Heutzutage sind wir nahezu immer und überall mit Gewalt und Aggression konfrontiert. Es fängt im Fernsehen an, zieht sich in der Schule oder am Arbeitsplatz fort und endet in der Familie. Ein besonders erschütterndes Beispiel für Gewaltausübung war der Terror der Nazis in Konzentrationslagern. Aus psychologischer Sicht haben dazu eine Reihe von Faktoren beigetragen. Unter anderem fehlten beispielsweise die üblichen externen negativen Sanktionen für Gewaltausübung; Brutalität wurde sogar vom System noch besonders anerkannt. Auch fehlten die internen moralischen Standards – Selbstbewertungsprozesse sind durch kognitive Umstrukturierungen neutralisiert worden (Bandura, 1983, 1991). Eine weitere wesentliche Rolle in diesem Zusammenhang spielten euphemistische Begriffe, mit denen das Ausmaß an Gewalt vernebelt wurde (Bsp.: „Kristallnacht“, „Ethnische Säuberung“). Auch wurde das Gefühl der eigenen Verantwortlichkeit für sein Handeln vermindert, indem die Verantwortung auf Autoritäten verschoben wurde.
Doch abgesehen von diesem schrecklichen geschichtlichen Ereignis finden wir Gewalt und Aggression – wie schon vorhin erwähnt – auch alltäglich in unserem gesellschaftlichen Umfeld. So wird zum Beispiel die Gewalt in Familien (insbesondere die Gewalt gegen Frauen und Kinder) häufig unterschätzt. Ein Grund dafür liegt im privaten Charakter solcher aggressiven Handlungen, der den Einsatz von exteren Sanktionen schwierig macht. Auch die traditionellen Rollenbilder fügen ihren Teil dazu, indem sie dem Manne („dem Hausherr“) nahezu unbegrenzte Machtausübung ermöglichen.
Aus diesen beiden Beispielen kann man schon die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Gewalt und Aggression erahnen. Willem Doise (1986) spricht deshalb von vier Erklärungsebenen, die bei der Erklärung menschlichen Verhaltens auseinandergehalten werden sollten:
1) Intraindividuelle Erklärungen
2) Interpersonale Erklärungen
3) Intergruppale Ebene
4) Ideologische Ebene
Die folgenden Theorien und Modelle lassen sich den vier Erklärungsebenen zuordnen. Aggression und Gewalt sind jedoch in der Regel nicht auf einen einzelnen Erklärungsfaktor zurückzuführen, fast immer kommt es zum Zusammenwirken von Ursachen, die auf unterschiedlichen Erklärungsebenen anzusiedeln sind.
Übersicht
Kapitel 1 – Aggression: Definition, Theorie und Themen (Hans W. Bierhoff und Ulrich Wagner)
1 Einführung
2 Definitionen
3 Theorien und Erklärungsansätze
4 Frustrations-Aggressions-Hypothese
5 Aggressive Hinweisreize und andere Randbedingungen
5.1 Katharsis
5.2 Die soziale Lerntheorie und Aggressionslernen bei Kindern
5.3 Erregungstransfer und Attribution
5.4 Ein Prozessmodell der Aggression
5.5 Aggression als Ausdruck von Machtausübung durch Zwang
5.6 Aggression in und zwischen Gruppen
6 Zusammenfassung
Der Einfluss von willkürlicher Provokation und unspezifischer Aktivierung auf aggressives Verhalten (Manfred Bornewasser – Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
1 Theorie
2 Methoden
3 Ergebnisse
4 Diskussion
The Facilitation of Aggression by Aggression: Evidence Against the Catharsis Hypothesis (Geen Russell G., Stonner David, and Shope Gary L. – University of Missouri, Columbia)
1 Theorie
2 Methode
3 Ergebnisse
4 Diskussion
Quellen:
Kapitel 1 – Aggression: Definition, Theorie und Themen (Hans W. Bierhoff und Ulrich Wagner)
1 Einführung
Heutzutage sind wir nahezu immer und überall mit Gewalt und Aggression konfrontiert. Es fängt im Fernsehen an, zieht sich in der Schule oder am Arbeitsplatz fort und endet in der Familie. Ein besonders erschütterndes Beispiel für Gewaltausübung war der Terror der Nazis in Konzentrationslagern.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus psychologischer Sicht haben dazu eine Reihe von Faktoren beigetragen. Unter anderem fehlten beispielsweise die üblichen externen negativen Sanktionen für Gewaltausübung; Brutalität wurde sogar vom System noch besonders anerkannt. Auch fehlten die internen moralischen Standards – Selbstbewertungsprozesse sind durch kognitive Umstrukturierungen neutralisiert worden (Bandura, 1983, 1991). Eine weitere wesentliche Rolle in diesem Zusammenhang spielten euphemistische Begriffe, mit denen das Ausmaß an Gewalt vernebelt wurde (Bsp.: „Kristallnacht“, „Ethnische Säuberung“).
Auch wurde das Gefühl der eigenen Verantwortlichkeit für sein Handeln vermindert, indem die Verantwortung auf Autoritäten verschoben wurde.
