In dieser Hausarbeit geht es um die Problematik Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht von Seelsorgern aus strafrechtlicher und kirchenrechtlicher Sicht. Dieser Sachverhalt ist gerade für die Laienseelsorge von großer Bedeutung, denn im Vergleich zu Ordinierten macht das deutsche Recht einen entscheidenden Unterschied zwischen der Seelsorge von Laien und Pfarrern, auch wenn nach kirchenrechtlichen Gesichtspunkten der Evangelischen Kirche die Laienseelsorge auf Grund des Priestertums aller Gläubigen begrüßt wird. Doch gerade in diesem Bereich der Laienarbeit kommen immer wieder Fragen zur Rechtslage auf. In dieser Arbeit werden die entscheidenden Gesichtspunkte in der Gegenüberstellung von "weltlichem Recht" und Kirchenrecht aufgezeigt und die für jeden Laienseelsorger zu bedenkenden wichtigen Punkte herausgearbeitet. Dabei spielt für die Praxis der Seelsorge aus strafrechtlichen Gesichtspunkten das Zeugnisverweigerungsrecht und die Anzeigepflicht, aus kirchenrechtlichen Gesichtspunkten dagegen die Schweigepflicht die entscheidende Rolle. Dieser Gewichtung entspricht der Aufbau dieser Arbeit.
Inhalt
1. Einleitung
2. Geschichtliches
3. Der Seelsorger als Zeuge im Prozeß
4. Das Zeugnisverweigerungsrecht aus Sicht der StPO
4.1. Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO
4.2. Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53a StPO
4.3. Zeugnisverweigerungsrecht von „Geistlichen“ und deren „Hilfspersonen“
4.4. Beschlagnahmeverbot als Sonderfall des Zeugnisverweigerungsrechts
4.5. Begründung des Rechts auf Zeugnisverweigerung
4.5.1. Gewissenskonflikt des Seelsorgers
4.5.2. Schutz des Vertrauens zwischen Seelsorger und Klient
5. Die Schweigepflicht nach § 203 StGB
6. Die Anzeigepflicht geplanter Straftaten nach § 138 StGB
7. Die Schweigepflicht aus Sicht des Kirchenrechts
7.1. Beispielhafte Quellentexte
7.2. Seelsorgerliche Schweigepflicht
7.2.1. Schweigepflicht als Inhalt der Ordination
7.2.2. Schweigepflicht von nicht ordinierten Personen
7.2.3. Schweigepflicht aus Sicht des Neuen Testaments
7.3. Bruch der Schweigepflicht
8. Zusammenfassung
9. Anhang (Fallsammlung)
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Hausarbeit geht es um die Problematik Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht von Seelsorgern aus strafrechtlicher und kirchenrechtlicher Sicht. Dieser Sachverhalt ist gerade für die Laienseelsorge von großer Bedeutung, denn im Vergleich zu Ordinierten macht das deutsche Recht einen entscheidenden Unterschied zwischen der Seelsorge von Laien und Pfarrern, auch wenn nach kirchenrechtlichen Gesichtspunkten der Evangelischen Kirche die Laienseelsorge auf Grund des Priestertums aller Gläubigen begrüßt wird. Doch gerade in diesem Bereich der Laienarbeit kommen immer wieder Fragen zur Rechtslage auf. Ich werde mit dieser Arbeit die entscheidenden Gesichtspunkte in der Gegenüberstellung von „weltlichem Recht“ und Kirchenrecht aufzeigen und die für jeden Laienseelsorger zu bedenkenden wichtigen Punkte herausarbeiten. Dabei spielt für die Praxis der Seelsorge aus strafrechtlichen Gesichtspunkten das Zeugnisverweigerungsrecht und die Anzeigepflicht, aus kirchenrechtlichen Gesichtspunkten dagegen die Schweigepflicht die entscheidende Rolle. Dieser Gewichtung entspricht der Aufbau meiner Arbeit.
2. Geschichtliches
In mancher Kapelle und an vielen Brücken steht eine Statue mit Chorrock und Stola bekleidet und eine Palme oder ein Kreuz in den Händen. Es handelt sich dabei um Johannes von Nepomuk. Im Jahr 1393 wurde der beliebte Domherr und Generalvikar von Prag nach schwerer Folterung, der Überlieferung nach sogar unter Beteiligung des Königs Wenzels IV., von der Karlsbrücke in die Moldau gestürzt. Johannes von Nepomuk war als Beichtvater der Königin Johanna in einen Konflikt mit dem König geraten, weil er sich weigerte das Beichtgeheimnis zu brechen. Als Generalvikar hatte er die Kirche zu verwalten und deren Rechte nach außen hin zu vertreten, doch an dieser Stelle war offensichtlich die Abgrenzung von kirchlichem Recht und den Rechten des Königs als weltlicher Machthaber unklar. Johannes von Nepomuk bezahlte deshalb seine Treue zum Kirchenrecht mit dem Leben.
