This study analyses the spatial expansion in bicycle tourism due to the innovation of electric bicycles (e-bikes) in German-speaking countries. Until recently cycling destinations were mainly limited to flatter regions. This study’s objective is to evaluate whether the advent of electric bicycles expands the spatial potential for (electric) cycle tourism in any topographic setting. By means of an online survey of e-bike rental companies and expert interviews with the regional project coordinators, this study compares supply and demand of three sample destinations with different landscape types: the Tauber River valley region and the southern Black Forest Mittelgebirge in Germany as well as the Schladming-Dachstein alpine region in Austria. The results show that most tourists used the e-bike offers spontaneously and chose the destination by other motivations. However, the study also shows that many of these tourists would not consider a bike tour on a normal bicycle. Thus, for many tourists e-bikes hold the potential to extend the radius of the actively usable tourist areas in mountainous destinations. Although all sample regions record a slowly growing demand of e-bike users, the outcome did not quite meet most tourism service provider’s expectations. Therefore, it is concluded that unless mountainous destinations intensively commit themselves to (e )bike tourism, this innovation will not bring a revolutionary change in the spatial diffusion of cycling destinations. Most e-bike offers will likely remain a supplementary service; however, it is premature to form definitive conclusions at this early stage.
Furthermore, another online-sample of 139 e-bike tourists shows a shift of the favoured landscape types from almost exclusively flat cycle destinations towards the windy coasts, the low mountain ranges and (at a lower level) alpine destinations.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Diagrammverzeichnis
Verzeichnis der Anlagen im Anhang
1 Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
1.2 Forschungsstand
1.3 Fragestellung und Thesen
1.4 Allgemeine Methodik
1.5 Aufbau der Arbeit
2 Theoretischer Teil
2.1 Diffusion der Innovation E-Bike im Tourismussektor
2.1.1 Geographische Innovations- und Diffusionsforschung
2.1.2 Einordnung in die eigene Thematik
2.2 Fahrradtouristische Grundlagen
2.2.1 Entwicklung des Fahrradtourismus
2.2.2 Typisierung von Fahrradfahrern
2.2.3 Bewertungskonzept für den Schwierigkeitsgrad von Radwegen
2.2.4 Destinationswahl
2.3 Das Elektrofahrrad und dessen Nutzung im Alltag
2.3.1 Begrifflichkeiten
2.3.2 Reichweite
2.3.3 Marktsituation von Elektrofahrrädern
2.3.4 Motive für die Benutzung eines E-Bikes
2.3.5 Nutzungsgelegenheit
2.3.6 Soziodemographisches Profil von E-Bike-Nutzern
2.4 Das E-Bike in der Tourismuswirtschaft
2.4.1 Nutzen und Ziele von Elektrofahrrädern für Tourismusdestinationen
2.4.2 Touristische E-Bike-Infrastruktur
2.4.3 Die touristische Nachfrage
2.4.4 Motive für die touristische E-Bike-Nutzung
2.4.5 Typologisierung von E-Bike-Touristen
2.4.6 Soziodemographische Merkmale von E-Bike-Touristen
2.4.7 Destinationswahl
3 Empirischer Teil
3.1 Die Untersuchungsgebiete
3.1.1 Liebliches Taubertal
3.1.2 Naturpark Südschwarzwald
3.1.3 Dachstein-Region
3.1.4 Die Untersuchungsgebiete im Vergleich
3.2 Konzeption und Methodik
3.2.1 Auswahl der Erhebungsmethoden
3.2.2 Online-Befragung: E-Bike-Verleiher
3.2.3 Experteninterviews
3.2.4 Online-Befragung: E-Bike-Urlauber
3.2.5 Teilnehmende Beobachtung
3.3 Ergebnisse
3.3.1 Online-Befragung der E-Bike-Verleiher
3.3.2 Experteninterviews
3.3.3 Online-Befragung von E-Bike-Urlaubern
3.4 Methodenkritik
4 Synthese
Zusammenfassung
Quellenverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Adopterkategorien nach Rogers
Abbildung 2: Diffusionskurve und Adopterkategorien nach Rogers
Abbildung 3: Hierarchischer Diffusionsprozess
Abbildung 4: Typisierung von Radfahrern
Abbildung 5: Bevorzugte Landschaftstypen während einer mehrtägigen Fahrradtour
Abbildung 6: Das Elektrofahrrad: Frühes Patent und serienreifes Produkt
Abbildung 7: movelo-Regionen 2013
Abbildung 8: Die Untersuchungsgebiete in Süddeutschland und Österreich
Abbildung 9: Übersichtskarte Taubertal
Abbildung 10: Regiotouren im Lieblichen Taubertal
Abbildung 11: Relief und Abgrenzungen Naturpark Südschwarzwald
Abbildung 12: Hinweistäfelchen und Profil Südschwarzwald Radweg
Abbildung 13: Hinweistäfelchen und Profil Seenradweg Hochschwarzwald
Abbildung 14: Sommerpanorama der Dachstein-Region
Abbildung 15: Verleih- und Akkuwechselstationen am Dachstein
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Radfahrertypologien
Tabelle 2: Eurobike-Systemstandard© Radwanderwegeskala
Tabelle 3: Fahrradtouristische Relevanz des Landschaftstyps bei Radausflügen
Tabelle 4: Die Destinationen im Vergleich: E-Bike-Infrastruktur
Tabelle 5: Rücklauf der Online Umfrage „E-Bike-Verleiher“
Tabelle 6: Die Destinationen im Vergleich: Zielsetzungen und Erfahrungswerte
Diagrammverzeichnis
Diagramm 1: Synonyme für den Begriff "E-Bike"
Diagramm 2: Marktentwicklung von E-Bikes
Diagramm 3: Kauf- und Nutzungsmotive von Elektrofahrrädern in Online-Beiträgen
Diagramm 4: Veränderung des Fahrverhaltens durch E-Bikes
Diagramm 5: Radurlauber und E-Bike-Urlauber in Deutschland 2010
Diagramm 6: Durchschnittliche Parameter der E-Bike-Touren im Südschwarzwald
Diagramm 7: Höhenquotienten und Schwierigkeitsgrade der E-Bike-Touren
Diagramm 8: Regionale Verteilung und Seehöhe der E-Bike-Verleihbetriebe
Diagramm 9: Zusätzliche Angebote der Elektrofahrrad-Verleihbetriebe
Diagramm 10: Altersgruppenverteilung der E-Bike-Urlauber
Diagramm 11: Ausleihdauer von E-Bikes
Diagramm 12: Streckenempfehlung
Diagramm 13: Streckenwahl der E-Bike-Touristen
Diagramm 14: Streckentypen
Diagramm 15: Zurückgelegte Streckenlängen von E-Bike-Touristen
Diagramm 16: Zurückgelegte Streckenlängen im Vergleich: E-Bike vs. Fahrrad
Diagramm 17: Akku-Reichweite
Diagramm 18: Stellenwert der E-Bike-Nutzung
Diagramm 19: Anreisemotiv
Diagramm 20: Auslastung der E-Bikes
Diagramm 21: Persönlicher Profit vom E-Bike Boom
Diagramm 22: Veränderung des regionalen Radtourismus durch E-Bikes
Diagramm 23: Dauer der bereits durchgeführten E-Bike-Touren
Diagramm 24: Stellenwert der letzten E-Bike-Tour
Diagramm 25: Destinationswahl nach Landschaftstyp
Diagramm 26: Destinationswahl der nächsten E-Bike-Reise
Diagramm 27: E-Bike-Infrastruktur
Diagramm 28: Genutzte Elektrofahrradtypen
Verzeichnis der Anlagen im Anhang
Anlage 1: Handlungsempfehlungen für Tourismusdestinationen
Anlage 2: Überblick über die Elektrofahrradkategorien in Deutschland
Anlage 3: E-Bikes der Marke Flyer am Titisee, Südschwarzwald
Anlage 4: E-Bikefahren am Hohen Dachstein
Anlage 5: Fragebogen für E-Bike-Verleiher
Anlage 6: Fragebogen für E-Bike-Urlauber
Anlage 7: E-Bike-Routen in der Dachstein-Region
Anmerkungen des Verfassers
In vorliegender Arbeit werden zum Wohle einer flüssigeren Lesbarkeit geschlechtsspezifische Bezeichnungen im Sinne des generischen Maskulinums verwendet. Sofern aus dem Kontext nicht das Gegenteil hervorgeht, sind mit Bezeichnungen wie Radfahrern, Nutzern, Mountainbikern stets geschlechtsneutrale linguistische Termini gemeint und werden beiden Geschlechtern zugeordnet.
Die Begriffe E-Bike und Elektrofahrrad werden in dieser Arbeit synonym verwendet und stehen allgemein für jegliche Art von Fahrrad mit elektrischem Hilfsmotor.
1 Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
Das Zukunftsinstitut, als einer der einflussreichsten Think-Tanks der europäischen Trend- und Zukunftsforschung, listet zur Zeit elf Megatrends auf. Als Megatrend werden Trends mit einer vermuteten Dauer von 30 Jahren oder mehr bezeichnet, deren „Impact“ große Bereiche des sozialen Lebens und der Wirtschaft verändert (zukunftsinstitut, 2013). In der Schnittmenge der drei Megatrends Neo-Ökologie, Gesundheit und Mobilität findet sich die „Innovation Elektrofahrrad“ wieder. Die vorliegende Studie soll die Auswirkungen der Elektrofahrräder auf den Fahrradtourismus herausarbeiten. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern diese Innovation durch ihre zusätzliche elektrische Antriebskraft neue fahrradtouristische Aktionsräume erschließt, welche zuvor vom Fahrradtourismus weitgehend unberührt blieben.
