Ein typisches Merkmal im Werk von Eric Rohmer ist seine Vorliebe, Filme
zu Zyklen zusammenzufassen. Nach den Filmreihen Contes moraux und
Comédies et Proverbes, folgte als dritter und vorerst letzter Zyklus Contes
des quatres saisons.
Es ist naheliegend, dass hier vier Filme zusammengefasst sind, da dies
gewissermaßen durch den Titel gefordert wird.
In der Literatur ist immer wieder die Tendenz zur Thematisierung der vier
Jahreszeiten zu finden. Man denke nur an Heines Deutschland- ein
Wintermärchen oder Shakespeares Sommernachtstraum und
Wintermärchen, wobei letzteres tatsächlich in Rohmers Conte d’hiver
aufgegriffen wird.
Durch die Vorhersehbarkeit der Jahreszeiten, mit der eine leichte
Charakterisierbarkeit einhergeht, haben sich in der Literatur, wie auch in der
Gemeinsprache standardisierte Metaphern herausgebildet, die auf den
säsonalen Ablauf des Jahres Bezug nehmen und dabei topische
Bedeutungen entwickeln. Dies ist möglich durch die immerwiederkehrenden
Merkmale der Jahreszeiten, die eine solche Standardisierung zulassen: im
Frühling schlagen die Bäume aus, im Herbst werden die Blätter bunt.
Ganz im Gegensatz zu dieser Vorhersehbarkeit stehen zufällige Ereignisse,
deren Eigenschaft eben die Unvorhersehbarkeit darstellt. Der Zufall ist „das
Mögliche, das eintritt, aber nicht eintreten muss.“ und geschieht „ohne
erkennbaren Grund und ohne Absicht“ 1 Die Contes des quatres saisons
spielen sich vor dem festen Hintergrund der Jahreszeiten ab, greifen aber
auch das Phänomen des Zufalls auf.
Die filmwissenschaftliche Forschungsliteratur im Zusammenhang mit
Rohmer konzentrierte sich bisher hauptsächlich auf die Filmzyklen Contes
moraux und Comédies et Proverbes. Dies mag wohl daran liegen, dass
Rohmers letzter Zyklus erst vor wenigen Jahren abgeschlossen wurde.
Angesichts dieses mangelnden Forschungsstands wurde für die
nachfolgende Arbeit wenig Sekundärliteratur verwendet. Als ergänzende Lektüre war besonders Les Cahiers du Cinéma hilfreich, wie auch die
Aufsatzsammlung Rohmer intermedial2.
1 Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999 (CD-Rom).
2 Selten, Ute/ Rohloff, Volker, Rohmer intermedial, Siegen 2000.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Thematik der Jahreszeiten und des Zufalls
2. Der FilmzyklusContes des quatres saisons
3. Conte d’été
3.1 Abriss der Handlung
4. Conte d'hiver
4.1 Abriss der Handlung
5. Vergleichende FilmanalyseConte d’éteundConte d’hiver
5.1 Typische filmische Vermittlungsverfahren bei Rohmer
5.2 Inhaltliche Strukturen der Filme
5.2.1 Das Konfliktpotential der Figurenkonstellationen
5.2.2 Die Beziehungen der Figuren untereinander
5.2.3 Die Rolle des Zufalls
5.2.3.1 Die Rolle des Zufalls inConte d'été
5.2.3.2 Die Rolle des Zufalls inConte d'hiver
5.2.3.3 Vergleich der beiden Filme in Anbetracht der Thematik des Zufalls
5.2.4 Die Thematisierung der Jahreszeiten
6. Interfilmische Bezüge
1. Die Thematik der Jahreszeiten und des Zufalls
Ein typisches Merkmal im Werk von Eric Rohmer ist seine Vorliebe, Filme zu Zyklen zusammenzufassen. Nach den Filmreihen Contes moraux und Comédies et Proverbes, folgte als dritter und vorerst letzter Zyklus Contes des quatres saisons.
Es ist naheliegend, dass hier vier Filme zusammengefasst sind, da dies gewissermaßen durch den Titel gefordert wird.
In der Literatur ist immer wieder die Tendenz zur Thematisierung der vier Jahreszeiten zu finden. Man denke nur an Heines Deutschland- ein Winterm ä rchen oder Shakespeares Sommernachtstraum und
Winterm ä rchen, wobei letzteres tatsächlich in Rohmers Conte d ’ hiver aufgegriffen wird.
