1. EINLEITUNG:
Aufgrund der wachsenden Bedeutung internationaler Zusammenarbeit wird Regieren innerhalb der Politikwissenschaft seit längerer Zeit als internationales Phänomen behandelt. Ludger Helms weist zu Recht darauf hin, daß die Verschiebung der Perspektive von „hierarchischem Regieren durch Staaten“ auf „horizontales Regieren mit Staaten als gleichen Partnern“ und sogar auf „Regieren ohne Staaten“ die Gefahr in sich birgt, die Stellung von Regierungen auf nationalstaatlicher Ebene zu übersehen bzw. unterschätzen. (Vgl. Helms: 2003: 66) Globalisierung und Internationalisierung haben den Gestaltungsspielraum nationalstaatlicher Regierungen nicht wesentlich eingeengt und in manchen Fällen, durch den Ausbau des Wohlfahrtsstaates und des regulierenden Staates, sogar vergrößert. Letztere haben besonders als „Bezugspunkt und Adressat gesellschaftlicher Forderungen“ an Bedeutung gewonnen. Aus diesem Grund ist die Beschäftigung mit den Bedingungen, Ausprägungen und Folgen des Regierens immer noch von zentraler Bedeutung in der Innenpolitikforschung. Die Vielseitigkeit und Komplexität institutioneller Arrangements in konsolidierten liberal-demokratischen Systemen, machen eine starke Abstraktion erforderlich, um überhaupt eine Klassifizierung und so auch einen Vergleich vornehmen zu können.
In diesem ersten Teil werden einführend einige relevante Vergleichskriterien kurz vorgestellt, um die theoretische Basis für die Beschäftigung mit zwei oft als Modellsysteme bezeichneten Regierungssystemen zu schaffen: dem „präsidentiellen“ System der USA und dem „semi-präsidentiellen“ System Frankreichs. Da eine ausführliche Betrachtung beider Systeme den Rahmen sprengen würde, konzentriert sich die Analyse auf die Akteure Staatsoberhaupt - Regierung - Parlament, ihre Beziehung, Kompetenz- und Aufgabenverteilung, mit Schwerpunkt auf den Präsidenten, und die Organisation und Struktur des Führungsapparats (die „institutionellen Komponenten des ‚Handlungskorridors‘“ (Helms 2003: 69). Der Systemunterschied soll als zentrale Variable erkennbar werden, welche die Funktionsweise scheinbar ähnlicher institutioneller Arrangements in hohem Maße prägt. (Vgl. Helms 2003: 66) Da diese Arbeit im Rahmen einer Betrachtung bestimmter Komponenten des Bundesdeutschen Regierungssystems entsteht, wird das parlamentarische deutsche System als Vergleichsvariable mit berücksichtigt werden. [...]
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. TYPISIERUNG UND TYPISIERUNGSSCHWIERIGKEITEN: Präsidentiell – Semi -Präsidentiell – Parlamentarisch
3. DAS PRÄSIDENTIELLE REGIERUNGSSYSTEM DER U.S.A
3.1. Die Stellung des Präsidenten
3.2. Der Führungsapparat – die formale Struktur der präsidialen Ebene
4. DAS SEMI-PRÄSIDENTIELLE REGIERUNGSSYSTEM FRANKREICHS
4.1. Die Doppelköpfige Exekutive und die Beziehung Präsident – Premierminister – Parlament
4.2. Zwei Grundkonstellationen in der französischen Verfassungspraxis
5. SCHLUSSBEMERKUNGEN
LITERATURVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
Aufgrund der wachsenden Bedeutung internationaler Zusammenarbeit wird Regieren[1] innerhalb der Politikwissenschaft seit längerer Zeit als internationales Phänomen behandelt. Ludger Helms weist zu Recht darauf hin, daß die Verschiebung der Perspektive von „hierarchischem Regieren durch Staaten“ auf „horizontales Regieren mit Staaten als gleichen Partnern“ und sogar auf „Regieren ohne Staaten“ die Gefahr in sich birgt, die Stellung von Regierungen auf nationalstaatlicher Ebene zu übersehen bzw. unterschätzen. (Vgl. Helms: 2003: 66) Globalisierung und Internationalisierung haben den Gestaltungsspielraum nationalstaatlicher Regierungen nicht wesentlich eingeengt und in manchen Fällen, durch den Ausbau des Wohlfahrtsstaates und des regulierenden Staates, sogar vergrößert. Letztere haben besonders als „Bezugspunkt und Adressat gesellschaftlicher Forderungen“[2] an Bedeutung gewonnen. Aus diesem Grund ist die Beschäftigung mit den Bedingungen, Ausprägungen und Folgen des Regierens immer noch von zentraler Bedeutung in der Innenpolitikforschung.
