kontroverser wurde die Kommerzialisierung der Loveparade diskutiert, die mit zunehmender Größe ab Mitte der 90er- Jahre zu beobachten war. Angefangen mit lizenzierten T- Shirts und CDs führte der gestiegene Finanzbedarf der Organisatoren bald dazu, dass das Bild der Parade zunehmend durch die Banner der Sponsoren geprägt wurde. So warben 1999 nicht nur Zigaretten- und Erfrischungsgetränkeherstel- ler, die Deutsche Telekom und Bekleidungsketten um die Gunst der geschätzten 1,5 Millionen Besucher, auch die Junge Union, die Jungen Liberalen und die ARDVorabendserie Marienhof nahmen mit eigenen Musikwagen an dem Medienspektakel teil (Mayer 2002: 6).
Auch als Beispiel für die Multiplizierung der heutigen Event- Landschaft dürfte die Berliner Veranstaltung unübertroffen sein. Seit 2000 findet die Loveparade unter Lizenz weltweit statt, so in Wien, Tel Aviv, Kapstadt und Mexiko- Stadt (http://www.techno.de (b)). Quantitativ ist jedoch die inoffizielle Multiplizierung der Loveparade noch bedeutender, da sie dazu führte, dass mittlerweile in fast allen deutschen und etlichen ausländischen Großstädten, unter der Sammelbezeichnung Move, solche Musikparaden durchgeführt werden4.
Die Berliner Loveparade wurde hier anhand von Entwicklungen analysiert, die man kontrovers diskutieren könnte. Hier sollte jedoch nur verdeutlicht werden, wie die theoretisch ermittelten Merkmale moderner Großveranstaltungen in der Praxis sichtbar werden können. Sowohl im Umfeld der Technoszene als auch in der soziologischen Literatur gibt es reichlich Argumente, die den vielleicht als negativ empfundenen Eindruck solcher Vergesellschaftungsformen entkräften5.
Zusammenfassend lässt sich über heutige Großveranstaltungen und Events sagen, dass diese zwar keine revolutionäre Versammlungsform, wohl aber eine Weiterentwicklung traditioneller Feste und Feiern darstellen, bei der allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen wie Erlebnisorientierung, Individualisierung und Konsumdenken wiedergespiegelt werden. Ein Ende der Entwicklung zu immer mehr und immer spektakuläreren Großveranstaltungen scheint vor diesem Hintergrund nicht in Sicht.
2.2 Regionale Effekte von Großveranstaltungen
’Brot und Spiele’, so lautete das politische Motiv, als die Herrscher der Antike mit großen Veranstaltungen ihr Wohlwollen gegenüber den Untertanen demonstrieren, zugleich aber auch Kritik und Ausschreitungen unterbinden wollten (Veyne 1976: 333f.). Als sich die Stadt Berlin fast 2000 Jahre später um die Austragung der Sommerolympiade 2000 bewarb, formulierte der damalige Bürgermeister Eberhard Diepgen das neue Leitmotiv mit „Brot durch Spiele“ (zit. nach Schneider 1993: 3) und ließ damit erkennen, dass an die Durchführung von Großveranstaltungen heute primär die Hoffnung auf positive regionale Wirtschaftseffekte geknüpft ist.
Nachdem oben geklärt wurde, wie sich postmoderne Großveranstaltungen charakteri- sieren und abgrenzen lassen, soll nun also beschrieben werden, welche Auswirkungen daraus für unterschiedliche Gesellschaftsbereiche resultieren können. Obwohl im empirischen Teil der Arbeit zu diesem Zweck vor allem der wirtschaftliche Bereich einer einzelnen Region berücksichtigt wird, soll hier dennoch eine theoretische Be- trachtung erfolgen, die auch weiter gefasste Effekte der Durchführung von Großveran- staltungen einschließt.
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich dabei entweder um positive oder um negative Effekte handeln kann (Horn/Zemann 2002: 133). Wie Abbildung 2 veranschaulicht, können beide Wirkungsarten aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, wodurch eine weitere Klassifikation nach ökonomischen, ökologischen oder sozialen Effekten sinnvoll ist. Innerhalb der genannten Wirkungsdimensionen stehen sich wiederum mehrere gesellschaftliche Gruppen als Träger bzw. Nutznießer der so entstandenen Effekte gegenüber, so zum Beispiel Gewerbetreibende, die öffentliche Hand, Veranstaltungsbesucher oder die Bevölkerung des Veranstaltungsortes.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Wirkungsmodell von Großveranstaltungen (Geographisches Institut der Universität Mannheim, in Horn/Zemann 2002: 133).
Eine weitere Unterscheidung bietet sich an nach primären bzw. direkten Effekten, die unmittelbar aus der Durchführung von Veranstaltungen resultieren und sekundären bzw. indirekten Effekten, die aufgrund komplexer Verflechtungen und Kreisläufe in vor- oder nachgelagerten Wirkungssystemen als Nebenprodukt entstehen (Küpfer/Elsasser 2000: 434f.). Um den Zusammenhang detaillierter betrachten zu können, wird hier eine weitere Wirkungsklassifizierung genannter Veranstaltungen bevorzugt. Nach Rahmann (1998: 97) soll im Folgenden unterschieden werden nach tangiblen und intangiblen Nutzen sowie nach tangiblen und intangiblen Kosten. Zuerst werden also solche Effekte betrachtet, die eine positive Wirkung haben und sich anhand monetärer Grö- ßen quantifizieren lassen. Dem werden anschließend die positiven Wirkungen gegen- über gestellt, welche von eher ideeller Art sind und sich somit nicht oder nur anhand aufwendiger Schätzverfahren am Markt bewerten lassen. Schließlich wird eine Reihe negativer Wirkungen, also Kosten, von Großveranstaltungen angeführt werden. Da negative Effekte nur schwer quantifizierbar sind und darüber hinaus nicht zur zentralen Fragestellung dieser Arbeit gehören, erfolgt hier eine gemeinsame Betrachtung tan- gibler und intangibler Kosten.
