In der Standortwahl und Clusterung von Populärmusik-Tonträgerunternehmen herrscht seit einigen Jahren eine enorme Dynamik, die vor allem durch die neue Positionierung Berlins zustande gekommen ist. Hier entstehen ständig neue Unternehmen, andere wandern aus allen Orten Deutschlands in die Hauptstadt ab. Besonders Hamburg und Köln stemmen sich gegen diesen Trend. Was macht München? Und welche Bedeutung hat überhaupt der Standort München für Populärmusik-Tonträgerunternehmen?
Aufgabe und zentrale Fragestellung dieser Arbeit ist es, die Bedeutung des Standortes München für Populärmusik-Tonträgerunternehmen zu beurteilen. Diese Aufgabe wird in drei Schritten gelöst: Quantitative Bestandsaufnahme, Extraktion von für diese Unternehmen allgemein relevanten Standortfaktoren, Bewertung dieser Faktoren für München.
Zunächst wird für die 15 größten deutschen Städte eine Bestandsaufnahme durchgeführt, wobei verschiedene Arten von Tonträgerunternehmen sowie deren Bestandsentwicklung berücksichtigt werden. Im zweiten Schritt der quantitativen Erhebung erfolgt ein spezifischer Vergleich der Tonträgerproduktion in München in Relation zu den Städten Hamburg und Berlin.
Zur qualitativen Beurteilung der quantitativen Ergebnisse wird auf Grundlage von Expertenaussagen ein Standortfaktorenkatalog erarbeitet. Besonderer Wert liegt darauf, Faktoren zu extrahieren, die nicht ubiquitär sind, sondern hinsichtlich derer sich auch und insbesondere die deutschen Großstädte unterscheiden. Des Weiteren wird hierbei nicht nur danach gefragt, welche Faktoren den Standort von bereits existierenden Unternehmen beeinflussen, sondern vor allem auch welche Faktoren eine Struktur begünstigen bzw. erschweren, aus der heraus neue Tonträgerunternehmen entstehen können. Berücksichtigung finden dabei insbesondere die Theorien der industriellen Clusterbildung. Letztendlich werden folgende Faktoren extrahiert: Image, Immobilienmarkt, Musikszene, Infrastruktur (Einrichtungen: Clubs, Plattenläden, Tonstudios), Kommunale Politik/Verwaltung, Medien sowie Netzwerke und Akteure.
Nach der allgemeinen Erläuterung der Wirkungsweise dieser Standortfaktoren und der Veränderung ihrer Bedeutung entlang historischer Entwicklungspfade von Unternehmen, werden diese Faktoren jeweils für die Stadt München bewertet. Die Beurteilung der Faktoren deckt Besonderheiten auf, die München zu einem außergewöhnlichen Standort für Populärmusik-Tonträgerunternehmen machen...
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abstract
1. Einleitung
2. Aufgabenstellung und Aufbau der Arbeit
3. Begriffsdefinitionen
3.1 Populärmusik
3.2 Musikszene
4. Das Tonträgerunternehmen
4.1 Das Tonträgerunternehmen im Prozess der Musikwirtschaft
4.2 Major- und Independent-Unternehmen
5. Methoden
5.1 Literaturrecherche, Quellenlage
5.2 Quantitative Bestandsaufnahme
5.3 Das Expertengespräch
5.4 Probleme bei der Durchführung
6. Quantitative Einordnung der Bedeutung des Standortes München in Relation zu anderen deutschen Standorten
7. Projektion der geographischen Standortlehre auf die Tonträgerindustrie und Entwicklung eines geeigneten Ansatzes
8. Die Bedeutung des Standortes für Tonträgerunternehmen
8.1 Standortfaktoren
8.1.1 Image
8.1.2 Immobilienmarkt
8.1.3 Musikszene
8.1.4 Infrastruktur (Einrichtungen: Clubs, Plattenläden, Studios)
8.1.4.1 Clubs/Live-Bühnen
8.1.4.2 Plattenläden
8.1.4.3 Tonstudios
8.1.5 Kommunale Politik und Verwaltung
8.1.6 Medien
8.1.6.1 TV
8.1.6.2 Radio
8.1.6.3 Print
8.1.7 Netzwerke und Akteure
8.2. Die Veränderung der Bedeutung des Standortes im Kontext der Entwicklung des Unternehmens
9. Bewertung Münchens als Standort für Populärmusik-Tonträgerunternehmen anhand der Standortfaktoren
9.1 Image
9.1.1 Nationale Außenwirkung
9.1.2 Innenwirkung
9.1.3 Internationale Außenwirkung
9.2 Immobilienmarkt
9.3 Infrastruktur (Einrichtungen: Clubs, Plattenläden, Studios)
9.3.1 Clubs
9.2.2 Tonstudios
9.3.3 Plattenläden
9.4 Kommunale Politik und Verwaltung
9.5 Medien
9.5.1 TV
9.5.2 Print
9.5.3 Radio
9.6 Musikszene – Netzwerke - Akteure
9.6.1 Die verschiedenen Szenen
9.6.2 Bewertung des Netzwerkes
10. Entwicklungsperspektiven und Handlungsempfehlungen
10.1 Image
10.2 Immobilienmarkt
10.3 Musikszene/Netzwerke
10.4 Clubs/Live-Bühnen
10.5 Medien
10.6 Politik
11. Anregungen zur weiteren Forschung
Literatur- und Quellenverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wertschöpfungskette eines Tonträgers
Abbildung 2: Gesamt-Anzahl von Tonträgerunternehmen in den 15 größten deutschen Städten
Abbildung 3: Gesamt-Anzahl der Tonträgerunternehmen pro Einwohner in den 15 größten deutschen Städten
Abbildung 4: Anzahl der VUT-Mitglieder in den 15 größten deutschen Städten
Abbildung 5: Anteil der Tonträgerunternehmen in München nach Produktionssparten
Abbildung 6: Anteil der Tonträgerunternehmen in Hamburg nach Produktionssparten
Abbildung 7: Anteil der Tonträgerunternehmen in Berlin nach Produktionssparten
Abbildung 8: Absolute Anzahl von Populärmusik-Tonträgerunternehmen in Berlin, Hamburg und München
Abbildung 9: Anzahl von Populärmusik-Tonträgerunternehmen in Berlin, Hamburg und München pro Einwohner
Abbildung 10: Absolute Veränderungen der Mitgliederzahlen der Phonoverbände von 1994 bis 2003 in den 15 größten deutschen Städten
Abbildung 11: Absolute Veränderungen der beim Musikmarkt-Branchenbuch verzeichneten Unternehmen von 1998 bis 2003
Abbildung 12: Entwicklungsprozess von Tonträgerunternehmen und deren Clusterung
Abbildung 13: Einfluss des lokalen Standortfaktors Image auf Tonträgerunternehmen
Abbildung 14: Einfluss des lokalen Standortfaktors Immobilienmarkt Auf Tonträgerunternehmen
Abbildung 15: Einfluss des Standortfaktors kommunale Politik/Verwaltung auf Tonträgerunternehmen
Abbildung 16: Geographische Entwicklung eines Netzwerkes
Abbildung 17: Verteilung der Plattenläden in München
Abbildung 18: Verteilung der Tonträgerunternehmen In München
Abbildung 19: Formelle Netzwerke in der Münchner Populärmusik-Szene
Abbildung 20: Wichtige informelle Kontakte zweier Populärmusikunternehmen in München
Abbildung 21: Für die Existenz des Unternehmens als wichtig eingestufte Einrichtungen bzw. Personen im lokalen Netzwerk
Abstract
In der Standortwahl und der Clusterung von Populärmusik-Tonträgerunternehmen herrscht seit einigen Jahren eine enorme Dynamik, die vor allem durch die neue Positionierung Berlins zustande gekommen ist. Hier entstehen ständig neue Unternehmen, andere wandern aus allen Orten Deutschlands in die Hauptstadt ab. Besonders Hamburg und Köln stemmen sich gegen diesen Trend. Was macht München? Und welche Bedeutung hat überhaupt der Standort München für Populärmusik-Tonträgerunternehmen?
Aufgabe und zentrale Fragestellung dieser Arbeit war es, die Bedeutung des Standortes München für Populärmusik-Tonträgerunternehmen zu beurteilen. Diese Aufgabe wurde in drei Schritten gelöst: Quantitative Bestandsaufnahme, Extraktion von für diese Unternehmen allgemein relevanten Standortfaktoren, Bewertung dieser Faktoren für München.
Zunächst wurde für die 15 größten deutschen Städte eine Bestandsaufnahme durchgeführt, wobei verschiedene Arten von Tonträgerunternehmen sowie deren Bestandsentwicklung berücksichtigt wurden. Im zweiten Schritt der quantitativen Erhebung erfolgte ein spezifischer Vergleich der Tonträgerproduktion in München in Relation zu den Städten Hamburg und Berlin.
Zur qualitativen Beurteilung der quantitativen Ergebnisse wurde auf Grundlage von Expertenaussagen ein Standortfaktorenkatalog erarbeitet. Besonderer Wert lag darauf, Faktoren zu extrahieren, die nicht ubiquitär sind, sondern hinsichtlich derer sich auch und insbesondere die deutschen Großstädte unterscheiden. Des Weiteren wurde hierbei nicht nur danach gefragt, welche Faktoren den Standort von bereits existierenden Unternehmen beeinflussen, sondern vor allem auch welche Faktoren eine Struktur begünstigen bzw. erschweren, aus der heraus neue Tonträgerunternehmen entstehen können. Berücksichtigung fanden dabei insbesondere die Theorien der industriellen Clusterbildung. Letztendlich wurden folgende Faktoren extrahiert: Image, Immobilienmarkt, Musikszene, Infrastruktur (Einrichtungen: Clubs, Plattenläden, Tonstudios), Kommunale Politik/Verwaltung, Medien sowie Netzwerke und Akteure.
