Die Arbeit fasst die Geschichte des deutschen Theaters und
der deutschen Gesellschaft in St. Petersburg zusammen. Es wurde solchen Fragen nachgegangen wie: Welchen Platz besaß das deutsche Theater St. Petersburgs im gesamten Netz der deutschen Theater? Welche soziale Trägerschichten des heaters gab es bzw. welches soziale Spektrum war im Publikum vertreten? Inwieweit kamen die Aufführungen den Wünschen des Publikums nach und welche Art der Aufführungen: Komödie, Drama, Tragödie, Oper oder Ballett, besaß die höchste Popularität. Die Geschichte des Theaters wurde vor allem unter dem historischen Aspekt betrachtet, wobei hier das Zusammenwirken zwischen darstellendem Schauspieler und aufnehmendem Zuschauer, im weiteren Sinne das Zusammenspiel zwischen dem Künstler, dem Publikum und der Gesellschaft als Ganzes besondere Beachtung finden.
Inhaltsverzeichnis
- ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
- EINLEITUNG
- 1 _ Die deutsche Gesellschaft und das deutsche Theater in St. Petersburg im 18. Jahrhundert
- 1.1. Die deutsche Gesellschaft St. Petersburgs im 18. Jahrhundert
- 1.1.1. Deutsche Siedlungsstruktur in St. Petersburg
- 1.2. Das deutsche Theater im 18. Jahrhundert
- 1.2.1. Das deutsche Hoftheater 1706-1740
- 1.2.2. Das deutsche Theater 1740-1773: Zwischen Hof- und Privatbühne
- 1.2.3. Die Rigaische Truppe 1775-1777 und Karl Knipper 1777-1781: Das private deutsche Theater
- 1.2.4. Das deutsche Hoftheater unter der kaiserlichen Direktion 1782-1791 _
- 1.2.5 _ Das deutsche Privattheater 1792-1800: Tilly, Rundthaler, Mire
- 1 _3_ Zusammenfassung des 18 _ Jahrhunderts
- 1.1. Die deutsche Gesellschaft St. Petersburgs im 18. Jahrhundert
- 2. Die deutsche Gesellschaft und das deutsche Theater von 1800-1890
- 2.1 _ Die deutsche Gesellschaft im 19. Jahrhundert
- 2.2. Das deutsche Theater unter der Direktion der kaiserlichen Theater 1800-1890
- 2.2.1. Die deutsche Privat- und Hoftruppe und die endgültige Entscheidung zugunsten der letxteren 1800-1812
- 2.2.2. Das Deutsche Theater von 1812 bis 1830
- 2.2.2.1 _ Die soziale Lage der Schauspieler__
- 2.2_3_ Erimlerungen von Karoline Bauer über das deutsche kaiserliche Theater 1828 und 1831-1834
- 2.2.4. Das deutsche Theater won 1834 bis 1890
- 2 Das Ensemble
- 2.2.4.2. Das Publik-um
- 2.2.4.3. Die Gastspiele der ausländischen Künstler
- 3. Die Gastspiele der Schauspielgesellschafi von P. Bock (1890-1914)____
- 4. Das kulturelle Leben der deutschen Gesellschaft 1870-1914 _
- ZUSAMMENFASSUNG
- ZEITTAFEL
- TABELLEN
- LITERATURVERZEICHNIS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Studie befasst sich mit der Geschichte des deutschen Theaters und der deutschen Gesellschaft in St. Petersburg vom Beginn der Stadtgründung im Jahr 1703 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Ziel der Arbeit ist es, eine umfassende Darstellung der Entwicklung des Deutschen Theaters in St. Petersburg zu liefern, die dessen spezifische Gegebenheiten im Kontext der deutschen Gesellschaft in der Hauptstadt verdeutlicht und die Entwicklungstendenzen interpretiert.
- Der Platz des deutschen Theaters St. Petersburgs im Netz der deutschen Theater
- Die soziale Trägerschichten des Theaters und deren Bedürfnisse
- Das soziale Spektrum des Publikums
- Die Popularität verschiedener Theatergattungen (Komödie, Drama, Tragödie, Oper, Ballett)
- Die Entwicklung der deutschen Gesellschaft in St. Petersburg und deren Einfluss auf das Theater
Zusammenfassung der Kapitel
- Die deutsche Gesellschaft St. Petersburgs im 18. Jahrhundert
- Die deutsche Gesellschaft St. Petersburgs im 18. Jahrhundert war geprägt von einer großen deutschen Kolonie, die sich aus Vertretern des Militärs, des Handwerks, der Kunst, der Medizin, der Wissenschaft, des Klerus und des Adels zusammensetzte. Die Deutschen kamen teils aus anderen russischen Städten, teils aus dem Ausland, vor allem aus den Ostsee-Provinzen und Nord-Deutschland. Die Einwanderung wurde durch den Erlass von 1702 gefördert und die deutsche Kolonie repräsentierte praktisch alle sozialen Schichten.