Innerhalb dieser groben Einteilung wird versucht, die Kosten und Nutzen den jeweils betroffenen Gesellschaftsgruppen zuzuordnen6. Dabei ist generell zu berücksichtigen, dass solche Abgrenzungen häufig willkürlich vorgenommen werden müssen, da sich bestimmte Wirkungen mitunter auf mehrere Gruppen auswirken und sowohl als tangi- bel oder intangibel gewertet werden können (Kruse 1991: 176). Im Übrigen stammen die hier identifizierten Effekte überwiegend aus Quellen, die sich mit Mega- Events wie Olympischen Spielen oder Fußballweltmeisterschaften beschäftigen, da solche Veran- staltungsarten in der wissenschaftlichen Literatur eindeutig überrepräsentiert sind. Für die Auswirkungen von kleineren Veranstaltungen dürften daher gewisse Einschrän- kungen gelten. Ferner sind verfügbare Studien zu solchen Mega- Events zumeist eng mit der Frage nach der Vertretbarkeit dazu gewährter öffentlicher Subventionen behaf- tet (z.B. Schneider 1993: passim und Rahmann 1998: passim). Da kleinere Veranstal- tungen - so auch der Hamburger Schlagermove - überwiegend privatwirtschaftlich finanziert werden, verliert eine solche Betrachtungsweise in diesen Fällen ihre Rele- vanz.
2.2.1 Tangible Nutzen für die Region
Als Ausgangspunkt für die Frage nach konkret quantifizierbaren Vorteilen von Groß- veranstaltungen bietet sich die Betrachtung der zusätzlichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen an. Denn die Planung und Durchführung von Veranstaltungen bringt für die gastgebende Region in aller Regel eine „Sonderkonjunktur“ (Schneider 1993: 135) hervor. Dabei kann die Zusatznachfrage bereits lange vor dem eigentlichen Veranstaltungstermin einsetzen, wenn in der „Prä- Event- Phase“ (Hamm 1999: 305) kostenintensive Planungsmaßnahmen eingeleitet werden. Hiervon profitieren sowohl Unternehmen als auch Bewohner des Veranstaltungsorts. Bewirbt sich beispielsweise eine Region um die Austragung eines Mega- Events, müssen Projektteams für die Bewerbung zusammengestellt, Gutachten angefertigt und eine Vielzahl von Agenturen beauftragt werden. Wird der Zuschlag für die Veranstaltung erteilt, müssen erste bauliche Maßnahmen in Angriff genommen werden, sowohl direkt im Umfeld des Veranstaltungsgeländes als auch im weiteren Umkreis, wo die öffentliche Infrastruktur zu stärken ist. Hier ist also mit wirtschaftlichen Impulsen für Dienstleistungs- und Bauunternehmen zu rechnen.
Mit Beginn des eigentlichen Events - während der „Präsenzphase“ (Rahmann 1998: 110) - sind Effekte zu erwarten, die vor allem den vielschichtigen Ausgabenarten der Besucher zuzuordnen sind. Hier spielt die kurzfristige Erhöhung der Tourismusnach- frage eine entscheidende Rolle, indem für Anschaffungen, Eintrittskarten, Unterkunft oder Verpflegung enorme Geldsummen in der Region gebunden werden, durch die vielfältige Branchen, insbesondere das Gastgewerbe und der Einzelhandel, direkt von der Veranstaltungsdurchführung profitieren (Kurscheidt 2002: 37). Dabei muss das Bild des konsumierenden Veranstaltungsbesuchers weit gefasst werden. Hierzu ist auch der Tross von Angestellten, Sportlern, Verbandsmitgliedern oder Journalisten zu zählen, der solche Mega- Events typischerweise begleitet und ein überdurchschnittli- ches Ausgabenbudget zur Verfügung hat (Horn/Zemann 2002: 134). Somit tragen auch indirekt teilhabende Personen, Fernsehzuschauer oder Zeitungsleser beispielsweise, zu der Sonderkonjunktur bei, indem sie die Ausgaben für Medienvertreter erst rechtfer- tigen. Der Veranstalter kann neben offensichtlichen Erlösen aus Eintrittsgeldern oder Pachteinnahmen in diesem Zusammenhang auch mit Erlösen aus Fernsehrechtsge- bühren, Sponsoringverträgen, Lizenzen oder Merchandisingartikeln rechnen (ebd.).
Unmittelbar nach der Veranstaltung folgen weitere zusätzliche Wirtschaftsaktivitäten in Form von Abbau- oder Rückbaumaßnahmen, die abermals für zusätzliche regionale Nachfrage sorgen. In der weiteren „Post- Event- Phase“ (Hamm 1999: 305) wird sich das Niveau ökonomischer Aktivität wieder seinem Anfangszustand annähern, wobei insbesondere bei Mega- Events und regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen eine nachhaltige Erhöhung eintreten kann, die dann primär jedoch auf intangible Nutzen zurückzuführen ist. Für die Bevölkerung des Veranstaltungsortes erwächst aus dieser Sonderkonjunktur ökonomisch die Chance auf zusätzliche Arbeitsplätze und steigende Einkommen (Horn/Zemann 2002: 134).
Die so entstandene zusätzliche Nachfrage bildet die direkten Effekte eines Events ab, die sich monetär darstellen lassen. Mit direkten Effekten, auch als Primärimpuls be- zeichnet, sind hier diejenigen Umsätze gemeint, welche dem betrachteten Wirtschafts- raum unmittelbar durch die Veranstaltung von Seiten der Beteiligten zufließen oder aber für die Planung und Organisation im Vorfeld der Veranstaltung ausgegeben werden (Küpfer/Elsasser 2000: 434f.). Hierzu sind aber auch Drittmittel zu rechnen, die bei Veranstaltungen von überregionaler Bedeutung häufig aus Quellen der Landes- oder Bundesverwaltungen bewilligt werden und der veranstaltenden Region ohne das Event nicht zugute gekommen wären (Fiedler 1991: 64). Im Allgemeinen zählen zu den direkten Effekten einer Großveranstaltung also (nach Hamm 1999: 309):
- die Besucherausgaben,
- die veranstaltungsrelevanten Investitionen,
- die Ausgaben der Organisation für Vorleistungen sowie
- die Ausgaben der Organisation für Einkommen ihrer Beschäftigten.