Durch die Vorhersehbarkeit der Jahreszeiten, mit der eine leichte Charakterisierbarkeit einhergeht, haben sich in der Literatur, wie auch in der Gemeinsprache standardisierte Metaphern herausgebildet, die auf den säsonalen Ablauf des Jahres Bezug nehmen und dabei topische Bedeutungen entwickeln. Dies ist möglich durch die immerwiederkehrenden Merkmale der Jahreszeiten, die eine solche Standardisierung zulassen: im Frühling schlagen die Bäume aus, im Herbst werden die Blätter bunt.
Ganz im Gegensatz zu dieser Vorhersehbarkeit stehen zufällige Ereignisse, deren Eigenschaft eben die Unvorhersehbarkeit darstellt. Der Zufall ist „das Mögliche, das eintritt, aber nicht eintreten muss.“ und geschieht „ohne erkennbaren Grund und ohne Absicht“1 Die Contes des quatres saisons spielen sich vor dem festen Hintergrund der Jahreszeiten ab, greifen aber auch das Phänomen des Zufalls auf.
Die filmwissenschaftliche Forschungsliteratur im Zusammenhang mit Rohmer konzentrierte sich bisher hauptsächlich auf die Filmzyklen Contes moraux und Comédies et Proverbes. Dies mag wohl daran liegen, dass Rohmers letzter Zyklus erst vor wenigen Jahren abgeschlossen wurde. Angesichts dieses mangelnden Forschungsstands wurde für die nachfolgende Arbeit wenig Sekundärliteratur verwendet. Als ergänzende Lektüre war besonders Les Cahiers du Cinéma hilfreich, wie auch die Aufsatzsammlung Rohmer intermedial2. 2. Der Filmzyklus „ Contes des quatres saisons “
Welche Rolle der Zufall in Rohmers drittem Filmzyklus Les Contes des quatres saisons einnimmt soll in der foglenden Analyse genauer betrachtet werden. Deren Gegenstand sind im Besonderen die Filme Conte d’été und Conte d ’ hiver, die im Fortgang unter den Aspekten typischer Vermittlungsverfahren und inhaltlicher Strukturen untersucht werden, wobei auch die Thematik des Zufalls in diesen Filmen berücksichtigt werden wird. Desweiteren soll in die Betrachtung eingehen, inwieweit Eric Rohmer die jahreszeitlichen Bildbereiche in seinen Filmzyklus aufgenommen hat, dessen Titel explizit auf die Abfolge der Jahreszeiten verweist.
Zu dem Zyklus Les Contes des quatres Saisons gehören weiterhin die Filme Conte de printemps und Conte d ’ automne, die hier allerdings nicht vertieft werden sollen.
3. Conte d’été
Der Film Conte d’été, in der deutschen Übersetzung Sommer, wurde 1996 gedreht. Wie so oft bei Rohmer, gibt es auch in diesem Film ein Wiedersehen mit einer Rohmerschen Schauspielerin3 Amanda Langlet . Sie spielte 14 Jahre vorher die Titelrolle in Pauline à la plage, ebenfalls ein „conte d’été“, wie Rohmer selbst in einem Interview sagte.4
3.1 Abriss der Handlung
Es ist Mitte Juli und der junge Gaspard, Protagonist des Films, ein eher zurückhaltender Mathematikstudent, der sich gerne der Musik widmet, verbringt ein paar Tage in Dinard in der Bretagne, um seine Freundin Léna zu treffen. Diese ist jedoch nicht auffindbar, und da er keine Adresse hat, erkundet er allein den Ort und vertreibt sich die Zeit mit seiner Gitarre. Währenddessen lernt er die Studentin Margot kennen, mit der sich langsam und nur durch die Hartnäckigkeit Margots, eine Freundschaft entwickelt. Sie verbringen viel Zeit gemeinsam, wobei sie über die Liebe und Gaspards Kummer debattieren. Da Léna unauffindbar bleibt, versucht Margot den liebeskranken Gaspard auf andere Gedanken zu bringen, indem sie ihn auf ihre Bekannte Solène aufmerksam macht. Als die beiden tatsächlich einen Ferienflirt eingehen, ist sie aber enttäuscht und verletzt. Solène spielt zunächst die Verführerin, verweigert sich dann aber Gaspards tollpatschigen Annäherungen. Zudem taucht auch noch Léna auf, was Gaspard zwar freut, doch zu einer Entscheidung zwischen den beiden Frauen zwingt. Als beide mit ihm verreisen wollen und Gaspard schließlich bemerkt, dass er sich eigentlich in Margot verliebt hat, hilft ihm letztendlich die Nachricht, dass er den Urlaub wegen seiner neue Arbeit schon früher abbrechen muss, aus der Klemme. Gaspard reist daraufhin ab, ohne eine Entscheidung treffen zu müssen.