Nach der allgemeinen Erläuterung der Wirkungsweise dieser Standortfaktoren und der Veränderung ihrer Bedeutung entlang historischer Entwicklungspfade von Unternehmen, wurden diese Faktoren jeweils für die Stadt München bewertet. Die Beurteilung der Faktoren deckte Besonderheiten auf, die München zu einem außergewöhnlichen Standort für Populärmusik-Tonträgerunternehmen machen. Außergewöhnlich bedeutet allerdings nicht außergewöhnlich gut oder schlecht. Sowohl quantitativ als auch qualitativ besitzt München eine herausragende Bedeutung als Populärmusik-Standort, die jedoch nicht richtig kommuniziert und oft unterschätzt wird. Des Weiteren schöpfen die Musikszenen in München nicht das Potential aus, das sie eigentlich besitzen. Grund hierfür ist unter anderem eine schlechte Vernetzung der Szenen und Akteure. Eine weitere Besonderheit Münchens ist, dass sich die kommunale Politik und Verwaltung im Vergleich zu anderen deutschen Städten relativ deutlich aus der Populärmusik heraushält. Dies hat auf der einen Seite zur Bildung einer Musikszene geführt, die weder an Subventionen gewöhnt ist noch diese benötigt. Auf der anderen Seite versäumt München die richtigen Schritte, um auch im populärmusikalischen Bereich zumindest bezüglich bestimmter Stilrichtungen als Musikmetropole wahrgenommen zu werden. Hierzu sind natürlich auch die richtigen Medien am Standort notwendig. Zwar wird München gemeinhin als Medienmetropole bezeichnet. Allerdings sind wichtige meinungsbildende Medien der alternativen Populärkultur eher in anderen Städten (z.B. Köln und Berlin) ansässig. Ebenso besitzt München nach der Abwanderung von MTV keinen Musikfernsehsender mehr und darüber hinaus stellt der Bayerische Rundfunk als einzige Landesrundfunkanstalt Deutschlands keine eigene Frequenz für ein „Jugend“radio[1] bereit. Ein weiterer Faktor, der sich sehr hinderlich auf die strukturellen Bedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten einer subkulturellen Musikszene auswirkt, ist der angespannte Immobilienmarkt in der Stadt. Eine Gefahr in München besteht auch darin, dass sich die Stadt durch Großprojekte wie dem geplanten Kunstpark Nord nicht nur aus der Verantwortung zieht, sondern zudem viele kleine Strukturen zerstört.
Nach der Beurteilung der einzelnen Standortfaktoren wurden abschließend zukünftige Entwicklungstendenzen aufgezeigt und Hinweise gegeben wie die Politik bzw. die Szene selbst in diese eingreifen kann. Dabei wurde darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Populärmusik-Wirtschaft in einem enormen Umbruch befindet und gerade jetzt entscheidende Schritte für die Zukunft eingeleitet werden können. Die Ausgangsposition in München ist noch gut. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Stadt zugunsten Berlins erheblich weiter an Potential verlieren wird. Um dies zu verhindern, sollten kommunale Politik und Verwaltung, Medien und Musikszene die strukturellen Wirkungsmechanismen sowie das Zusammenwirken der verschiedenen Standortfaktoren verstehen.
1. Einleitung
„Berlin ist inzwischen kreatives, aber auch wirtschaftliches Epizentrum der deutschen Musikwirtschaft“[2], „Hamburg ist Deutschlands Music-City Nummer Eins“[3], „The Sound of Cologne - ein Begriff in aller Munde. Das letzte Jahrzehnt des vielfältigen Kulturlebens in Köln wird markiert durch den Aufstieg der Stadt zur Musikmetropole“[4]. München gehört zwar gemessen an der Anzahl von globalen Medienunternehmen zu den Weltstädten der Kulturindustrie, sogar noch vor Berlin und weit vor Hamburg und Köln.[5] Sucht man allerdings nach der Verbindung der Stadt München und dem Begriff Musikmetropole oder Musikwirtschaft stößt man zunächst auf ein Meer von Hochkultur: Oper, Philharmonie, Staatsorchester und Symphonieorchester. Es gibt auch eine Homepage mit dem Namen www.musikmetropolemuenchen.de – Hochkultur. In Sachen Populärkultur: Leere. Sucht man ein wenig weiter, in Archiven zum Beispiel, stößt man auf eine Sendung des Bayerischen Rundfunks: „Schläft die Musikstadt München?“[6] Diskussionsteilnehmer sind Lydia Hartl, Kulturreferentin der Landeshauptstadt München, Bernt Gellermann, Intendant der Münchner Philharmoniker, Kurt Meister, Leiter der Hauptabteilung Klangkörper des Bayerischen Rundfunks, Elmar Giglinger, Programmdirektor von MTV Europe, Anton Sergl, Halbberliner und Musikkritiker der Süddeutschen Zeitung, Maxolution, Jazzquartett – die Diskussion spannt sich um Probleme der Hochkultur bzw. Off-Kultur im E-Musik-Bereich. MTV-Programmdirektor Giglinger wird nur insofern in die Diskussion miteinbezogen als dass er gefragt wird, ob man denn nicht Jugendorchester ins MTV-Programm einbinden könne, das sei ja auch was für die jugendliche Zielgruppe des Senders.[7] Am Ende der Sendung sagt Giglinger: „Ich kann mich nur wundern, dass wir hier nur über die Probleme im E-Musik-Bereich gesprochen haben. Denn was wir in München drastisch vermissen, das ist die Subkultur. Und die wurde in München offenbar über Jahrzehnte konsequent vertrieben.“ Mittlerweile ist der Standort München für MTV nur noch Geschichte – ab 2004 sitzt MTV in Berlin.[8] Gemessen an der Reaktion der Stadt und am Medienecho scheint das niemandem besonders zu Denken gegeben zu haben. Stattdessen wird fleißig weiter diskutiert über die Philharmoniker, die Oper, das Einstein-Kulturzentrum und alles andere, was in den E-Musik-Bereich fällt. Grund genug, um sich zu fragen, ob die Stadt München, die sich sonst als sehr moderne Multimedia-Metropole verkauft, keine Populärkultur besitzt. Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt: Es gab in München sehr wohl eine blühende Populärkultur – das war allerdings in den 1970er Jahren. Damals war München international anerkannter Standort der Populärmusik-Szene[9] mit bedeutenden Produzenten, Studios und Tonträgerunternehmen.[10] Was ist daraus geworden? Welche Bedeutung hat die Stadt München im Jahr 2003 im Bereich der Populärmusik[11] ? Aus dieser Frage leitet sich die Frage ab, wie man denn die Bedeutung einer Stadt bezüglich der Musikwirtschaft im Populärmusik-Bereich messen kann. Zunächst überlegte der Autor, die Populärmusik-Szene an sich zu messen. Aber was ist die Musikszene überhaupt? – die Anzahl von Musikern? Es gibt bekanntlich Begriffe wie „Hamburger Schule“, „0711-Posse“ (Stuttgart), „Mannheim-Soul“, „Techno-Berlin“, „Weilheim-Sound“ ... Alles Genre-Begriffe, die Populärmusik mit Stadträumen verbinden. Ein Blick in die aktuelle geographische Forschung zum Thema Popmusik und Raum, führt zu der Erkenntnis:
„Eine „regionale Popmusik“ kann es in Form eines regionalen Stils nicht geben. Allein in der Betrachtung regionaler Konzentrationen der Wertschöpfung im Produktionsprozess von Popmusik im Sinne von Clustern lassen sich [...] räumliche Bezüge aufzeigen.“[12]
Betrachtet man die Wertschöpfungskette der Musikwirtschaft, so stellt man fest, dass im Zentrum der Musikproduktion, an der Schnittstelle zwischen Pre-Produktion bzw. Musik-Content und Distribution das Tonträgerunternehmen steht. Frisch im Hinterkopf waren noch die spektakulären Umzüge der Deutschlandfilialen der zwei weltweit größten Tonträgerunternehmen Universal im Jahr 2002 von Hamburg nach Berlin und Sony 2000 von Frankfurt nach Berlin[13]. Auch das größte deutsche Hip Hop-Label Four Music[14] packte 2002 die Koffer in Stuttgart und wanderte nach Berlin ab.[15] Im November 2003 stand außerdem die Eröffnung der Hauptstadtrepräsentanz von BMG[16] an, dessen deutscher Hauptsitz noch München ist. Und das war nur die Spitze des Eisberges. Im Bereich Tonträgerunternehmen gab es offenbar erhebliche Standortdynamiken, umrahmt von Aussagen der jeweiligen Firmenbosse über die Bedeutung der jeweiligen Städte im Populärmusikbereich. Diese Entwicklungen führen zu dem Entschluss, einen genauen Blick auf die konkreten Zahlen und Standorte der Tonträgerunternehmen zu werfen: Was die Umsatzanteile der weltweiten Tonträgermärkte anbelangt, belegte Deutschland im Jahr 2002 mit 6,0 Prozent Weltmarktanteilen nach den USA (39,0), Japan (16,0), und Großbritannien (9,0) gemeinsam mit Frankreich den vierten Platz. Trotz massiver Umsatzeinbrüche und Absatzrückgänge, verkaufte die Tonträgerindustrie in Deutschland im Jahr 2002 165,7 Millionen Tonträger. Dabei wurden von 32 900 Beschäftigten 2,110 Milliarden Euro umgesetzt. 67,5 Prozent der Umsätze fielen in den Bereich der Populärkultur. 93 Prozent des Umsatzes in Deutschland wurden dabei von Mitgliedern der Phonoverbände erwirtschaftet.[17] Die Mitglieder der Phonoverbände befinden sich vorrangig in Berlin (40), Hamburg (37), München (34) und Köln (26) (Alle Zahlen eigene Erhebung). Diesen Zahlen nach zu urteilen, ist München also immer noch interessant für Tonträgerunternehmen. Aus diesen Zahlen geht allerdings weder die Qualität dieser Unternehmen hervor noch kann man daraus eine Bedeutung des Standortes für diese Unternehmen ableiten. Des Weiteren spiegeln diese Zahlen nur einen statischen Ausschnitt eines momentanen Zustandes. Über mögliche Entwicklungsdynamiken können keine Aussagen gemacht werden. Und drittens – um zum Ausgangspunkt zurück zu kommen – aus den Zahlen wird auch nicht klar, inwiefern nun aus der Anwesenheit von Tonträgerunternehmen in einer Stadt Aussagen bezüglich der Bedeutung dieser Stadt als Standort einer Populärmusikszene abgeleitet werden können, inwiefern also der Standort eines Tonträgerunternehmens der Populärmusik ein Indikator für die Popkultur eines Standortes sein kann.
2. Aufgabenstellung und Aufbau der Arbeit
Die Aufgabe dieser Arbeit besteht darin, zwei Fragen zu beantworten:
1. Welche Bedeutung hat der Standort München für Tonträgerunternehmen aus dem Bereich Populärmusik?
2. Welche Entwicklungsdynamiken sind hinsichtlich der Standortwahl dieser Tonträgerunternehmen zu erwarten und welche Handlungsempfehlungen zum Eingriff in solche Entwicklungsdynamiken können abgeleitet werden?
Die Beantwortung dieser Fragen soll in vier Schritten geschehen:
1. Quantitative Erfassung der Tonträgerunternehmen in München und Vergleich mit den 15 größten deutschen Städten:
Hierbei reicht es nicht, lediglich die Mitglieder der Phonoverbände zu betrachten, auch wenn diese 93 Prozent des Umsatzes in Deutschland erwirtschaften. Wichtig ist auch die Erfassung kleiner Musiklabels, da diese näher an der Szene arbeiten, schneller auf neue Trends reagieren und den großen Labels als Impulsgeber und Nährboden dienen.