Zur Verdeutlichung der Dimensionen sei hier beispielhaft der Primärimpuls zweier Veranstaltungen genannt. Bei der EXPO 2000 belief sich eine konservative Berech- nung der direkten Effekte auf gut 7,5 Mrd. DM, die allein in Niedersachsen anfielen. In besonderem Maße profitierten dabei die Branchen Bauwirtschaft, Handel und Verkehr, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie der gesamte Dienstleistungssektor generell (Ertel et al. 2001: 25f.). Aber auch bei kleineren Veranstaltungen zeigen sich bemer- kenswerte direkte Effekte tangibler Art. Für den gut eintägigen Berlin- Marathon errech- nete eine ebenfalls sehr vorsichtige Untersuchung einen Primärimpuls in Höhe von 23 Mio. €, der übrigens zu gut 70 Prozent der Berliner Hotellerie und Gastronomie zugute kam (Maennig 2003: 25).
Mit den dargestellten direkten Effekten ist der mögliche regionalwirtschaftliche Nutzen von Großveranstaltungen nicht erschöpft. Im Wirtschaftskreislauf wird das Geld aus dem Primärimpuls abermals aktiv, indem es erneut ausgegeben wird. Sei es aus Bezügen, die Vorleistungsunternehmen dafür erhalten, dass sie Leistungen für die betrachtete Veranstaltung bereitstellen, oder sei es aus Löhnen und Gehältern von Mitarbeitern sowie aus weiteren Investitionen in die Veranstaltung selbst (Küpfer/Elsasser 2000: 435). Diese als indirekte Effekte bezeichnete Aktivität sorgt dafür, dass die durch den Primärimpuls ausgelöste Wertschöpfung abermals zu positi- ven Effekten führt. So ermöglichen es die Umsatzsteigerungen den beteiligten Wirt- schaftsunternehmen, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und somit auf Seiten der regionalen Bevölkerung weitere Einkommenszuwächse auszulösen (Horn/Zemann 2002: 134). Schließlich stehen dem entstandenen Primärimpuls Leistungen gegenüber, welche durch Arbeitnehmer erbracht wurden, die ohne die Veranstaltung nicht benötigt worden wären. Optimistische Schätzungen rechnen dabei mit einem zusätzlichen Arbeitsplatz je 1.000 Besuchern einer Großveranstaltung (Frank/Roth 2000: 206).
Neben vielfältigen individuellen Nutzen für die Arbeitsuchenden resultiert daraus für die öffentliche Hand einerseits eine erhöhte Besteuerungsbasis an dem Veranstaltungs- standort, wodurch sich der Umfang öffentlicher Steuereinnahmen steigern kann (Schneider 1993: 134). Andererseits enthält diese Mehrbeschäftigung auch die Chance ersparter Sozialkosten, wenn zuvor beschäftigungslose Bewohner nicht mehr aus Mitteln der Sozialkassen unterstützt werden müssen. Eine empirische Untersuchung (Trube 1995) konnte aufzeigen, dass durch die Förderung von Arbeitsplatzmaßnahmen allein für den kommunalen Anteil der Sozialleistungen in Düsseldorf ein Einsparungs- potential von 6.270 DM pro Jahr und ehemaligem Sozialleistungsempfänger zu erwar- ten ist (S. 62).
Unter induzierten Effekten versteht man schließlich Wirkungen, die daher rühren, dass bei der gesamten Leistungserstellung Einkommen entstehen, welche im Zuge des Wirtschaftskreislaufes zumindest teilweise wieder verausgabt werden (Küpfer/Elsasser 2000: 435). Denn bei zusätzlichen Einkommen haben die Wirt- schaftssubjekte die Wahl, entweder mehr zu konsumieren oder mehr zu sparen. Während der Primärimpuls im zweiten Fall keine zusätzliche Nachfrage bewirkt, führt er im Falle zusätzlichen Konsums abermals zu neuen Einkommen für andere Subjekte (Siebert 2003: 247 f.). In der Folge werden diese ihre Güternachfrage wiederum erhöhen und somit weitere Steuern abführen.
Dieser Prozess lässt sich theoretisch unendlich fortsetzen. Die Volkswirtschaftslehre bietet jedoch modellhaft konstante Faktoren an, anhand derer sich der Umfang solcher Wirkungen errechnen lässt. Die genaue Bezeichnung eines solchen Faktors ist in der Literatur nicht einheitlich, häufig wird jedoch vom keynesianischen Multiplikatoreffekt (Kainberger 1997), dem Einkommensmultiplikator (Holub 1996) oder auch dem keyne- sianischen Einkommensmultiplikator (Küpfer/Elsasser 2000) gesprochen. Generell ist festzuhalten, dass die Höhe des Multiplikators, also der Grad, zu dem ein gegebener Primärimpuls nachgelagerte Einkommenszuwächse induziert, um so kleiner wird, je höher die Sparneigung der betrachteten Wirtschaftsregion ist. Ferner nimmt der Multi- plikator ab, je kleiner die untersuchte Wirtschaftsregion ist. Bei der regionalen Berech- nung des Multiplikators fließen nämlich bei jeder Wiederverausgabung erhebliche Teile des zusätzlichen Impulses in andere Regionen oder ins Ausland ab (Maennig 2003: 15). Wenn eine Großveranstaltung durch öffentliche Gelder unterstützt wird, ist es der öffentlichen Hand demnach prinzipiell möglich, Subventionen über verschiedene Umwege wieder einzunehmen. Öffentliche Beteiligungen an Großveranstaltungen werden daher auch als Umwegrentabilitäten bezeichnet (Holub 1996 passim und Kainberger 1997 passim). Danach müssen Bund, Land oder Gemeinde den Subventi- onsbetrag lediglich vorstrecken, bis dieser durch Steuern und Mehrbeschäftigung zwar zeitversetzt, aber automatisch wieder in ihre Kassen zurückfließt (Holub 1996: 1110).
