Vor etwa 60 Jahren ereignete sich in England einer der spektakulärsten Kriminalfälle
der britischen Geschichte. Am 09. März 1950 wurde Timothy John Evans für ein Verbrechen
hingerichtet, dass er nicht begangen hatte und zu welchem er zu Unrecht verurteilt wurde
(vgl. Drommel 2011: 30). Der 25-jährige Brite wurde angeklagt, seine Frau Beryl und seine
Tochter Geraldine ermordet zu haben. Grund für diese Anklage war sein Erscheinen bei der
Polizei am 30.11.1949, wo er sagte, er hätte seine Frau beseitigt und wolle sich stellen. Im
Prozess beteuerte Evans jedoch mehrmals seine Unschuld. Es wurden vier
Vernehmungsprotokolle angefertigt, wobei eines davon Evans‘ Geständnis beinhaltete, was
ihm zum Verhängnis wurde. Im Jahr 1967 analysierte der schwedische Linguist Jan Svartvik
die Protokolle und stellte fest, dass in allen Protokollen umgangssprachliche und dialektale
Formen zu finden waren (vgl. Fobbe 2011: 110-111). Dies spiegelte die sprachliche
Kompetenz Evans‘ wider, welcher ein „einfacher, kaum durchschnittlich intelligenter Arbeiter
[war], der nur seinen Namen schreiben und ein paar Wörter lesen konnte.“ (Fobbe 2011:
110). Eines der Vernehmungsprotokolle enthielt hingegen schriftsprachliche Formen und
stilistisch gehobene Wendungen, wie „I took her down to the flat below the same night whilst
the old man was in hospital“ oder „he handed me the money which I counted in his
presence“ (zitiert nach: Svartvik 1968: 22, 24), (Fobbe 2011: 111). Diese Tatsachen stellten
die Authentizität der Protokolle in Frage. Die Resultate dieser linguistischen Analyse führten
dazu, dass Timothy John Evans posthum freigesprochen wurde. [...]
Dieser Fall war unter Anderem einer der ersten und bedeutendsten Kriminalfälle,
welcher mit Hilfe von forensischer Linguistik (FL) aufgeklärt wurde. In der vorliegenden Arbeit
möchte ich die Bedeutung der forensischen Linguistik näher erläutern. Hauptgegenstand
dabei ist die Autorenerkennung, welche einen Teil dieser sehr umfangreichen Disziplin
darstellt. Ich werde einen kurzen Überblick über die Teilbereiche der forensischen Linguistik
sowie Informationen zur Rolle des deutschen Bundeskriminalamtes geben. Hauptsächlich
werde ich auf die Aufgaben und Methodik der Autorenerkennung Bezug nehmen und
abschließend auf spezielle Problemstellungen eingehen.
Inhaltsübersicht
1. Einleitung
2. Definition und Teilbereiche der Forensischen Linguistik
3. Die Rolle des BKA - das System KISTE
4. Aufgaben der Autorenerkennung
4.1. Textanalyse
4.2. Textvergleich
5. Methodik der Autorenerkennung
5.1. behauptete Identität und gewollte Anonymität
5.2. Fehleranalyse
5.3. Stilanalyse
5.3.1 Individualstil und „Sprachlicher Fingerabdruck“
6. Probleme bei der Autorenerkennung
6.1. Textlänge
6.2. Textsorte
6.3. multiple Autorenschaft
7. Zusammenfassung
8. Literaturverzeichnis
- Arbeit zitieren
- Bachelor of Arts Francie Träger (Autor:in), 2012, Aufgaben und Methodik der Autorenerkennung im Rahmen der Forensischen Linguistik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215263
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