2. Erfassung wichtiger Standortfaktoren für Tonträgerunternehmen unter Berücksichtigung temporärer Prozesse und Veränderungen:
In der geographischen Standortforschung wurde ein umfangreicher Katalog an Standortfaktoren entwickelt. Zudem gibt es Forschungen im Bereich der Musikwirtschaft, wo für Deutschland allgemein die Bedeutung bestimmter Standortfaktoren für die Musikwirtschaft bewertet werden[18]. Auf Basis der vorliegenden Forschung sollen mithilfe von Expertengesprächen Standortfaktoren ermittelt werden, die wirklich zum einen eine Bedeutung als Standort faktor in Deutschland haben, die also nicht ubiquitär in allen deutschen Städten gleichermaßen vorhanden sind und die zum anderen auch tatsächlich die Clusterung von Tonträgerunternehmen im Raum beeinflussen.
3. Beurteilung dieser Standortfaktoren für München:
Nach Aufstellung der für die Bedeutung eines Standortes wichtigsten Faktoren, sollen diese für die Stadt München bewertet werden. Diese Bewertung kann nicht absolut geschehen, sondern muss in Relation zu anderen Städten betrachtet werden. Da vor allem Berlin seit einigen Jahren versucht, sich im Bereich der Musikwirtschaft zu positionieren und es geschafft hat, auch wichtige Tonträgerunternehmen nach Berlin zu holen, soll der Einfluss Berlins auf den Standort München besonders berücksichtigt werden.
4. Ableitung von Endwicklungstendenzen und Handlungsempfehlungen
Nach der Bewertung der einzelnen Standortfaktoren für München, soll auf mögliche Entwicklungsdynamiken der Tonträgerunternehmen in München geschlossen werden und entsprechende Handlungsempfehlungen gegeben werden.
Am Anfang der Arbeit findet sich ein kleines Kapitel zur Einordnung von Tonträgerunternehmen in den Wertschöpfungsprozess der Musikwirtschaft. Hierbei sollen vor allem zwei sehr unterschiedliche Unternehmenstypen – Independent-Label und Majors – voneinander unterschieden werden, wobei die fünf Majorunternehmen und deren Struktur kurz vorgestellt werden sollen. Im Anschluss wird ein kurzer Überblick gegeben, inwiefern sich die geographische Forschung bisher mit Musik befasst hat und inwiefern die geographische Standortlehre auf die Musikwirtschaft projiziert werden kann. Auf dieser Basis sollen dann später in der Empirie gesondert Standortfaktoren für Tonträgerunternehmen entwickelt werden. Im Methodenteil soll neben der Erläuterung der wissenschaftlichen Durchführung und ihrer Begründung auch auf die Quellenlage sowie auf methodische Probleme hingewiesen werden.
3. Begriffsdefinitionen
3.1 Populärmusik
In dieser Arbeit[19] soll zur Themenabgrenzung der Begriff Populärmusik verwandt werden und nicht der artverwandte Begriff Popmusik, da Popmusik oft auch als enge Genrebezeichnung verstanden wird. Zur inhaltlichen Fassung des Begriffs Populärmusik gibt es zahlreiche Definitionen.[20] Ullmaier beispielsweise versteht darunter alle Musikstile, die sich „aus dem ursprünglichen Pop, dessen Wiege als Jugendkultur irgendwo in den frühen 50er Jahren stand, genetisch herleiten“ lassen.[21] Diese Begriffsdefinition scheint gemessen an der Intention dieser Arbeit sinnvoll, da herausgefunden werden soll, welche Bedeutung München im abseits der Hochkultur und der so genannten E-Musik hat. Die Musikstile jenseits der Hochkultur sind immer noch so vielseitig – Schlager, Volksmusik, Kindermusik, Gesundheitsmusik, Rock, Techno etc. – dass sie sich auch hinsichtlich ihrer Standortanforderungen und Standortfaktoren unterscheiden.[22] Insofern muss der Begriff so eingeengt werden, dass letztendlich nur Musikstile miteinander verglichen werden, die hinsichtlich eines geographischen Ansatzes in Form von Standortfaktoren auch miteinander verglichen werden können. Nach der Definition von Ullmaier werden in dieser Arbeit zunächst alle Musikstile verstanden, die sich dem Bereich der Pop- und Rockmusik zuordnen lassen. Das heißt Stile wie Schlager, Big Band und Volksmusik werden nicht berücksichtigt. Allerdings werden den Stilen Pop- und Rockmusik noch alle elektronischen Stilrichtungen der letzten Jahrzehnte – beispielsweise Techno - hinzugefügt, da diese bezüglich der Standortfaktoren ähnliche Strukturen aufweisen. Eine schwierige Schnittstelle hinsichtlich der Auswahl der Unternehmen bildet der Jazz-Bereich, da es hier fließende Grenzen zum Populärmusikalischen Bereich gibt. Hier wird pragmatisch vorgegangen: Alle Unternehmen, die Club-Jazz produzieren, werden in die Untersuchung miteinbezogen, alle Unternehmen, die Jazz in Verbindung mit Klassik produzieren, ausgenommen. Auch die Repertoire-Einteilung der Major wird in der Regel nach diesen Gesichtspunkten aufgeteilt. So umfasst die Repertoire-Division von BMG Classics auch Jazz-Musik von Duke Ellington bis Woody Allen.
3.2 Musikszene
Im deutschen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Musikszene den „kulturellen Bereich, in dem sich das Musikleben abspielt“[23]. Diese Definition hat für diese Arbeit praktisch keinen Aussagewert. Weitere Recherchen zeigten: Der Begriff wird zwar in der Literatur sowie im Journalismus häufig verwendet, dabei aber nie wirklich definiert. Für diese Arbeit definiere ich deshalb aus pragmatischen Gründen den Begriff individuell und zwar wie folgt:
Der Begriff Musikszene bezeichnet eine Gruppe von Akteuren, die sich professionell mit Musik beschäftigen wie Künstler oder Tonträgerunternehmer oder sich als Konsumenten in Form von Hobby bzw. Fan-Sein intensiv und aktiv mit Musik auseinandersetzen.[24] Journalisten seien aus dieser Gruppe von Akteuren ausgeschlossen, da die Medien und ihre Akteure in dieser Arbeit gesondert betrachtet werden.
4. Das Tonträgerunternehmen
4.1 Das Tonträgerunternehmen im Prozess der Musikwirtschaft
Ein klassisches Tonträgerunternehmen ist das Medium zwischen Künstler und Markt. Wie ein Buchverlag nimmt es Künstler bzw. deren Produkte unter Vertrag und veröffentlicht diese. Grundsätzlich muss dabei zwischen Künstler- und Bandübernahme-Vertrag unterschieden werden. Beim Künstlervertrag gehört der Künstler zum Unternehmen, man schickt ihn in ein Tonstudio und produziert mit ihm die jeweiligen Aufnahmen. Das Tonträgerunternehmen besitzt die Rechte an den Aufnahmen. Die Aufnahmen werden dann auf ein „Masterband“ überspielt und zur Vervielfältigung an ein Presswerk weitergegeben. Beim Bandübernahmevertrag produziert der Künstler selbständig und übergibt die fertige Aufnahme dem Tonträgerunternehmen, das diese dann an ein Presswerk weitergibt. Veröffentlicht werden die Aufnahmen auf den so genannten Labels des Tonträgerunternehmens. Je größer das Unternehmen ist, desto mehr Labels besitzt es in der Regel. Die verschiedenen Labels stehen dabei meist für verschiedene Repertoires oder Genres. Bevor die Tonträger in den Handel kommen, benötigen sie noch ein ansprechendes Cover bzw. Booklet, das von Grafikagenturen entworfen und von Druckereien gedruckt wird. Nachdem die Tonträger im Presswerk vervielfältigt worden sind und das Cover ebenfalls bereit steht, müssen sie an den Einzelhandel vertrieben werden, wo sie dann an die Kunden abverkauft werden. Da die Entwicklung immer mehr weg vom Tonträger (herkömmliche CD) hin zum Multimedialen Datenträger (DVD) geht, haben sich neue Zwischenschritte im Wertschöpfungsprozess ergeben, die von Kommunikationsdesignern, Video-Clip-Produzenten, Computerart-Agenturen etc. übernommen werden. Der Erfolg eines Tonträgerunternehmens besteht allerdings immer noch darin, Künstler bzw. Werke zu veröffentlichen, die eine entsprechende Käuferschaft finden. Die großen Firmen arbeiteten dabei bisher nach dem Prinzip 20/80, das heißt 80 Prozent dürfen floppen, 20 Prozent müssen allerdings so viel Geld einspielen, dass damit der gesamte Gewinn erwirtschaftet wird[25]. Der Traum wohl der meisten Unternehmensinhaber ist es, ein „Jahrhundertwerk“ zu veröffentlichen, das Musikgeschichte schreibt. Viele Firmen haben es dabei schon zusammen mit dem Künstler zu Weltruhm gebracht. Die Schlüsselfunktion im Unternehmen nimmt hierbei der A&R[26] -Manager ein. Er ist dafür verantwortlich, welche Bands in das Repertoire der Firma übernommen werden. Im klassischen Fall begibt sich der A&R hierzu in die „Szene“ und versucht die großen Künstler der Zukunft zu entdecken. Natürlich muss der Künstler, hat man ihn unter Vertrag, mit einem mehr oder weniger großen Promotion- und Marketingaufwand bekannt gemacht werden, dafür gibt es die Promotion-Abteilung. Hierfür sind die Medien wichtig – vor allem Fachmagazine, Tagespresse, Radiostationen und Fernsehen. Werbung kann dabei direkt durch Anzeigen- oder Werbeschaltung funktionieren oder indirekt durch Rezensionen, Ausstrahlung von Musikstücken bzw. Videoclips. Eine weitere wichtige Maßnahme, um die Künstler in den Medien stattfinden zu lassen, ist es, sie auf „Tour“ zu schicken, also zu Live-Konzerten. Hierzu benötigt man Veranstaltungsorte. Um diese zu buchen, benötigt man in der Regel wiederum eine Booking-Agentur. Eine dritte Werbemaßnahme sind Plakatierungen, die man sowohl zur Tonträgerveröffentlichung als auch zur Tour starten kann.
Eine weitere wichtige Komponente der Musikwirtschaft sind die Musikverlage, die sich grundlegend von den Tonträgerunternehmen unterscheiden. Während die Tonträgerunternehmen die Rechte auf die Aufnahmen des Künstlers besitzen, haben die Musikverlage die Rechte am geistigen Eigentum des Künstlers. Das heißt, wenn jemand einen Song eines bestimmten Interpreten covern möchte, muss er sich an den Musikverlag wenden und eine entsprechende Summe dafür bezahlen. Das Geld bekommt zum einen dann der Interpret für das Copyright und zum anderen der Musikverlag als Vermittler. Den Urheberrechtsschutz für das Spielen von Songs im Rundfunk oder in Clubs übernehmen die Verwertungsgesellschaften GEMA[27] oder GVL[28], die wiederum einen bestimmten Prozentsatz der ausgeschütteten Tantiemen an den Musikverlag zahlen.
