Die zweite demographische Transformation wird auch als zweiter demographischer Wandel oder zweiter demographischer Übergang bezeichnet. Diese Seminararbeit beschäftigt sich allein mit der Problematik in Deutschland und unterlässt daher Vergleiche mit anderen Industriestaaten. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Seminararbeit, konzentriert sich der Inhalt auf die Ursachen der demographischen Transformation und die regionale Differenzierung anhand eines Fallbeispiels. Teilprozessen des demographischen Übergangs wie der Alterung und der Heterogenisierung der Bevölkerung durch Immigration wird weit weniger Beachtung geschenkt, als der natürlichen Bevölkerungsabnahme. Daraus resultierende Prozesse wie Binnenmigration und die Verteilung von Altersklassen in einer Region werden nur in den Fallbeispielen behandelt. Auf eine Ausarbeitung tertiärer Effekte wie Wohnungsleerstand Abbau des ÖPNV-Netzes etc. wurde gänzlich verzichtet.
Inhalts
Inhalts und Abbildungsverzeichnis
1. Vorbemerkung
2. Einführung
3. Ursachen der zweiten demographischen Transformation
4. Regionale Disparitäten
5. DDR / Neue Bundesländer
6. Fallbeispiel: Der demographische Sonderweg im Saarland
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis / Internetquellen
9. Anhang
Inhalts und Abbildungsverzeichnis
Abb.1:
Schaubild des ersten und zweiten Demographischen Übergangs in Europa. Aus: BIRG, H. (1996) Weltbevölkerung. Dynamik und Gefahren, S. 59.
Abb.2:
Abbildung über die Determinanten von Fertilität und
Reproduktionsverhalten von Frauen
(Selbst erstellt nach LEGGEWIE 2004, S. 23)
Abb.3:
Demographische Typen der Bundesländer nach Komponenten der Bevölkerungsentwicklung 2000: Aus: KEMPER, F-J. (2004): Regionale Bevölkerungsentwicklung zwischen Wachstum und Schrumpfung. S. 23.
Abb.4:
Prozentuale Bevölkerungsentwicklung von 1990-2004 in Deutschland. Aus: HOHNHORST, M. (2007): Die Bevölkerungs- entwicklung im Saarland. Der demographische Sonderweg des Saarlandes. S. 76 .
Abb.5:
Zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland von 1871 bis 2006. Aus: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung
Abb.6:
Natürliche Bevölkerungsbewegung zwischen 1950 bis 2002
im Saarland. Aus: HOHNHORST, M. (2007):
Die Bevölkerungsentwicklung im Saarland. S. 75.
Abb.7:
Deutschlands Bevölkerungsveränderung in Promille zwischen 1960 und 1997. Aus: INSTITUT FÜR LÄNDERKUNDE (Hrsg.):
(2001):Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, Band 4: Bevölkerung, S. 44.
Abb.8:
Geburten und Sterbefälle in Ostdeutschland. Aus: www.schrumpfende-stadt.de
Abb.9:
Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Aus:
BBR (2005) Raumordnungsbericht 2005, Berichte Bd. 21, Seite 31.
1. Vorbemerkung:
Die zweite demographische Transformation wird auch als zweiter demographischer Wandel oder zweiter demographischer Übergang bezeichnet. Diese Seminararbeit beschäftigt sich allein mit der Problematik in Deutschland und unterlässt daher Vergleiche mit anderen Industriestaaten. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Seminararbeit, konzentriert sich der Inhalt auf die Ursachen der demographischen Transformation und die regionale Differenzierung anhand eines Fallbeispiels. Teilprozessen des demographischen Übergangs wie der Alterung und der Heterogenisierung der Bevölkerung durch Immigration wird weit weniger Beachtung geschenkt, als der natürlichen Bevölkerungsabnahme. Daraus resultierende Prozesse wie Binnenmigration und die Verteilung von Altersklassen in einer Region werden nur in den Fallbeispielen behandelt. Auf eine Ausarbeitung tertiärer Effekte wie Wohnungsleerstand Abbau des ÖPNV-Netzes etc. wurde gänzlich verzichtet.