4. Conte d ’ hiver
Der Film Conte d ’ hiver wurde 1992 gedreht und hat seinen Titel von Shakespeares Theaterstück A tale of winter, das im Film selbst aufgeführt wird und die Situation der Protagonistin reflektiert.
4.1 Abriss der Handlung
Die Rohmersche Heldin Félicie trifft während eines Urlaubs in der Bretagne Charles, der für sie der Mann ihres Lebens ist. Es soll nicht bei einem Urlaubsflirt bleiben, also gibt sie ihm bei der Abreise ihre Adresse, die sie in der Aufregung aber falsch aufschreibt. Fünf Jahre später ist Félicie in Paris Mutter einer vierjährigen Tochter, die ihren Vater Charles nur von Fotos kennt. Félicie glaubt aber fest an ein Wiedersehen mit Charles. Die Überzeugung, er sei der einzige Mann ihres Lebens, hindert sie daran, neue Beziehungen einzugehen. Ihre Affären sind für sie mit zu vielen Zugeständnisse verbunden, denn sie mag zwar die physische Stärke von dem Friseur Maxence, aber als sie schließlich bei ihm einzieht, ist es ihr doch unangenehm. So verlässt sie ihn, mit dem sie eigentlich in dem kleinen Ort Nevers einen neuen Anfang versuchen wollte. Auch auf den intellektuellen Bibliothekar Loic will sie sich nicht ernsthaft einlassen. Sie sieht ihn lediglich als guten Freund, obwohl er in sie verliebt ist. Letztendlich trifft sie tatsächlich auf Charles, der tatsächlich wieder zu einer Beziehung bereit ist.5
5. Vergleichende Filmanalyse Conte d’étéund Conte d ’ hiver
5.1 Typische filmische Vermittlungsverfahren bei Rohmer
Rohmer bleibt in den Contes des quatres saisons seinem Prinzip treu, nach dem, wie bereits im antiken Theaters, die Einheit von Ort, Zeit und Handlung gefordert wird. Rohmer nutzt die technischen Möglichkeiten des Kinos nicht aus. Seine Kameraführung ist statisch und es gibt wenige Kamerafahrten.
Dadurch erhält man den Eindruck, von einem Zuschauerraum aus die Akteure beobachten zu können, denn es wird jeglicher Gegenschwenk der Kamera vermieden, der sozusagen den Zuschauer ins Bild bringen würde. Eric Rohmer möchte eine caméra invisible garantieren, weshalb er nie aus unnatürlichen Perspektiven filmt, sondern so, dass der Zuschauer den Eindruck gewinnen kann, direkt beim Geschehen dabei zu sein.
Rohmer versucht nicht nur durch seine Kamera eine große Authentizität zu erzeugen, sondern auch durch den Einsatz von Laien als Akteure. In Conte d'été hat man beispielsweise den Eindruck, es handle sich um eine Dokumentation, als Margot und Gaspard den alten Matrosen besuchen, denn die Unterhaltung wirkt wie ein Interview mit einem „echten“ Seefahrer.
Die Einheit des Ortes wird durch wenig Variation der Handlungsorte gewährleistet, wobei Conte d ’ hiver in dieser Hinsicht relativ viel Abwechslung bietet durch die ständigen Ortswechsel Félicies auf der Suche nach einem Platz, wo sie ihr Glück finden kann.
Die Einheit der Zeit wird bei Conte d’été deutlich durch einkopierte Datumsangaben, wodurch sich die Geschichte in einem überschaubaren Rhythmus von Tagen und Wochen abspielt.
Dies ist zwar in Conte d ’ hiver nicht der Fall mit Ausnahme der Einblendung nach dem Prolog „ 5 ans après “6, dennoch ist das Prinzip der Einheit der Zeit erkennbar, da Rohmer dem Zuschauer die reale Zeit der Handlung spüren lässt, indem er beispielsweise gleich zu Beginn sehr lang und ausführlich die Fahrt Félicies durch Paris von Loic zu Maxence zeigt. Die Einheit der Handlung ist dadurch gegeben, dass Rohmer auf ausschweifende Nebenhandlungsstränge und Nebenfiguren verzichtet. Sowohl Conte d’été wie auch Conte d ’ hiver konzentrieren sich hauptsächlich auf die wenigen Hauptpersonen des Films. Man verfolgt nur die Handlungen einer Person, also von Félicie bzw. Gaspard, während man von den Nebenfiguren nur das erfährt, was im Zusammentreffen mit den Protagonisten relevant ist. So wird zwar auch Gaspard allein gezeigt, wie er die ersten Tage durch Dinard streift, aber die Mädchen, auf die er im Laufe seines Urlaubs trifft, treten nur in Verbindung mit ihm auf. Was sie in ihrer Zeit machen, in der sie nicht mit Gaspard zusammen sind, kann man nur aus den Gesprächen erschließen.
