Schon in den 60er Jahren trug sich Stanley Kubrick mit der Idee, die Traumnovelle (1926) Arthur Schnitzlers zu verfilmen. Zur Realisierung dieses Projekts kam es dann aber erst in den 90er Jahren, genauer gesagt im Jahre 1994, als die Arbeiten an dem Drehbuch zu Eyes Wide Shut begannen. Zuvor war Kubrick zwischen vielen anderen Ansätzen für diesen Film geschwankt, mal komödiantischer, mal historischer Natur. Er entschied sich jedoch letztlich für eine ernste Ausführung und versetzte das Geschehen der Traumnovelle in das New Yorks der 90er Jahre. Diese Entscheidung erschien erst risikoreich, da die Übertragung des Stoffes in die neuere Zeit wegen des Themas der ehelichen Treue überholt zu sein schien. Der Film spielt jedoch mit den beständigen Problemen der Menschen.
Was sich jedoch sowohl bei Schnitzler, als auch bei Kubrick finden lässt, ist – neben dem Aufzeigen der eben genannten Probleme und Anklängen der Traumanalyse – eine harsche Kritik an der sozialen Oberschicht, die sich natürlich aufgrund der versetzten Raum- und Zeitgegebenheiten ebenfalls verändert hat. So setzt sich diese Oberschicht in der Traumnovelle vorwiegend aus Adel und hochrangigem Militär zusammen, während in Eyes Wide Shut die High Society Manhattans, also vor allem die reiche, kapitalistisch denkende Schicht, diese bildet.
Im Folgenden soll es nun um eine Aufschlüsselung dieser Kritik gehen, die sich in mannigfaltiger Art in beiden Werken präsentiert. Dabei soll vor allem darauf geachtet werden, wie Kubrick in Eyes Wide Shut die in der Traumnovelle vorhandene Gesellschaftskritik im Hinblick auf die veränderte Zielgruppe übertragen hat. Zu diesem Vergleich sollen die Orgienszenen beider Werke herangezogen werden, da sich in ihnen diese Kritik am deutlichsten zeigt.
Die andere, nach der Vorlage benannte Verfilmung der Traumnovelle des Regisseurs Wolfgang Glück von 1969 bleibt in dieser Arbeit unberücksichtigt, da sich die Arten der Übertragung von Literatur zu Film am Beispiel von Eyes Wide Shut sehr viel anschaulicher darstellen lassen. Glücks Verfilmung versucht sich nämlich an einer genauen „Übersetzung“, während Eyes Wide Shut sich nicht nur in der Orientierung an einem literarischen Stoff erschöpft, sondern auch eigene Interpretationsmöglichkeiten bietet. Eine genauere filmtheoretische Einordnung Eyes Wide Shuts soll im Folgenden ebenfalls vollzogen werden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. „Eyes Wide Shut“ – Übersetzung oder Adaption?
- III. Die Kritik an der sozialen Oberschicht und ihre Umsetzung in beiden Werken
- 1. Männer / Frauen
- 2. Fahrt zur Orgie
- 3. Raum
- 4. Farbensymbolik
- 5. Musik
- IV. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Kritik an der sozialen Oberschicht in Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ und Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ und analysiert die Orgienszenen beider Werke im Hinblick auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
- Die Darstellung der sozialen Oberschicht und ihre Fixierung auf Prunk und Luxus
- Die Doppelgesichtigkeit der Oberschicht und ihre Heuchelei
- Der gefühllose Umgang mit Frauen und deren Darstellung als Sexualobjekte
- Die elitären Strukturen der Oberschicht und ihre Abschottung vom Rest der Gesellschaft
- Die Übertragung von Schnitzlers Gesellschaftskritik in Kubricks Film im Hinblick auf die veränderte Zeit und Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Arbeit führt in das Thema ein und stellt die beiden Werke, „Traumnovelle“ und „Eyes Wide Shut“, vor. Sie erläutert die Entstehung beider Werke und stellt heraus, dass beide eine Kritik an der sozialen Oberschicht beinhalten.
II. „Eyes Wide Shut“ – Übersetzung oder Adaption?
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Begriff der Literaturverfilmung und unterscheidet zwischen Adaption und Übersetzung. Es wird erläutert, wie Kubrick in „Eyes Wide Shut“ mit der Vorlage umgegangen ist und inwiefern der Film eigenständige Interpretationsmöglichkeiten bietet.
III. Die Kritik an der sozialen Oberschicht und ihre Umsetzung in beiden Werken
1. Männer / Frauen
Dieses Unterkapitel beleuchtet die Darstellung der Männer und Frauen in beiden Werken und zeigt, wie die Zugehörigkeit der Teilnehmer zur sozialen Oberschicht durch ihre Kleidung und ihr Verhalten deutlich wird. Es analysiert die Kritik an der Prunksucht und Doppelgesichtigkeit der Oberschicht und beleuchtet deren gefühllosen Umgang mit Frauen.
2. Fahrt zur Orgie
Die Fahrt zur Orgie in beiden Werken wird betrachtet und es wird aufgezeigt, wie sie die Bedrohlichkeit und den Übergang in die Welt der Geheimen Gesellschaft ankündigt. Der Kontrast zwischen Höhe und Tiefe wird im Hinblick auf die soziale Stellung und die moralischen Abgründe der Oberschicht erläutert.
3. Raum
Dieses Unterkapitel analysiert die Räume der Orgienszenen in beiden Werken und ihre Gestaltung im Hinblick auf die Abschottung von der bürgerlichen Welt. Es werden die Symbole der Dunkelheit, der Kreisform und die luxuriöse Ausstattung als Ausdruck der Macht und der moralischen Verdorbenheit der Oberschicht analysiert.
4. Farbensymbolik
Die Farbsymbolik in den Orgienszenen beider Werke wird untersucht. Es werden die Farben Schwarz, Rot, Gelb, Weiß und Blau als Symbole für die antisemitischen und rechtsextremen Tendenzen der österreichischen Oberschicht der Zeit um 1900 sowie die Gefühlskälte und die bedrohliche Situation der amerikanischen High Society in „Eyes Wide Shut“ interpretiert.
5. Musik
Dieses Unterkapitel untersucht die musikalische Gestaltung der Orgienszenen und erläutert die semantische und strukturelle Funktion von Musik im Film. Es werden die Werke György Ligetis und Jocelyn Pooks analysiert und die Bedeutung von Musik als Leitmotiv sowie die Verwendung von religiösen Motiven diskutiert.
Schlüsselwörter
„Traumnovelle“, „Eyes Wide Shut“, soziale Oberschicht, Orgie, Kritik, Gesellschaft, Prunk, Heuchelei, Gefühlskälte, elitäre Strukturen, Adaption, Farbensymbolik, Musik, Leitmotiv, Arthur Schnitzler, Stanley Kubrick.
- Citar trabajo
- Julian Schumertl (Autor), 2013, Die Kritik an der sozialen Oberschicht in der „Traumnovelle“ und „Eyes Wide Shut“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/224319