Einleitend in die kritische Bewertung der Intelligenzdiagnostik sind
einige Vormerkungen zu treffen.
Was bedeutet es eigentlich intelligent zu sein oder einen höheren
Intelligenzquotienten als eine andere Person zu haben? Es ist nicht
überraschend, dass man Antworten auf diese Fragen nur im Kontext
des angewandten Tests und der zugrunde liegenden Theorie geben
kann, da sich viele unterschiedliche Theoretiker mit der Intelligenz
befassten und befassen und unterschiedliche Tests, basierend auf
verschiedenen theoretischen Hintergründen entwickelten. Ein IQ ist
nicht gleich einem anderen IQ, da auch zur Normierung der
Testergebnisse unterschiedliche Varianzen in der Population
angenommen werden oder die Vergleichsgruppen unterschiedlich
aufgebaut sind.
Die Idee, die Befähigung zur Leistung, die durch Denkvorgänge
hervorgerufen wird, in der Gesellschaft zu messen, um Individuen
vergleichen zu können und gegebenenfalls hoch intelligente
Personen erfassen zu können und sie gezielt zu fördern, erweist sich
als eine sinnvolle. Dennoch stellt sich bei einer näheren Betrachtung
der Intelligenzforschung schnell heraus, dass es sehr viele
unterschiedliche Ansätze gibt und Verständnisse von dem, was
Intelligenz ist und wie man sie messen kann. Eine allgemeingültige
Definition des Konstruktes gibt es nicht, auch keine eindeutige
Akzeptanz eines bestimmten Modells. Genau dies sollte eben dazu
führen, sich die gängige Intelligenzdiagnostik anzuschauen und eine
kritische Bewertung zu vollziehen, sowie auf neuere Ansätze
einzugehen, wie es im Folgenden geschehen wird.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Kritik an der konventionellen Intelligenzdiagnostik
3 Neuere Konzepte
3.1 Modell der multiplen Intelligenzen von Gardner
3.1.1 Vorstellung der Theorie
3.1.2 Mögliche Konsequenzen für die Intelligenzdiagnostik
3.2 Triarchische Intelligenztheorie von Sternberg
3.2.1 Vorstellung der Theorie
3.2.2 Mögliche Konsequenzen für die Intelligenzdiagnostik
3.3 PPIK - Theorie von Ackerman
3.3.1 Vorstellung der Theorie
3.3.2 Mögliche Konsequenzen für die Intelligenzdiagnostik
3.4 Three - Stratum - Theory von Carroll
3.4.1 Vorstellung der Theorie
3.4.2 Mögliche Konsequenzen für die Intelligenzdiagnostik
3.5 Radex - Modell von Guttman und Levi
3.5.1 Vorstellung der Theorie
3.5.2 Mögliche Konsequenzen für die Intelligenzdiagnostik
3.6 Erweiterung des Konzepts der akademischen Intelligenz
3.6.1 Praktische Intelligenz
3.6.2 Emotionale Intelligenz
3.6.3 Soziale Intelligenz
3.6.4 Lernkompetenz
3.6.5 Kreativität
3.6.6 Mögliche Konsequenzen für die Intelligenzdiagnostik
4 Erklärungsansätze
4.1 Mental Speed - Ansatz
4.2 Arbeitsgedächtniskapazität
4.3 Testung von basalen Intelligenzkomponenten
5 Entwicklungsperspektiven
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Einleitend in die kritische Bewertung der Intelligenzdiagnostik sind einige Vormerkungen zu treffen.
Was bedeutet es eigentlich intelligent zu sein oder einen höheren Intelligenzquotienten als eine andere Person zu haben? Es ist nicht überraschend, dass man Antworten auf diese Fragen nur im Kontext des angewandten Tests und der zugrunde liegenden Theorie geben kann, da sich viele unterschiedliche Theoretiker mit der Intelligenz befassten und befassen und unterschiedliche Tests, basierend auf verschiedenen theoretischen Hintergründen entwickelten. Ein IQ ist nicht gleich einem anderen IQ, da auch zur Normierung der Testergebnisse unterschiedliche Varianzen in der Population angenommen werden oder die Vergleichsgruppen unterschiedlich aufgebaut sind.