- Die deutsche Gesellschaft St. Petersburgs hatte einen großen Anteil an Beamten, Militärs, Ärzten und Freiberuflern, die durch die Regierungsanstalten, Kollegien, die Akademie der Wissenschaften mit der Universität und das deutschsprachige Chirurgische Institut angelockt wurden.
- Die deutsche Gesellschaft in St. Petersburg war auch wirtschaftlich aktiv. Der wirtschaftliche Aufstieg der Privatunternehmen, zu denen auch die deutschen gehörten, begann besonders intensiv ab 1762, als Katharina II. das Monopolsystem im Wirtschaftsleben abschaffte. Es entstanden bedeutende deutsche Handels- und Bankfirmen. Die deutsche Bürgergesellschaft war auch im allgemeinen Stadtrat vertreten.
- Das gesellschaftliche Leben der deutschen Gesellschaft St. Petersburgs entfaltete sich seit dem Anfang der 1770er Jahre. Es entstanden sowohl der deutsche, als auch der russische bürgerliche Klub, wobei in letzterem auch viele Deutsche mitwirkten.
- Das deutsche Theater im 18. Jahrhundert
- Die Gründung des deutschen Theaters in St. Petersburg wird unterschiedlich datiert. Die erste deutsche Truppe in Moskau wurde 1702 von Johann Christian Kunst aus Danzig geleitet. Nach dem Tod von J_C_ Kunst 1703 wurde er durch den Moskauer Goldschmied Otto Fürst ersetzt, dessen Sohn Hermann die deutsche Truppe in St. Petersburg später leitete.
- Die erste vollkommen deutsche Truppe war die von Johann Karl von Eckenberg, der unter dem Ruffamen "der starke Mann" auftrat. Er vereinigte seine Truppe 1719 mit der Schauspielergesellschaft von LH. Mann in Königsberg und kam mit insgesamt 40 Schauspielern nach Riga. Mit Sicherheit kann man sagen, daß er in diesem Jahr auch nach St. Petersburg kam.
- Nach dem Tode Peters I. wurden die deutschen Vorstellungen wegen der krisenhaften Situation bei Hofe und dessen schwieriger finanzieller Lage unterbrochen. Die unmittelbaren Nachfolger Peters, Katharina I (1725-1727) und Peter II. (1727-1730) waren dazu nicht besonders theaterfreundlich.
- Nachdem Elisaveta, die Tochter Peter des Großen, 1741 den Thron bestieg, wurden infolge der "nationalen Reaktion" einige Maßnahmen gegen die Deutschen ergriffen. Die "Bironoväcma" und sogenannte "deutsche Vorherrschaft" sind übertriebene Vorurteile der russischen Historiographie des 19. Jahrhunderts und der Geschichtsschreibung ab 1917.
- Die erste Aufführung der Truppe von Karoline Neuber wurde im April 1740 begonnen. Die Truppe spielte wahrscheinlich im Theater des 1737 neuerbauten Winterpalastes, da auf der Bühne des hölzemen Theaters auf dem Marsfeld bis 1740 und später bis 1745 die Truppe JF Hilferdings spielte.
- Nachdem die Kaiserin Anna 1740 gestorben war und der Herzog Buhren, unter dessen Protektion die deutsche Truppe stand, gestürzt worden war, sollte sie so schnell wie möglich Rußland verlassen.
- Nachdem er 1740 Petersburg verlassen hatte, ging J_P_ Hilferding zur Neuorientierung nach Berlin, wo ihm am 20. Juli 1740 von Friedrich dem Großen das preußische Privileg für Königsberg, Berlin, Stettin, Frankfint/O_, Magdeburg, Halle, Halberstadt und Minden erteilt wurde. 1741/42 gastiert seine Truppe in den obengenannten Städten. 1743 bereiste er außerdem wieder Riga und St. Petersburg.