Elektromobilität ist von einem reinen Forschungsfeld in unsere Alltagspraxis vorgedrungen. Im Gegensatz zu Elektroautos, sieht man Elektrofahrräder immer mehr auf unseren Straßen und Wegen. Vor wenigen Jahren wurden E-Bikes noch als „Rentnermobil“ belächelt. Durch die stetige Weiterentwicklung von Akkus, Antriebstechnik und Design erschlossen sich die Hersteller weitere Kundengruppen. Heute sind Elektrofahrräder ebenfalls bei jungen, technikbegeisterten Menschen, Berufspendlern, Einkaufsradlern und jungen Familien beliebt (Effert, 2012, S. 14). Allein zwischen 2009 und 2011 hat sich die Anzahl derjenigen, welche am Thema Elektrofahrrad interessiert sind auf 47 % verdoppelt (sinus, 2011, S. 70). In diesem dynamischen Markt entstehen kontinuierlich neue Produkte und Angebote. Die Fahrradbranche spricht vom „Elektro-Boom“. Innovative Unternehmen kaufen vermehrt E-Bikes für ihre Firmenflotte und tragen so ebenfalls zu einem „jüngeren“ Image von Elektrofahrrädern bei. Auch Städte, Kommunen und Regionen reagieren nun auf diesen Trend. Großstädte wie Aachen oder Stuttgart betreiben eigene E-Bike-Verleihstationen.
Viele sehen im Elektrofahrrad eine umweltschonende, nachhaltige und kostengünstige Alternative zum Auto. Der Trend, bis ins hohe Alter mobil und leistungsfähig zu sein bringt zusammen mit dem demographischen Wandel einen weiteren Anschub der Verbreitung von E-Bikes (vgl. Effert, 2012, S. 14).
Dieser in allen Medien präsente Trend, wurde auch von der Tourismusbranche erkannt. Nach und nach entdecken Regionen das Potenzial der Elektrofahrräder um ihren Tourismus nachhaltig weiterzuentwickeln. Sie verleihen E-Bikes, entwerfen spezielle E-Bike-Routen und schaffen Ladestationen, an welchen E-Bike-Fahrer ihre Akkus laden können (ETRA, 2010, S. 13).
Da die Mehrheit der Fahrradfahrer jedoch ein weitestgehend flaches Gelände bevorzugt (siehe Abb. 5), stellt die Topographie einer Region den bedeutsamsten natürlichen Faktor für die Destinationswahl dar. Aus diesem Grund befinden sich die von Radfahrern hochfrequentierten Zielgebiete mehrheitlich in ebenen Landschaftstypen. Besonders beliebt sind Fahrradregionen entlang von Gewässern, da dort ein „genussvolles“ Radeln ohne größere Steigungen und ohne Orientierungshürden möglich ist (BMWi, 2009, S. 59). Durch die Innovation E-Bike allerdings, versuchen nun auch jene Destinationen Radtouristen anzulocken, die bisher – aufgrund ihrer topografischen Gegebenheiten – für diese eher unattraktiv waren. Die entsprechenden Werbetexte suggerieren, dass die „natürlichen Feinde des Radfahrers“ – Steigungen und Gegenwind (BMWi, 2009, S. 59) – durch die Nutzung eines E-Bikes obsolet werden.
„Mit eigener Kraft, unterstützt durch die ausgeklügelte Technik eines Pedelecs[1] können nun auch bergige Etappen geradezu spielend zurückgelegt werden. Dank Elektromotor – dieser schaltet sich per Knopfdruck hinzu, wenn man ganz normal in die Pedale tritt – […] wird jede steile Bergstraße zum topfebenen Terrain, jeglicher Gegenwind zum lauen Lüftchen“ (Schladming-Dachstein, 2012).
Besucht man aktuelle Tourismusmessen (siehe Kap. 1.4), fällt auf, dass heute bereits die große Mehrheit der Destinationen –unabhängig von ihrer Topographie – Elektrofahrräder in ihr touristisches Angebot im Aktivsegment einbinden. Viele Zielgebiete präsentieren sich sogar als „E-Bike-Region“. Es scheint daher richtig von einem Wandel im Radtourismus zu sprechen.
1.2 Forschungsstand
Die Studien zum Thema „E-Bike“ konzentrieren sich bisher auf nachfrageseitige Aspekte. Sie untersuchen die Akzeptanz und Veränderung der Alltagsmobilität durch Elektrofahrräder, evaluieren deren Marktsituation oder beschäftigen sich mit technischen Fragestellungen zum neuen Fahrradtyp. Hierbei fällt auf, dass überproportional viele schweizerische und niederländische Studien existieren. Aufgrund der noch sehr jungen Existenz des Phänomens „E-Bike-Tourismus“ findet dieses Forschungsfeld erst in jüngster Zeit mehr Beachtung. Bisher beschränken sich die Forschungsergebnisse jedoch auf regionale Einzelstudien oder liegen gebündelt, ohne regionale Auflösung, auf nationaler Ebene vor.
Pussak & Schuldt (2009) zeigen in einer Evaluation des E-Bike-Projekts im Hochschwarzwald, dass die Akzeptanz hoch ist, der Erfolg jedoch noch begrenzt ist. Die schwierigste Hürde sei der Schritt zur erstmaligen Nutzung, denn wer einmal E-Bike gefahren sei, sei von den Vorteilen überzeugt. Ein beginnender Imagewandel führe dazu, dass die Zielgruppe sich auch auf junge und sportliche Menschen erweitere.
Die unveröffentlichten Marktstudien „Radreisen der Deutschen“ des Kölner Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Trendscope (2010; 2012c), liefern erste repräsentative Daten zu soziodemographischen Merkmalen und dem Reiseverhalten von E-Bike-Touristen in Deutschland. Ein weiterer unveröffentlichter Trendscope-Bericht (2012a) gibt Auskunft über die von Elektro-Mountainbikefahrern bevorzugten Wegearten und Landschaftstypen.
Zastrow (2011) kann am Beispiel der Destination Rügen zeigen, dass das Elektrofahrrad grundsätzlich großes Potenzial auf dem Freizeitmarkt birgt, auch wenn in der derzeitigen Anfangsphase das E-Bike-Angebot nur als Ergänzung des Kerngeschäfts zu betrachten sei, welches Stammgästen sowie Erstbesuchern ein attraktives Zusatzangebot biete. Ein Hindernis bestehe in subjektiven Vorurteilen seitens der potenziellen Nutzer. Aus diesem Grund reiche für den weiteren Erfolg ein reines Bereitstellen der Elektrofahrräder nicht aus und verlange erhöhten Handlungsbedarf in Marketing und Kommunikation. Diese dürfe nicht nur von Seiten der koordinierenden Tourismusorganisation, sondern müsse auch durch hohe Eigeninitiative der E-Bike-Verleihstationen erfolgen.
Miglbauer (2011) erarbeitet zunächst die Voraussetzungen für E-Bike-Konzepte und trägt in einem Lehrbuch über Radtourismus (vgl. Dreyer, Miglbauer & Mühlnickel, 2012, S. 25-31) allgemeine, vor allem qualitative Erkenntnisse zum neuen Trend E-Bike-Tourismus zusammen. Als Erster vergleicht er auch die Strukturen der Angebotsseite, allerdings ohne dabei gezielten Forschungsfragen nachzugehen.
Da derzeit noch keine Studie existiert, welche den E-Bike-Tourismus aus raumwissenschaftlicher Sicht beleuchtet, wird mit vorliegender Arbeit Neuland betreten. Ziel der Studie ist es, diesbezüglich einen Grundstein zu setzen und allgemeine Strukturen der Raumnutzung des E-Bike-Tourismus herauszuarbeiten (siehe Kap. 1.3).
1.3 Fragestellung und Thesen
E-Bike-Tourismus ist in den Medien sehr präsent. Liest man die Werbematerialien der Urlaubsregionen, scheint es als radelten vielerorts bereits viele begeisterte Touristen auf Elektrofahrrädern. Neben Werbung und Medien geben auch Studien zur allgemeinen E-Bike-Nutzung (siehe Zitat) Anlass dazu, die propagierte Loslösung der bisher geltenden Bindung des Radtourismus an flache Landschaftstypen intensiver zu untersuchen.
“[…] The Dutch polders, the Loire region or the cycling path along the Danube are suited for the overall majority of cyclists. The Alps, Abruzzo [sic!] or the Dolomites however are reserved to the very well trained cyclists or to those who enjoy pedal assistance”[2] (ETRA, 2010, S. 13).
Hartenstein (2012), Koordinatorin des fahrradtouristischen Angebots im Bundesland Rheinland-Pfalz, weist jedoch darauf hin, dass „dieser Medienhype […] nicht der Realität im Tourismus [entspricht]. Das Volumen ist noch klein.“ Um einen von Medien und Werbung ungetrübten Überblick der touristischen Nutzung von E-Bikes zu bekommen, soll die vorliegende Studie zunächst den Status quo erfassen. Untersucht werden dabei sowohl Angebotsseite als auch Nachfrageseite des E-Bike-Tourismus im deutschsprachigen Raum.
Ohne Zweifel bietet die Technik des Elektrofahrrads nun auch die Möglichkeit in Regionen mit stärkeren Steigungen komfortabel Rad zu fahren (siehe Kap. 1.1 ). Eine Realisierung dieses theoretischen Entwicklungspfades hätte eine räumliche Erweiterung des Aktionsraums Radtourismus zur Folge.
Vor diesem Hintergrund lautet die zentrale Forschungsfrage dieser Untersuchung:
Wird durch die Innovation E-Bike die Grundvoraussetzung einer weitestgehend flachen und daher fahrradfreundlichen Topographie für die Herausbildung eines „massentauglichen“[3] Radtourismus bestehen bleiben oder wirkt der Faktor Topographie im „E-Bike-Zeitalter“ nicht mehr limitierend auf die räumliche Verteilung des Radtourismus?
Oder verkürzt formuliert:
Bietet nun jede Topographie das Potential zum (Elektro-)Radtourismus?
Aus der zentralen Forschungsfrage abgeleitet, ergeben sich im Speziellen folgende Thesen, welche in dieser Masterarbeit überprüft werden sollen:
1. Durch die Implementierung der Innovation E-Bike im Tourismus finden räumliche Neuerschließungen von fahrradtouristischen Aktionsräumen statt.
