Diese Arbeit besteht aus zwei Hauptthemen, namentlich dem Kinderkreuzzug von 1212 und der Armutsbewegung des Mittelalters unter Dominikanern und Franziskanern. Festgestellt werden soll, ob der Kinderkreuzzug als Folge der einsetzenden Armutsbewegung angesehen werden kann.
1. Einleitung
„Lord God, exalt Christianity! Lord God, restore to us the true cross!“[1] So oder in ähnlicher Weise könnte im Jahre 1212 ein Leitspruch der Kreuzfahrer des Kinderkreuzzugs gelautet haben.
Im großen Vertrauen auf Gott und somit auch auf das Gelingen ihres Unternehmens nahm im Jahre 1212 eine große Menge an Kindern, Jugendlichen und Armen das Kreuz, um Jerusalem aus muslimischer Hand zu befreien. Während sich der Weg, den diese Kreuzfahrer nahmen, sich mittels Chroniken bestimmter Städte und Klöster rekapitulieren lässt, können über die innere Ordnung des Zuges und den Verbleib der Teilnehmer nach der Ankunft in Italien nur Vermutungen geäußert werden. So wird der Kinderkreuzzug trotz einer Vielzahl von Romanen und Filmen, die Möglichkeiten im Bezug auf das Leben als Kinderkreuzfahrer darstellen, wahrscheinlich auch in Zukunft ein Mysterium bleiben.
Im Folgenden soll allerdings die Entstehung des Kinderkreuzzuges und der Einfluss der Armutsbewegung darauf näher beleuchtet werden. Es ist schließlich fraglich, warum sich gerade die jungen und armen Mitglieder der Gesellschaft dazu entschlossen, ihre Heimat zu verlassen und ihr Leben zu riskieren, um Jerusalem zurückzuerobern.
Im folgenden Kapitel soll zunächst unterschieden werden zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Armut im Mittelalter. Das Kapitel 3 dagegen widmet sich den Bettelorden, welche im Zuge der Armutsbewegung entstanden und das religiöse Leben des 13. Jahrhunderts stark beeinflussten. Hierbei sollen exemplarisch die Franziskaner in Kapitel 3.1 und die Dominikaner in Kapitel 3.2 beschrieben werden. Das Kapitel 3.3 präsentiert in zusammenfassender Weise, inwiefern sich die Sichtweise der Armut durch die Lehre der Bettelorden veränderte. Das vierte Kapitel steht unter der Überschrift der „Entstehung des Kinderkreuzzugs von 1212“ und widmet sich insbesondere dem Einfluss der Armutsbewegung auf die Entstehung des Unternehmens. Im letzten Kapitel werden schlussendlich die Ergebnisse zusammengefasst und ein Fazit wird im Bezug auf die
Fragestellung gezogen.
Die Informationen bezüglich des Kinderkreuzzugs selbst basieren hierbei auf dem Bericht des Geschichtsschreibers Matthäus Paris, welcher die Erlebnisse des 13. Jahrhunderts in seiner „Chronica Majora“ zusammenfasste. In dieser beschreibt er in glaubwürdiger Weise den Ablauf des Kinderkreuzzug des Jahres 1212. Da nur sehr wenige zeitgenössische Berichte erhalten sind, dient nun besonders dieses Werk in englischer Übersetzung als Grundlage meiner Ausarbeitung.