- Im letzten Vieltel des 18. Jahrhunderts trat eine neue soziale und ökonomische Macht "auf die Bühne" - das deutsche Bürgertum, auf deren finanzielle Unterstützung das Theater von 1775 bis 1782 und von 1792 bis 1799 angewiesen war.
- Im November 1781 verließ ein junger Mann, A_FF_ von Kotzebue, Weimar und ging nach St. Petersburg, wo er die Stelle des Privatsekretärs beim Generalmgeneur Friedrich-Wilhelm von Bauer, dem Begründer des russischen Generalstabs, übernahm.
- Nachdem K _ Knipper mehr und mehr in eine finanzielle Bedrängnis durch Theaterangelegenheiten geriet, suchte er andere Möglichkeiten, um das Deutsche Theater zu unterstützen. Der Schauspieler der Truppe und ihr zukünftiger Inspekteu- Karl Jochannes Fiala, der gute Beziehungen zum Hof hatte, bewirkte die Auffahme der deutschen Schauspieler in die Hoftruppe, die unter der Leitung des Direktors der Hofschauspiele und der Hofinusik Vasilij 11'ic Bibikov stand. Ebenfalls großen Anteil an der Auffahme hatte der Generalingeneur F _W_v_ Bauer, der darauf die Veranmortung für den künstlerischen und administrativen Teil übernahm.
- Um die Theaterangelegenheiten besser zu ordnen und die Ausgaben endlich zu regeln, brachte Katharina II. 1783 alle theatralischen Veranstaltungen unter die Leitung eines fachrnännichen Komitees, das "Komitet nad zrelßcami i muzykoj" (1783-1786) hieß.
- Im Jahr der Auflösung der deutschen Truppe 1791 lag die Höhe des Gehalts zwischen 150 und 1.500 Rubel und der mittlere Wen sank auf 627:1 Rubel pro Person. Außerdem war die Zahl der Schauspieler beträchtlich niedriger und sank auf 15, einschließlich der beiden Kinderrollem. Das ist nicht verwunderlich, da auf Kosten der deutschen Truppe mittlerweile gespart wurde. Dagegen erhöhten sich - im Vergleich zu vorher - die Gehälter in der französischen Truppe merklich von 800 bis 4.200 Rubel pro Person und pro Jahr. 1791 erreichte die russische Truppe das Gehaltsniveau der deutschem. Die russischen Schauspieler von 200 bis 1400 Rubel. Auch die Fluktuation der deutschen Schauspieler war hoch. Von 19 Personen blieben 1791 nur noch 8, zu denen die neuen Schauspieler hinzukamen. In diesem Jahr bestand die deutsche Truppe aus insgesamt 15 Schauspielerinnen und Schauspielern.
- Wie auch während der 1770er Jahre unter Karl Knipper, bestand das Deutsche Theater, auch nach der Auflösung der deutschen Hoftruppe im Jahre 1791 bis zum Jahre 1800 als privates Untemehmen weiter. Damals kam es kurz unter die Ägide der Dir ektlon der kaiserlichen Theater. Leiter des deutschen Theaters war wieder August von Kotzebue.
- Nachdem er sich ein gute Rénomée in der Petersburger Gesellschaft schaffe, bekam er einen Kredit von den deutschen Kaufleuten und Professorer+01 und später eine finanzielle Unterstützung vom Zarenhof. Das erlaubte ihm, das ganze Theatereigentum, günstig von den deutschen Geschäftsleuten zu kaufen und das Theatergebäude, wo früher die Theateraufführungen stattfanden, zu pachten.
- Die Protektion seitens der Kaiserin Maria Fedoroima erlaubte es Miré, eine Vorfinanzierung seines Theateruntemehmens in der Höhe von 30.000 Rubel zu bekommem. Miré warb aus den deutschen Theatern in Altona, Königsberg, Dessau, Wien, Prag u.a. Städten 29 Schauspieler und Sänger an, die vom 16 September bis zum 1. Juni 1801 nach St. Petersburg kommen sollten. Das erfahren wir aus dem "Verzeichnis der Ausländer, die für das hiesige deutsche Theater verschrieben wurden" und um eine Erlaubnis für die Einre i se baten.
- Die deutsche Gesellschaft im 19. Jahrhundert
- Die deutsche Gesellschaft St. Petersburgs teilte sich der Herkunft nach in die drei großen Gruppen: Baltendeutsche, Reichsdeutsche und Petersburger Deutsche, wobei die letzteren am zahlreichsten waren. Das waren die Deutschen, die in St. Petersburg geboren waren oder hier schon seit einigen Generationen lebten.