Welche der aufgeführten Arbeitsschritte ausgelagert oder in das Unternehmen integriert sind, hängt vom Unternehmen ab. Früher machte ein Tonträgerunternehmen alles selbst, mit der Zeit wurden zunehmend Produktionsschritte ausgelagert. So ist mittlerweile ein Künstlervertrag eher die Seltenheit, meistens wird ein Bandübernahmevertrag gemacht, der über freie Produzenten läuft. (Siehe Abbildung 1)
Abbildung 1: Wertschöpfungskette eines Tonträgers
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigener Entwurf in Anlehnung an Gnad[29]
4.2 Major- und Independent-Unternehmen
Um die Organisationsstrukturen und somit auch Firmengründungen und Standortentscheidungen richtig einschätzen zu können, ist es wichtig, einen kurzen Überblick über die Struktur der Tonträgerunternehmen zu geben.[30] Da diese einer enormen Dynamik und ständigen Veränderung unterworfen ist sowie durch sehr komplexe Firmen- und Organisationsstrukturen gekennzeichnet ist, sei angemerkt, dass folgende Beschreibung der Übersicht und Verständlichkeit wegen bewusst einfach gehalten ist. Mit der Komplexität gehen natürlich viele Zusammenhänge verloren.
Momentan wird der Welttonträgermarkt von fünf so genannten Major-Firmen beherrscht, die sich 75 Prozent des Marktes teilen. Im Folgenden soll in tabellarischer Form jeweils ein kurzer Überblick über diese Unternehmen gegeben werden.[31]
Unternehmen 1: Universal
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[32] [33] [34]
Unternehmen 2: Sony
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unternehmen 3: EMI
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unternehmen 4: Warner
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unternehmen 5: BMG
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Rest des Weltmarktes – 25 Prozent – wird von tausenden so genannter Independent-Companies kontrolliert.
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick gegeben werden, was unter Independent-Companies (auch als Indies bezeichnet) zu verstehen ist, worin sie sich in der Hauptsache von den Majors unterscheiden und wie diese beiden verschiedenen Strukturen am Weltmarkt bzw. deutschen Markt funktionieren. Diese Darstellung ist wichtig zum späteren Verstehen von Standortprozessen und grundsätzlichen Unterschieden in der Bedeutung des Standortes für verschiedene Unternehmenstypen:
Eine der wichtigsten strukturellen Entwicklungen in der Tonträgerwirtschaft ist die Herausbildung so genannter Independent-Label in den 1970er Jahren. Hintergrund war, dass US-amerikanische und englische Konzerne den Weltmarkt beherrschten und mit ihren nationalen Produkten versorgten, wobei die Produktion regionaler Künstler in den anderen Ländern ins Stocken geriet. Deshalb haben deutsche Künstler angefangen, ihre eigenen Labels zu gründen, um ihre eigene Musik vermarkten zu können. Darüber hinaus haben die Indies begonnen, auch andere regionale Künstler aufzubauen und zu vermarkten. Noch immer, ist es so, dass die deutschen Filialen der vier ausländischen Major Universal, EMI, Warner und Sony eher Produkte ihrer ausländischen Mutterfirmen für den deutschen Markt lizenzieren, also ausländische Künstler importieren, als dass sie nationale Produkte aufbauen und an ihre ausländischen Partner lizenzieren, also exportieren. Auch die Bertelsmann Music Group (BMG) Germany haben mehr ausländische Produktionen im Katalog als nationale. Insgesamt zeigt sich beim Kataloganteil nationaler Produktionen ein erheblicher Unterschied zwischen Majors (26 %) und Indies (78 %).[36]
Doch auch die Independent-Unternehmen wollen und müssen ihre Produkte weltweit vermarkten. Das war von Beginn an Teil der Unternehmensphilosophie:
„Es war ganz wichtig, dass unsere Leute auch international Erfolg haben, damit die deutschen Medien mal auf sie aufmerksam werden. Der Profit im eigenen Land zählt erstmal nichts.“[37]
Da die Vertriebe jedoch alle in der Hand der großen Unternehmen waren, mussten die Independents ihre Produkte selbst an den Einzelhandel vermarkten. Das haben die Labelinhaber am Anfang noch persönlich gemacht. Mit der zunehmenden Größe von Independent-Labeln haben sich aus diesen eigene Vertriebe abgespalten, die auch für andere Label den Vertrieb übernommen haben. In Deutschland waren das unter anderem EFA[38] und später auch Indigo (beide Hamburg). Independents mussten, um die gewünschte Aufmerksamkeit und auch um existenzsichernde Einnahmen zu erzielen auf den internationalen Markt.
Dadurch hat sich unter den internationalen Majorstrukturen ein Netzwerk von Independent-Strukturen gebildet, mit unabhängigen Labeln und Vertrieben. Am Anfang haben die Majors versucht, diese Strukturen zu zerstören.[39] Als das nicht funktioniert hat, sind sie mehr und mehr dazu übergegangen, den Indies die Künstler wegzukaufen bzw. gleich das gesamte Label aufzukaufen.[40] Das hat zunehmend dazu geführt, auch deshalb weil die Majorfirmen zunehmend größer und unbeweglicher geworden sind, die Arbeit an der „Szene“ den Indies zu überlassen und die Künstler erst zu übernehmen, wenn diese von den Indies aufgebaut worden sind.[41] Im Prinzip hat sich dadurch mittlerweile ein symbiotischer Zustand herausgebildet, in dem Majors und Indies zusammen arbeiten. Waren früher Major und Independent Label einander ‚feindlich’ gesinnte Unternehmen, die gegeneinander arbeiteten, ist es heute vielmehr so, dass sich Independent-Label und Major-Firmen des Markt aufteilen und sich somit gegenseitig ergänzen. Die Indie-Unternehmen leisten hierbei die Aufbauarbeit von neuen Künstler, sie sind näher an der so genannten Szene, sind sensibler für neue Strömungen bzw. kreieren diese mit und sorgen dafür, dass neue Trends entstehen können.
„Die Major beobachten genau, was die Kleinen machen, weil die natürlich viel mehr darauf angewiesen sind, Impulse zu bekommen, weil die nicht so aufnehmen können wie wir, weil sie einfach zu schwerfällig, zu groß und auch ganz anders orientiert sind.“[42]
Beispiel: Die Germeringer Band Sportfreunde Stiller wurde entdeckt durch Marc Liebscher, DJ im Atomic Cafe und Inhaber des Münchner Labels Blickpunkt Pop. Mit diesem Label begleitete er die Band bis zu ihrem Durchbruch, durch den sie dann einen Major-Plattenvertrag bei Motor Music in Hamburg bekommen hat, das wiederum zu Universal gehört, die mittlerweile in Berlin sind. Auf dem CD-Cover ist deshalb neben Universal/Motor auch noch das Logo von Blickpunkt Pop zu sehen, wodurch die Kooperation zwischen Indie und Major sinnbildlich wird.
Aber auch auf Vertriebsebene besteht mittlerweile eine Zusammenarbeit: Eine Gemeinsamkeit von Indies und Majors ist es, dass beide ihre Produkte möglichst international vermarkten wollen. Universal, EMI, Sony, Warner und BMG sind im Besitz nationaler Absatzsysteme, über die sie innerhalb der EU operieren und ihre eigenen Tonträger sowie jene von dritter Seite an Kleinhändler, Großhändler und kleinere Vertriebspartner vertreiben. Mehrere der führenden Unternehmen besitzen und verwenden auch eigene Produktionseinrichtungen für CDs, Kassetten und Vinylplatten.
Die Musikunternehmen versorgen den nationalen Markt und vertreiben die Aufnahmen auch im Ausland. Normalerweise geschieht dies, indem einer lokalen Firma die Lizenz erteilt wird, die Tonträger in einem bestimmten Land zu vertreiben. Im Falle der Marktführer geschieht dies meist durch die lokalen Tochterfirmen. Die unabhängigen Firmen sind hier oft auf andere Unternehmen angewiesen, wie zum Beispiel auf die ausländischen Tochterfirmen der Marktführer. Die durch die Lizenzen erzielten Einnahmen sind für diese Musikfirmen lebenswichtig.
So hat das Indie-Label Kosmo einen Vertriebsdeal mit Sony Music in Berlin, was bedeutet, dass die CDs von Kosmo produziert werden und durch den Sony-Vertrieb in die Läden wandern. Das kann auch umgekehrt funktionieren wie im Fall von Virgin und Hausmusik. In diesem Fall hatte der Virgin-Vertrieb Probleme mit dem Vinyl-Vertrieb eines Münchner Künstlers. Die Major-Label – im Gegensatz zu vielen Indie-Labeln - sind ganz generell nicht mehr auf Vinyl spezialisiert und haben auch nicht mehr die enge Bindung an kleine Plattenläden. Insofern hat in diesem Fall das Münchner Label Hausmusik, das auch einen Vertrieb besitzt, der auf Vinyl spezialisiert ist, den Vertrieb dieser Schallplatten übernommen.