2. Durch E-Bikes werden auch Landschaftstypen mit bewegter Topographie (Mittelgebirge, Hochgebirge) zu Aktionsräumen des Fahrradtourismus.
3. Durch ein touristisches E-Bike-Angebot können „Nicht-Radregionen“ mit kaum fahrradtouristischen Strukturen zu Radregionen werden.
4. E-Bike-Touristen bewältigen längere Strecken als Fahrradtouristen.
Zur Überprüfung dieser Thesen wird der E-Bike-Tourismus an drei Beispielregionen genauer untersucht (siehe Kap. 1.4 ). Das Augenmerk bei der räumlichen Erweiterung des Radtourismus gilt dabei den unterschiedlichen Eignungen bzw. Anforderungen verschiedener Landschaftstypen bezüglich dieses neuen Trends (siehe Adoptionssensibilitäten, Kap. 2.1.1 ). Die Unterscheidungsebene Landschaftstyp soll in dieser Studie vereinfacht aus den Kategorien Flusslandschaft, Mittelgebirge und Hochgebirge bestehen.
Aus den Thesen ergeben sich weitere, sich insbesondere auf nachfrageseitige Teilaspekte beziehende, untergeordnete Forschungsfragen:
- Wächst der allgemeine Tourismus einer Region durch die Innovation E-Bike?
- Werden die neuen E-Bike-Angebote auch genutzt bzw. ist die Nachfrage zufriedenstellend?
- Ist der E-Bike-Tourist ein neuer Typ von Radtourist?
Nebst Beantwortung dieser Fragen, sollen darüber hinaus weitere, nicht vorausgesehene Veränderungen, welche durch die Innovation E-Bike im Radtourismus entstehen, erörtert werden.
Schließlich ist ein weiteres Ziel dieser Arbeit, die wichtigsten Erfolgsfaktoren von E-Bike-Konzepten zu ermitteln und die zukünftige Entwicklung dieses neuen touristischen Angebots einzuschätzen.
1.4 Allgemeine Methodik
Die Herangehensweise zur Beantwortung der Forschungsfragen und Überprüfung der Thesen erfolgte in mehreren Schritten. Um zu Beginn einen Überblick vom aktuellen E-Bike-Angebot im europäischen Raum zu erhalten, stand am Anfang der Recherche der Besuch zweier Fachmessen – der weltweit größten Tourismusmesse ITB Berlin (6.−8. März 2012) und der 14. Bonner adfc-Radreisemesse (17. März 2012). Auf beiden Messen war das E-Bike mit Abstand der größte thematische „Aufhänger“ vieler Tourismusregionen und Fahrradinteressenverbänden. Vertreter verschiedener Interessengruppen (Fahrradindustrie, Tourismusdestinationen, Interessenvertretung von Fahrradfahrern [adfc]) referierten zum Themenkomplex E-Bike. Darüber hinaus ergaben sich aufschlussreiche Gespräche mit Personen der Angebotsseite, vor allem mit Touristikern, welche das E-Bike-Angebot ihrer Region präsentierten. Dabei konnten wichtige Kontakte zu Experten geknüpft werden.
Im Anschluss erfolgte eine intensive Literatur- und Internetrecherche, welche sich weitgehend auf deutschsprachige Quellen begrenzte, da das Thema sonst nur in den Niederlanden eine vergleichbare Popularität besitzt. Weil sich schnell herausstellte, dass zu „E-Bike-Tourismus“ wenig einschlägige Literatur existiert, fokussierte sich die Suche unter anderem auf nicht veröffentlichte Studien (z.B. Trendscope-Berichte).
Um die Angebotsseite des E-Bike-Tourismus näher zu untersuchen wurden, zunächst mehrere Tourismusdestinationen angeschrieben, ob sie an einer Studie interessiert wären und die Arbeit organisatorisch unterstützen würden. Ziel war es, drei Regionen verschiedenen Landschaftstyps zu vergleichen und intensiver zu erforschen. Die Reaktionen auf die Anfragen waren verhalten. Einige Regionen waren jedoch zumindest interessiert und versprachen ein Interview und einen Informationsaustausch. So wurden für die empirischen Untersuchungen dieser Arbeit drei Destinationen stellvertretend für die erwähnten Landschaftstypen ausgewählt: Die sehr stark im Radtourismus profilierte Flussregion Liebliches Taubertal, die bisher mehrheitlich von Mountainbikern genutzte Mittelgebirgslandschaft des Naturparks Südschwarzwald und die sich erst jüngst als Radregion profilierende Alpenregion Schladming-Dachstein (siehe Kap. 3.1 ).
Für ein umfassendes Bild, wurden sowohl Anbieter und Nutzer sowie Entscheider mittels Methoden der empirischen Sozialforschung befragt (siehe Kap. 3.1.4 ). Der Schwerpunkt der Datenerhebung lag in der Befragung der Elektrofahrrad-Verleiher in den drei Beispielregionen. Ausgangsüberlegung war, dass diese sich im direkten Kontakt zu den Kunden befinden und somit die Auswirkungen der Innovation E-Bike im „Vorher-Nachher-Vergleich“ einschätzen können. Ergänzend dazu wurden die jeweiligen verantwortlichen Koordinatoren der touristischen E-Bike-Konzepte als Experten interviewt. Supplementär sollte eine von den Beispielregionen unabhängige Befragung von „E-Bike-Urlaubern“[4], die nachfrageseitigen Präferenzen hinsichtlich der zu befahrenden Landschaftstypen aufzeigen.
Ergänzend zu den Erhebungen erfolgte zur besseren Einsicht in die Thematik in Ansätzen eine teilnehmende Beobachtung in den Untersuchungsregionen, welche allerdings nicht methodisch ausgewertet wurde.
1.5 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist im Anschluss an den vorangegangen einleitenden Teil in drei übergeordnete Abschnitte untergegliedert.
Der theoretische Teil beginnt mit der Vorstellung der Grundlagen der geographischen Innovations- und Diffusionsforschung (Kap. 2.1). Danach werden in Kapitel 2.2 jene für das Verständnis dieser Untersuchung relevanten fahrradtouristischen Begriffsdefinitionen und Zusammenhänge erörtert. Daran anknüpfend folgen in Kapitel 2.3 allgemeine Erläuterungen zum Produkt Elektrofahrrad, dessen aktueller Marktsituation, sowie Ausführungen zu nachfrageseitigen Aspekten hinsichtlich der allgemeinen Nutzung von Elektrofahrrädern. Kapitel 2.4 widmet sich dem thematischen Schwerpunkt der Arbeit – dem E-Bike-Tourismus. Es erfolgen Ausführungen sowohl über dessen Angebotsseite als auch über die touristische Nachfrage dieser neuen Variante des Radtourismus.
An den Theorieteil schließen sich im empirischen Teil die Forschungsergebnisse dieser Arbeit an. Zunächst stellt Kapitel 3.1 die einzelnen Untersuchungsgebiete vor. Zu jeder Destination erfolgt eine gegliederte Darstellung der (fahrrad-)touristischen Ausgangssituation und ihrer errichteten E-Bike-Infrastruktur. Im Unterkapitel3.1.4 vergleicht der Autor die Beispielregionen miteinander und hebt deren wichtigsten Unterschiede hervor. Im Anschluss werden, nach Vorstellung der speziellen Methodik der Datenerhebung (Kap. 3.2), die Ergebnisse der verschiedenen Befragungen im Einzelnen vorgestellt (Kap. 0). Im Anschluss reflektiert der Autor in Kapitel 3.4 die angewandten Methoden.
Den Abschluss bildet die Synthese (Kap. 4). Hier erfolgt eine Interpretation der empirischen Untersuchungen, welche die anfangs postulierten Forschungsfragen und Thesen aufgreift und diese mittels der Erkenntnisse aus bisherigem Forschungsstand und der eigenen empirisch gewonnen Daten beantwortet bzw. überprüft. Des Weiteren gibt der Autor einen Ausblick auf eine mögliche Entwicklung des E-Bike-Tourismus.
2 Theoretischer Teil
2.1 Diffusion der Innovation E-Bike im Tourismussektor
2.1.1 Geographische Innovations- und Diffusionsforschung
Die Geographie ist nur eine von vielen wissenschaftlichen Disziplinen, welche in der Tradition der Diffusionsforschung mitwirkte. 1995 betrug der Anteil geographischer Diffusionsstudien mit 160 Veröffentlichungen nur 4 % (Rogers, 2003, S. 90).
Das heutige gemeine Begriffsverständnis von „Innovation“ entspricht am ehesten des von Schumpeter in die Wirtschaftswissenschaften eingeführten Begriffsverständnis, welcher Innovation erstmalig als „die Durchsetzung einer technischen oder organisatorischen Neuerung, nicht allein ihre[r] Erfindung“ beschreibt (vgl. Schumpeter, 1911/1987, S. 110f.)[5]. Zeitlich parallel wurde der ursprünglich aus der Botanik stammende Begriff in der ersten Hälfte des 20. Jh. von der Anthropologie, Ethnologie und Soziologie verwendet und bezeichnete die Ausbreitung kulturellen Fortschritts (Borcherdt, 1961, S. 13). Die auf diesen Auffassungen aufbauende, moderne geographische Innovationsforschung beginnt mit der Dissertation des schwedischen Geographen Hägerstrand (1952), welcher die Ausbreitung von Innovationen am Beispiel des Automobils und des Radios in der ehemaligen schwedischen Provinz Schonen untersuchte.
1961 führte Borcherdt die Innovationsforschung anhand von agrargeographischen Untersuchungen in die deutschsprachige geographische Wissenschaftslandschaft ein. Er definiert Innovation als
„[…] Ausbreitungsvorgang, der von einem Zentrum aus durch Nachahmung in Verbindung mit einer unterschiedlichen Wertung bei den Sozialgruppen flächen- oder linienhaft nach außen vordringt und dabei die Gegenkräfte der ‚Tradition‘ zu überwinden hat“ (Borcherdt, 1961, S. 15).