- Die größte soziale Gruppe unter den Deutschen in St Petersburg wurde durch das Kleinbürgertum (meécane) und Großbürgertum vertreten. Die Handwerker, die Kaufleute, die Industriellen und der Klerus wurden meistens aus diesen Schichten rekrutiert.
- Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die deutsche Gesellschaft auch zahlenmäßig schnell: 1816 gab es 23612 Deutsche, 1869 wurden schon 45.600 deutschY und russischsprachige Deutsche, 1881 - 48 700, 1890 - 47.000, 1900 - 50.300 und 1910 - 47 400 gezählt.
- Als Residenzstadt unterhielt St. Petersburg große diplomatische Korps. Von den deutschsprachigen Ländern wurde schon seit 1720 ein preußischer Konsul gestellt.
- Das deutsche Theater unter der Direktion der kaiserlichen Theater 1800-1890
- Das Theater befand sich hinter dem Haus, das mit seiner Fassade zum Palastplatz stand. Es wurde in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts gebaut. Im Hinterhof befand sich das Gebäude, in dem das deutsche Theater eingerichtet wurde. Diesen Komplex von Gebäuden verschenkte Kaiserin Katharina II. am 4. Juli 1784 an Elizaveta Dmitrievna Kußeleva (geb. Lanskaja). Am 1. November 1804 übergab sie ihrerseits diesen Komplex an ihre Tochter als Hochzeitsgeschenk, die den Staatsrat Molcanov heiratete. In diesem Gebäude spielte die deutsche Truppe von etwa 1792 bis zum April 1819.
- Am 31 01_1806 brannte der Innenraum des Theaters völlig aus und erst am 1. September 1808 wurden dort wieder deutsche Vorstellungen gegeben: Molcanov renovierte das Gebäude und vermietete es an die Direktion der kaiserlichen Theater für 7 000 Rubel im Jahr ueiter. Im Theater sollten, wie auch vor dem Brand, weiterhin deutsche Vorstellungen gegeben werden. Die Zuschauer gelangten in das Theater über eine halbrunde Paradetreppe. Aus den Räumen, die für die Maskerade und für Konzerte bestimmt warenz, konnten sie durch einen Flur zum Theater gelangen.
- Von der Zeit um 1800, als Kotzebue ein Jahr am Deutschen Hoftheater tätig war, bis 1812, wurde zwischen Privat- und Hoftruppe entschieden: Die deutsche Truppe wurde zweimal, 1800 und 1807, unter die Ägide der Direktion der kaiserlichen Theater gestellt. Von 1807 bis 1890 bestand nun ununterbrochen das Deutsche Hoftheater.
- Nach dem Abschied von Miré im August 1800 wurde die Leitung des Deutschen Theaters für kurze Zeit auf v. Kotzebue auferlegt, der kurz zuvor von Paul I begnadigt und aus der Verbannung nach Sibirien, als er dorthin unterwegs war, nach St. Petersburg zurückbefördelt wurde. Ob der Grund für seine Verbannung seine Schrift "Dr. Bahrdt mit der eisernen Stim oder die Deutsche Union gegen Zimmermann" (1790) war, die in Rußland als Verleumdung Rußlands angesehen wurde, bleibt ungewiß. Dieser Vorfall endete aber für Kotzebue auf überraschende aber nicht glückliche Weise: Er wurde begnadigt und von Paul I. zum Direktor des Deutschen Theaters im das unter die Direktion der kaiserlichen Theater gestellt wurde, ernannt. August v. Kotzebue bekam den Rang eines Hofrats und einen Gehalt von 1 200 Rubeln, was ihn aber nicht völlig befriedigen konnte, weil die erdrückende Atmosphäre der damaligen Zeit ihm jeden Wunsch, das Deutsche Theater zu leiten, verdarb. Kotzebue wurde zusammen mit Krasnopol'skij zum Zensor eigener Stücke. Wörter wie "Bürger", "Republik", "Freiheit", "Gleichheit", "Patriot" und ähnliche mußten im Text gestrichen werden. Auch wegen der Intrigen der Leiterin der französischen Truppe, Mme_ Chevalier, wollte er sich so schnell wie möglich von diesem Amt befreien.