Die Idee, die Befähigung zur Leistung, die durch Denkvorgänge hervorgerufen wird, in der Gesellschaft zu messen, um Individuen vergleichen zu können und gegebenenfalls hoch intelligente Personen erfassen zu können und sie gezielt zu fördern, erweist sich als eine sinnvolle. Dennoch stellt sich bei einer näheren Betrachtung der Intelligenzforschung schnell heraus, dass es sehr viele unterschiedliche Ansätze gibt und Verständnisse von dem, was Intelligenz ist und wie man sie messen kann. Eine allgemeingültige Definition des Konstruktes gibt es nicht, auch keine eindeutige Akzeptanz eines bestimmten Modells. Genau dies sollte eben dazu führen, sich die gängige Intelligenzdiagnostik anzuschauen und eine kritische Bewertung zu vollziehen, sowie auf neuere Ansätze einzugehen, wie es im Folgenden geschehen wird.
2 Kritik an der konventionellen Intelligenzdiagnostik
Die Kritik an der Intelligenzdiagnostik des letzten Jahrhunderts reicht von den statistischen Defiziten bis hin zu politischen Diskussionen, von der Stabilität des Konstruktes Intelligenz zur Anlage-Umwelt-Kontroverse usw..
Man kann also an vielen Stellen ein kritisches Resumé ziehen.
Amelang und Zielinski (1994) äußern sich zu dieser Problematik folgendermaßen: „Intelligenztests sind Verfahren, die ein Konstrukt messen wollen, dessen definitorische Fassung bislang nicht unumstritten ist. Selbst wenn Testautoren ihrem Test eine Intelligenzdefinition voranstellen, so bleibt die Beziehung zwischen Definition und konkreten Testaufgaben meist im Dunkeln“ (Amelang & Zielinski, 1994).
Es muss bei unterschiedlichen Autoren von Tests also davon ausgegangen werden, dass sie aufgrund ihrer impliziten Herangehensweise an eine Theorie über die Intelligenz verschiedenen Facetten der Intelligenz messen. Borings hatte dazu schon 1923 gesagt, das Intelligenz das sei, was der betreffende Test messe.
Über die Uneinheitlichkeit der Intelligenzmessung hinaus ist ein weiterer Kritikpunkt zu erwähnen, denn, schaut man sich Menschen an, die im Leben erfolgreich sind, so kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass es noch mehr geben muss, als die rein akademische Intelligenz. Komponenten wie Kreativität oder praktische Intelligenz werden bislang aber kaum in der Intelligenzmessung berücksichtigt.
Die Anwendung von Intelligenztests, die meist noch auf Paper-and-Pencil-Testung beruht, scheint auch nicht mehr ganz zeitgemäß. Nicht nur, da Computertechnologie zu unserem heutigen Alltag gehört, sondern auch, da in diesem Feld der Anwendung viele neue Möglichkeiten stecken, die heute teilweise schon genutzt werden. So bieten beispielsweise computergestützte adaptive Tests die Möglichkeit, Testitems auf die Probanden individuell abzustimmen. Dies ist schon ein großer Fortschritt im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden, hier liegt aber sicherlich noch weiteres Potential für die Leistungsdiagnostik.
Jäger und Petermann (1995) weisen weiterhin darauf hin, dass herkömmliche Intelligenztests lediglich einen Ist-Zustand der Lerngeschichte des Individuums erfassen, allerdings keine Rückschlüsse auf das Intelligenzpotential ermöglichen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Kritik an der Intelligenzforschung so alt ist wie die Forschung selbst, dass viele verschiedene Theoretiker sich mit der Intelligenz befassen und zu teilweise unterschiedlichen Auffassungen tendieren, es aber neuere Ansätze gibt, die versuchen, den oben genannten Kritikpunkten entgegenzuwirken und sich die Intelligenzdiagnostik pulsierend weiterentwickelt.