Doch abgesehen von diesem schrecklichen geschichtlichen Ereignis finden wir Gewalt und Aggression – wie schon vorhin erwähnt – auch alltäglich in unserem gesellschaftlichen Umfeld. So wird zum Beispiel die Gewalt in Familien (insbesondere die Gewalt gegen Frauen und Kinder) häufig unterschätzt. Ein Grund dafür liegt im privaten Charakter solcher aggressiven Handlungen, der den Einsatz von exteren Sanktionen schwierig macht. Auch die traditionellen Rollenbilder fügen ihren Teil dazu, indem sie dem Manne („dem Hausherr“) nahezu unbegrenzte Machtausübung ermöglichen.
Aus diesen beiden Beispielen kann man schon die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Gewalt und Aggression erahnen. Willem Doise (1986) spricht deshalb von vier Erklärungsebenen, die bei der Erklärung menschlichen Verhaltens auseinandergehalten werden sollten:
1) Intraindividuelle Erklärungen: Intrapsychische Ursachen sind für aggressives Verhalten verantwortlich (Bsp.: physiologische Erregung oder Ärger).
2) Interpersonale Erklärungen: Menschen können einander missverstehen und die Intentionen ihrer Handlungen unterschiedlich interpretieren. In Folge dessen kann es zu Aggressionen kommen.
3) Intergruppale Ebene: Intergruppenaggression liegt dann vor, wenn Gruppenmitglieder aggressiv gegeneinander sind, weil sie unterschiedlichen Gruppen angehören. Auch in Sportveranstaltungen finden wir oft diese Form der Aggression.
4) Ideologische Ebene: Gesellschaftliche Ideologien legen fest, welche Handlungen erlaubt oder gar erwünscht sind, und begünstigen oder verhindern damit auch die Entstehung von Aggression und Gewalt.
Die folgenden Theorien und Modelle lassen sich den vier Erklärungsebenen zuordnen. Aggression und Gewalt sind jedoch in der Regel nicht auf einen einzelnen Erklärungsfaktor zurückzuführen, fast immer kommt es zum Zusammenwirken von Ursachen, die auf unterschiedlichen Erklärungsebenen anzusiedeln sind. Doch vorerst wollen wir noch auf einige Definitionsversuche eingehen.
2 Definitionen
Unter aggressivem Verhalten verstehen wir oft lediglich die Tatsache eines körperlichen Angriffs, doch die Palette des als aggressiv bezeichneten Verhaltens besitzt eine sehr viel größere Bandbreite. Jedoch ist es nahezu unmöglich, den Begriff Aggression eindeutig zu definieren, denn er unterliegt sehr vielen Einflüssen, welche z. T. noch nicht vollständig erforscht sind. Trotz dieser Tatsache gibt es mehrere Definitionen des Begriffs, die zwar alle nicht immer angewendet werden können und zutreffend sind, die sich eben so nicht auf jede Form der Aggression erstrecken, die aber hilfreich sind, um Aggression besser verstehen zu können: Aggression wird oft als der auf Artgenossen gerichtete Kampftrieb beschrieben oder in dem Austeilen schädigender Reize auf einen Organismus. Beispielsweise definieren Dollard, L.W. Doob, N.E. Miller, Mowrer und Sears (1939) Aggression als: „Aggression ist eine Verhaltenssequenz, deren Zielreaktion die Verletzung einer Person ist, gegen die sie gerichtet ist“ (in der Übersetzung von Selg, 1982). Mit dem Begriff „Zielreaktion“ soll deutlich werden, dass aggressives Verhalten beabsichtigt sein muss.
Nach 1980 ging man dazu über, auch die von physischer Gewalt freie Aggression als solche zu benennen und fügte den Definitionen bei, dass auch das Androhen einer Schädigung sowie auch die Verweigerung des Zugangs zu bestimmten Ressourcen als Aggressionen zu bezeichnen sind. Auch muss Aggression nicht immer auf die Schädigung eines anderen ausgerichtet sein; das reine in Kauf nehmen einer Schädigung eines anderen ist ebenfalls als aggressiv zu bezeichnen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Man kann Aggression demnach als einen Sammelbegriff auffassen, der Angriffs-, Verteidigungs- und Drohverhalten einschließt, dabei muss man allerdings zwischen intraspezifischer (innerartlicher) und interspezifischer (zwischenartlicher) Aggression unterscheiden.
Der Definitionsvorschlag von Bandura (1979) berücksichtigt des weiteren, dass es oft kein eindeutiges Bezugssystem für die Klassifikation aggressiven Verhaltens gibt. Zillmann (1979) fügt dem Aggressionsbegriff noch zu, dass das Opfer danach strebt, physischen Schmerz zu vermeiden, welcher ihr von einer anderen Person zugeführt wird.