Seine Auffassung von Innovation ist doppeldeutig und schließt sowohl die „geistige Nachahmung“ (oder Akzeption) etwas Neuen als auch den Prozess der räumlichen Ausbreitung mit ein. Der Innovationsvorgang vollziehe sich allerdings weder zeitlich noch räumlich gleichmäßig. Zudem könne sich eine Innovation auch hinsichtlich sozialer Gruppen differenziert ausbreiteten. Zeitlich sei sie vor allem von konjunkturellen Schwankungen betroffen. Räumlich betrachtet könne die Ausbreitung der Innovation auch durch Initiativleistung an verschiedenen Punkten beginnen und aufgrund von Widerständen „wie […] Traditionsgebundenheit oder das Fehlen einer ‚Notwendigkeit‘“ Umwege einschlagen (a.a.O., 13ff.). Während Borcherdt (1961, S. 42ff.) eine Innovation nur als solche ansieht, wenn der Ausbreitungsvorgang nicht von einer Obrigkeit befohlen ist, sondern spontan abläuft, führt der amerikanische Geograph Brown (1975, S. 185ff.) den Begriff der propagierten Innovation ein und fügt damit der spontanen Innovation eine zweite Gruppe an Neuerungen hinzu. Diese kennz eichne sich dadurch, dass eine Institution, eine Gruppe oder eine Person besonderes Interesse an deren Ausbreitung habe.
Breuer (1985) verwendet in seiner Habilitationsschrift den Begriff Innovation wieder im Hägerstrandschen Sinne und versteht darunter allein die Neuerung und nicht deren Ausbreitungsvorgang. In einer aktuelleren Definition des Soziologen Rogers[6] (2003, S. 12), zusätzlich auf die vielfältigen Ausprägungen einer Innovation ein:
“An innovation is an idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption”[7]
Von der Innovation zur Diffusion
Alle genannten Autoren teilen die Auffassung, dass eine Innovation verschiedene Phasen durchlaufe (vgl. Hägerstrand, 1952, S. 16f.; Borcherdt, 1961, S. 46; Breuer, 1985, S. 11). Die erste Phase, „den geistigen Akt der Erfindung oder Entdeckung“ wird von Breuer (1985, S. 9). als Invention, deren „gezielt betriebene Anwendung“ als „ Implementierung “, bezeichnet. Das geographische Interesse liege meist jedoch nicht in der Invention, sondern in der „Reaktion, die die Innovation im Raum auslöst“ (ebd.). Die Annahme oder Übernahme einer Innovation (bei Borcherdt: „Akzeptanz“ bzw. „Nachahmung“) wird als Adoption, die individuellen Übernahmeeinheiten (i.d.R. Personen, Betriebe, Institutionen) als Adoptoren (oder Adopter) bezeichnet. Wiederholt sich die individuelle Adoption vielfach, spricht Breuer (1985, S. 9) von Diffusion und bezeichnet damit den Ausbreitungsprozess der Innovation selbst in Raum und Zeit (ebd.). Rogers (2003, S. 5) definiert Diffusion als
„ […] den Prozess, durch welchen eine Innovation über die Zeit und über bestimmte Kanäle unter den Mitgliedern eines sozialen Systems kommuniziert wird. Der Diffusionsprozess wird somit als spezielle Art der Kommunikation verstanden, deren Inhalt eine Verbreitung von als neu wahrgenommenen Ideen ist“ (dt. Übersetzung zit. aus Bader, Lupo, Mollet, Müller, Ott & von Matt, 2005, S. 13).
Diffusionstheorie
Hägerstrand postuliert aufgrund zwischenmenschlicher Kontakte (siehe „Nachbarschaftseffekt“ im nächsten Absatz) eine Abhängigkeit zwischen der Übernahmerate (Adoptionsrate) der Innovation und der Entfernung vom Innovationszentrum. Mit der Zeit entferne sich der Bereich der höchsten Adoptionsrate (in sog. „Innovationswellen“) immer weiter vom Innovationszentrum bis die Neuerung flächenhaft verbreitet und das Sättigungsstadium erreicht sei (vgl. Hägerstrand, 1952, S. 16f.; Hägerstrand, 1953/1967, S. 82ff.). Auch Borcherdt hält den Faktor Entfernung vom Innovationszentrum für wichtig. Allerdings habe die Distanz nur auf den zeitlichen Ablauf der Diffusion und nicht auf deren Adoptionsintensität Einfluss. Wie Hägerstrand, versteht auch er den Diffusionsvorgang dann als abgeschlossen, wenn überall das Sättigungsstadium erreicht sei, wobei der Sättigungsgrad sehr unterschiedlich sein könne. Scheinbare räumliche „Lücken“ seien darauf zurückzuführen, dass dort das Sättigungsstadium sehr früh bzw. bei sehr geringem absoluten Umfang erreicht sei (Borcherdt, 1961, S. 42ff.).
Das wirtschaftswissenschaftliche Konzept des Produktlebenszyklus gibt jeder Innovation (im Sinne eines Produkts) eine Lebensspanne und unterteilt diese in mehrere Phasen (Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung, [Rückgang]) (vgl. Schätzl, 2001, S. 2010ff.). Breuer (1985, S. 17) führt an, dass je fortgeschrittener eine Innovation im Lebenszyklus sei, desto größer sei der „ Vertrautheitsgrad der potenziellen Adoptoren“ und desto niedriger die Adoptionsschwelle. Auf lange Sicht werde somit die Innovation ihren neuartigen Charakter verlieren und die Diffusion zum Stillstand kommen.
Anstatt den Innovationsvorgang in Phasen zu unterteilen, bildet Rogers fünf Adopterkategorien in Abhängigkeit vom Zeitpunkt ihrer Adoption – der sogenannten „innovativeness“: Innovatoren, frühe Adoptoren, frühe Mehrheit, späte Mehrheit, und Nachzügler. Dabei wird von einer Normalverteilung ausgegangen. Die prozentuale Verteilung der Adopterkategorien ergibt mithilfe der Standardabweichung (sd) in Abhängigkeit vom mittleren Adoptionszeitpunkt () (siehe Abb. 1) (vgl. Rogers, 2003, S. 22f., 267ff.).
Abbildung 1: Adopterkategorien nach Rogers
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Rogers (2003, S. 281)
Nach Rogers (2003, S. 23) Diffusionstheorie nehmen die meisten Innovationen, trägt man kumulative Adoption gegen die Zeit auf, eine S-förmige Kurve an (siehe Abb. 2). Die Steilheit der Kurve gibt die häufig verwendete Messgröße der Adoptionsrate wieder, welche Rogers als die relative Geschwindigkeit, mit der eine Innovation von den Mitgliedern eines Systems übernommen wird, definiert. Auf eine anfänglich langsame Phase der Innovationsübernahme (Adoption) folgt eine Phase der schnellen Diffusion. Gegen Ende nähert sich die der Prozess einer Sättigung, die Adoptionsrate verläuft gegen Null (ebd.).
Abbildung 2: Diffusionskurve und Adopterkategorien nach Rogers
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Verändert nach www.marketinglexikon.ch in Anlehnung an Rogers (2003, S. 22f., 267ff.)
Darüber hinaus führt Rogers (2003, S. 15f.) fünf Charaktereigenschaften von Innovationen an, welche ihre Adoptionsrate und somit Diffusion begünstigen:
1) Ein relativer Vorteil gegenüber anderen Produkten (relative advantage),
2) Kompatibilität mit bestehenden Werten, Erfahrungen und Bedürfnissen (compatibility),
3) die Möglichkeit das Produkt zu testen (trialability),
4) die Sichtbarkeit des Innovationseffekts (observability) und
5) ein einfaches Funktions- und Gebrauchsprinzip (complexity).
Verschiedene Diffusionstypen
Neben der zeitlichen Strukturierung von Ausbreitungsvorgängen in verschiedene Phasen wurden von Anfang an gleichwohl deren Transfermechanismen erforscht und davon abhängig verschiedene Diffusionstypen charakterisiert. An dieser Stelle soll nur Hägerstrands Annahme Erwähnung finden, welche besagt, dass für eine Ausbreitung von Neuerungen eine Informationsübermittlung durch individuelle soziale Kontakte (Nachbarschaftseffekt) nötig sei. Diese kontaktabhängige Diffusion (vgl. Hägerstrand, 1953/1967, S. 158ff.) ordnet Breuer (1985, S. 12f.) in Anlehnung an Wirth (1979, S. 202ff.) eher auf der lokalen Ebene ein. Dieser stellt er auf einer Ebene kleineren Maßstabs die hierarchische Diffusion gegenüber, welche sich distanzunabhängig und sprunghaft, hierarchisch gestaffelt von mehreren Kernen ausbreite, die an die zentralörtliche Gliederung angelehnt sein könne (siehe Abb. 3) (Breuer, 1985, S. 12f.; Haas & Neumair, 2008, S. 94). Eine weitere Möglichkeit der Diffusionstypen-Unterscheidung geht auf Brown (1968) zurück. Bei der expansiven Diffusion bleiben Adoptoren (Informationsträger) am Ausgangsort, sodass sich die Innovation nur über den Kontakt mit anderen potenziellen Adoptoren ausbreitet. Die Annahmewahrscheinlichkeit der Innovation ist somit abhängig von der Distanz zum Innovationszentrum. Sind die Adoptoren selbst mobil und bewegen sich außerhalb ihres Ursprungsgebietes, so lösen sie dort erneute Ausbreitungsvorgänge aus. Diese relokative Diffusion ist demnach abhängig von der Bewegung der Adoptoren. Die häufigste Form der Innovationsausbreitung ist eine Überlagerung beider Typen. (vgl. Breuer, 1985, S. 13).