Egal ob Legende oder nicht, Johannes von Nepomuk ist bis heute ein Vorbild für alle Seelsorger, denn die Verschwiegenheit desjenigen, der Seelsorge übt, ist eine Grundvoraussetzung für die Seelsorge selbst. Schon zur Zeit Gregors d. Großen (540-604) läßt sich das Beichtgeheimnis nachweisen,[1] und so wurde bereits im Mittelalter die Zusage des strengen Schweigens des Seelsorgers zu einem Stück innerkirchlicher Rechtsordnung.[2]
Im deutschen Recht sind inzwischen die Grenzen und Übergänge von Kirchenrecht und weltlichem Recht viel klarer abgesteckt als zur Zeit Johannes von Nepomuk. Aus diesem Grund folgt nun eine Erörterung zum Zeugnisverweigerungsrecht aus strafrechtlicher Sichtweise, wenn der Konfliktfall eintritt, daß der Seelsorger als Zeuge über seinen Klienten als Beschuldigten aussagen soll.
3. Der Seelsorger als Zeuge im Prozeß
Im Falle eines Prozesses haben die Staatsanwaltschaft und die Polizei den Sachverhalt zu erforschen, d.h. Ermittlungen[3] bzw. Untersuchungen[4] anzustellen. Als Formen der Ermittlung, die innerhalb dieser Arbeit eine Rolle spielen, sind die Vernehmung von Zeugen und die Besichtigung von Gegenständen, der Lektüre und Analyse von Schriftstücken zur Beweisführung zu nennen. Es besteht für die Ermittlung die Notwendigkeit, Beweismittel zu sammeln, die für die Hauptverhandlung erforderlich sind. Aus diesem Grund können nach § 94 StPO[5] bei Weigerung der Herausgabe Gegenstände beschlagnahmt werden, die für die Beweisführung notwendig sind.[6]
Bei Ehescheidungs- und Erbstreitigkeiten unter den Gliedern einer Gemeinde, aber auch bei Strafprozessen kann eine Ladung des Seelsorgers als Zeuge erfolgen, da bei diesem näheres Wissen vermutet wird. Wie jeder normale Bürger ist dann in diesem Fall auch der kirchliche Amtsträger zum Erscheinen vor Gericht und zum Eintritt in den Zeugenstand verpflichtet. Diese Pflicht führt jedoch scheinbar zu einer Kollision zwischen der Schweigepflicht des Geistlichen als Seelsorger und der Pflicht des Geistlichen zur Aussage als Zeuge. Der Gesetzgeber begegnete dieser Kollision mit § 53 StPO.
4. Das Zeugnisverweigerungsrecht aus Sicht der StPO
4.1. Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO
Laut § 53 StPO sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt: „Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden ist.“ sowie Verteidiger, Rechtsanwälte, Ärzte, Schwangerschaftsberater, Psychotherapeuten, Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit, Abgeordnete und Mitarbeiter von Presse und Rundfunk.[7] Allerdings dürfen diese außer den Geistlichen, den Abgeordneten und den Mitarbeitern von Presse und Rundfunk „das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind.“[8] Folgende Berufsgruppen besitzen kein Zeugnisverweigerungsrecht: Bankangestellte, Gerichtshelfer, Betriebsräte, Bewährungshelfer, private Haftpflichtversicherer, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen.[9]
Zum Schutz einer funktionsfähigen Rechtspflege und um Mißbrauch zu vermeiden, muß der Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt werden. Desweiteren ist das Zeugnisverweigerungsrecht auf die Tatsachen begrenzt, welche ausschließlich bei der Ausübung des Berufes anvertraut oder bekanntgeworden sind. Es muß also ein Zusammenhang zwischen der Erlangung des Wissens und der Berufsausübung vorliegen. Als geheimzuhaltende Tatsachen gelten sowohl anvertraute Tatsachen, die unter Verlangen oder in Erwartung der Geheimhaltung mündlich oder schriftlich vom Beschuldigten mitgeteilt worden sind, als auch bekanntgewordene Tatsachen, welche der Berufsausübende über den Beschuldigten erfahren hat, ohne daß sie ihm anvertraut wurden, und die in einem Zusammenhang mit der beruflichen Begegnung des Zeugen mit dem Beschuldigten stehen. Zweck und Grund der Kenntnisnahme des Berufsausübenden an den Tatsachen spielen keine Rolle, denn das Recht zur Verweigerung der Aussage bezieht sich auch auf zufällig erworbenes Wissen, wenn es eben im Zusammenhang mit dem Vertrauensverhältnis steht. Das Zeugnisverweigerungsrecht dauert desweiteren sowohl nach Berufsaufgabe des Zeugen, als auch nach dem Tod der Person, deren Vertrauen zum Berufsausübenden geschützt werden soll, fort.[10]
4.2. Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53a StPO
Der im vorangegangenen Abschnitt durch Berufsgruppen festgelegte Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten[11] wird im § 53a StPO durch deren Gehilfen und den Personen, die zur Vorbereitung auf den jeweiligen Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen erweitert. Auch sie besitzen mit Zustimmung des jeweiligen „übergeordneten“ Berufsangehörigen das Recht auf Aussageverweigerung.[12] Eine berufsmäßige Tätigkeit oder ein soziales Abhängigkeitsverhältnis wird nicht verlangt, dafür muß jedoch zwischen der Arbeit des Gehilfen und des Hauptberufsträgers ein unmittelbarer Zusammenhang existieren.[13]
4.3. Zeugnisverweigerungsrecht von „Geistlichen“ und deren „Hilfspersonen“
Als „Geistliche“ im Sinne des § 53 StPO sind nur Geistliche der staatlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, wie z.B. Geistliche der Evangelischen Kirche, zu verstehen. Innerhalb ihrer Tätigkeit als Seelsorger können sie sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO sowohl für anvertraute als auch für bekanntgewordene Tatsachen berufen. Grenzen erfährt dieses Recht jedoch bei ausschließlich karitativer, erzieherischer oder verwaltender Tätigkeit.[14] Desweiteren unterliegt eine Kontaktaufnahme eines Verbrechers mit einem Geistlichen zum Zweck des Verbrechenerfolges oder zur Strafvereitelung keinem Vertrauensschutz. Der Beschuldigte muß mit dem Geistlichen in seiner Tätigkeit als Seelsorger in Verbindung gestanden haben. Im Zweifelsfall wird an Hand der Erklärung des Geistlichen entschieden.