Wie sich anhand der Aufkäufe, Fusionen und Zusammenarbeit zeigt, ist die Einteilung in Major- und Independent-Unternehmen nicht ganz einfach. Deshalb seien hier kurz die fünf wichtigsten Unternehmenstypen mit Beispiel eines für die jeweilige Kategorie repräsentativen Münchner Unternehmens dargestellt:
Major: BMG
Ehemaliger Major, jetzt Tochterfirma eines anderen Majors: Virgin Germany
Unternehmen mit so genanntem Labeldeal bei Major: Jupiter Records
Unternehmen mit Vertriebsdeal bei Major: Kosmo
Independent mit Vertriebsdeal bei Independent-Vertrieb: Schneeball, Trikont
Independent mit eigenem Vertrieb, auch für andere Indies: Hausmusik
Independent mit eigenem Vertrieb für eigene Produkte: Compost
Sobald also ein Unternehmen nicht an ein Major-Unternehmen – in welcher Form auch immer – gebunden ist, wird es als reiner Independent bezeichnet. Speziell bei diesen Unternehmen gibt es bei aller Symbiose Skepsis gegenüber den Major-Unternehmen und deren Arbeitsweise, was oftmals auch auf einem ideologischen Hintergrund basiert:
„Natürlich kann man in der linken Geschichte ansetzen und sagen: Ok, wie ihr eure Kohle verdient und wie ihr eure Talente verschluckt und verheizt ist scheiße [...] Vielmehr ist es dann ärgerlich, wenn ich sehe, gerade bei BMG, wie sie ihren Popstar-Scheißdreck machen, wo du sagen kannst, die Musik ist letztlich egal, die da rauskommt, das ist einfach eine Art mit Menschen, Gefühlen und Talenten umzugehen und die zu kleinen abhängigen Deppen zu machen, das ist einfach unangenehm und damit wollen wir auch nichts zu tun haben...“[43]
5. Methoden
5.1 Literaturrecherche, Quellenlage
Schon die Literaturrecherche machte deutlich, dass die Stadt München sowie deren Forschungseinrichtungen dem Bereich Populärmusik in einer stadt-, sozial- bzw. wirtschaftsgeographischen Perspektive praktisch keine Beachtung schenken. Während andere deutsche Städte über umfangreiche Studien zu diesem Thema verfügen[44] findet sich in München lediglich ein einziger kleiner Beitrag von Marco Pütz[45]. Auch die vom Referat für Arbeit und Wirtschaft alle vier Jahre neu herausgegebene Studie zum Medienstandort München ignoriert die Musikwirtschaft praktisch vollständig.[46]
Die erste wissenschaftliche Untersuchung in Deutschland, die sich mit dem Zusammenhang von Musikwirtschaft und Standort beschäftigt, ist eine Studie des Ifo-Instituts München von 1991. Sie wurde im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen veröffentlicht. Die Studie verfolgte zwei Ziele: „Sie soll Entwicklungsperspektiven der Musikwirtschaft in den neunziger Jahren aufzeigen und gleichzeitig über die gegenwärtigen und zukünftigen Standortanforderungen der Unternehmen der Musikwirtschaft Auskunft geben.“[47] Diese Untersuchung bezieht alle Unternehmensbereiche der Musikwirtschaft mit ein: Veranstaltungen, Audiomedien und Musikverlage, Herstellung von Musikinstrumenten, Unterhaltungselektronik sowie Handel und Vertrieb von Musikalien. Die Standortanforderungen werden mithilfe einer standardisierten schriftlichen Befragung erhoben. Dabei werden sie nur allgemein erhoben und ausgewertet. Das heißt, durch die Untersuchung können keine konkreten Erkenntnisse über bestimmte Regionen gewonnen werden. Auch im Übrigen bleibt die Studie allgemein. Es finden sich keine Ergebnisse zu Ballungszentren oder besonders günstigen bzw. ungünstigen Standorten für Unternehmen der Musikwirtschaft.
Seit einigen Jahren besitzt die Humboldt-Universität in Berlin ein Forschungszentrum Populäre Musik, das sowohl eine eigene Schriftenreihe, das Popscriptum, veröffentlicht als auch weitere Artikel zu einzelnen Themenkomplexen im Internet[48] zur Verfügung stellt. Generell gibt es zum Thema Populärmusik extrem viel Literatur, jedoch nur wenig in einem wissenschaftlich geographischen Kontext.[49]
Wesentlich weiter als die geographische Forschung zur Populärmusik in Deutschland ist die Forschung in England zu diesem Thema fortgeschritten. Dies geht auch damit einher, dass in England schon seit Jahrzehnten die Populärkultur in der Stadtplanung und Stadtpolitik eine große Rolle spielt.[50]
Hilfreich für die Beurteilung des Standorts München als Standort für Tonträgerunternehmen war die Recherche von Zeitungen, Magazinen und Online-Datenbanken. Hiermit konnten auch historische Verläufe nachvollzogen und Expertenaussagen relativiert werden.
5.2 Quantitative Bestandsaufnahme
Die quantitative Bestandsaufnahme basiert auf fünf verschiedenen Quellen:
- Mitglieder der beiden deutschen Phonoverbände[51]
- Mitglieder des VUT[52]
- Datenbank des Entertainment Media Verlags[53]
- Datenbank des Musikmarkt Branchenbuch[54]
- Datenbank des Musikinformationszentrums des Deutschen Musikrats[55]
Um eine möglichst gute Vergleichbarkeit zu erzielen, wurden alle Online-Datenbanken am 22.9.2003 ausgedruckt. Diese Datenquellen haben zum Teil sehr wenige Überschneidungen. In den Phonoverbänden sind die Major-Label, deren Partner sowie große Independent-Label wie EFA organisiert, während im VUT ausschließlich Independent-Label Mitglied sind. Die Datenbank des Entertainment Media Verlags ist sehr umfassend und über ein Mitglied-Login kann man auch viele Informationen wie Geschichte, Mitarbeiterzahl und produzierte Musikstile der Tonträgerunternehmen abfragen. Insgesamt sind ca. 950[56] Tonträgerunternehmen und ca. 330 Label in der Datenbank verzeichnet, deren Inhalte sich jedoch teilweise überschneiden. Am Erhebungstag (22.9.2003) wurden insgesamt in beiden Kategorien 1113 verschiedene Firmen gezählt. Die Datenbank-CD-ROM des Musikmarkt Branchenbuchs 2003 umfasst 1484 Tonträgerunternehmen, wobei sich insgesamt nur rund die Hälfte der verzeichneten Firmen mit den in den anderen Datenbanken verzeichneten Firmen decken. Die Datenbank des Musikinformationszentrums enthält 1100 verschiedene Tonträgerunternehmen. Zusammengenommen beinhalten die aufgeführten Datenquellen rund 2600 verschiedene Tonträgerunternehmen.
Der Standort dieser Tonträgerunternehmen wurde jeweils pro Datenquelle für die 15 größten deutschen Städte ermittelt, in denen je nach Datenquelle rund 45 bis 55 Prozent aller Tonträgerunternehmen ansässig sind.[57] Bei den Städten wurden die administrativen Stadtgrenzen als Abgrenzung genommen.[58] Um die unterschiedliche Einwohnergröße zu berücksichtigen, wurde zusätzlich der Quotient Tonträger pro Kopf gebildet. Über diesen Quotienten können Aussagen zur Clusterausprägung getroffen werden.
In den aus den genannten Quellen gewonnenen Grafiken wird nicht hinsichtlich des produzierten Musikstils unterschieden. Um die Münchner Situation bezüglich der Fragestellung dieser Arbeit genauer zu relativieren, wurden die Tonträgerunternehmen der drei größten Städte hinsichtlich ihrer Produktionssparten unterschieden. Das bedeutet, dass die Homepages aller in diesen Städten ansässigen Unternehmen (697[59] ) daraufhin untersucht wurden, in welchen Segmenten diese arbeiten. Dabei mussten viele Unternehmen unter „Sonstiges“ gruppiert werden. Denn einige der in den Datenquellen als Tonträgerunternehmen bezeichneten Firmen sind lediglich Firmen, die als Medienunternehmen auch die Produktion von Tonträgern zum Beispiel in Form von Werbeträgern im Programm haben bzw. die CDs zum Selbstkostenpreis der „Künstler“ anfertigen. Unter „Sonstiges“ fielen des weiteren Unternehmen aus den Segmenten Filmmusik, Hörbuch, Reissues[60] und sehr kleinen Musiksparten, die nicht dem Bereich Populärmusik zuzuordnen sind.
5.3 Das Expertengespräch
Sinn der Expertengespräche war, die Ergebnisse der quantitativen Bestandsaufnahme zu verstehen. Da für München noch keine Untersuchungen im Bereich der Musikwirtschaft gemacht wurden, ging es in dieser Arbeit nicht darum, Thesen zu verifizieren. Es lagen keine Thesen vor. Der Forschungsansatz dieser Arbeit ist deshalb explorativ. Für andere deutsche Städte gibt es zwar Forschungen zur Musikwirtschaft und zur Musikszene, nicht aber für Tonträgerunternehmen. Was jedoch in den vorliegenden Studien deutlich wird, ist die Schwäche rein quantitativer Untersuchungen wie sie das Ifo-Institut durchgeführt hat. Denn obwohl das Ziel war, über die „gegenwärtigen und zukünftigen Standortanforderungen der Unternehmen der Musikwirtschaft Auskunft [zu] geben“, bleibt die Bedeutung des Standortes völlig im Unklaren. Es finden sich weder Erklärungen, aus welchen Strukturen und Motiven heraus Betriebe der Musikwirtschaft gegründet werden, noch nach welchen Prinzipien eine Standortwahl getroffen wird. Darüber hinaus schien es in Folge der sich mittlerweile vollzogenen technischen Veränderungen sowie den massiven Umwälzungen in der Tonträgerindustrie, die sich durch Internet, CD-Brennen und DVD-Produktion ergeben haben, sinnvoll, die Frage nach den Standortanforderungen vor diesem Hintergrund noch einmal neu mit Hilfe einer qualitativen Forschungsmethode zu hinterfragen. Vorliegende Arbeit hat zum Ziel, strukturelle Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen. Dabei war die Untersuchung von akteursbezogenen Netzwerken, wie sie auch schon Bernd Schyma[61] in seiner Diplomarbeit für elektronische Musik in Köln erforscht hat, von besonderem Forschungsinteresse. Gerade diese akteursbezogenen Netzwerkstrukturen können nicht oder nur schlecht mit Hilfe quantitativer Methoden ermittelt werden. Auch hier bot sich das Expertengespräch als Forschungsinstrument an. Die Richtigkeit des gewählten Forschungsinstruments zeigte sich auch in den Gesprächen mit den Interviewpartnern – in indirekter Weise – anhand von Aussagen wie:
„Das fällt mir erst jetzt auf, wo du mich so näher danach fragst, da hab ich mir vorher eigentlich noch nicht so viele Gedanken drüber gemacht...“[62]
Oder auch in direkter Form:
„Ich finde es gut, dass wir uns hier mal tiefgründiger unterhalten können. Bei den Fragebögen, die die IHK immer verschickt – und die ich auch ausfülle – bleibt das ganze ja eher so an der Oberfläche, da kann man eigentlich nicht wirklich mitteilen, was man wirklich denkt. So was muss sich im Gespräch entwickeln...“[63]
Es sei darauf hingewiesen, dass die vorliegende Arbeit aufgrund des gewählten Forschungsdesigns keinen Anspruch auf Repräsentativität im Sinne einer quantitativen Forschungsmethode erhebt.