In den folgenden Kapiteln sollen einige neuere Modelle, so wie -zumindest noch - Nachbarbereiche vorgestellt werden. Außerdem wird ein kurzer Ausflug in die unterschiedlichen Erklärungsansätze der individuellen Intelligenzdifferenzen gemacht und weitere Entwicklungsrichtungen skizziert.
3 Neuere Konzepte
3.1 Modell der multiplen Intelligenzen von Gardner
3.1.1 Vorstellung der Theorie
Gardners Modell der multiplen Intelligenzen von 1983 und 1998 fokussiert mehr die Domänen der Intelligenz als den mentalen Prozess (Davidson & Downing, 2000).
Gardner postuliert, dass es mindestens acht größtenteils unabhängige Faktoren der Intelligenz gibt, die gleichbedeutend sind und in vielen Kulturen vorkommen. Gardner definiert 1993 Intelligenz folgendermaßen: „... the ability to solve problems, or to create products, that are valued within one or more cultural settings”. Drei seiner postulierten Intelligenzen kann man mit den herkömmlichen Intelligenztests messen, nämlich die linguistische, die logisch-mathematische und die räumliche.
Die linguistische Intelligenz umfasst die Möglichkeiten durch Sprache zu erklären, zu überzeugen, Informationen zu erinnern und seine Meinung auszudrücken.
Die logisch-mathematische Intelligenz ermöglicht mit Relationen zu operieren, in dem man abstrakte Symbolsysteme benutzt und Ideen zu bewerten und logisch zu quantifizieren.
Die räumliche Intelligenz beinhaltet die Fähigkeiten räumlich-bildhafte Informationen zu verarbeiten und zu transformieren. Die übrigen fünf Intelligenzen finden sich in den meisten Kulturen, auch wenn sie nicht mit herkömmlichen Tests erfasst werden können, zu ihnen gehören die musikalische Intelligenz, die körperhaft-kinästhetische, die intrapersonelle, die interpersonelle und die naturalistische.
Musikalische Intelligenz umfasst das sensibel sein für unterschiedliche Musikarten, sowie der erfolgreiche Umgang mit Tönen und Rhythmus usw..
Die körperhaft-kinästhetische Intelligenz ist der geschickte Umgang mit dem eigenen Körper.
Intrapersonelle Intelligenz beschreibt das Erkennen seiner eigenen Motive, Emotionen, Stärken und Schwächen. Die interpersonelle Intelligenz dagegen umfasst das Erkennen und den sensiblen Umgang mit den Motiven, dem Verhalten und den Emotionen anderer.
Die letzte von Gardners postulierten Intelligenzen ist die naturalistische Intelligenz, die die Fähigkeiten umschließt, die Begebenheiten der natürlichen Umwelt zu verstehen (Davidson & Downing, 2000).
Gardner stützte seine Annahmen nicht wie viele andere Theoretiker auf Paper-and-Pencil-Tests sondern auf neuropsychologische Befunde, die zeigen, dass man bei unterschiedlichen Schäden einzelner Hirnteile, man in diesen Feldern unterschiedlich beeinflusst ist. Aber Gardner nutze noch weitere Quellen um seine Theorie zu stützen, die an dieser Stelle nicht näher beschrieben werden sollen (siehe Davidson & Downing, 2000).
Eine weitere wichtige Annahme von Gardner und seinen Kollegen ist, dass sie davon ausgehen, dass man Intelligenz am besten da messen soll, wo sie auftritt, und von daher Paper-and-Pencil-Tests nicht angemessen sind. Daraus resultieren wurde das Modell multipler Intelligenzen hauptsächlich in Real Worl-Settings geprüft.
3.1.2 Mögliche Konsequenzen für die Intelligenzdiagnostik
Gardner postuliert in seinem Modell, dass es eine Reihe unterschiedlicher, unabhängiger Intelligenzen gibt, welche er durch seine Untersuchungen herausfand. Möchten wir diese theoretischen Maßnahmen also umsetzen, so müssten wir unterschiedliche Test konstruieren, die sich mit den unterschiedlichen Intelligenzen befassen oder noch theoriekonformer, in die Umwelt gehen und die unterschiedlichen Intelligenzen in natürlichen Situationen beobachten. Es gäbe also keinen allgemeinen Intelligenztest mehr, sondern mindestens acht verschiedene - so viele wie Intelligenzen.