- Nach dem Weggang Kotzebues, der den Thronwechsel nutzte, um das ihm lästige Amt des Direktors niederzulegen, wurde wiederum J _ Miré Direktor des Deutschen Theaters. Er leitete es von 1802 bis 1805 als Privatuntemehmen. Ungeachtet dessen und dank seiner guten Beziehungen zum Hof und der Protektion der Mutter des Kaisers Aleksandr I. Maria Fedorovnas, gelang es ihm, wieder hohe Unterstützungsgelder zu bekommen und einige Schauspiele im Winterpalast aufzuführen. Dies erlaubte es ihm, Schauspieler und gute Musiker aus Deutschland nach St. Petersburg einzuladen.
- Die Ereignisse der vorangegangenen Periode und besonders des Jahres 1812 schienen für das Deutsche Theater in St. Petersburg positive Auswirkungen zu haben. Zu den Veränderungen der Lage der deutschen Truppe gehörte auch die Änderung der Besetzungspolitik. Bis 1812 wurde für die deutsche Truppe überhaupt kein Personalbestand festgeschrieben: Das Geld wurde nach der Schauspielerzahl ausbezahlt. Für das Jahr 1811 wurden dafür 48.470 Rubel verwendet. Für 1812 aber wurden für den festgesetzten deutschen Schauspielerbestand 62 000 Rubel, also 13.730 mehr als in den vorhergehenden Jahren, von A.L. (1760-1826) und darauf vom Kaiser bewilligt. Es wurden die Rollenficher bestimmt, für die jeweils zwischen 1.000 und 3_500 Rubeln bewilligt wurde, wohingegen für Kinderrollen je 500 Rubel ausbezahlt wurden. Diese Veränderung an der Gehaltspolitik war deswegen möglich geworden, weil das Komitee der Direktion der kaiserlichen Theater die Fixierung des Personalbestandes für die Bestimmung des genaueren Jahreshaushalts der deutschen Truppe und für die erfolgreiche Durchfiihrung des deutschen Schauspielplanes für nützlich hielt.
- In den Jahren nach der Auflösung der französischen Theatertruppe und bis zu ihrer Wiedereröfflung 1818 konnte das deutsche Theater sie nicht ersetzen. Sie existierte, genau wie ihrer Auflösung, für ein besonderes Publikum. Ungeachtet der Tatsache, daß die höhere deutsche Gesellschaft später den Geist der deutschen Literatur sehr hoch einschätzte, besuchte sie das deutsche Theater fast nie: Es blieb die Abendfreude für die eigennützige und bei uns arbeitende deutsche Bevölkerung.
- Im Zusammenhang mit dem Umbau des Hauptstabsgebäudes wurde auch das deutsche Theater im Haus von Molcanov zum Archiv umgebaut. Seit 1818 spielte die deutsche Truppe auf der Bühne des Malyj- Theaters, die sie sich zusammen mit der französischen Truppe teilte, und einige Jahre darauf bis 1833 spielte sie auf der Bühne des Zirkusgebäudes gegenüber der Simeonovskij-Brücke.
- Die Berichte über die Einnahmen aus den Vorstellungen im Neuen bzw. Deutschen Theater liefern uns einige Informationen über die hohe Zahl der Vorstellungen der deutschen Truppe von 1811 bis 1819. In diesen Berichten wurde auch die Besucherzahl mitgeteilt, die ein beeindruckendes Bild der Beteiligung der Deutschen am theatralischen Leben gab. Bezogen auf die Gesamtzahl der Deutschen in St Petersburgs war die Resonanz sehr hoch.
- Insgesamt wurden in den zehn Jahresdritteln 839 Vorstellungen gegeben: darunter 298 Opern, 287 Komödien, 137 Dramen und 77 Tragödien. Der Rest (Ballette, Intermedien, Konzerte und die akrobatischen Vorstellungen) machte 40 Vorstellungen aus. Das prozentuale Verhältnis zwischen den Hauptarten der Darstellungen (Komödie, Oper, Drama und Tragödie) blieb mit kleinen Schwankungen konstant.