Volkswirtschaftlich betrachtet wäre demnach jede Großveranstaltung ökonomisch sinnvoll, wenn die Summe aller tangibler Nutzen die Summe der tangiblen Kosten einer betrachteten Gesellschaftsgruppe übersteigt. Für eine Kommune müsste daher fast jede privatwirtschaftlich finanzierte Veranstaltung einen positiven Nettonutzen haben, da für die öffentliche Hand nahezu keine tangiblen Kosten anfallen (Maennig 2003: 5). Hingegen wären viele Mega- Events, die umfangreiche öffentliche Subventionen erfor- dern, volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, wenn die Summe der Beteiligung größer ist als der resultierende Nutzen in Form von Steuermehreinnahmen oder Beschäftigungsstei- gerungen. In der Praxis gestaltet sich eine solche Entscheidung allerdings wesentlich schwieriger. Dies liegt daran, dass unter Berücksichtigung von intangiblen Nutzen und Kosten die Entscheidung für oder gegen ein Event verstärkt mit der Frage nach den individuellen Zielvorstellungen mehrerer gesellschaftlicher Akteure verbunden ist (Schneider 1993: 134). Daher will der folgende Abschnitt aufzeigen, inwiefern unter- schiedliche Interessengruppen anhand einer Veranstaltung häufig auch weitergehende Ziele verfolgen, die dann insbesondere auf intangibler Seite zu suchen sind.
2.2.2 Intangible Nutzen für die Region
Für den Veranstalter eines Events mag der finanzielle Nutzen, der ihm aus der Durchführung entsteht, häufig Grund genug sein, sich diesbezüglich zu engagieren. Für alle anderen Gesellschaftsgruppen steht die Beteiligung an einer Großveranstaltung jedoch selten isoliert im Raum, sondern wird vielmehr als ein Element innerhalb einer übergeordneten Strategie betrachtet. Dazu erhofft man sich aus einer Veranstaltung einen Nutzenbeitrag, dessen Höhe für die einzelne Veranstaltung nicht immer konkret beziffert werden kann. Generell lassen sich solche intangiblen Nutzen aber für viele Gesellschaftsbereiche erwarten (Horn/Zemann 2002: 132).
Aus Sicht einer öffentlichen Verwaltung kann ein großes Event zunächst als Element einer übergeordneten Stadt- oder Regionalentwicklungspolitik eingesetzt werden. Kruse (1991: 176ff.) attestiert einem Großereignis zwei grundlegende Impulse, welche die veranstaltende Stadt entwicklungspolitisch zu nutzen vermag: Einerseits kann das Event außengerichtet vermarktet werden, um die wirtschaftliche Attraktivität zu erhö- hen und neue Investoren und Unternehmen zu akquirieren. Dies wird möglich, wenn im Rahmen von Großveranstaltungen erhebliche Investitionen in die Infrastruktur der Region unternommen werden, so z.B. in den Straßenbau, öffentlichen Personenver- kehr, Kommunikationsstrukturen oder das Beherbergungswesen. Andererseits sind solche Maßnahmen gleichzeitig innengerichtet wünschenswert, indem sie die Lebens- qualität der Bewohner, besonders bei gegebener Nachnutzungsmöglichkeit der Investi- tionen, langfristig verbessern können (ebd.). So sind an mehreren Orten in Nieder- sachsen aus ursprünglichen Expo- Projekten heute ganzjährige touristische Angebote entstanden (Ertel et al. 2001: 27f.), in Hannover selbst hat sich ein ehemaliger Groß- parkplatz zur sommerlichen Openair- Arena entwickelt. Rahmann (1998: 15) erwartet im Umfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland eine generelle Begeiste- rung für den Sport und hofft, dass dadurch sogar soziale Werte gefestigt und Rand- gruppen integriert werden können und dass gewissen Zivilisationskrankheiten vorge- beugt wird. Freyer (1996: 228) attestiert Kultur- Events schließlich das Potential, in Vergessenheit geratene Traditionen und Bräuche wieder einem größeren Publikum zugänglich zu machen und somit alte Kulturwerte zu wahren und zu fördern. Ohne Zweifel sind durch Events aber profanere Nutzen für die einheimische und zugereiste Bevölkerung in Form von Kurzweil, Freude und Begeisterung zu erwarten.