Hilfspersonen können sich mit Entscheidung[15] des Geistlichen dann auf § 53a StPO berufen, wenn sie Mitarbeiter in der Seelsorge, nicht jedoch bei anderen nicht damit unmittelbar zusammenhängenden Tätigkeiten, sind.[16]
Es ist also festzuhalten, daß vor Gericht die Aussage, ein seelsorgerliches Gespräch geführt zu haben, nicht als Grund für das Zeugnisverweigerungsrecht ausreicht. Die Seelsorge muß von einem Geistlichen bzw. dessen Gehilfen durchgeführt worden sein. Diese rechtlichen Anforderungen sollten jedem Laienseelsorger bekannt sein.
4.4. Beschlagnahmeverbot als Sonderfall der Zeugnisverweigerung
Nach § 94 StPO können Gegenstände, die für die Untersuchung des Sachverhalts von Bedeutung sein können, bei Nichtherausgabe beschlagnahmt werden. Dies gilt jedoch nach § 95 StPO wiederum nicht bei den Personen, die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind. Im Fall der Seelsorge kann es sich bei diesen Gegenständen beispielsweise um Briefe zwischen Seelsorger und Klienten handeln. Möglicherweise waren aber auch durch Schwerhörigkeit, Sprachschwierigkeiten oder bei Stummen, bzw. Taubstummen schriftliche Aufzeichnungen notwendig. All diese Gegenstände dürfen nicht beschlagnahmt und von Dritten eingesehen werden.
„Das Beschlagnahmeverbot beruht auf dem Gedanken, daß das auf das gesprochene Wort bezügliche Zeugnisverweigerungsrecht unvollkommen wäre, wenn es durch Beschlagnahme der schriftlichen Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den zeugnisverweigerungsberechtigten Personen, die sich in deren Gewahrsam befinden, umgangen werden könnte.“[17]
[...]
[1] Vgl. Hörman, Website.
[2] Vgl. Stein, S. 70
[3] Bezeichnung in der StPO
[4] Bezeichnung bei Gerichten
[5] Strafprozeßordnung
[6] Vgl. Schroeder, S. 60 u. 61
[7] Dies ist eine Auswahl der wichtigsten Berufsgruppen.
[8] Zur Entbindung ist der berechtigt, zu dessen Gunsten die Schweigepflicht gilt. Vgl. Kleinknecht / Meyer - Goßner, S. 176
[9] Wiederum nur eine Auswahl, Vgl. Kleinknecht / Meyer – Goßner, S. 169
[10] Ebd. S. 190
[11] außer Mitarbeiter von Presse und Rundfunk
[12] Eine Zustimmung ist nach § 53a Abs. 1 Satz 2 StGB nicht erforderlich, wenn die Entscheidung durch den Hauptberufsträger in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann (Tod, Erkrankung, längere Abwesenheit).
[13] Vgl. Kleinknecht / Meyer - Goßner, S. 178
[14] Vgl. BGH 37, 138
[15] Vgl. Kleinknecht / Meyer – Goßner, S. 178: Die bindende Entscheidung des Geistlichen als Hauptberufträger muß dabei nicht einheitlich sein, sondern er kann selbst das Zeugnis verweigern, die Hilfsperson aber zur Aussage anweisen, bzw. umgekehrt vorgehen.
[16] Vgl. Anhang, S. 17, Fall „Aussageverweigerungsrecht Berufshelfer seelsorgerische Aufgaben“
[17] Vgl. BVerfGE 32, S. 373 / 384; Vgl. Schäfer, S. 291
- Citar trabajo
- Tobias Mühlberg (Autor), 2001, Die Schweigepflicht des Seelsorgers (das Beichtgeheimnis), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22459
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