Auch kann Aggression offensiv oder defensiv ausgeführt werden. Entscheidend ist auch, ob Aggression unprovoziert oder provoziert erfolgt (Berkowitz, 1993; Zillmann, 1979). Berkowitz (1993) unterscheidet des weiteren auch zwischen instrumenteller Aggression (entspricht dem Begriff „Gewalt“) und impulsiver Aggression, sowie zwischen physischer und symbolischer Aggression. Darüber hinaus wird in der politischen Gewaltdiskussion zwischen personaler und struktureller Gewalt unterschieden.
3 Theorien und Erklärungsansätze
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine der ersten psychologischen Theorien der Aggression beruht auf den triebtheoretischen Überlegungen von Sigmund Freud. Am Bekanntesten ist wohl sein – dem Eros, dem Leben erhaltenden Trieb entgegengesetzte – Todestrieb Thanatos. Demnach muss das Individuum seine Aggression von der eigenen Person weg gegen andere richten, um die Selbstvernichtung zu vermeiden. Oftmals sind Freuds Ansätze in Frage gestellt worden, jedoch auch zum Beispiel in die Frustrations-Aggressions-Theorie eingeflossen.
4 Frustrations-Aggressions-Hypothese
Frustration nennt man die Störung einer Zielgerichteten Aktivität eines Menschen oder Tieres. Das Kernaxiom der Frustrations-Aggressions-Theorie geht davon aus, dass als Folge einer Frustration immer Aggression entsteht und dass eine Frustration immer zu einer Art der Aggression führt. Nach der Frustrations-Aggressions-Theorie richtet sich die Aggression am stärksten gegen den Frustrierenden. Die Erwartung einer auf eine aggressive Handlung folgende Strafe und die Erziehung zur Kontrolle aggressiver Impulse können zur Hemmung der Aggression führen; häufige Hemmungen können allerdings zur Selbstaggression führen. Wogegen das Ausführen einer Aggression die Aggressionsbereitschaft reduziert (Katharsishypothese).
Die Frustrations-Aggressions-Hypothese war so jedenfalls nicht haltbar, deshalb formulierte sie N.E. Miller neu: „Frustration erzeugt Anregungen zu einer Anzahl unterschiedlicher Arten von Reaktionen, von denen eine die Anregung zu irgendeiner Form der Aggression ist“ (N.E. Miller, 1941, S. 338; Übersetzung).
Geen (1990) führt die aggressionsförderliche Wirkung von Frustration darauf zurück, dass das generelle Erregungsniveau angehoben wird, eine Hypothese, die weitgehend konsistent mit der klassischen Theorie ist.
5 Aggressive Hinweisreize und andere Randbedingungen
Berkowitz (1962,1965) geht davon aus, dass Aggression auftritt, wenn eine physiologische Erregung mit Hinweisreizen kombiniert ist, die in der Vergangenheit mit Aggression und Ärger assoziiert waren. Beispielsweise kann solch eine Erinnerung durch Symbole der Gewalt ausgelöst werden, wie z.B. ein Nazi-Symbol. In der Untersuchung von Berkowitz und LePage (1967) konnte die Annahme bestätigt werden, dass aggressive Hinweisreize (wie zum Beispiel Waffen) tatsächlich die Aggressionsbereitschaft erhöhen. Carlson und seine Mitarbeiter (1990) konnten außerdem zeigen, dass der Effekt aggressiver Hinweisreize größer ist, wenn die Zielperson der Aggression einen niedrigen Status hat oder einer fremden Gruppe angehört.
Nach Bornewasser (1984, siehe auch S. 8) können Provokationen und Beleidigungen Ärger auslösen, eine Emotion, die Aggression wahrscheinlicher macht.
5.1 Katharsis
Dollard et al. (1939) stellten diesbezüglich die Hypothese auf, dass die Ausführung einer Aggression die Wahrscheinlichkeit der Ausführung einer späterer Aggression verringert. Demnach „reinige“ die Ausführung aggressiven Verhaltens von weiteren aggressiven Antrieben, die Ausführung von Aggression soll einen kathartischen Effekt haben. Darüber hinaus meinen sie, dass Aggression von einem primären Aggressionsziel auf andere Ziele verschoben werden kann. Experimentelle Untersuchungen konnten jedoch den Katharsiseffekt nicht stützen. Vielmehr scheint es, dass eine Verringerung der Aggression durch vorherige Aggression ein eher untypisches Ergebnismuster ist. Die Befunde deuten sogar darauf hin, dass durch die Ausführung einer ersten aggressiven Handlung die Intensität der nachfolgenden Aggression erhöht wird.
Geen (1968) zeigte, dass Personen, die immer wieder Gelegenheit zur Aggression erhalten, das Ausmaß ihrer Aggression kontinuierlich steigern. Möglicherweise werden durch die Ausführung aggressiven Verhaltens die Standards verändert, anhand derer das eigene Verhalten beurteilt wird. Vieles deutet darauf hin, dass die Ausführung von Aggression Schritt für Schritt gelernt wird.
[...]
- Citar trabajo
- Mag. Marc Hollenstein (Autor), 2002, Aggression und Gewalt - Eine Untersuchung auf vier Erklärungsebenen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21596
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.