Der Zuschauer wird auch nicht vom Hintergrund abgelenkt, in dem sich die Figuren bewegen. Ein ausgezeichnetes Beispiel für einen schmucklosen Hintergrund bei Innenaufnahmen ist die Wohnung von Maxence in Nevers. Die Inneneinrichtung beschränkt sich auf das Mobiliar ohne Inhalt. Auch im Zimmer von Félicies Tochter lenkt die Kamera den Blick nur auf das bedeutungsvolle Détail, ein gerahmtes Bild ihres Vaters und Félicies großer Liebe , Charles.
Zu den Besonderheiten bei Rohmer gehört ebenfalls der Verzicht auf Filmmusik. In Conte d’été gibt es lediglich die reale Musik im Film: die Gitarre von Gaspard und die Musik im Restaurant oder in der Disko. Eric Rohmer äußert sich sehr kritisch über den Einsatz von Musik im Film: „ Je ne vois pas à quoi la musique peut servir, si ce n ’ est à arranger un qui est mauvais. Mais un bon film peut s ’ en passer. “ 7 Dennoch wird der Prolog in Conte d ’ hiver, der Félicie und Charles als glückliches Paar im Urlaub zeigt, mit Musik untermalt. In Anbetracht der Aussage Rohmers über die Filmmusik, könnte man diese Einspielung, die die Stimmung dieses Prologs unterstreicht, fast ironisch auffassen.
5.2 Inhaltliche Strukturen der Filme
Ein besonderes Merkmal der Filme von Eric Rohmer ist ihre „Dialoglastigkeit“ bei relativ wenig Handlung. Ein Zitat von Rohmer soll dies noch verdeutlichen: „ Personnellement je préfère montrer des gens en train de parler des choses. Je m ’ en apercevois quand parfois j ’ ai des idées d ’ histoire et que quelque chose me g ê ne. Très vite, je comprends que c ’ est parce qu ’ on voit une action alors qu ’ il fallait en parler. “ 8
Deshalb ist eine Untersuchung der Filme nur durch die Analyse der Personen, ihres Verhaltens und ihrer Diskurse möglich. Die nachfolgende Betrachtung stützt sich auf die ähnlichen Figurenkonstellationen in beiden Filmen, wobei im Fortgang insbesondere auf die Rolle des Zufalls in Conte d'été und Conte d'hiver eingegangen wird. Nicht zuletzt wird die Bedeutung der Jahreszeiten in den Filmen betrachtet, mit der Vorüberlegung, dass es sich hier um eine Gegenspiegelung nicht nur der entgegengesetzten Jahreszeiten ( Sommer und Winter), sondern auch der filmischen Inhalte handeln könnte.
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1 Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1999 (CD-Rom).
2 Selten, Ute/ Rohloff, Volker, Rohmer intermedial, Siegen 2000.
3 Marsilius, Hans-Jörg, „Sommer- Conte d'été „ in: Film-dienst, 12 /1996, S.22.
4 „Entretien avec Eric Rohmer “, in: Cahiers du cinéma, 430/ 1990, S.25.
5 dieser Punkt ist inhaltlich angelehnt an : Hauptseminar Der franz ö sische Spielfilm seit der Nouvelle Vague, Dozent Prof. Walter, Universität Passau Wintersemester 2001/02, Sitzung vom 7.12.2001.
6 Rohmer, Eric, Contes des quatres saisons, petite bibliothèque des Cahiers du cinéma, 1998, S. 186.
7 „ Entretien avec Eric Rohmer“, in: La Nouvelle Vague, A. Baecque de/ C. Tesson (Hgg.), Petite Bibliothèque des Cahiers du cinéma, 1999.
8 „ Entretien avec Eric Rohmer“, in: Cahiers du cinéma, 430/ 1990, S.25.
- Citar trabajo
- Daniela Nuber (Autor), 2002, Der Zufall und die Widerspiegelung der Jahreszeiten in den Filmen „Conte d'été" und „Conte d'hive", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21652
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