2. Freiwillige Armut im Mittelalter
Im Mittelalter wurde zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Armut unterschieden. Hierbei bezog sich die unfreiwillige Armut generell auf die durch Not entstandene Armut der sozial niedrigeren Bevölkerungsschichten.[2] Sie wurde meist durch körperliche und geistige Mängel des Einzelnen begründet oder als „selbstverständliches Element des Greisenalters“ verstanden.[3] Aus diesem Grunde handelt es sich bei der unfreiwilligen Armut auch meist um eine rein materielle Armut.[4] Die freiwillige Armut hingegen basiert auf der allgemeinen Zeiterscheinung des „Christozentrismus“, bei dem sich auf Christus rückbesinnt wurde. Insbesondere die Regularkanoniker des 11. Jahrhunderts, welche nach der Regel des Heiligen Augustinus lebten, sowie auch Wanderprediger beriefen sich auf darauf und fanden während des Ersten Kreuzzugs viele Anhänger.[5]
Der Christozentrismus basierte auf der sogenannten „imitatio Christi“, wobei ein apostelgleiches, aktives Leben in Armut und Nächstenliebe geführt werden sollte. Diese Art des Lebens wurde „vita activa“ genannt und diente dem Zweck, dem Vorbild Christi zu folgen.[6] Diese Vorstellung der „geistigen Armut“ wurde insbesondere von Mönchen und Einsiedlern im 12. Jahrhundert gemeinsam oder einzeln verwirklicht.[7]
Dieses neue Verständnis von Armut beeinflusste auch die Kreuzzugsbewegung. Hierbei predigten nämlich die Wanderprediger schon 1096 die Teilnahme an einem Kreuzzug als „Ideal der Christusnachfolge“ und mobilisierten dadurch große Menschenmassen für den sogenannten Volkskreuzzug.[8]
3. Die Bettelorden
Das 13. Jahrhundert gilt als das Jahrhundert der Entstehung der Bettelorden, welche auch Mendikantenorden genannt wurden. Grundsatz dieser Orden waren sowohl die persönliche als auch die kollektive Armut, wodurch die Ordensmitglieder zu einem „Leben in Demut, des Bettelns und damit der äußersten Nachfolge des armen Christus“ verpflichtet wurden.[9] Durch das beschriebene Bild des Christus als arm und entäußert, machte der Apostel Paulus Christus zum „Urbild der vollständigen Armut“ und dadurch zum Vorbild für die neue Sicht der Armut.[10] Ziel der Mendikantenorden war es demnach, Christus im Bezug auf seine Lebensweise zu folgen. So wurden schließlich vier Bettelorden in die Kirche aufgenommen. Es handelte sich um den Orden der Franziskaner, der Dominikaner, der Augustiner-Eremiten und der Karmeliter. In besonderem Maße besaßen die Franziskaner und Dominikaner Einfluss auf die Kreuzzüge und Kreuzfahrerherrschaften im Spätmittelalter, da die Ordensmitglieder nicht nur als Kreuzzugsprediger im Westen tätig waren, sondern auch als Missionare und Seelsorger der Christen in Outremer. Diese Bettelorden predigten weiterhin die Mission der Wiedererlangung des Heiligen Landes und sorgten somit für das Fortleben des Kreuzzugsgedankens im Spätmittelalter.[11]
3.1 Die Franziskaner
„Das ist der Orden der wahren Armut des Gekreuzigten, (...) den wir Mindere Brüder nennen. (...) Sie verfolgen (...) die evangelischen Räte, indem sie auf ihren ganzen Besitz verzichten, (...) ihr Kreuz auf sich nehmen und so nackt dem nackten Christus nachfolgen. (...) Sie haben auch keine Klöster und Kirchen, keine Äcker, (...) weder Häuser noch Besitz“[12]
So beschreibt der Zeitzeuge Jakob von Vitry die völlig neue Lebensweise des Mendikantenordens der Franziskaner, deren Mitglieder sich selbst auch „Mindere“ nannten und vermittelt dadurch einen ersten Eindruck ihres Armutskonzepts.
[...]
[1] E.Peters (Hrsg.), Christian Society and the Crusades, 36.
[2] V.Stadler, Ich kenne Christus, den Armen, den Gekreuzigten, 26.
[3] T.Raff, Das Bild der Armut im Mittelalter, 10.
[4] V.Stadler, Ich kenne Christus, den Armen, den Gekreuzigten, 26.
[5] N.Jaspert, Die Kreuzzüge, 27.
[6] N.Jaspert, Die Kreuzzüge, 28.
[7] M.Mollat, Die Armen im Mittelalter, 97.
[8] N.Jaspert, Die Kreuzzüge, 28.
[9] N.Jaspert, Die Kreuzzüge, 28.
[10] V.Stadler, Ich kenne Christus, den Armen, den Gekreuzigten, 26.
[11] N.Jaspert, Die Kreuzzüge, 28f.
[12] Jakob von Vitry, Historia Occidentalis, Übersetzung zitiert nach FQ, 1538-42, 1538f.
- Arbeit zitieren
- Désirée Senft (Autor:in), 2012, Die Entstehung des Kinderkreuzzugs von 1212 aus der Armutsbewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215949
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