Abbildung 3: Hierarchischer Diffusionsprozess
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: www.mygeo.info in Anlehnung an Haggett, Cliff & Frey (1983, S. 98)
Allerdings verhalte sich die Nachfrage bzw. das Adoptionsverhalten im geographischen Raum regional sehr unterschiedlich. Gschaider (1981, S. 161) spricht von der „‘spezifischen Sensibilität‘, die ein geographischer Raum für ein bestimmtes Diffusionsobjekt aufweist“. Breuer (1985, S. 68f.) ergänzt, dass auch die regionale Divergenz dieser „Adoptionssensibilität“ weder räumlich noch zeitlich konstant sei, da sowohl die regionalen Strukturbedingungen (1) als auch der Inhalt einer Innovation (2) veränderlich sei. Schließlich nehme auch der Grad der Neuigkeit einer Innovation (3) ab und senke so die Adoptionsschwelle für den individuellen Adopter sowie „das Risiko, das mit der Übernahme einer Innovation verbunden ist“, wodurch die Innovation wiederum für neue (strukturelle oder regionale) Adoptergruppen verfügbar werde. Diese drei Veränderungskomponenten seien maßgeblich, ob der Verbreitungsprozess einer Neuerung erfolgreich verläuft, stockt oder erst gar nicht recht „in Gang kommt“ (Breuer, 1985, S. 68f.). Bathelt & Glückler beschreiben unterschiedliche Diffusionsbarrieren, welche den Ausbreitungsprozess einer Innovation hemmen können. Diese Barrieren können psychologischer, sozio-kultureller, politischer oder topographisch-physischer Natur sein und vermögen die Diffusion zu verändern oder aufzuhalten (Bathelt & Glückler, 2003, S. 234).
Kritik an der Theorie
Breuer (1985, S. 17f.) relativiert, dass „die flächenhafte Werbung über Massenmedien in der Realität die zeitliche Dimension der Informationsausbreitung fast auf Null [sic!] zusammenschrumpfen [lässt]“ und so dem Hägerstrandschen Nachbarschaftseffekt (bzw. der expansiven Diffusion) „nur noch sehr eingeschränkte Bedeutung zukommt“. Rogers (2003, S. 215f.) führt an, wie das Internet die Adoptionsrate von Innovationen in noch stärkerem Maße beschleunige, da es einerseits wie andere Massenmedien ein Informationsaustausch vom Typ „one-to-many“ sei, gleichzeitig jedoch interpersonelle Kommunikation zulasse. Zudem lasse eine E-Mail die Informationsweitergabe in gleicher Zeit und bei gleichen Kosten wie der Austausch mit dem Nachbarn zu.
Nach Breuer (1985, S. 17f.) sei der Diffusionstyp mehrheitlich „[…] weniger durch die Art der Informationsausbreitung als vielmehr durch die inhaltlichen Eigenschaften der Innovation selbst vorgegeben […]“, weshalb die zukünftige „Innovationsforschung den Versuch einer allgemeingültigen und umfassenden Adoptions- und Diffusionstheorie aufgeben“ und stattdessen versuchen solle, Gesetzmäßigkeiten regional und thematisch zu differenzieren (a.a.O., S. 18). Bathelt & Glückler (2003, S. 234) begründen den Stillstand der traditionellen Diffusionsforschung seit den 1980er Jahren damit, dass der Schritt zur Adoption einer Innovation nicht nur von der Innovation selbst, sondern auch vom sozialen und ökonomischen Kontext sowie der Erfahrung der Adoptoren abhänge. Aus diesen genannten Gründen wird in dieser Arbeit auf eine Vertiefung der Diffusionstypisierung und der Transfermechanismen verzichtet (siehe Kap. 2.1.2).
2.1.2 Einordnung in die eigene Thematik
Laut Bochert (2011, S. 9) befinden sich viele traditionelle Tourismusregionen Europas in der Konsolidierungs- oder Stagnationsphase. Es werde „[…] unweigerlich ein Ausleseprozess insbesondere in denjenigen Regionen, die in die Sättigungsphase übergehen, einsetzen.“ Daher erfordere es Strategien um einer Degeneration entgegenzuwirken. Innovationen können für die Revitalisierung dieser Destinationen entscheidend sein und seien in der wettbewerbsintensiven Tourismusbranche von größter Bedeutung. Denn „ein Stillstand an Innovationstätigkeiten [bedeutet] zugleich einen Rückschritt“ im Wettbewerb mit den konkurrierenden Destinationen (Pikkemaat & Peters, 2006, S. 3). Bezogen auf das Phasenmodell des Produktlebenszyklus erreichen bestehende Produkte bzw. Dienstleistungen früher oder später die Degenerationsphase (vgl. Bieger, 2008, S. 104), weshalb Destinationen stets bemüht sind, innovative Leistungen zu generieren und somit ihr touristisches Angebot zu erweitern bzw. zu verbessern (Steinhauser & Theiner, 2006, S. 289). Viele Regionen setzen hierbei unter anderem auf das E-Bike. Während sich das Produkt „Fahrradtourismus“ bereits in der späten Reifephase befindet, (Bochert, 2011, S. 9) ordnet der Verfasser, ohne die Durchführung einer Lebenszyklusanalyse, den „E-Bike-Tourismus“ der frühen Wachstumsphase zu.
Das Elektrofahrrad ist eine Produktinnovation, dessen Invention schon Jahrzehnte zurückreicht. Eine nennenswerte Diffusion begann allerdings erst vor etwa zehn Jahren mit der Einführung des „modernen E-Bikes“(siehe Kap. 2.3 ), dessen Innovationszentrum in der Schweiz zu verorten ist. Diese Studie beschäftigt sich jedoch weniger mit der Ausbreitung der Produktinnovation Elektrofahrrad, sondern mit dessen Nutzung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft. So gesehen ist der E-Bike-Tourismus als touristisches Produkt bzw. Dienstleistung eine auf der Produktinnovation Elektrofahrrad aufbauende, separat zu betrachtende Innovation. Alternativ kann man die „gezielt betriebene Anwendung“ des Elektrofahrrads im Tourismus auch als Implementierung der Innovation begreifen (vgl. Breuer, 1985, S. 9). Inwieweit ein E-Bike-Angebot als Innovation angesehen wird, liegt in der Sichtweise des potenziellen Adopters. „Ob eine Innovation tatsächlich neu ist oder ob sie bereits länger existiert, spielt keine Rolle“ (Bader et al., 2005, S. 13).
Als Adoptoren des E-Bike-Tourismus könnten einerseits Destinationen betrachtet werden, welche diese Innovation übernehmen, andererseits der einzelne Besucher, welcher die Innovation Elektrofahrrad auf Zeit annimmt bzw. adoptiert. Für die vorliegende Untersuchung sollen die Besucher der Destinationen als potentielle Adoptoren betrachtet werden; diejenigen, welche das touristische E-Bike-Angebot nutzen als Adoptoren.
Laut Hofmann & Bruppacher (2008, S. 52f.) erfüllen E-Bikes als Innovation fast alle Charaktereigenschaften, welche nach Rogers (2003, S. 15f.) für eine Adoption förderlich seien und tragen somit sehr gute Voraussetzungen für ein großes Diffusionspotenzial. Die von ihnen angeführten Eigenschaften für die Produktinnovation E-Bike lassen sich auch auf die Innovation E-Bike-Tourismus übertragen: Die Nutzung des E-Bikes im Tourismus beinhaltet diverse relative Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Fahrrad (siehe Kap. 2.3.4 ; 2.4.4 ). Ein Nachteil sind die höheren Kosten für die Radmiete. Da das Fahren eines Elektrofahrrads mit dem herkömmlichen Radfahren vergleichbar ist und man kaum neue Fertigkeiten benötigt, ist diese Innovation mit bestehenden Werten, Erfahrungen und Bedürfnissen kompatibel. Auch die Testbarkeit wird von den meisten E-Bike-Verleihern ermöglicht, obwohl das sehr einfache Funktionsprinzip keine besonderen Kenntnisse erfordert. Einzig die Sichtbarkeit des Innovationseffektes ist relativ gering, da sich moderne E-Bikes äußerlich nur noch wenig von gewöhnlichen Fahrrädern unterscheiden. Traut man den beiden Autoren (ebd.), sei jedoch gerade diese Tatsache von der Mehrheit der Nutzer explizit erwünscht.
Für die vorliegende Arbeit ist Browns (1975, zit. in Breuer, 1985, S. 14f.) Markt- und Infrastrukturansatz von besonderer Bedeutung. Dieser besagt, dass „[…] die Adoption einer Innovation als immer neues Ergebnis des Wechselspiels von Angebot und Nachfrage begriffen [werden kann]“. Auf der Nachfrageseite stehen die potenziellen Adopter, welche eine Neuerung übernehmen sollen. Auf der Angebotsseite stehen jene, welche an der Einführung der Neuerung ein Interesse haben, die sogenannten Propagatoren der Innovation. Diese „versuchen, ungünstige strukturelle Rahmenbedingungen bei den Adoptern […] zu verbessern. Sicherlich kann die Adoption, also die touristische Nutzung eines E-Bikes nur in Destinationen mit einem solchen Angebot stattfinden – ist also angebotsabhängig. Gleichzeitig adoptieren aufgrund diverser persönlicher oder struktureller Einschränkungen nicht alle potenziellen Adopter das Angebot – also ist die Adoption ebenfalls nachfrageabhängig. Zweifelsohne kann das Elektrofahrrad an sich, sowie der E-Bike-Tourismus, als eine propagierte Innovation angesehen werden. Propagatoren sind die Tourismusdestinationen und insbesondere die Leistungsträger des E-Bike-Angebots (Gastwirte, Radverleiher, Akkulade-/Wechselstationen). Darüber hinaus wird der Aufbau einer E-Bike-Infrastruktur (siehe Kap. 2.4.2 ) nicht selten von staatlicher Seite (vgl. Bergmann et al., 2006) oder privaten Unternehmen (z.B. Stromanbieter) gefördert (siehe 3.1.1).
Gewöhnlich beschäftigt sich die geographische Diffusionsforschung mit dem Ausbreitungsprozess selbst. Dabei konzentrieren sich die Untersuchungen auf zentrale Fragen: Wo befinden sich die Ausbreitungszentren (Informationszentren)? Wie wird die Information weitergeleitet? Mit welcher Geschwindigkeit und in welcher Richtung breitet sich die Innovation aus?