2. Einführung:
Um die Bedeutung der vom niederländischen Demographen van de Kaa 1987 postulierten These der „zweiten demographischen Transformation“ zu verstehen, muss man den Verlauf der ersten demographischen Transformation begriffen haben. Jede Gesellschaft tendiert darauf hin, ihr Fruchtbarkeitsverhalten an einer Art Gleichgewichtszustand auszurichten, einem Gleichgewichtszustand, der einerseits durch den Wunsch, alle Sterbefälle durch Geburten wettzumachen, und andererseits durch kollektive Vorstellungen eines wünschenswerten Bevölkerungswachstums gegeben ist. Diese Vorstellungen sind flexibel und richten sich nach der ökonomischen Möglichkeit, die Bevölkerung zu versorgen.
In Abbildung 1 sieht man das Modell des demographischen Übergans. Die ersten fünf Phasen beschreiben die erste demographische Transformation. Die Theorie des demographischen Übergangs wurde von mehreren, aus verschiedenen europäischen Ländern und der USA stammenden, Forschern Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt.
Die erste These der Theorie besagt, dass die Industrieländer im Zuge ihrer „sozio- ökonomischen Entwicklung einen Übergang von einer ‚vorindustriellen Bevölkerungsweise‘, mit niedriger Geburten- und Sterberate, die von durch eine hohe Geburten- und Sterberate gekennzeichnet war, zu einer ‚industriellen‘
Bevölkerungsweise mit niedriger Geburten- und Sterbebrate.“1durchliefen. Die Rate des Bevölkerungswachstums ergibt sich aus der Differenz zwischen Geburten- und Sterberate, welche nicht nur in der vorindustriellen sondern auch in der industriellen Phase relativ niedrig ist. Jedoch ergibt sich in der Zwischenphase der demographischen Transformation eine vergrößerte Wachstumsrate, welche sich je nach Land über mehrere Jahrzehnte erstrecken kann. In dieser Zwischenphase sinkt die Sterberate, während die Geburtenrate zunächst noch unverändert auf dem alten Niveau bleibt um dann mit einer zeitlichen Verzögerung dem Rückgang der Sterberate zu folgen.
Die zweite These der Theorie des demographischen Übergangs besagt, dass die natürliche Wachstumsrate, die Differenz zwischen Geburten- und Sterberate, auch nach Abschluss der Transformation positiv ist. Die Anzahl der Kinder pro Frau würde langfristig mindestens auf dem Reproduktionsniveau bleiben und somit eine Bestandserhaltung der Bevölkerung ohne Einwanderung garantieren. Letztere These erwies sich als inkorrekt, da in fast allen Industrieländern das für die Bestandserhaltung erforderliche Niveau nicht nur kurzfristig zu Zeiten von Kriegen und wirtschaftlicher Rezession, sondern dauerhaft unterschritten wurde. Aus diesem Grund spricht die Demographie seit den 80er Jahren von einer zweiten demographischen Transformation. Obwohl sich der Begriff hauptsächlich auf den Bevölkerungsrückgang auf die dem Babyboom der 1960er folgenden Jahre von 1965 1975 bezieht, hält der Rückgang und damit die besagte bis heute an. 2.