Bei den Experten handelte es sich vor allem um Geschäftsführer von Tonträgerunternehmen bzw. Mitarbeiter in Schlüsselpositionen. Allerdings wurde die Perspektive dieser Experten ergänzt, indem auch Experten aus anderen Bereichen wie Journalismus und Politik befragt wurden. Bei der Auswahl der Expertengespräche wurde darauf geachtet, dass es sich so weit wie möglich, um Personen handelt, die sich an Knotenpunkten des Informationsnetzwerkes befinden, die also über einen möglichst guten Informationsüberblick verfügen.[64] Insofern wurden auch nicht einzelne Musiker befragt, da hier die Gefahr groß gewesen wäre, dass es sich um eine für die Fragestellung der Arbeit irrelevante Einzelmeinung handelt. Besonders interessant als Experten waren hingegen Personen, die sich in einer multifunktionalen Position befinden, die das Problem also aus mehreren Perspektiven beurteilen konnten wie Labelinhaber, die gleichzeitig Clubbetreiber sind oder Labelinhaber, die zusätzlich Inhaber eines Vertriebs und Plattenladens sind sowie Mitglied einer Band. Interessant waren auch Verbandsvorstände, bei denen die Informationen ihrer Mitglieder zusammenlaufen. Die Experten im Bereich Labelinhaber wurden des Weiteren so ausgewählt, dass zum einen möglichst viele verschiedene Genres der Populärmusik abgedeckt werden, zum anderen möglichst auch jede Unternehmensgröße. Die Auswahl der Experten wurde nicht nach persönlichen Vorlieben hinsichtlich des Musikgeschmacks oder der Unternehmensform getroffen. Insgesamt wurden 21 Expertengespräche geführt mit einer Länge von 20 Minuten bis 3,75 Stunden[65]. Drei dieser Interviews wurden aufgrund der räumlichen Distanz und eines aus zeitlichen Gründen telefonisch geführt[66]. Bis auf einen der insgesamt angesprochenen Experten willigten alle in die Interviews ein. In der Regel fanden die Gespräche an der Arbeitsstelle des Befragten statt, drei der Interviews wurden in einem Cafe geführt. 19 Interviews wurden mittels eines Tonbandgerätes aufgezeichnet und vollständig transkribiert[67], ein Interview wurde lediglich schriftlich fixiert, da es zuvor nicht als Expertengespräch angedacht war und sich eher aus der Situation heraus ergab[68], ein weiteres wurde ebenso nur schriftlich fixiert, da sich eine Transkription aus Zeitdruck nicht mehr anbot[69]. Außerdem ergab sich mit einigen weiteren Experten ein reger Email-Kontakt, der zu einigen sehr brauchbaren Ergebnissen führte.
Das Auswertungsverfahren erfolgte in Anlehnung an eine Arbeitstechnik von Meuser und Nagel[70] in mehreren Arbeitsschritten:
- Paraphrase
Zunächst wurden bei jedem Interview in chronologischer Reihenfolge Sinnabschnitte gebildet. Hierbei wurde der Inhalt der Abschnitte so zusammengefasst wie er vom Interviewten gemeint war.
- Überschriften setzen
Die paraphrasierten Textelemente werden mit Überschriften versehen.
- Sequenzierung
Die inhaltlich zusammengehörenden Passagen werden zu thematischen Einheiten zusammengestellt
- Erstellen eines Interpretationstextes
Im Text verwendete Zitate aus den Interviews dienen der Illustration und sollen die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der durchgeführten Textinterpretationen unterstützen, können aber nicht als Beleg für Argumentationsstränge im Sinne von Stichproben bei quantitativen Untersuchungen gewertet werden.[71]
Es sei noch darauf hingewiesen, dass der Autor auch im Rahmen seiner Tätigkeit als Journalist seit einigen Jahren Informationen gesammelt hat, die hier zwar nicht direkt belegt werden können, die aber dennoch in die Arbeit mit eingeflossen sind.
5.4 Probleme bei der Durchführung
Während sich die Befragten aus dem Bereich Musikwirtschaft/Medien mit einer einzigen Ausnahme sehr kooperativ zeigten, war ein Hauptproblem bei der Durchführung die sehr undurchsichtige bürokratische Verflechtung und mangelnde Zuständigkeit bei der Stadt München. Ein nicht unerheblicher Arbeitsaufwand war damit verbunden, Informationen zur Medienstudie zu erhalten, die von der IHK, dem Referat für Arbeit und Wirtschaft sowie dem Marktforschungsinstitut ConM durchgeführt wurde. Vor allem die IHK zeigte über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg eine sehr mangelnde Kooperationsbereitschaft, was zu einem unnötigen Zeitaufwand führte. Hier wäre zum Wohl der Informationsverbreitung und der Wissenschaft eine bessere Kooperation zwischen Universität und anderen öffentlichen bzw. privaten Forschungseinrichtungen wünschenswert.
6. Quantitative Einordnung der Bedeutung des Standortes München in Relation zu anderen deutschen Standorten
Da keine vollständigen Listen aller in Deutschland ansässigen Tonträgerunternehmen vorliegen, wurden - wie im Kapitel Methoden erläutert - sechs verschiedene Quellen ausgewertet. Die dort verzeichneten Tonträgerunternehmen wurden aufsummiert, wobei doppelte heraus gestrichen wurden. Die endgültige Liste zeigt folgende Verteilung:
Abbildung 2: Gesamt-Anzahl von Tonträgerunternehmen in den 15 größten deutschen Städten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Erhebung
Demnach sind die Tonträgerunternehmen in Deutschland nicht zentralisiert angesiedelt, sondern vor allem auf die vier Medienstädte Berlin, Hamburg, München und Köln verteilt. Dies entspricht dem dezentralen Rundfunksystem in Deutschland. Da die Städte bezüglich ihrer Einwohnerzahlen sehr unterschiedlich sind, ist die Aussage dieser Grafik hinsichtlich einer Clusterung von Unternehmen noch nicht sehr aussagekräftig. Folgende Grafik gibt die Anzahl der Tonträgerunternehmen pro Kopf der Bevölkerung wieder:
Abbildung 3: Gesamt-Anzahl der Tonträgerunternehmen pro Einwohner in den 15 größten deutschen Städten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Erhebung
Urteilt man nach dieser Grafik, relativiert sich die Bedeutung Berlins erheblich. Denn die Ballung von Tonträgerunternehmen ist in München, Hamburg und Köln am stärksten ausgeprägt. Aus dieser Grafik lässt sich jedoch noch nicht ablesen, um welche Art von Tonträgerfirmen (Independent/Major, Musikstil) es sich bei den einzelnen Unternehmen handelt. Eine ungefähre Vorstellung über die Verteilung von Indepentent-Unternehmen gibt die Auswertung der Mitgliederliste des VUT[72]:
Abbildung 4: Anzahl der VUT-Mitglieder in den 15 größten deutschen Städten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Erhebung
Demnach ist bei der Verteilung der Independent-Unternehmen ein relativer Einbruch gerade bei München zu beobachten. Zwar sitzt der VUT in Hamburg, was dafür sprechen könnte, dass relativ mehr Hamburger Labels bei diesem Verband Mitglied sind. Allerdings kann diese Behauptung nicht mehr gehalten werden, wenn man beachtet, dass sich die Relation bei den anderen Städten nicht stark verschiebt. Die geringe Anzahl in München dürfte also andere Ursachen haben. Da beim VUT größtenteils Unternehmen aus dem Bereich Populärmusik Mitglied sind, könnte dies auch schon ein Hinweis auf die relative Schwäche Münchens im Populärmusik-Sektor sein.
Deshalb wurden die Städte Berlin, Hamburg und München noch einmal genauer untersucht. Nach der Ermittlung des vorwiegend produzierten Musikstils aller in diesen Städten ansässigen Tonträgerunternehmen ergeben sich folgende Anteile bei der Produktion des Musikstils[73]:
Abbildung 5: Anteil der Tonträgerunternehmen in München nach Produktionssparten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Anteil der Tonträgerunternehmen in Hamburg nach Produktionssparten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Anteil der Tonträgerunternehmen in Berlin nach Produktionssparten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Alles eigene Erhebung
Hieran lässt sich schon erkennen, dass der Anteil der Populärmusik-Tonträgerunternehmen in München in Relation zu Hamburg und Berlin gering ist, was vor allem am hohen Anteil an Unternehmen aus dem Bereich Klassik und Jazz in München liegt.
Rechnet man diese Information in die Verteilungsgrafik mit ein, so ergibt sich folgendes Bild der absoluten Anzahl:
Abbildung 8: Absolute Anzahl von Populärmusik-Tonträgerunternehmen in Berlin, Hamburg und München
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Folgende Grafik gibt die Anzahl pro Kopf wieder:
Abbildung 9: Anzahl von Populärmusik-Tonträgerunternehmen in Berlin, Hamburg und München pro Einwohner
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Quelle: Beide Abbildungen eigene Erhebung
Demnach wäre die Ballung von Populärmusik-Tonträgerunternehmen in Hamburg am größten, gefolgt von Berlin und München.
Die bisher vorgestellten Verteilungen sagen allerdings noch nichts über eine zeitliche Veränderung der Bedeutung des Standortes aus, da alle Grafiken jeweils nur einen momentanen Zustand widerspiegeln. Nach Informationen des Vorstandes des VUT war in den letzten Jahren ein erheblicher Anstieg der Berliner Mitglieder zu verzeichnen, die mit der „Label Commission Berlin“ mittlerweile eine eigene Gruppe im Verband bilden. Konkretes Zahlenmaterial zur Entwicklung der Mitglieder konnte der VUT leider nicht zur Verfügung stellen. Die einzigen vorliegenden Quellen, aus denen man einen quantitativen zeitlichen Verlauf erstellen kann, sind die Mitgliedslisten der IFPI Deutschland sowie die Datenbanken des Musikmarkt Branchenbuchs.
Folgende Grafik zeigt die absolute Veränderung der Mitgliederzahlen der Phonoverbände von 1994 bis 2003:
Abbildung 10: Absolute Veränderungen der Mitgliederzahlen der Phonoverbände von 1994 bis 2003 in den 15 größten deutschen Städten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Erhebung
Hieran kann man erkennen, dass Berlin und Köln die größten Zuwachsraten hatten und Hamburg sowie München lediglich auf sehr kleinem Niveau dazu gewonnen haben.
Dieses Bild kann man auch bei den im Musikmarkt Branchenbuch verzeichneten Unternehmen wieder finden. Hier konnte als frühestes Vergleichsjahr allerdings erst 1998 angesetzt werden, da für frühere Jahrgänge keine elektronischen Daten zur Verfügung stehen:
Abbildung 11: Absolute Veränderungen der beim Musikmarkt-Branchenbuch verzeichneten Unternehmen von 1998 bis 2003
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Erhebung
Der Unterschied zwischen Köln, Hamburg und München ist zwar nicht mehr so deutlich. Dafür kann auch hier für Berlin der mit Abstand stärkste Anstieg nachgewiesen werden.
Folglich scheint die relative Bedeutungszunahme des Standortes Berlin am größten zu sein. Das gilt sowohl für Independent-Unternehmen (VUT) wie auch allgemein (Phonoverbände, Musikmarkt). Beachtet man die Tatsache, dass in Berlin vor allem Tonträgerunternehmen aus dem Bereich Populärmusik ansässig sind, scheint der Standort gerade für diese Unternehmen seit einigen Jahren besonders günstig zu sein. München kann zwar auch eine Zunahme aufweisen. Allerdings kann man anhand dieser Zahlen, gerade unter Berücksichtigung, dass nur weniger als die Hälfte der Tonträgerunternehmen in München Populärmusik produzieren, noch keine stichhaltige Aussage bezüglich der relativen Entwicklung dieses Standortes für Populärmusikunternehmen machen. Um die Bedeutung Münchens zu bewerten, muss man die Untersuchung also auf qualitativer Ebene angehen und die Frage stellen, welche Standortfaktoren wichtig sind und wie diese für München zu bewerten sind. Dies soll in den folgenden Kapiteln geleistet werden.