Bei der Betrachtung von Großveranstaltungen als Mittel einer außengerichteten Regio- nalentwicklung muss insbesondere die Tourismusentwicklung für eine Region betrach- tet werden. Während nämlich die Nachfrage nach touristischer Hardware, z.B. Flughä- fen, Hotels, Restaurants und ansprechend präsentierten Sehenswürdigkeiten, inzwi- schen weitgehend gesättigt ist (DFV 1995: 24ff.), rückt heute die Software von Reise- zielen in den Fokus der Beachtung. Zusammen mit der Atmosphäre und der Stadtges- taltung wird dabei auch die Kulturdichte als wesentlich für die weichen Faktoren der touristischen Attraktivität einer Destination angesehen (Freyer 1996: 226). Daher müssen sich die klassischen Reiseziele weiterentwickeln, indem sie ihren Gästen innovative Erlebniswerte bieten. Ziel für die Entwicklung des Tourismus muss - insbe- sondere in Städten - eine Kombination aus „Sightseeing und Lifeseeing“ (Opaschowski 1997: 40) sein. Wenn Touristen heute die Stadt durchstreifen, wollen Sie demnach immer auch etwas Neues entdecken. Sie sind ständig auf der Suche nach außerge- wöhnlichen Ereignissen, nach dem Abenteuer; kurz dem Event (ebd.). Events können dabei in unterschiedlichen Ausgangslagen ein vielversprechendes Mittel der Tourismusentwicklung sein. Für Städte mit ohnehin großem touristischem Potential besteht die Möglichkeit, neue Gäste auf sich aufmerksam zu machen, aber auch einen zeitgemäßen Anreiz für Wiederholungsbesucher zu bieten. Städte ohne natürliche Attraktionen für den Tourismus haben durch (künstliche) Events die Mög- lichkeit, ebenfalls am wichtiger werdenden Segment des Städte- und Kulturtourismus zu partizipieren (Weber 1996: 66). Dabei können Großveranstaltungen sowohl als Hauptanlass einer Reise dienen oder auch nur ein Nebenmotiv sein (Freyer 1996: 214). Wenn es dem Regionalmarketing gelingt, auf diese Weise den Bekanntheitsgrad der Destination generell zu erhöhen, kann daraus ein Nutzen in Form späterer Gäste resultieren, der unabhängig vom Interesse der Besucher an der konkreten Veranstal- tung ist (Scherhag 1998: 85). In beiden Fällen ist es ferner möglich, saisonale Nachfra- geschwankungen im Tourismus auszugleichen, da Events mit ihren häufig künstlichen Anlässen flexibler im Kalenderjahr terminiert werden können. Somit sind sie ein viel versprechendes Instrument, um vorhandene Kapazitäten auch in der Nebensaison besser auszulasten (Dreyer 1996: 38). Generell profitieren von einer Steigerung und Homogenisierung der Besuchsintensität also all diejenigen Wirtschaftssubjekte, denen ein erhöhter Publikumsverkehr nutzt.
Mit der positiven Entwicklung des Bekanntheitsgrades wurde bereits eine grundlegen- de Voraussetzung für das Image einer Region beschrieben. Diese „Gesamtheit aller subjektiven Ansichten und Vorstellungen (…) eines Menschen von einem Mei- nungsgegenstand“ (Dreyer 1996: 165, Hervorheb. im Original) kann durch regelmäßige Veranstaltungen ebenfalls positiv beeinflusst werden. Eine verbesserte Imagewirkung ist für ein Stadtmarketing besonders deshalb interessant, da sie die kostengünstige Chance bietet, von dem Nutzen eines Events auch über den Veranstaltungszeitraum hinaus zu profitieren (Hamm 1999: 305). Während nämlich ein konkretes Erlebnis, beispielsweise der Besuch einer Großveranstaltung, verhältnismäßig schnell in Ver- gessenheit gerät, halten Images über eine längere Zeit an (Dreyer 1996: 165). Die Großveranstaltung kann hier für eine gestiegene Wahrnehmung und ein besseres Image sorgen, wenn sie durch ihre Außergewöhnlichkeit eine positive Aufmerksamkeit bewirkt (Kurscheidt 2002: 37). Schneider (1993: 185) weist ausdrücklich darauf hin, dass sich eine solche Imageverbesserung auch aus dem additiven Nachrichtenwert mehrerer kleinerer Ereignisse einstellen kann. Für den regionalen Tourismus erwächst daraus die Möglichkeit, die Besucherzahlen nachhaltig zu sichern oder gar zu erhöhen. Ferner sei an dieser Stelle abermals auf den intangiblen Nutzen für die Bevölkerung eines Veranstaltungsortes hingewiesen. Dieser beschränkt sich nicht auf infrastruktu- relle Verbesserungen, sondern kann sich auch in einem positiven Eigenimage der Region ausdrücken. Daraus resultiert langfristig schließlich die höhere Identifikation der einheimischen Bevölkerung mit ihrer Stadt (ebd: 183f.). So bereichern Großveranstal- tungen das Kulturangebot und den Freizeitwert, und zwar insbesondere für die attrakti- ve Gruppe der jungen, hochqualifizierten Einwohner, da diese als Hauptzielgruppe für Events gelten (Opaschowski 2002: 246). Somit stellt die vielfältige Kulturlandschaft wiederum ein wichtiges Element der weichen Standortfaktoren für die Ansiedlung neuer Unternehmen dar, denen im Wettbewerb der Regionen von heute eine steigende Wichtigkeit attestiert wird (Bergler 1991: 36). Verantwortlich dafür ist der wirtschaftliche Strukturwandel, der mit dem Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesell- schaft einherging. Im Gegensatz zu den traditionellen Altindustrien haben natürliche Ressourcen wie Stahl oder Kohle für die heutigen Dienstleistungsunternehmen ihre Rolle als Standortfaktoren nahezu verloren (Dohmen 1996: 5). Stattdessen rückt die Präsenz von jungen, qualifizierten Arbeitskräften in den Mittelpunkt (Bergler 1991: 34). Um die Ansiedlung neuer Unternehmen zu fördern oder bestehende Firmensitze zu sichern, ist es zur kommunalen Aufgabe geworden, qualifizierte Arbeitnehmer zu halten oder von auswärts anzulocken. Dabei hilft ein hohes Maß an Lebensqualität, das sich für junge Menschen nicht nur aus einem attraktiven Arbeitsplatz ergibt, son- dern auch - vielleicht vor allem - aus der Qualität ihrer Freizeit, Umwelt und Kultur erwächst.
Solche Großprojekte können also einen Effekt weit über den eigentlichen Veranstal- tungszeitraum hinaus haben, indem sie die Initialzündung für eine gemeinsame Auf- bruchstimmung markieren. Siebel (1991: 50) berichtet in diesem Zusammenhang von positiven Beispielen aus traditionellen Industriestädten des Ruhrgebietes. Hier konnten Großereignisse erfolgreich als Instrument des im Rahmen der Stadtentwicklung einge- setzten Marketings benutzt werden, um sich zumindest teilweise von den sozialen, ökologischen und ökonomischen Problemen des industriellen Strukturwandels zu erholen. Ähnlich ist es der Stadt München nicht zuletzt durch die Austragung der Olympischen Spiele 1972 gelungen, sich von der Provinzmetropole zur führenden deutschen High- Tech- Industriestadt zu entwickeln (Kruse 1991:177).