Nach dem Babyboom halbierte sich in Deutschland bis heute die Zahl der Neugeborenen auf etwa 700.000 pro Jahr, wobei damals die Zahl der fertilen Frauen geringer war als heute. Dies ist hauptsächlich auf einen positiven Wanderungssaldo zurückzuführen.3 Nach diesem raschen Abfallen der Totalen Fruchtbarkeitsrate ist ab 1972 ist das natürliche Bevölkerungswachstum negativ und die Kinderzahl pro Frau sinkt mit etwa 1,4 weit unter das Reproduktionsniveau von 2,1. Typische
Kennzeichen sind eine sinkende Heiratsneigung, vermehrte Scheidungen, Eheschließungen in späterer Lebensphase, Anstieg des mittleren Alters von Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes und die Zunahme nicht ehelicher Lebensgemeinschaften. Lebenslängliche Kinderlosigkeit ist eine der drastischsten
Indizien. Ferner bekommen Frauen erhöhte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, haben mehr Selbstbewusstsein für eine individuelle Lebensgestaltung und wirken autonomer und individueller. Soziale Institutionen verlieren an Einfluss, die Ehe und Familie verlieren an Bedeutung als Leitbild, woraus sich eine Pluralisierung der Lebensentwürfe ergibt. Teilprozesse dieses Übergangs sind eine Alterung der Gesellschaft, welche darüber hinaus noch eine höhere Lebenserwartung hat wie die vorangegangene Generation. Einher folgt eine Heterogenisierung der Bevölkerung, da negative Geburtenüberschüsse durch Außenwanderungsgewinne ausgeglichen . 4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (Abb. 1.)
In Herwig Birgs Sechs-Phasen-Modell des ersten und zweiten demographischen Übergangs in Europa wird Phase VI als diejenige Phase beschrieben, die mit dem Zeitpunkt beginnt, an dem sich die Kurven von Geburten und Sterberate schneiden. Die Wachstumsrate wird negativ, da weniger Menschen geboren werden als sterben. Wird dieses Geburtendefizit nicht durch Einwanderung ausgeglichen, so schrumpft die Bevölkerung. Einhergehend wächst das Durchschnittsalter im Land an.5
3. Ursachen der zweiten demographischen Transformation
Die Einführung der Pille wird fälschlicherweise oft als Grund für den Bevölkerungsschwund Ende der 1960er angesehen. „Der Pillenknick war vielmehr eine Folge tief greifender gesellschaftlicher Veränderungen (sexuelle Befreiung in Folge der „Revolution“ von 1968) und der wirtschaftlichen Rezession sowie der ersten Ölkrise.“. In Irland konnte damals eine ähnliche Schrumpfung ohne deren Markteinführung festgestellt werden.6
Die gravierende Folge des Bevölkerungsschwunds der zweiten demographischen Transformation, deren Hauptperiode sich von 1966-1972 erstreckte, ist, dass Nichtgeborene seitdem als potenzielle Eltern ausfallen. 25-30 Jahre später folgt ein Rückgang der potenziellen Eltern, das sogenannte demographische Echo, welches wiederum ein abgeschwächtes Echo nach sich ziehen wird.
In den letzten drei Jahrzehnten wurde Deutschlands Geburtendefizit durch Einwanderungsüberschüsse kompensiert. Die Bevölkerungszahl stieg sogar leicht an, im Jahre 2002 um ein Promille. Die durchschnittliche jährliche Zuwanderung betrug ca. 0,8 Millionen. Gleichzeitig wanderten, über die letzten drei Jahrzehnte gemittelt etwa 600.000 Menschen pro Jahr aus. 1980 waren es noch etwa 800.000 Geburten, während im Jahre 2003 nur noch 715.000 Kinder in Deutschland zur Welt kamen. Gegenüber den Geburten beträgt die durchschnittliche Anzahl an
Sterbefällen jährlich nahezu 850.000. Seit den 1970er werden in Deutschland die Verstorbenen stärker durch Einwanderer ersetzt als durch Geburten 7 ( Siehe Abb. 7 im Anhang).