3.2 Triarchische Intelligenztheorie von Sternberg
3.2.1 Vorstellung der Theorie
Nach Sterberg ist Intelligenz die Fähigkeit, kontextuell angemessenes Verhalten in neuen Situationen oder während der Automatisierung des Umgangs mit bekannten Situationen zu zeigen (Kail & Pellegrino, 1988).
Seine Theorie von 1985, 1988 und 1997 lehnt den traditionellen psychometrischen Zugang zur Analyse der Intelligenz in Begriffen der Struktur des Intellekts oder anhand von Schlussfolgerungen, die auf Intelligenztest-Faktoren beruhen, ab. Stattdessen ist Sterbergs Theorie ein Versuch, die kognitiven Prozesse zu verstehen, über die der Mensch verfügt, wenn er Probleme lösen will. Diese Theorie versucht weiterhin, den Begriff des IQs so auszuweiten, dass er Kreativität und die Fähigkeit, die Umwelt wirksam zu beeinflussen, einschließt.
Sternberg unterscheidet drei interagierende Aspekte der Intelligenz:
I. Die Komponenten- Subtheorie (internaler Aspekt):
Intelligentes Verhalten ist das Resultat des Zusammenwirkens verschiedener Komponenten. Eine Komponente ist ein elementarer Informationsverarbeitungsprozess, der auf geistige Repräsentationen von Gegenständen oder Situationen einwirkt. Hier wird eine Performanzkomponente, eine Metakomponente und eine Komponente des Wissenserwerbs postuliert.
Die Metakomponente umfasst mehrere Stadien und dies sind höhere geordnete mentale Prozesse, die intelligente Individuen nutzen um Problemlöseerfolge zu erreichen (Kail & Pellegrino, 1988). Nach Davidson & Downing umfassen sie folgende Prozesse:
1. Erkennen, dass ein Problem existiert, das gelöst werden muss
2. Problemdefinition
3. Selektieren niederer Prozesse, die benötigt werden, um das Problem zu lösen
4. Auswahl einer geeigneten Strategie um das Problem zu lösen
5. Auswählen der Repräsentation der Information
6. Auswählen von Strategien zur Kombination von Performanzkomponenten
7. Lösungsüberwachung
8. Resultatbewertung und eventuelle Reaktionen auf Feedback
Individuelle Unterschiede in der Nutzung der Metakomponente können laut Sternberg das hartnäckige Erscheinen eines g-Faktors in Faktoranalysen erklären (Davidson & Downing, 2000). Die Performanzkomponente umfasst die niederen geordneten mentalen Prozesse, die Individuen nutzen, die Instruktionen der Metakomponente auszuführen. Sie gliedert sich in drei generelle Stadien, nämlich das der Enkodierung, des Vergleichs und der Reaktion (Davidson & Downing, 2000).
Die Komponenten des Wissenserwerbs ist ebenso wie die Performanzkomponente durch niedere mentale Prozesse gekennzeichnet. Sie ermöglicht intelligenten Individuen zu lernen, wie man an das Wissen herankommt, das gebraucht wird, um ein Problem zu lösen. Sternberg fand drei entscheidende Mechanismen hierfür, nämlich die selektive Enkodierung, die selektive Kombination und der selektiver Vergleich (Kail & Pellegrino, 1988).
Hier wird weiterhin davon ausgegangen, dass der effektive Wissenserwerb für intelligentes Handeln ausschlaggebender ist als der Wissensbestand (Sternberg, 1985).
[...]
- Citation du texte
- Katrin Hoffmann (Auteur), 2002, Kritische Bewertung der konventionellen Intelligenzdiagnostik und Diskussion neuer Forschungsansätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21816
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