In dieser Studie hingegen, treten diese Fragestellungen in den Hintergrund. Als Diffusionsraum wird nicht wie gewöhnlich der reale Untersuchungsraum (in diesem Fall der deutschsprachige Raum) als geographisch abgrenzbares Gebiet betrachtet, sondern einzelne Beispielregionen und deren Adoptionsverhalten (Nachfrage nach E-Bikes). Im Fokus dieser Untersuchung soll die Erfassung der „spezifischen Sensibilität“(siehe Kap. 2.1.1) der Untersuchungsregionen sein. Wieso wird das E-Bike in einer (Untersuchungs-)Region bereits von einem größeren Anteil der Touristen (Adopter) angenommen (adoptiert) als in einer anderen? Als Unterscheidungsmerkmal dient zur Vereinfachung zunächst die Topographie einer Region. Zur Vereinfachung sollen drei Landschaftstypen (ebene Landschaft, Mittelgebirge und Hochgebirge stellvertretend untersucht werden.
Auch das Konzept der Diffusionsbarrieren (siehe Kap. 2.1.1) lässt sich auf die eigene Thematik anwenden. Stellte die bewegte Topographie für den „Genuss-Radtourismus“ bisher eine Diffusionsbarriere dar vermag die Innovation Elektrofahrrad diese – zumindest theoretisch – aufzulösen
2.2 Fahrradtouristische Grundlagen
Um den derzeitigen Wandel im Radtourismus durch die Innovation Elektrofahrrad einzuordnen, erscheint es zweckmäßig, dem Leser einen Überblick über die Entwicklung und die aktuelle Situation des Fahrradtourismus zu geben. Darüber hinaus werden weitere für das Verständnis der Untersuchung relevante Aspekte dargestellt.
2.2.1 Entwicklung des Fahrradtourismus
Der Fahrradtourismus ist eine relativ junge Tourismusart. Die ersten Anfänge kamen nach dem Zweiten Weltkrieg auf, als junge sowie naturverbundene Menschen Reisen mit dem Fahrrad machten. Jedoch verloren sich diese Ansätze mit der aufkommenden Massenmotorisierung wieder (Rosenau, 2011, S. 27). Noch Ende der 1970er Jahre galt Radfahren lange Zeit als Zeugnis von Geldmangel oder als eine Form des Protests von „Öko-Gutmenschen“ (Giebeler, 2012, S. XIII). Auch damals sorgten – ähnlich wie heute – gestiegene Benzinpreise und eine gesteigerte Sensibilität für Umweltbelastungen sowohl im Alltag als auch in der Freizeit häufig für den Verkehrsmittelwechsel auf das Fahrrad (Schnell, 2007, S. 341). In der ersten Hälfte der 1980er Jahre setzte ein gesellschaftlicher Wandel „[…] hin zu postmateriellen Werten wie Entschleunigung, Körper- und Gesundheitsbewusstsein“ ein bei einer parallelen Individualisierung des Reisens (Miglbauer, 2012, S. 18). Zuallererst bemerkten die Gasthof- und Hotelbesitzer entlang der Donau zwischen Passau und Wien, dass der Radtourist – entgegen der damaligen Vorstellung eines „Arme-Leute-Tourismus“ – aus Vergnügen Fahrrad fährt und durchaus für Umsatz sorgt. Dieses Phänomen machte schnell die Runde und wenig später waren Radtouristen auch in anderen Regionen, vornehmlich an Seen und entlang der Flüsse gern gesehene Gäste (Giebeler, 2012, S. XIII; Timmdorf, 2011, S. 67). Die steigende Nachfrage brachte einen Wandel vom Anbieter- zum Käufermarkt, worauf die Destinationen wiederum mit einem verstärkten fahrradtouristischen Angebot reagierten. Aufgrund der hohen ökonomischen Relevanz wollte keine touristische Region auf dieses Nachfragesegment verzichten bzw. der Konkurrenz hinterherhinken. So konnte sich in einer relativ kurzen Zeitspanne das Fahrradfahren nachhaltig im Tourismussegment etablieren (Schnell, 2007, S. 331).
Aufgrund methodischer Hindernisse[8] existieren wenig gesicherte quantitativen Daten zur fahrradtouristischen Nachfrage. Insbesondere Daten zum Tagestourismus liegen nur punktuell vor (DTV, 2009, S. 21). Dennoch sollen hier einige aktuelle Zahlen die hohe ökonomische Bedeutung des Radtourismus innerhalb der Tourismusindustrie bekräftigen (vgl. Miglbauer, 2012, S. 18).
- In Deutschland haben 21 % der Bevölkerung über 14 Jahren bereits einen Fahrradurlaub unternommen
- In Österreich geben je nach Bundesland zwischen 8 und 18 Prozent der Gäste Radtouren als Hauptmotiv des Urlaubs an.
- In der Schweiz stellt Radfahren und Mountainbiken für 11,7 % die wesentliche Urlaubsaktivität dar.
Die Anzahl der Destinationen, welche auf Radtourismus setzen, wächst (DTV, 2009, S. 22). So gesehen lässt sich die Ausbreitung des Radtourismus vor etwa drei Jahrzehnten durchaus als Innovation betrachten, deren Diffusion sowohl räumlich gesehen als auch hinsichtlich der Intensität immer noch anhält. Einige Regionen haben das Sättigungsstadium bereits erreicht. Dazu zählen sowohl einige viel besuchte Radregionen wie der Donauradweg als auch die „Nicht-Radregionen“, deren Sättigungsgrad allerdings sehr niedrig liegt (vgl. Kap. 2.1.1 ).
Der derzeit sich vollziehende demographische Wandel wirkt sich massiv auf den Tourismus aus. Vertraut man den Studien von Zahl, Lohmann und Meinken (2007, S. 102ff.), sei der wichtigste Faktor für die zukünftige Steigerung der Reiseintensität[9] die Zunahme der Reiseintensität von Senioren (deren absolute Anzahl obendrein zunimmt). Die Senioren von morgen seien es gewohnt zu reisen und werden an diesen Reisegewohnheiten festhalten. Sowohl die Auswahl der Reiseziele als auch die Aktivitäten und Ansprüche der Senioren werden vielfältiger sein. Diese „neuen Senioren“ existieren bereits und seien schon heute relativ aktiv, was bei zukünftigen Seniorengenerationen in noch stärkerem Maß der Fall sein werde.
Die hohe Affinität der älteren Bevölkerung zum Fahrrad als Verkehrsmittel sorgt auch für eine steigende Zahl an Fahrradtouristen. Waren Radreisen früher eher etwas für Jugendliche und junge Erwachsene ist schon heute ein sehr großer Teil der Radreisenden zwischen 50 und 70. Dabei sind sie deutlich gesünder und fitter als es ihre Altersklasse vor dreißig Jahren war (Timmdorf, 2011, S. 68). Aufgrund dieser Entwicklung müssen viele Tourismusregionen sich an eine Veränderung ihrer Hauptzielgruppe anpassen.
Um auf dem Markt konkurrieren zu können, erhöhen die Destinationen ihre Marketingbemühungen und schaffen neue Angebote und/oder verbessern die Qualitätsstandards ihrer Fahrradinfrastruktur. Dies und ein wiederholt wachsendes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein steigern die allgemeine Beliebtheit des Fahrrads als Freizeitgerät. Daher ist anzunehmen, dass die absolute Zahl der Fahrradausflüge weiterhin zunehmen wird. Hingegen bleibt es offen, ob auch die Zahl der mehrtägigen Urlaubsreisen mit dem Rad ansteigen werden, da deren Entwicklung stärker konjunkturabhängig ist als die eintägiger Fahrradausflüge.
Als besonders positiv für die Branche werden die neuen Elektrofahrräder betrachtet (DTV, 2009, S. 21). Touristiker versprechen von ihnen, neben einem Angebot für eine älter werdende Hauptzielgruppe, weitere unterschiedliche Chancen, welche ausgiebig in nachfolgenden Kapiteln behandelt werden (siehe Kap 2.4).
2.2.2 Typisierung von Fahrradfahrern
Fahrradtourismus ist keineswegs eine homogene Freizeitbeschäftigung, sondern weist sowohl bezüglich der Reiseart und -dauer als auch hinsichtlich der Zielgruppen ein weit gefächertes Spektrum auf (vgl. Rosenau, 2011, S. 28). Hier sollen nun die wichtigsten fahrradtouristischen Nutzerkategorien aufgeführt und systematisch gegliedert werden.
Der Deutsche Tourismsus Verband definiert Fahradtourismus als
„[…] diejenigen Beziehungen und Erscheinungen […], die sich aus der Nutzung von Fahrrädern jeglicher Art zum Zweck der Freizeit- und Urlaubsgestaltung außerhalb des Wohnumfelds ergeben. Inbegriffen sind hierbei sowohl Kurz- und Tagesausflüge als auch Übernachtungsreisen“
Diese Definition grenzt zunächst den Fahrradtouristen (häufig auch „Freizeitradler“) vom Alltagsradler ab, welcher das Rad für Fahrten innerhalb seines Wohnumfelds nutzt, deren Zweck nicht das Radfahren allein, sondern das Erreichen des Ziels ist. Der Fahrradtourist hingegen nutzt das Rad zur Erholung oder zur sportlichen Betätigung. Für ihn ist das Radfahren selbst der Zweck (vgl. Rosenau, S. 22; ETI, S. 6). Er nutzt das Fahrrad vielmehr als „Fortbewegungsmittel zum Sammeln von Erfahrungen in anderen Landschaftsgebieten, losgelöst vom Alltagsstress“ (Miglbauer & Schuller, 1991, S. 10).