Die Vielseitigkeit und Komplexität institutioneller Arrangements in konsolidierten liberal-demokratischen Systemen, machen eine starke Abstraktion erforderlich, um überhaupt eine Klassifizierung und so auch einen Vergleich vornehmen zu können.
In diesem ersten Teil werden einführend einige relevante Vergleichskriterien kurz vorgestellt, um die theoretische Basis für die Beschäftigung mit zwei oft als Modellsysteme bezeichneten Regierungssystemen zu schaffen: dem „präsidentiellen“ System der USA und dem „semi-präsidentiellen“ System Frankreichs. Da eine ausführliche Betrachtung beider Systeme den Rahmen sprengen würde, konzentriert sich die Analyse auf die Akteure Staatsoberhaupt – Regierung – Parlament, ihre Beziehung, Kompetenz- und Aufgabenverteilung, mit Schwerpunkt auf den Präsidenten, und die Organisation und Struktur des Führungsapparats (die „institutionellen Komponenten des ‚Handlungskorridors‘“ (Helms 2003: 69)). Der Systemunterschied soll als zentrale Variable erkennbar werden, welche die Funktionsweise scheinbar ähnlicher institutioneller Arrangements in hohem Maße prägt. (Vgl. Helms 2003: 66)
Da diese Arbeit im Rahmen einer Betrachtung bestimmter Komponenten des Bundesdeutschen Regierungssystems entsteht, wird das parlamentarische deutsche System als Vergleichsvariable mit berücksichtigt werden.
2. TYPISIERUNG UND TYPISIERUNGSSCHWIERIGKEITEN: Präsidentiell – Semi -Präsidentiell – Parlamentarisch
Angelpunkt der Regierungssystemunterscheidung ist das Verhältnis von Parlament und Regierung, d.h. die unterschiedliche Lösung der Gewaltenteilungsproblematik in Richtung Gewaltentrennung oder Gewaltenverflechtung. Die Differenzierung ist in den unterschiedlichen Typologien unterschiedlich stark.
Winfried Steffanis Typologie von 1979 nimmt das verfassungsmäßige Abberufungsrecht der Regierung als primäres Unterscheidungskriterium. Ein Regierungssystem ist parlamentarisch, wenn die Abberufbarkeit gegeben ist. Demnach gibt es keine „Mischsysteme“, nur unterschiedliche Schwerpunktsetzung (z.B. Parlamentarismus mit Präsidialdominaz in Frankreich oder Parlamentarismus mit Kanzlerdominanz in der BRD). Andere Wissenschaftler (z.B. Duverger 1980, Shugart/Carey 1992) wählen eine Vielzahl von Kriterien, die erst in der Summe die Zuordnung zu einem Grundtypen erlauben, was zu einer Verschiebung in der Typisierung führt. (Vgl. Hartmann 2000: 22)
Die folgende Tabelle (Tabelle 1) erfaßt die Grundkriterien, die in Hartmanns Studie der westlichen Regierungssysteme als bedeutsam für die Systemunterscheidung herausgefiltert wurden. (Vgl. Hartmann 2000: 207) Wie bereits erwähnt, sind die institutionellen Arrangements in konsolidierten liberal-demokratischen Systemen von großer Vielseitigkeit und Komplexität. Es handelt sich zudem auch nicht um statische Konstruktionen. Verschiedene politische Entwicklungen und Personen können bestimmte im System angelegte Tendenzen verstärken oder vermindern. Dies trifft besonders häufig auf „Mischsysteme“ zu, wie der Fall Frankreich zeigt. (Das wird in den folgenden Abschnitten weiter ausgeführt werden.)