7. Projektion der geographischen Standortlehre auf die Tonträgerindustrie und Entwicklung eines geeigneten Ansatzes
Dieses Kapitel gibt einen sehr kurzen Einblick in die geographische Standortlehre. Hierbei werden die Erkenntnisse der bisherigen Forschung auf das hier vorliegende Problem übertragen. Besondere Berücksichtigungen finden Ansätze, die mit Standortfaktoren arbeiten sowie die so genannten Clustertheorien. Ein Stichwort, das es ebenfalls zu beachten gilt ist das Phänomen der „Städtekonkurrenz“.
Während älteren Theorien noch das Handeln des homo oeconomicus zugrunde legt, wonach jeder Unternehmer über den gleichen maximalen Informationsstand verfügt und die Unternehmer sowie deren Kunden ausschließlich nach rationalen Kriterien und Gewinnmaximierung handeln, gingen spätere Ansätze zunehmend davon aus, dass Unternehmer zum einen nicht über vollständige und ausnahmslos richtige Informationen verfügen, zum anderen nicht ausschließlich nach dem Rationalitätsprinzip handeln, da sie auch von privaten Vorlieben und Vorurteilen geleitet werden.[74]
Bei der Entwicklung von Standorttheorien ging es auch immer um die Entwicklung von Standortfaktoren, deren Bewertung sich im Laufe der Zeit erheblich änderte. Grundsätzlich hängt die Bedeutung von Standortfaktoren von drei wesentlichen Bedingungen ab:
- dem Produktionstyp (landwirtschaftlich, handwerklich, industriell, dienstleistungsbezogen)
- dem Einzugsbereich des Produkts/der Dienstleistung (lokal, regional, national, international)
- den zentralen Produktionsfaktoren (Rohstoffe, Information, Kapital etc.)[75]
Beim Statistischen Bundesamt werden Tonträgerunternehmen unter „Produzierendem Gewerbe“ aufgeführt und werden somit nach ihrem Produktionstyp dem sekundären Sektor zugerechnet. Wobei Tonträgerunternehmen genauso wie Buchverlage eigentlich keine Industriebetriebe sind, da den wirklich industriellen Teil in der Produktionskette eines Tonträgers das Presswerk übernimmt, das zumeist eigenständig arbeitet und nicht den Tonträgerunternehmen zuzurechnen ist. Der Einzugsbereich von Tonträgerunternehmen ist in der Regel international. Selbst kleine Ein-Mann-Betriebe versuchen ihre Produkte international zu vermarkten. Das kann auf zwei Arten geschehen: Zum einen können Tonträgerunternehmen ihre Produkte in physischer Form exportieren, zum anderen haben sie die Möglichkeit, ihre Produkte mithilfe von Lizenzdeals an ausländische Labels weiter zu vermarkten. In letzterem Fall kaufen internationale Labels praktisch nur die Rechte ein und produzieren das Produkt noch einmal neu. Diese Labels sind zumeist ausländische Kooperationspartner oder sind im Falle der Major-Firmen Filialniederlassungen.
Ein wichtiges Charakteristikum eines Tonträgerunternehmens ist sein zentraler Produktionsfaktor – die Künstler und ihre Musik. Somit ist der „Rohstoff“ des Tonträgerunternehmens ein kreatives Milieu, das schwer lokalisierbar und schwer fassbar ist. Die Entstehung neuer Musikstile ist nicht planbar und geschieht in der Regel nicht in Forschungseinrichtungen und Bildungszentren, auch wenn durch die neu gegründete Pop-Akademie in Mannheim der Versuch unternommen wird, Popkulturen zu „züchten“. Bedeutende und große Strömungen werden meist von einzelnen Bands oder Interpreten getragen, die organisch gewachsen sind. Die Orte, wo sich der Rohstoff Musikszene befindet, sind fließende Gebilde, die sich plötzlich und unsystematisch verklumpen können. Es gibt Städte, in denen immer wieder solche Klumpen auftreten wie Hamburg, New York oder London und es gibt andere wie Stuttgart oder Seattle, wo scheinbar aus dem „Nichts“ heraus ein signifikanter Klumpen entstanden ist, der stilprägend für eine ganze Generation, eine ganze Jugendkultur geworden ist. Neue Tonträgerunternehmen sind oft das Produkt solcher Klumpen wie im Falle von Four Music in Stuttgart (jetzt Berlin). Andere Unternehmen – vor allem Major, die schon länger etabliert sind, müssen versuchen zu erahnen, wo solche Klumpen entstehen können, sie früh genug erkennen und entsprechende Künstler unter Vertrag nehmen, was oft auch von kleineren Labelpartnern übernommen wird, die näher an der so genannten Szene operieren und eine Art Vasallen-Funktion übernehmen. Wieder andere Unternehmen – zumeist extrem spezialisierte und etablierte Independent-Label – machen praktisch keine A&R-Arbeit mehr, sondern veröffentlichen in experimenteller Weise vor dem Hintergrund persönlicher Künstlerbeziehungen, sind also von Trends unabhängig. Standortfaktoren und deren Wichtigkeit hängen also auch von der Art des Tonträgerunternehmens ab – das gilt nicht nur für den Standortfaktor Musikszene, sondern auch für alle anderen, die später im empirischen Teil aufgeführt werden. Sinn dieser Arbeit kann es allerdings nicht sein, für jedes Unternehmen einen eigenen Katalog an Standortfaktoren zu entwickeln. Deshalb wird sich diese Arbeit darauf beschränken, Tonträgerunternehmen zu untersuchen, die in irgendeiner Weise im Bereich der Populärmusik operieren. Des Weiteren sollen Standortfaktoren extrahiert werden, die eine wichtige Rolle spielen für die Struktur, in die praktisch alle Tonträgerunternehmen aus dem Bereich der Populärmusik – wenn auch in unterschiedlicher Form – eingebettet sind. Da bei der Bedeutung von Standortfaktoren auch deren Differenzierungswirkung im Hinblick auf Standorte zu beachten ist, soll hier vor allem auch auf Faktoren eingegangen werden, hinsichtlich derer sich die großen Städte offensichtlich unterscheiden, die also nicht ubiquitär sind. So ist zwar für Tonträgerunternehmen der Faktor „Zugang zu schnellen Kommunikationsnetzwerken“ extrem wichtig. Aufgrund seiner nationalen Ubiquität, also seiner generellen Verfügbarkeit zumindest innerhalb Deutschlands, ist dieser Faktor für die Standortwahl in Deutschland jedoch völlig unerheblich. Hingegen sind Faktoren wie „Zugriff auf günstige Immobilien“ allgemein für das Überleben des Unternehmens vielleicht weniger wichtig als der Faktor „Zugang zu schnellen Kommunikationsnetzwerken“, aufgrund ihrer starken Differenzierung innerhalb Deutschlands für die Standortwahl jedoch ausschlaggebender. Betrachtet man die bis dato vorliegenden Theorien der Standortlehre und der daraus entwickelten Standortfaktoren[76], so fällt auf, dass die Standortfaktoren je nach Branchenzugehörigkeit auf Grundlage empirischer Studien immer weiter ausdifferenziert werden. Mit der zunehmenden Verlagerung der Standortuntersuchungen vom primären und sekundären Sektor hin zum tertiären Sektor werden vermehrt so genannte weiche Standortfaktoren in die Bewertungen mit einbezogen, also Faktoren, die schwer in messbaren Größen ausgedrückt werden können und sehr viel mit persönlichen Erfahrungen, Vorlieben, Vorurteilen und Vorstellungen einhergehen. Zu diesen weichen Standortfaktoren zählen informelle Netzwerke, Images, Kultur, Freizeitwert und vieles mehr. Dabei ist die Grenze zwischen weichen und harten Standortfaktoren fließend. Zudem können weiche Faktoren zu harten werden und umgekehrt. Beispiel: Ein Club kann bei der Gründung eines Tonträgerunternehmens ein harter Standortfaktor sein, insofern als dass der Clubbesitzer ein Label gründet, um die Musik, die in seinem Club gespielt wird, eigenständig vermarkten zu können. Nach einer Weile kann das Label zu einem Selbstläufer werden, zu einem eigenen Geschäft, das völlig unabhängig vom Club funktioniert, der Clubbesitzer verkauft seinen Club, konzentriert sich auf die Labelarbeit, der Club bleibt jedoch als Freizeitaktivität und als Ort informeller Kontakte noch immer wichtig, wird also zu einem weichen Standortfaktor. Zu beachten ist, dass bezüglich der Tonträgerunternehmen typisch weiche Standortfaktoren wie die Unterhaltungskultur in Form einer Musik- und Kunstszene häufig, und vor allem zu Beginn der Unternehmensgründung, harte Faktoren sind, die für die Gründung und das Wachsen des Unternehmens existentiell sind und darüber hinaus für den Unternehmer auch eine messbare Größe darstellen.[77]
In der geographischen Standortlehre und der einhergehenden Entwicklung von Standortfaktoren geht man zumeist von bewussten Standortentscheidungen aus. Zwar wird in der neueren Forschung immer wieder darauf hingewiesen, dass Standortentscheidungen oft von irrationalen Aspekten und falschen Annahmen beeinflusst werden, dennoch handelt es sich um Entscheidungen. Grabow et al. unterscheiden hierbei zwischen Neugründungen, Verlagerungen, Ausbau/Erweiterungen, Bleibeentscheidungen, Auslagerungen und Schließungen. Obwohl sich gerade durch die Sogwirkung Berlins in den letzten Jahren erhebliche und bedeutende Standortverschiebungen in der Tonträgerbranche ergeben haben und man somit von Standortentscheidungen der jeweiligen Unternehmen sprechen kann, hat sich in den Expertengesprächen sowie der Datenanalyse, auf der vorliegende Arbeit basiert, herausgestellt, dass es sich bei der Mehrzahl der Unternehmen in München um Standortneugründungen handelt, die nicht von bewussten Standortentscheidungen abhängig waren, sondern scheinbar zufällig vollzogen wurden. Hier wird es dann auch zunehmend interessant, das einzelne Unternehmen und seine Entstehung nicht unabhängig zu betrachten, sondern eingebettet in einen Clusterungsprozess branchengleicher Unternehmen, also anderer Tonträgerunternehmen. Denn schließlich ist in München nicht nur ein Tonträgerunternehmen ansässig, sondern ein ganzes Cluster an Unternehmen. Hier ist auch die historische Perspektive zu eröffnen. Theorien, die sich mit der beschriebenen Form der Firmengründung sowie mit Clusterungsprozessen auseinandersetzen, sind die so genannten Theorien zur Erklärung der Existenz geographischer Cluster. Einen prägnanten, aufschlussreichen Überblick bisheriger Erklärungsansätze zur Existenz geographischer Cluster gibt Ivo Moßig in seinem Aufsatz „Konzeptioneller Überblick zur Erklärung der Existenz geographischer Cluster“, worin deutlich wird, dass die Clustertheorien vom Primat der bewussten Standortentscheidung abweichen:
[...]