Im Idealfall bieten Mega- Events die Chance, alle Kräfte und Ressourcen auf die zentra- le Veranstaltung hin auszurichten und unter diesem Dach auch andere Projekte in Angriff zu nehmen, die über lange Zeit unverwirklicht geblieben sind (Kurscheidt 2002: 42). Die so unternommenen Anstrengungen können als besonders viel versprechend betrachtet werden, da sie ein hohes Maß an Unterstützung aus der Bevölkerung erfahren. Wenn sich die Einwohner mit ihrer Stadt und mit „ihrer“ Veranstaltung positiv identifizieren können, sind Großveranstaltungen geeignet, unter der Bevölkerung „identitätsstiftend“ (Horn/Zemann 2002: 134) zu wirken und das generelle Interesse an regionalen Belangen zu fördern. Die Realität solcher sozialer Nutzen lässt sich deutlich erkennen, wenn man sich die hohe Zahl von ehrenamtlichen Helfern vergegenwärtigt, die sich häufig im Umfeld sportlicher oder kultureller Großveranstaltungen engagieren (Kurscheidt 2002: 42).
Aus dieser positiven Betrachtungsweise heraus kann Großveranstaltungen die Mög- lichkeit zugeschrieben werden, eine „Win- Win- Situation“ für viele gesellschaftliche Gruppen zu stiften. Mit Sicherheit können davon die gastgebende öffentliche Verwal- tung, die regionale Wirtschaft sowie die Residenten profitieren. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass bisher der Idealfall einer Projektmaßnahme unterstellt wurde. Der folgende Abschnitt untersucht daher eine Fülle von negativen Wirkungen, die ebenfalls möglich sind.
2.2.3 Tangible und intangible Kosten für die Region
Die eingangs in diesem Kapitel genannten Assoziationen von Großveranstaltungen lassen schnell den emotionalen Aspekt erkennen, durch den sich solche Events auszeichnen. Wo viele Menschen an einem Ort fröhlich zusammenkommen, wird es eng und man rückt zusammen. Fast immer wird dabei Musik gespielt, nicht selten nach dem Motto „Je lauter, desto besser“. Der Alkohol fließt und sorgt für gesteigertes Durchhaltevermögen bei den Teilnehmern. Konflikte scheinen vorprogrammiert zu sein, wenn die Besucher einer Großveranstaltung ausgerechnet dort den Ausnahme- zustand feiern, wo andere Menschen wohnen, arbeiten oder im Straßenverkehr unter- wegs sind. Die Wahrnehmung dieser Wirkungen wird allerdings unterschiedlich bewer- tet, je nach dem, wie sehr sich der Einzelne davon betroffen fühlt und wie gut sich die Wirkungen mit seinen Werten und seinem Lebensstil vereinbaren lassen. Insofern sind durch Großveranstaltungen verursachte Kosten überwiegend von intangibler Art, da sie häufig nicht objektiv in monetären Werten ausgedrückt werden können.
Für die Bevölkerung können beispielsweise Mobilitätseinschränkungen entstehen, wenn großräumige Absperrmaßnahmen notwendig sind oder die Besuchermassen ein Durchkommen schlichtweg verhindern (Maennig 2003: 2). Eine Belästigung durch Lärm, Geruch oder Verunreinigung wäre dabei ebenfalls denkbar. Hinzu kommen, insbesondere im Umfeld von Sportveranstaltungen, Probleme durch alkoholisierte Veranstaltungsbesucher mit einhergehendem Vandalismus und Schlägereien (Hamm 1999: 312), die viele Anwohner als Belästigung empfinden. Mega- Events führen zudem nicht selten zu einer allgemeinen Anhebung des Preisniveaus, dem die Residenten ebenso wie die Besucher ausgesetzt sind (Horn/Zemann 2002: 134).
Ebenfalls von intangibler Art sind die meisten veranstaltungsinduzierten Kosten für die ökologische Situation, wodurch primär die örtliche Bevölkerung benachteiligt wird. Sie unterscheiden sich kaum von den ökologischen Problemen, die bei anderen Anlässen zu beobachten sind, wenn sich große Menschenmengen auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche versammeln. Generell ist mit zusätzlich einströmenden Besuchern neben dem Müllaufkommen natürlich die Gefahr der Überbeanspruchung gegeben. Im Veranstaltungsbereich nimmt die Trittbelastung des Geländes unweigerlich zu (Horn/Zemann 2002: 134), was besonders an naturbelassenen Stellen zu einer erheb- lichen Beeinträchtigung der regionalen Flora und Fauna führen kann. Das Gleiche gilt bei längerfristigen Großveranstaltungen, die umfangreiche Änderungen in der Flä- chennutzung erfordern, in extremer Weise auch für die Versiegelung von Flächen und der resultierenden Abwasserproblematik (Mönninghoff 1991: 77f.). Ferner induziert die Mobilität der Besucher bereits bei ihrer Anreise einen zusätzlichen Energieverbrauch und umweltschädigende Emissionen (Dietl/Pauli 2001: 153), woraus weitere ökologi- sche Verschlechterungen für das Zielgebiet resultieren können.