Fahrradtouristen lassen sich nach verschiedenen Merkmalen in unterschiedlicher Art und Weise kategorisieren (vgl. Görtz & Hürten, 2011, S. 36ff.). Eine Möglichkeit ist eine Typologisierung nach dem Charakter der Radtour(en) (Familienradler, Genussradler[10], Tourenradler, Mountainbiker, Radsportler). Die Marktforschung erkannte, dass der genutzte Fahrradtyp (Touren- bzw. Trekkingrad, Mountainbike, Rennrad, E-Bike) dabei als wesentliches Differenzierungsmerkmal optimal geeignet ist. Je nach Fahrradtyp unterscheiden sich auch die Präferenzen des Radfahrers (siehe Tab. 1) und damit (im Optimalfall) auch das touristische Angebot (BMWi, 2009, S. 38). Während für Mountainbike- und Rennradfahrer das sportliche Training die Hauptmotivation darstellt, steht für die Tourenradler das Erleben einer gewissen Region im Vordergrund. Der häufigste Radtyp war wie auch in den vergangenen Jahren das Trekkingrad, welches sich insbesondere für längere Radtouren bzw. Radreisen eignet (DTV, 2009, S. 17).
Tabelle 1: Radfahrertypologien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BMWi (2009, S. 38)
Eine weitere wichtige Unterscheidung von Fahrradtouristen wird hinsichtlich ihrer Reisedauer vorgenommen. Sofern mindestens eine Übernachtung inkludiert ist, wird die Tour als Radurlaub oder Radreise bezeichnet. Tagesreisen ohne Übernachtung werden hingegen als Radausflug angeführt. Entsprechend dazu werden die Touristen in Radausflügler (oder „Ausflugsradler“) und Radurlauber[11] unterschieden.
Abbildung 4: Typisierung von Radfahrern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach ETI (2007, S. 6); Rosenau (2011, S. 22); Trendscope (2010, S. 2)
Auf einer weiteren Ebene lassen sich Radurlauber wiederum hinsichtlich ihrer Reiseart kategorisieren. Als Tourenradler bzw. Radwanderer werden jene Radtouristen bezeichnet welche mehrere Tage lang auf Radwander - bzw. Radfernwegen[12] – von einem Start- zu einem Zielort fahren. Regio-Radler sind Radtouristen mit fester Unterkunft, von welcher sie Tagestouren unternehmen. Im Gegensatz zu diesen beiden Gruppen, stellt für Urlaubsradler das Radfahren nur eine von mehreren Urlaubsaktivitäten dar und ist nicht das Hauptmotiv der Reise.
Eine Angabe über die prozentuale Aufteilung der einzelnen Radfahrertypen ist nur hinsichtlich ihrer Reiseart sinnvoll, da die Unterscheidung nach Reisedauer oder -zweck (siehe Abb. 4 Abbildung 4 ) i.d.R. nur situationsbezogen erfolgen kann, da beide Typen meistens in einer Person vereint sind. Laut Trendscope (2010, S. 91) lasse sich in Deutschland die Hälfte der Radurlauber der Gruppe der Urlaubsradler zuordnen, 27 % den Radwanderern und 23 % den Regio-Radlern.
Im Mittel fahren Fahrradtouristen 45 km pro Tag und benötigen dafür fünf Stunden (Trendscope, 2012c, S. 5). Während der Typ „Genussradler“ pro Tag 30–50 km zurücklegt (Rosenau, 2011, S. 29), bewältigen Radwanderer hingegen Tagesetappen von 50–80 km. Ihre Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt dabei 15–20 km/h. Sie favorisieren ein flaches bis welliges Höhenprofil mit max. 300 hm pro Tag und Anstiegen im einstelligen Prozentbereich. Die Strecke sollte eine asphaltierte oder zumindest wassergebundene Fahrbahnoberfläche aufweisen und ohne besondere fahrtechnische Anforderungen zu bewältigen sein (Biedermann, 2009, S. 3).
2.2.3 Bewertungskonzept für den Schwierigkeitsgrad von Radwegen
Um Radrouten besser vergleichen zu können entwickelte Curd Biedermann, Gesellschafter des Internetportals bayernbike.de, ein Verfahren zur objektiven Zertifizierung des Schwierigkeitsgrades von Radwegen. Das Ergebnis ist der Eurobike-Systemstandard©, eine in halben Punkten abgestufte Skala mit Schwierigkeitsgraden von 1 bis 4 (siehe Tab. 2) (Wolf, 2009, S. 36f.). Der Systemstandard setzt sich aus den Parametern Höhenmeter, Geländebeschaffenheit sowie dem Verhältnis der Höhenmeter zur Streckenlänge zusammen. Da die Anforderungsunterschiede zwischen verschiedenen Radfahrertypen erheblich sind, gibt es drei zueinander inkompatible Maßskalen (Radwanderwegeskala, Mountainbikeskala, Singletrailskala) (Biedermann, 2008, S. 4).
Der wichtigste Faktor zur Einstufung des Gesamtschwierigkeitsgrades ist der Höhenmeterquotient HQ, dem Verhältnis der Streckenlänge zu den Höhenmetern. Eine reine Bewertung nach diesem Faktor unterstellt der Strecke allerdings eine Gleichverteilung des Steigungsprofils bzw. der Profilrhythmik. Der Schwierigkeitsgrad steigt aber mit steigender Unrhythmik bzw. Abweichungen vom Durchschnittswert. Radtouren mit einem inhomogenen Streckenprofil (wenige, dafür umso steilere Anstiege im zweistelligen Prozentbereich), sind trotz identischem HQ anspruchsvoller als Strecken mit einem gleichmäßigen sanften Steigungswinkel. Je nach Profilrhythmik kann der Schwierigkeitsgrad um einen halben Punkt herauf- bzw. herabgestuft werden. Zur weiteren Erhöhung der Aussagekraft wird die Bewertung um weitere zwei Schwierigkeitsgrade ergänzt. Somit können sowohl anspruchsvollere Streckenabschnitte als auch lokale Extremausprägungen des Streckenprofils (Einzelberganstiege) in objektiven Werten angegeben werden. Der einfach zu ermittelnde Höhenquotient gibt zwar nur einen groben Anhaltswert, birgt aber den Vorteil einer schnellen Zuordnung des Schwierigkeitsgrades (Biedermann, 2009, S. 5ff.).
Tabelle 2: Eurobike-Systemstandard© Radwanderwegeskala
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Verändert nach Biedermann (2009, S. 1f.) und Wolf (2009, S. 36)
Die in Kapitel 2.2.2 aufgeführten durchschnittlichen Leistungswerte für Radwanderer entsprechen in dieser Skala dem Median-Schwierigkeitsgrad SG 2,5. Das Leistungslimit für durchschnittlich bis gut trainierte „Genussradler“ streut innerhalb der Schwierigkeitsgrade 3.0 bis 3.5 in der Kategorie Mittelschwer. Radstrecken mit einem höheren Schwierigkeitsgrad sind i.d.R. den konditionierten Radsportlern vorbehalten und geht meist mit einem Wechsel des Fahrradtyps (Rennrad, Mountainbike) einher (Biedermann, 2009, S. 6) .
Für E-Bikes bzw. Pedelecs gilt, dass je nach Unterstützungsstufe des Elektromotors, die Bewertung – bei gleichem Schwierigkeitsgrad – leichter eingestuft werden kann. Allerdings gibt es für diese „Normabweichung“ keinen objektiven Berechnungsschlüssel und erfordert vom Anwender selbst eine „Feinjustierung“ innerhalb der Radwanderwege-Skala (Biedermann, 2013, S. 2).
2.2.4 Destinationswahl
Auch wenn Landschaft das wichtigste Motiv für eine Radreise darstellt (BMWi, 2009, S. 59), hängt die Wahl der Destination von vielen Faktoren ab. Die Bedeutung der landschaftlichen Attraktivität, rangiert dabei nur auf dem dritten Platz hinter der Wegeführung (2) und der Beschilderung der Route (1) (ETI, 2007, S. 139).
In einer Studie des Europäischen Tourismus Instituts (ebd.) wurden sowohl Radurlauber als auch Ausflugsradler nach der Bevorzugung verschiedener Landschaftstypen befragt . Hierbei ging hervor, dass für einen Radurlaub Flusslandschaften den mit Abstand beliebtesten Landschaftstypus darstellen (siehe Abb. 5). Auch die übrigen flachen Landschaftskategorien sind deutlich beliebter als Mittel- und Hochgebirge. Daraus könnte man deuten, dass der Radreisende die Bequemlichkeit der Streckenbewältigung ohne große Höhenunterschiede wichtiger empfindet als die Attraktivität hügeliger oder gebirgiger Landschaften (BMWi, 2009, S. 60).
Sicherlich ist hierfür auch das Angebot verantwortlich. Das deutsche radtouristische Wegenetz wird vom Bielefelder Verlag auf Basis seiner Radwanderkarten auf 150.000 km berechnet. Davon sind etwa ein Drittel Radfernwege. Von 209 Radfernwegen verlaufen 40 % in ebenen Landschaftszonen entlang von Flüssen, Seen und Meeresküsten. 30 % aller Radfernwege sind sogenannte Themenradfernwege (z.B. Route der Industriekultur). Die restlichen 30 % können weder einer bestimmten Thematik noch einem Gewässerverlauf zugeordnet werden und beziehen sich auf physisch-geographische Regionen (Bodensee-Königssee-Radweg, bedeutende Orte (Berlin-Usedom Radfernweg) oder verlaufen innerhalb einer Region (Schwarzwald-Radweg) (DTV, 2009, S. 15f.). Nichtsdestotrotz befinden sich unter den zehn beliebtesten deutschen Radfernwegen ausschließlich solche entlang von Gewässern. Darunter sind neben acht Flussradwegen auch der Ostseeküsten-Radweg (Platz 4) und der Bodensee-Radweg (Platz 10) (adfc, 2012b, S. 28).