Birg beschreibt, dass nach den vier großen historischen Einschnitten8, welche die Geburtenziffer kurzfristig etwa halbierten, das vorangegangene Niveau der Geburtenrate niemals wieder erreicht wurde und bezeichnet jene geschichtlichen Ereignisse somit als einen der Gründe für den Bevölkerungsrückgang nach 1965. Weiterhin behauptet er, dass die von der Politik begünstigte, dem Zweck der Kompensation kleiner werdender Jahrgänge dienende, Einwanderung von Menschen aus dem westasiatischen Hinterland und Nordafrika, das Ziel einer inländischen demographischen Erneuerung de facto nichtig mache. Weitere Faktoren für eine Bevölkerungsschrumpfung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind
Veränderungen der Ehe- und Scheidungsgesetze, auf dem Gebiet des Familienrechts sowie in der Familienpolitik. Die Rentenreform 1957 mit ihrem Umlageverfahren kollektivierte die Altersversorgung, obwohl die generative Leistung den Familien aufgebürdet wird. Somit wurden ab dato Kinderlose privilegiert.9
In ganz Europa hat Deutschland den größten Anteil kinderloser Frauen. Vom Jahrgang 1960 hatten im Jahr 2000 26% der Frauen keinen Nachwuchs. 30% der 25-59jährigen haben zurzeit (Stand 2008) keine Kinder obwohl sich einer Umfrage nach nur 8,5% keine wünschen.10
Birg beschuldigt eine sich auf das abstrakte Interesse des Individuums konzentrierende Politik, wobei die Existenz eines Individuums doch gerade von der Familie abhänge. Es besteht eine objektive Bindungsfeindlichkeit in den Lebensbindungen einer dynamischen Wirtschaftsgesellschaft wie Deutschland. 11 Mütter werden karrierebedingt immer älter bei der Geburt ihres ersten Kindes. Ein jähes Erreichen der biologischen Grenze ist nicht konstruktiv für ein angestrebtes Bevölkerungswachstum.12
Herwig Birg formuliert, dass Arbeitsteilung und berufliche Spezialisierung zu einer enormen Vermehrung des Spektrums beruflicher Werdegänge führte, was eine Ausweitung biographischer Entwicklungsmöglichkeiten nach sich zog. Birg spricht von einem „biographischen Universum“. Dieser Entwicklungsgang war in den Städten umso ausgeprägter, da sich dort zuerst ein größeres Spektrum an Berufsmöglichkeiten anbot, kirchliche Normen lockerten und die Toleranz gegenüber anderen Lebensformen eintrat. Die daraus resultierende individuelle Wahlfreiheit hinsichtlich beruflicher Karrieren und Existenzmöglichkeiten eröffnete eine individuelle Lebensgestaltung. Die Biographie des Einzelnen ließ sich nicht mehr so stark durch soziale Muster vorprägen und regulieren. Hierzu gehört auch die Entscheidungsfreiheit über die Bindung an einen Partner, über Eheschließung und die Wahl für oder gegen einen Kinderwunsch. Vielmehr als früher werden diese persönlichen Entscheidungen bewusst getroffen, anstatt dass der Einzelne ein durch Werte und Normen vorgegebenes gesellschaftliches Leitbild verwirklicht. Das
„persönliche Projekt“ Biographie birgt die Frage, ob man sich für oder gegen Kinder
[...]
1 Birg 1996. Die Weltbevölkerung, S. 57.
2 Vgl. Birg 1996. Die Weltbevölkerung, S. 57-58.
3 Vgl. Keper 2004. Regionale Bevölkerungsentwicklung zwischen Wachstum und Schrumpfung, S. 20f..
4 Vgl. Gans 2007. Bevölkerungsgeographie, S. 778-783.
5 Vgl. Birg 1996. Die Weltbevölkerung, S. 60
6 Hohnhorst 2007. Die Bevölkerungsentwicklung im Saarland, S. 74.
7 Vgl. BIRG 2004. Dynamik der demographischen Alterung und Bevölkerungsschrumpfung, S. 22f.
8 Anmerkung. d. Verf.: 1. Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise 1929-1933, 2. Weltkrieg, Wiedervereinigung 1990
9 Vgl. Birg 2005. Die fehlende Generation, S. 82-87.
10 Vgl. Kröhnert et al. Die demographische Zukunft von Europa, S. 167.
11 Vgl. Birg 2005. Die fehlende Generation, S. 82-87.
12 Vgl. Birg 2005. Die fehlende Generation, S. 90-91.
- Quote paper
- B.Sc. Matthias Breuer (Author), 2008, Die zweite Demographische Transformation in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214058
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