[1] Die gängige Bezeichnung Jugendradio ist missverständlich, da diese Sender mittlerweile eine Zielgruppe von Personen bis über 40 Jahren ansprechen.
[2] Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen Berlin 2003
[3] Bernd Dopp, President Warner Germany Group, 2002, zitiert nach musikwoche.de 31.5.2002
[4] Homepage der Stadt Köln, 2003: www.koeln.de, Zugriff am 28.10.2003
[5] Vgl. Krätke 2002
[6] Bayern 2 Radio, Sendung vom 11.01.2002, 20:05 bis 21:00 Uhr
[7] Wer MTV auch nur vom Hörensagen kennt, weiß wie realitätsfern dieser Vorschlag ist.
[8] Interessant ist, dass Christiane zu Salm, MTV-Chefin in Deutschland, den Umzug des Senders nach Berlin damit begründet, dass dort mehr Tonträgerunternehmen ansässig seien als in München. Vgl. Musikwoche 10.12.2002.
[9] Zur Definition von Musikszene siehe Kap. 2.
[10] Vgl. Graves/Schmidt-Joos 1993
[11] Zur Begriffdefinition Populärmusik siehe 2.1
[12] Grimm 2002
[13] Während des Schreibens der Arbeit ereignete sich eine weitere weitreichende Bewegung im Tonträgermarkt: Die beiden Großkonzerne Sony und Bertelsmann unterzeichneten im November 2003 eine Absichtserklärung zur Fusion. Sollte diese Fusion von den Kartellbehörden genehmigt werden, so wäre Sony BMG mit 25,2 Prozent Marktanteilen das weltweit zweitgrößte Tonträgerunternehmen. (Vgl. SZ 7.11.2003) Die Fusion veranlasst zur Annahme, dass der Standort München im Gegensatz zu den Hauptstadtrepräsentanzen auch für BMG zunehmend unwichtiger werden wird.
[14] Mittlerweile eine Sony-Tochter
[15] Zum Abwanderungsprozess und zur Begründung siehe auch musikwoche 27.06.2001, 10.06.2002, 13.02.2003.
[16] Bertelsmann Music Group
[17] Alle Zahlen IFPI 2003
[18] Vgl. Brodbeck/Hummel 1991. In dieser Studie wird dem Standortfaktor „Moderne Kommunikationssysteme“ für alle Unternehmensgruppen die höchste Bedeutung beigemessen. Allerdings stellt sich hier die Frage, inwiefern dieser Faktor wirklich Einfluss auf die Bedeutung eines Standortes bzw. auf Standortentscheidungen hat. Denn – zumindest mittlerweile – ist dieser Faktor in Deutschland ubiquitär.
[19] Zur Definition einzelner Stile siehe Anhang.
[20] Vgl. Grimm
[21] Zitiert nach Grimm 2002, S. 9
[22] Diese Annahme bestätigte sich in den Expertengesprächen.
[23] Brockhaus Enzyklopädie 1995, S. 2323
[24] Definition erfolgte in Absprache mit Alexander Grimm.
[25] Vgl. Wicke 1997
[26] Die Bezeichnung A&R steht für Artist & Repertoire.
[27] GEMA = Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte
[28] Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten
[29] Gnad 1994, S. 84
[30] Auf einen Überblick über die Geschichte der Tonträgerunternehmen soll hier verzichtet werden. Einen kurzen, aber interessanten Überblick kann bei Wicke 1997 nachgelesen werden.
[31] Die jeweiligen Tabellen haben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Besonders die Anzahl der aufgeführten Labels, hängt auch mit der Informationspolitik der jeweiligen Unternehmen ab. Bei EMI beispielsweise ist es relativ einfach, Informationen zum Unternehmen zu erhalten, da sich das Unternehmen sehr transparent darstellt.
[32] Zahlen laut Auskunft IFPI
[33] Eigene Berechnung nach Zahlen der IFPI 2003
[34] Konkrete Marktanteile der Major-Unternehmen in Deutschland konnten nicht ermittelt werden. Deshalb sind hier nur die Rangfolgen der Unternehmen basierend auf deren Marktanteile angegeben so wie sie mir von Udo Lange, Geschäftsführer der EMI Germany, im September 2003 mitgeteilt worden sind.
[35] Time Warner verkaufte am 24. November 2003 seine Musiksparte Warner für 2,2 Milliarden Euro an eine Investorengruppe um den ehemaligen Seagram-Chef Edgar Bronfman. Vgl. SZ 25.11.2003.
[36] Vgl. Block 2002, S. 121
[37] Interview Schreckeneder, Anhang S. 2
[38] Zu EFA siehe auch musikwoche.de 28.05.2003
[39] Vgl. Interview Bergmann, Schreckeneder
[40] Vgl. Interview Schreckeneder, Christ, Bergmann
[41] Was für die Indies im Prinzip in Ordnung ist, da diese die Künstler ab einer bestimmten Größe und Popularität gar nicht mehr adäquat promoten können.
[42] Interview Bergmann, Anhang S. 111
[43] Ebenda
[44] Vgl. u. a. Gnad 1994, Schneider 2001, Woog 2001, Binas 2000
[45] Vgl. Pütz 2003
[46] Vgl. Landeshauptstadt München, Referat für Arbeit und Wirtschaft 2000 und 2003. Die Standortanalyse „Der Medienstandort München“, die im Jahr 2000 von der Landeshauptstadt München in Zusammenarbeit mit der IHK durchgeführt wurde, enthält Daten zur Anzahl von Medienunternehmen in der Stadtregion (= Planungsregion 14), Angaben zu Beschäftigtenzahlen, Umsatz und Investitionen. Die 11 425 Unternehmen der Grundgesamtheit, die sich aus allen von der IHK erfassten Medienbetrieben, dem Adressenbestand des High Text-Verlags München sowie dem Adressenteil des Handbuchs „Medien in Bayern“ zusammensetzt, wurden in die fünf Branchen Printmedien, Audiovisuelle Medien, Multimedia und Werbung eingeteilt. Die Tonträgerunternehmen sind eine Untergruppe im Bereich Audiovisuelle Medien. Schließlich wurden 6 028 Unternehmen im September 1999 mit einem teilstandardisierten Fragebogen befragt. Angaben zur Rücklaufquote finden sich keine.
[47] Hummel 1991, S. 1
[48] http://www2.hu-berlin.de/fpm//list.htm
[49] Die IFPI verfügt über ein Diplomarbeiten-Archiv zum Thema Populärmusik. Jedoch finden sich in den meherern hundert Arbeiten keine geographischen Perspektiven.
[50] Vgl. u. a. Brown 2000, Leyshon 1995, Hudson 1995, Smith 1997, Ingham 1999.
[51] Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e.V. und Deutsche Landesgruppe der IFPI e.V., aktuelle Mitgliederzahlen über www.ifpi.de, ältere stehen in den jeweiligen Jahrbüchern
[52] ursprünglich Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen - 1999 auf Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V. erweitert, Mitgliederzahlen über www.vut-online.de
[53] Zugang über Homepage: www.mediabiz.de
[54] CD-ROM von 2003 sowie 1998
[55] Datenbank erreichbar unter: http://themen.miz.org/musikwirtschaft/tontraegerhersteller.php
[56] Zahl ändert sich ständig geringfügig nach oben und unten, da laufend neue Unternehmen hinzukommen bzw. alte Unternehmen verschwinden
[57] Lediglich das Musikmarkt Branchenbuch fällt aus der Reihe, wonach nur rund 35 Prozent der Unternehmen in den 15 größten deutschen Städten sitzen.
[58] Diese Grenzziehung wurde zum einen zugunsten der schnellen und eindeutigen Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse getroffen. Zum andern, um die absoluten Ergebnisse bezüglich der Einwohnerzahl relativieren zu können.
[59] Rund acht Prozent dieser Unternehmen sind via Homepage nicht präsent. Hier wurde versucht, das Produktionssegment über andere Quellen herauszufinden. In insgesamt vier Prozent aller Fälle konnte das Arbeitsfeld des Unternehmens nicht ermittelt werden. Da diese Unternehmen gleichermaßen über die drei Städte verteilt sind, wurden sie nicht in die Grafiken miteinbezogen.
[60] Wiederveröffentlichung alter Aufnahmen.
[61] Schyma 2002
[62] Interview Bergmann, Anhang, S. 107
[63] Interview Reinboth, Anhang S. 37
[64] Denn schließlich geht es in der qualitativen Befragung nicht wie in der quantitaiven Befragung um die Summe von Einzelmeinungen, sondern um die Qulaität der einzelnen Beiträge.
[65] Mit einem Experten (Michael Reinboth, Compost) wurden zwei Interviews geführt - eines im Anfangsstadium des empirischen Teils, eines gegen Ende. Grund hierfür war, dass sich durch die in der Zwischenzeit geführten Expertengespräche neue Fragen ergeben haben, die zu beantworten dieser Experte als sehr geeignet erschien.
[66] Peter James, Hamburg, Carl Erling, Berlin, Udo Lange, Köln.
[67] Pausen, Stimmlagen und nicht auf das Thema bezogene Aussagen wurden nicht transkribiert.
[68] Interview mit Eva Schweigard vom Referat für Arbeit und Wirtschaft. Hier war anfangs die Intention, die aktuelle Broschüre zum Medienstandort München zu besorgen und über die Durchführung der Studie zu diskutieren. Daraus ergab sich dann aber ein Gespräch mit sehr interessanten Aussagen, die mitgeschrieben wurden.
[69] Gespräch mit Marc Liebscher am 03.12.2003.
[70] Meuser/Nagel 1991, S. 455 ff.
[71] Vgl. Meuser/Nagel 1991
[72] Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V.
[73] Es wurden nur die Musikstile mit Namen aufgeführt, die in München mit fünf oder mehr Prozent vertreten sind, die anderen beiden Grafiken richten sich zur besseren Vergleichbarkeit nach der Münchner Einteilung. Die Unternehmen wurden jeweils nach ihren Produktionsschwerpunkten eingeteilt. Das heißt, Unternehmen, die in mehreren Segmenten publizieren, sind nicht mehrfach zugeordnet worden. Denn sonst wären Populärmusikunternehmen immer nur als ein Unternehmen gezählt worden, währenddessen Unternehmen, die Jazz und Klassik produzieren – was sehr häufig der Fall ist - immer mehrfach gezählt worden wären.
[74] Vgl. u.a. Schätzl 1998
[75] Vgl. Grabow et al. 1995
[76] Vgl. Grabow 1995
[77] Zur Definition und Diskussion weicher und harter Standortfaktoren siehe auch Grabow 1995, S. 63ff.
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