Abbildung 5: Bevorzugte Landschaftstypen während einer mehrtägigen Fahrradtour
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BMWi (2009, S. 5) in Anlehnung an ETI (2007, S. 139)
Bei den Tagesreisen mit Fahrrad („ Radausflug “) dominieren absolut betrachtet jene Landschaftstypen mit dem größten Verbreitungsgrad und jene mit dem höchsten Gesamtaufkommen von Tagestouristen (siehe Tab. 3). Fast die Hälfte der Radausflüge findet in den Ballungsgebieten statt. An zweiter Stelle stehen die gemäßigten Mittelgebirge unter 1.000 m (17 %), gefolgt von den Flusslandschaften (9 %) und den höheren Mittelgebirgen über 1.000 m (8 %) (BMWi, 2009, S. 42f.).
Tabelle 3: Fahrradtouristische Relevanz des Landschaftstyps bei Radausflügen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BMWi (2009, S. 43)
Interessanter ist die Betrachtung der relativen Bedeutung des Fahrradtourismus in den jeweiligen Landschaftszonen (siehe Tab. 3, Spalte 4). Diese wird vornehmlich von zwei Faktoren beeinflusst. Während sich Attraktivität und radtouristische Eignung positiv auswirken, schmälert ein breites touristisches Angebot den relativen Anteil des Radtourismus (BMWi, 2009, S. 40). Diese Rangordnung wird mit deutlichem Abstand von der Alpenregion (8,9 %) und den Seengebieten angeführt (8,7 %). Im Gegensatz zu den Seenlandschaften ist die Spitzenplatzierung der Alpenregion hinsichtlich ihrer Eignung für Fahrradausflüge verwunderlich. Ein Erklärungsansatz ist die für Mountainbiker prädestinierte Topographie. Noch bedeutsamer ist wahrscheinlich jedoch, dass in der Studie die Voralpen mit hinzugezählt wurden, deren hohe Zahl an Seen, Flusstälern und Moränenlandschaften wie geschaffen sind für Fahrradtourismus. Ferner verschleiert diese Statistik durch ihre Generalisierung, dass bestimmte Radregionen (z.B. die Donau oder das Münsterland) einen deutlich höheren Anteil an Fahrradtouristen besitzen (BMWi, 2009, S. 42f.).
2.3 Das Elektrofahrrad und dessen Nutzung im Alltag
Als „Elektrofahrrad“ oder „E-Bike“ bezeichnet man ein Fahrrad mit einem Elektromotor (Hofmann & Bruppacher, 2008, S. 50). Als eines der ersten Patente für elektrisch betriebene Fahrräder gilt Ogden Boltons U.S. Patent 552.271 aus dem Jahre 1895 (siehe Abb. 6, links) (Müller & Müller, 2011) . Das 1946 vom Briten Benjamin Bowden entwickelte Elektrofahrrad wurde für kurze Zeit 1960 in Serie produziert. Die beim Bergabfahren gespeicherte Energie konnte am Berg wieder abgeben werden (Rekuperation) Allerdings wurde der hochpreisige „ Spacelander “(siehe Abb. 6, rechts) schlecht angenommen, woraufhin man die Produktion nach nur ca. 500 Modellen wieder einstellte (ETRA, 2010, S. 37).
Abbildung 6: Das Elektrofahrrad: Frühes Patent (links) und serienreifes Produkt (rechts)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quellen: www.electric-bicycle-guide.com (links); www.wright20.com (rechts)
In den frühen 1990er Jahren wurden erste marktreife Modelle vom Schweizer Hersteller Velocity und dem japanischen Konzern Yamaha Motors produziert. Den großen Durchbruch erzielte die Schweizer Firma Biketec mit dem New Flyer (2000) und der FLYER C-Serie (2003) – dem ersten Elektrofahrrad Europas mit Lithium-Ionen Akku-Technologie – und setzte damit neue Maßstäbe am Markt (www.flyer.ch, 2013; Ulvac, 2012, S. 11).
Heute erfüllen Elektrofahrräder gleich mehrere Bedürfnisse. Die Durchschnitts-geschwindigkeit eines E-bikes ist im flachen Gelände mit 24 km/h deutlich höher als auf einem gewöhnlichen Fahrrad (17 km/h) – und damit sogar höher als die Reise-geschwindigkeit eines Autos im Stadtverkehr (ETRA, 2010, S. 8). Ferner sorgen die außerordentlich energieeffizienten Räder dafür, dass der Nutzer bei steileren Anstiegen nicht in den „roten Bereich“ gerät und somit ein Schwitzen und Keuchen bzw. ein Absteigen vom Fahrrad vermeiden kann (AUE Basel-Stadt, 2009, S. 1). Als weiche Faktoren zählen weiterhin die Bedürfnisbefriedigung nach einer vergleichsweise kostengünstigen und umweltfreundlichen Mobilität, eine einfache Bedienung (intuitive Funktionalität) und die Integrierbarkeit in den Alltag (die Akkus können einfach abgezogen und im Haus oder Büro aufgeladen werden). Im Grunde ist keine besondere Infrastruktur zwingend nötig, da ein Elektrofahrrad auch mit leerem Akku wie ein herkömmliches, wenn auch ca. zehn Kilogramm schwereres Fahrrad genutzt werden kann (Paetz, Landzettel, & Fichtner, 2012, S. 37).
Zunächst verband man eine Verwendung von Elektrofahrrädern nur mit älteren oder körperlich weniger trainierten Menschen sowie mit steigungsreichen Strecken (Demarrage, 2011, S. 14). Doch seit die Anbieter nicht nur die Technik verbesserten, sondern mehr und mehr das Design der zuvor als „Oma-Fahrzeuge“ abgestempelten Räder revolutionierten, beobachtet man wie das E-Bike zum „Lifestyle-Vehikel“ wurde. Zudem diversifizierten sich die Modelle für verschiedene Nutzungsansprüche (E-Mountainbike, Elektro-Stadtrad, Elektro-Lastenrad) (Miglbauer, 2012, S. 26). Einige begeisterte Radler kaufen sich zusätzlich zu ihrem Mountainbike, Rennrad und Trekkingrad noch ein E-Bike, da sie sich für solche Innovationen interessieren und die neue Erfahrung suchen. Die Mehrheit der Käufer sind dennoch ältere Radfahrer, welchen das E-Bike – auch auf flachen Radrouten – ein leichteres Radfahren ermöglicht. Somit können sie häufigere und längere Touren fahren (Demarrage, 2011, S. 14).
Die repräsentative Online-Umfrage Sinus Markt- und Sozialforschung GmbH ergab, dass 8 % der deutschen Bevölkerung bereits Nutzungserfahrungen mit Elektrofahrrädern sammeln konnte. Interessant ist, dass E-Bikes in allen sozialen Milieus der (deutschen) Gesellschaft genutzt werden und sich der Anteil derjenigen mit Nutzungserfahrung zwischen den Milieus relativ wenig unterscheidet (6–13 %) (sinus, 2011, S. 70, 99ff.).
2.3.1 Begrifflichkeiten
Zunächst sollte etwas über die Verwendung der Begrifflichkeiten gesagt werden, welche allesamt das Elektrofahrrad bezeichnen. In den Medien und im allgemeinen Sprachgebrauch wird am häufigsten der Begriff E-Bike verwendet. Es kursieren allerdings einige synonym benutzte Bezeichnungen. Diagramm 1 zeigt eine Liste der sieben meist verwendeten Begriffe anhand der Anzahl der Suchergebnisse auf deutschen Seiten in der Google -Suchmaschine (www. google.de) am 19.03.2013.
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[1] Spezieller Elektrofahrrad-Typus (siehe Kap. 2.3.1)
[2] Dt. Übersetzung: Die niederländischen Polder, die Loire Region und die Radwege entlang der Donau sind für die Mehrheit der Radfahrer wie geschaffen. Die Alpen, die Abruzzen oder die Dolomiten jedoch sind reserviert für die sehr gut trainierten Radfahrer oder jene, die sich an der Tretunterstützung erfreuen.
[3] Mit der Bezeichnung „massentauglich“ soll der Mountainbike- und Rennradtourismus ausgeschlossen werden.
[4] Definition: siehe Kapitel 2.4.5, S. 52 unten
[5] In seiner 1911 erschienenen „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ spricht Schumpeter noch von „neuen Kombinationen“ (Schumpeter, 1911/1987, S. 110f.). Explizit verwendet er den Begriff „Innovation“ erst in seinem 1939 zunächst in englischer Sprache erschienen Werk „Business Cycles“.
[6] Rogers schuf mit seinem erstmals 1962 erschienen Hauptwerk „Diffusion of Innovations“ ein Standardwerk der Innovations- und Diffusionsforschung
[7] Dt. Übersetzung: Eine Innovation ist eine Idee, eine Praxis oder ein Objekt, dass von einer Einzelperson oder einer anderen Adoptionseinheit als neu wahrgenommen wird.
[8] Eine Ursache ist die Tatsache, dass in der Beherbergungsstatistik nicht das Motiv der Reisenden erfasst wird.
[9] „Sie beschreibt den Anteil der Personen an der Gesamtbevölkerung oder einer Subgruppe, der in einem bestimmten Jahr mindestens eine Urlaubsreise (5 Tage und länger) unternommen hat“ (Zahl, Lohmann, & Meinken, 2007, S. 96f.)
[10] „Genussradler“ bevorzugen Radwege, auf denen die körperliche Anstrengung minimal ist […] [und] interessieren sich für weitere Aktivitäten während der Radreisen (Natur, Kultur, Gesundheit, Besichtigungen)“ (ETI, 2007, S. 19). Sehr häufig wird der Begriff im Zusammenhang mit E-Bikes verwendet (div. Internetquellen).
[11] nicht zu verwechseln mit „Urlaubsradler“ (siehe nächster Absatz)
[12] Teilweise wird zwischen beiden Kategorien unterschieden. Im Gegensatz zu überregionalen Radfernwegen sind Radwanderwege meist auf kleinere Räume begrenzt (vgl. Schnell, S. 32f.). Der adfc (2013b) definiert für Radfernwege u.a. eine Mindestlänge von 150 km oder eine Empfehlung von mindestens zwei Übernachtungen.
- Citar trabajo
- B.Sc. Matthias Breuer (Autor), 2013, Gegenwärtiger Wandel im Fahrradtourismus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215719
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