Für bestimmte regionale Wirtschaftsunternehmen können Großveranstaltungen auch negative tangible Auswirkungen haben. So beklagen Einzelhändler eine verschlechter- te Erreichbarkeit für ihre Kunden, wenn großräumige Absperrungen nötig werden. Die Folge können messbare Umsatz- und Einkommensverluste sein, da die Nachfrage unter diesen Umständen gar nicht oder in anderen Gebieten verwirklicht wird (Maennig 2003: 9f.). Aber auch für die Anbieter traditioneller touristischer Dienstleistungen können Absperrungen negative Wirkungen haben: Wenn in der Umgebung von Haupt- sehenswürdigkeiten große Events stattfinden, müssen Gästeführungen oder Busrund- fahrten mitunter einer weniger attraktiven Route folgen oder ganz gestrichen werden. Diese als Verdrängungseffekte bezeichneten Wirkungen bergen ferner die Gefahr, dass solche Touristen und Geschäftsreisende, die nicht wegen des Events angereist sind, mit einen Mangel an Unterkunftsmöglichkeiten und sonstigen touristischen Leistungen konfrontiert sind (ebd.). Besonders im Wiederholungsfall kann sich anstelle des ursprünglich intendierten Imagegewinns eine abschreckende Wirkung der Groß- veranstaltung auf Touristen und Einkaufsbesucher der Region ergeben (Hamm 1999: 312).
Schließlich bergen Großveranstaltungen auch aus Sicht der Stadtentwicklungspolitik nicht nur Vorteile. So stellt die Entscheidung, ein bestimmtes Groß- Event öffentlich zu unterstützen, zugleich auch eine Entscheidung gegen mögliche Alternativen der Mittelverwendung dar. Unterstellt man ein konstantes Gesamtpotential öffentlicher Subventionen, würde aus der Konzentration auf ein prestigeträchtiges Projekt, z.B. auf ein Mega- Event, zwangsläufig ein niedrigeres Engagement in anderen Bereichen resultieren (Siebel 1991: 49). Leidtragende könnten dabei die weniger spektakulären traditionellen Kultureinrichtungen oder soziale Initiativen sein, deren Förderung in der Euphorie des Events hinten angestellt wird. Die zuvor als Nutzen identifizierte Wirkung, dass durch Großveranstaltungen alle Kräfte einer Region gebündelt werden können, birgt also auch die Gefahr, dass sich einzelne Gesellschaftsgruppen hinsichtlich ihrer kulturellen Bedürfnisse übergangen fühlen. Solche persönlichen, aber auch finanziellen Belastungen der Bevölkerung führen im Umfeld von Mega- Events immer wieder zu Protesten und zum Boykott der Veranstaltung, so z.B. bei der Berliner Bewerbung um Olympia 2000 oder der Expo 2000 in Hannover (Freyer 1996: 229f.). Kruse (1991) stellt daher explizit fest, dass eine „Zwiespältigkeit solcher Groß- Ereignisse […] den Bürgern deutlich geworden [ist]“ (S. 176). Im schlimmsten Fall können diese negativen Effekte sogar bewirken, dass in der regionalen Gesellschaft, insbesondere auch über unterschiedliche Einstellungen und Präferenzen, ein „sozialer Dissens“ (Horn/Zemann 2002: 134) erwächst und Ziele des innengerichteten Stadtmarketings durch Großver- anstaltungen unerreicht bleiben. Dieselbe Gefahr besteht übrigens auch, wenn die einheimische Bevölkerung das Gefühl hat, dass ihre Kultur und Brauchtümer für den Zweck eines Events instrumentalisiert oder auf ihren Unterhaltungswert für den Tou- rismus reduziert werden (Freyer 1996: 229).
Die öffentliche Verwaltung muss sich im Falle einer Großveranstaltung neben den sozialen Wirkungen jedoch auch mit den tangiblen Kosten auseinandersetzen. Selbst wenn der direkte Finanzbedarf für die Errichtung und den Betrieb eines Ereignisses gedeckt ist, sind umfangreiche indirekte Kosten zu berücksichtigen, die bei der Pla- nung oft übersehen oder zu niedrig angesetzt werden (Kurscheidt 2002: 43). Hierzu ist zunächst der bürokratische Aufwand zu rechnen, der die Ressourcen der öffentlichen Verwaltung belastet (Horn/Zemann 2002: 134). Im weiteren Sinne muss dabei insbe- sondere der Einsatz von Ordnungskräften erwähnt werden. So fällt bei der Polizei zwangsläufig ein zusätzlicher Aufwand zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und außergewöhnlicher Absperrmaßnahmen an, der in aller Regel aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren ist (Maennig 2003: 2). In der Post- Event- Phase müssen Kommu- nen außerdem mit langfristigen Belastungen für die Instandhaltung der neu entstande- nen Einrichtungen rechnen (Kurscheidt 2002: 43), sofern sich diese nicht selbst tragen. Dies ist jedoch häufig unrealistisch, da ihre Kapazität normalerweise an den Nachfra- gespitzen der Veranstaltungszeit ausgerichtet wird, welche später nur schwer wieder zu erreichen sein dürften. Selbst für einen sofortigen Rückbau von Einrichtungen sind laut Schneider (1993: 131) etwa 10 Prozent der Errichtungskosten einzukalkulieren. Andererseits führt an einer kostenintensiven Ausweitung der öffentlichen Infrastruktur kein Weg vorbei, wenn auch in Zeiten der höchsten Nutzungsintensität die Einschrän- kungen anderer Nutzer, z.B. der Bewohner oder unbeteiligter Touristen, niedrig gehal- ten werden sollen (Hamm 1999: 312) Angesichts der erörterten Auslastungsprobleme könnte ein Ausweg darin gesehen werden, das Angebot an Events im Jahresverlauf weiter auszudehnen und somit einen regelmäßigen Impuls zur Spitzenauslastung zu geben. Dazu soll abschließend jedoch auf Gefahren hingewiesen werden, die aus einer zu hohen Event- Aktivität resultieren können. Zunächst ist zu beobachten, dass die Ansprüche der Besucher an Events ständig wachsen. Daher haben zukünftig nur noch perfekt organisierte und besonders kapitalintensive Großveranstaltungen eine Chance am Markt. Der etwaige Flop einer Veranstaltung kann hingegen eine Negativwahrnehmung bewirken und somit image- schädigend sein (Weber 1996: 67f.). Daher müssen sich Kommunen und Regionen eindeutig und langfristig festlegen, wenn sie sich für Großveranstaltungen als strategi- sches Mittel des Stadtmarketing oder der Regionalentwicklung entscheiden, denn solche Events wirken nur bei gegebener Kontinuität und ständiger Innovation in der beabsichtigten Weise (Opaschowski 2002: 247). Wenn dies gelingt, können zwar neue Event- Touristen oder gar Unternehmenssitze an die Destination gezogen werden. Dabei bleibt jedoch die Gefahr, dass andere, auch traditionelle Zielgruppen mit der neuen Profilierungsstrategie nicht mehr erreicht werden können (Freyer 1996: 227). Ferner wird im heutigen Wettbewerb unter den Städten häufig schon von einer „Event- Spirale“ gesprochen. Anspruchsvolle Besucher verlangen demnach immer mehr Großveranstaltungen. Überschneidungen und mangelnde Differenzierungsmöglichkeit im Veranstaltungskalender konkurrierender Destinationen können dabei die Folge sein. Darum weist Opaschowski (2002: 260) auf die Gefahr hin, dass die Reizschwelle immer hoher steigt und die gegenwärtigen Publikumsmagnete bald ihre Attraktivität verlieren könnten, ja dass sogar eine Sättigung des Marktes und ein Ende des Booms von Großveranstaltungen eintreten könnten.
Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel erwähnt, beziehen sich die beschriebenen Effekte vor allem auf die in der wissenschaftlichen Diskussion überwiegenden Groß- veranstaltungen von mehrwöchiger Dauer. Es wird jedoch allgemein angenommen, dass die generellen regionalwirtschaftlichen Wirkungszusammenhänge nur in gerin- gem Maße von der Art der analysierten Veranstaltung abhängen. Vielmehr ist lediglich ein anderes zeitliches Verlaufsmuster zu erwarten (Hamm 302: 304). Allerdings ist auch nachvollziehbar, dass eine singuläre Veranstaltung von kurzer Dauer nicht in der Lage sein wird, all diese Effekte in einer vergleichbaren Höhe auszulösen. Dazu kann man jedoch die Vielzahl von Veranstaltungen dieser Art betrachten. In ihrer Gesamtheit sorgen sie dafür, eine Destination dauerhaft attraktiv zu halten und das ganze Jahr hindurch einerseits für Besuchsanlässe zu sorgen, andererseits die langfristige Frei- zeitqualität für die Einwohner sicherzustellen. Insbesondere im Städtetourismus ist es unverzeihlich, sich auf wenigen, besonders prestigeträchtigen Highlights auszuruhen. Heute erwartet der Besucher, wann auch immer er in die Stadt kommt, ein erlebnisrei- ches, außergewöhnliches Angebot für seine Freizeitgestaltung.
Diesen Anspruch hat man in Hamburg offenbar erkannt und vielversprechend in Angriff genommen: Mit dem aktuellen Leitbild „Metropole Hamburg - Wachsende Stadt“ (FHH 2003: passim) wurde auch die Ausrichtung großer Events offiziell als Ziel der künftigen Stadtentwicklung verankert. Eines der Hauptprojekte - die Bewerbung um die Austra- gung der Olympischen Sommerspiele 2012 - ist unterdessen gescheitert. Stattdessen konzentriert man sich seit dem Frühjahr 2003 auf ein kalenderfüllendes Angebot kürzerer Events und will so zur „Hauptstadt der Großveranstaltungen“ (o. V. 2003a) werden. So warben neben dem Schlagermove im Jahr 2003 unter anderem das Weltjugendtreffen von Taizé, die Veranstaltung zum 100. Geburtstag von Harley Davidson, das Kirschblütenfest, der G- Move, der Christopher Street Day und die Verleihung des Medienpreises „Bambi“ um die Gunst der erlebnishungrigen Besucher.
2.2.4 Möglichkeiten und Grenzen zur Erfassung der Effekte
Oben wurde aufgezeigt, welche Effekte generell von Großveranstaltungen und Events auf die gastgebende Region ausgehen können. Dabei wurde nur am Rande erwähnt, wie sich solche Kosten und Nutzen anhand der Berechnung von Multiplikatoren und Umwegrentabilitäten konkret erfassen lassen. Der folgende Abschnitt schenkt entsprechenden einschlägigen Methoden besondere Aufmerksamkeit, zeigt vor allem aber auch die Grenzen der empirischen Anwendung dieser Methoden und stellt häufig geübte Kritik an solchen Berechnungen vor.
[...]
1 Die genannten Assoziationen entstammen einer nicht repräsentativen Umfrage im Bekanntenkreis des Autors im September 2003.
2 Man denke hier an ein offizielles Rahmenprogramm, die langwierige An- und Abreise oder den an- schließende Kneipenbummel der Fußballfans, wodurch der tatsächliche Veranstaltungszeitraum weit über die eigentliche Spieldauer ausgeweitet wird.
3 Z.B. Gebhardt / Hitzler / Pfadenhauer 2000, Nickel 1998, Freyer / Groß 2002, Dreyer 1996.
4 So zum Beispiel Union Move (München), Generation- Move (Hamburg), Reincarnation (Hannover), Vision Parade (Bremen), Hanfparade (Berlin), Street Parade (Zürich), Up Parade (Toronto) (ebd.).
5 Hierzu sei der von Hitzler / Pfadenhauer (2001) herausgegebene Sammelband empfohlen. Eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der häufig kritisierten Technoszene bietet auch Feige (2000).
6 Vgl. Abbildung 2
- Citar trabajo
- Tim Schmidt-Lange (Autor), 2004, Regionalwirtschaftliche Effekte von Großveranstaltungen. Schlagermove in Hamburg, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22797
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