Tabelle 1:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im allgemeinen kann gesagt werden, daß parlamentarische Regierungssysteme dadurch charakterisiert sind, daß die Regierung in ihrer Handlungsfähigkeit von der Unterstützung der Mehrheit des Parlaments abhängig ist, die häufig selbst die Regierung stellt.[3] Im Verhältnis von Regierung und Parlament spricht man hier deshalb von Gewaltenverflechtung. (Vgl. Lehner/Widmeier 2002: 115)
Präsidentielle Systeme zeichnen sich dagegen durch eine dualistische Struktur aus, d.h. Parlament und Regierung sind jeweils eigenständig durch die Wähler legitimiert, aber bezüglich ihrer Handlungsfähigkeit voneinander abhängig. Im Gegensatz zur parlamentarischen Form, wo politische Macht in erster Linie über die Parteienkonkurrenz eingeschränkt wird, wird sie hier über eine Institutionenkonkurrenz eingeschränkt. (Vgl. Lehner/Widmeier 2002: 115)
Maurice Duverger hat das Konzept von Steffani durch den Begriff des Semipräsidentialismus erweitert, um auch jene Systeme zu erfassen, die sich durch eine „doppelte Exekutive“ auszeichnen (Staatspräsident/Premierminister). (Vgl. Duverger 1980) Zu den Merkmalen eines semipräsidentiellen Systems zählt er außerdem: die Abberufbarkeit der Regierung und des Premierministers durch das Parlament (vom Parlament abhängige Regierung); die Nicht-Abberufbarkeit des Staatspräsidenten (unabhängige Legitimation); die Direktwahl des Staatspräsidenten; die Übertragung bedeutender politischer Kompetenzen auf den Staatspräsidenten.
Das letzte Konzept ist besonders umstritten, aber durch Frankreich als „Paradebeispiel“ bereits relativ weit verbreitet. Auf die Schwierigkeiten dieser Einordnung soll im folgenden noch genauer eingegangen werden.
3. DAS PRÄSIDENTIELLE REGIERUNGSSYSTEM DER U.S.A.
Das amerikanische Regirungssystem ist das klassische Beispiel für die präsidentielle Regierungsform. Die Organe „Kongress“ und „Präsident“ werden in der Verfassung getrennt behandelt und scheinbar eindeutigen Kompetenzbereichen zugewiesen[4], sind aber besonders in der politischen Realität (aber auch verfassungsrechtlich) „in gegenseitiger Abhängigkeit eng miteinander verbunden und zur Zusammenarbeit gezwungen“[5]. (Shell 1998: 207) Dieses in der Verfassungsordnung bewußt angelegte Konkurrenzverhältnis[6] besteht auch in Zeiten parteipolitischen Gleichklangs und bildet den Kern des amerikanischen politischen Systems, der es vom parlamentarischen europäischen unterscheidet. Insofern ist die Bezeichnung des Systems als Präsidialsystem teilweise irreführend, da der Begriff dazu verleitet, die Rolle des Kongresses zu übersehen bzw. unterzubewerten. (Vgl. Shell 1998: 207) Colmer sieht das amerikanische System, wie auch das bundesdeutsche, von einem im internationalen Vergleich auffallend hohen Maß an „institutionellen Pluralismus“[7] gekennzeichnet. (Vgl. Helms 2003: 67)
[...]
[1] Regieren im Sinne von Herbeiführen und Durchsetzen gesellschaftlich verbindlicher Entscheidungen (Helms 2003: 66)
[2] Helms, S. 67
[3] in den skandinavischen Ländern sind Minderheitsregierungen keine Seltenheit
[4] Das amerikanische Verfassungssystem setzt auf möglichst weitreichende Gewaltenteilung und Machtbeschränkung als wirksamen Schutz vor ungerechtfertigter staatlicher Macht. (Vgl. Lehner/Widmeier 2002: 119)
[5] Richard E. Neustadt spricht von “separated institutions sharing power” (Neustadt 1990)
[6] Shell spricht von einer „antagonistischen Partnerschaft“ (Shell 1998: 207)
[7] in der Vetospieler-Theorie von Tsebelis (1995, 2000) entspricht das einer hohen Zahl von „Vetospielern“ bzw. „Mitregenten“. Als Vetospieler werden hier individuelle und kollektive Akteure bezeichnet, deren Zustimmung nötig ist, um den Status quo zu verändern. Zu den international am stärksten beachteten „Vetospielern“ im amerikanischen System gehören der Kongreß, das Bundesverfassungsgericht und das Federal Reserve Board. (Vgl. Helms 2003: 68)
- Arbeit zitieren
- Gergana Kantcheva (Autor:in), 2004, Kurzvortrag Regierungssysteme im Vergleich: Schwerpunkt U.S.A. und Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22720
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