- In den zehn Jahresdritteln besuchten das Deutsche Theater 208.950 Zuschauer, wodurch 362 _824 Rubel Einnahmen erzielt werden konnten. Aufgrund der vorhandenen Daten ist es möglich anzunehmen, daß diese letztgenannten Einnahmen maximal die Hälfte ion den Gesamtjahresemahmen ausmachten. In der Tatsache waren die Jahreseinnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit viel größer, weil hier die sechs besucherträchtigsten letzten Jahresdrittel (vom 1. September bis zum 31. Dezember) fehlen. Es gibt deshalb keinen Grund, die weiterausgefihrten Wene noch mehr zu vermindem, da es schon ein kritisches Minimum ist. Wenn also die fehlende Hälfte mit der schon vorhandenen addiert wird, ergeben sich mindestens 416 000 Zuschauer und mindestens 725.648 Rubel der Jahreseinnahmen. Nach dem Abzug der Aufivandskosten für die acht Jahre (Die Gehälter - etwa 50 000 Rubel pro Jahr), Miete (7 000 Rubel pro Jahr) und anderes 36, folglich etwa 15 000 Rubel pro Jahr), insgesamt also etwa 570.000 Rubel, blieben 155.648 Rubel als Reingewinn übrig.
- In der Zeit von 1819 bis 1821 war der Fürst Petr Ivanovic Tju$akin der Direktor der kaiserlichen Theater. Er leitete die Theater, im Unterschied zu LA Nary4cin, ohne Verluste und erzielte sogar einigen Gewinn, sprang aber mit den Schauspielern sehr grob um: "Mit den Schauspielern verffhr er häufig eigenmächtig und die Schauspielerinnen bechandelte er nicht gut, oft sogar zynisch". Andererseits aber zahlte er gut für die Übersetzungen einiger neuer Stücke und auch einmalige, ziemlich große Summen an einige Schauspieler und Schauspielerinnen. Seiner Favoritin, der deutschen Schauspielerin Milla-Bender, ließ er für jede Vorstellung 300 Rubel zahlem.
- Die Amtszeit des Direktors Appolon Aleksandrovic Majkov (1'761-1838), die von 1821 bis 1825 dauene, galt als nicht besonders erfreulich für die Schauspieler. So schrieb MI Pyljaev "Unter der Leitung Majkovs war die Lage des Schauspielers nicht beneidenswert. Grenzlose Willkür herrschte über seine Persönlichkeit". Dabei litt die deutsche Truppe unter seinem Despotismus nicht weniger als die nussi s che. Der berühmte russische Tragiker VA Karatygin (1802-1853) wurde eines Tages nach seinem Befehl ins Gefängnis gebracht, weil er sich im Theatersaal im Beisein Majkovs an einen Tisch anlehnte, was ihm zum Verhängnis wurde. Ihm drohte der lebenslange Soldatendienst und nur der Schutz des Gomemeurs Miloradovic rettete ihm.
- 1829 fing mit dem Amtsantritt Sergej Sergeevic Gagarin (1829-1833) als Direktor der kaiserlichen Theater der allmähliche Aufstieg der deutschen Truppe an: Er verpflichtete die besten Schauspieler aus Deutschland und Österreich-Ungarn. In dieser Periode besuchten Henriette Sonntag, Karoline Bauer, Charlotte v. Hagn, Wilhelm Krüger u_a_ St. Petersburg. Die immer größere Resonanz der deutschen Vorstellungen unter dem St Petersburger Publikum veranlaßte die Redaktion der St. Petersburger Zeitung, seit 1829 regelmäßige Theaterannoncen im "Intelligenzblatt" unter besonderer Rubrik zu veröffentlichen. Daraus konnte der Leser erfahren, daß die deutschen Vorstellungen einmal "6chent1ich gegeben wurden. Am Dienstag und am Freitag gab es keine Vorstellungen, weil, wie C. Eichhom schreibt, an diesen Tagen die Kaufleute ihre Korrespondenz besorgen und die Post abfertigen mußten.
- 1834 wurde die deutsche kaiserliche Truppe aus dem alten Zirkus gegenüber der Simeonovskij-Brücke in das neu erbaute Alexandra-Theater geholt, wo sie die Bühne mit der russischen Truppe teilte. Abwechselnd mit der französischen Truppe spielte die deutsche Truppe auch im Michaelis-Theater. Die deutschen Vorstellungen fanden am Montag, Mittwoch und Samstag statt.
- Das fmher aufgetretenes Wanderungsproblem der deutschen Schauspieler bestand im 19. Jahrhundert weiterhim. Solche Virtuosen der deutschen dramatischen Kunst wie Possa_lt, Barnay und Matkowski wollten sich nicht darauf beschränken, nur in ihrer Sprach- und Kulturheimat zu bleiben, und wurden in Rußland, während ihrer Gastspielen, enthusiastisch gefeiert.
- Citation du texte
- Andreas Keller (Auteur), 1995, Das Deutsche Theater und die Entwicklung der deutschen Gesellschaft in St. Petersburg im 18. und 19. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/216
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